Baurecht

Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbeanlage – Unwirksamkeit einer Werbeanlagensatzung im Mischgebiet

Aktenzeichen  Au 4 K 17.88

Datum:
30.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 59 S. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1, Art. 81 Abs. 1, Abs. 2
BauGB BauGB § 30 Abs. 3

 

Leitsatz

1. In Mischgebieten ist ein generelles Verbot von Werbung mit Großflächenwerbetafeln unverhältnismäßig und unwirksam, weil es dort voraussetzungsgemäß an einem Mindestmaß an Einheitlichkeit des Baugebietscharakters fehlt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Legt der Satzungsgeber auch für Mischgebiete Größenbeschränkungen für Werbeanlagen fest, ist es erforderlich, dass eine solche Einschränkung nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten, etwa zum Schutz bestimmter Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung sowie von Bau- oder Naturdenkmälern, gerechtfertigt ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Versagungsbescheids vom 19.12.2016, Az., verpflichtet, die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung eines einseitigen City-Star-Boards auf dem Grundstück … Str., Gem., Fl.Nr. … in, nach Maßgabe der eingereichten Pläne zu erteilen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig voll-streckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage, über die gem. § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung, weil dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 59 Satz 1 BayBO). Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2016 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Dem Vorhaben steht die – hier vom Beklagten allein angeführte – Regelung in § 2 Abs. 3, Abschnitt „Kategorie 3: eingeschränkte Schutzwürdigkeit“, 2. Spiegelstrich der von der Beigeladenen erlassenen Satzung über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung von Werbeanlagen nicht entgegen. Zwar überschreitet die streitgegenständliche Werbeanlage die dort festgelegte Maximalgröße von 5,0 qm. Diese Bestimmung erfüllt jedoch nicht die rechtlichen Vorgaben für kommunale Satzungen über Werbeanlagen und ist daher unwirksam.
In Mischgebieten – wie hier von der Beigeladenen festgesetzt – ist ein generelles Verbot von Werbung mit Großflächenwerbetafeln unverhältnismäßig und unwirksam, weil es dort voraussetzungsgemäß an einem Mindestmaß an Einheitlichkeit des Baugebietscharakters fehlt (BayVGH, B.v. 21.11.2012 – 15 ZB 10.1796 – juris Rn. 11 [Werbetafel im Format 3,90 m x 2,90 m]; VG Würzburg, U.v. 10.3.2015 – W 4 K 14.1137 – Rn. 29 f.). Einen solchen Ausschluss enthält die Satzung der Beigeladenen zwar nicht ausdrücklich, wohl aber de facto, weil die Größenbeschränkung von 5,0 qm Werbeanlagen im gängigen Euro-Format (Außenmaße der Ansichtstafel ca. 11 qm) durchweg ausschließt.
Zwar erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Satzungsgeber auch für Mischgebiete Größenbeschränkungen für Werbeanlagen festlegt und damit die Errichtung von Werbetafeln im Euro-Format unterbindet. Erforderlich ist in diesem Fall jedoch – wie stets –, dass eine solche Einschränkung nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten, etwa zum Schutz bestimmter Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung sowie von Bau- oder Naturdenkmälern, gerechtfertigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2015 – 15 ZB 13.1896 – juris Rn. 10 m.w.N.; BayVGH, B.v. 21.11.2012 – 15 ZB 10.1796 – juris Rn. 11; VG Augsburg, U.v. 10.2.2017 – Au 4 K 16.1452 – juris Rn. 29).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Satzung der Beigeladenen geht selbst davon aus, dass die hier einschlägige Kategorie 3 bei Mischgebieten mit vorrangiger Prägung durch gewerbliche Nutzungen Anwendung findet. Besondere, den Ausschluss von Großflächenwerbetafeln rechtfertigende Gegebenheiten sind schon deshalb nicht ersichtlich. Noch weiter gehend wird in der Begründung zur Satzung (S. 16) für den hier fraglichen Bereich ausgeführt, dass die städtebauliche Gestaltung bis zu den Grundstücken … Straße … auf der Westseite (d.h. gegenüber dem Vorhabenstandort) und … Straße … (d.h. der Vorhabenstandort selbst) von einer gewerblichen Bebauung mit einem sehr unterschiedlichen Erscheinungsbild bestimmt wird. Ausdrücklich führt die Begründung der Satzung aus, dass hier keine ortsgestalterischen Besonderheiten bzw. keine Schutzwürdigkeiten bestehen. Auch für den sich unmittelbar anschließenden „Teilbereich bis zur …- und …straße“ werden in der Sache keine besonderen ortsgestalterischen oder städtebaulichen Gegebenheiten angeführt; vielmehr ist von einem inhomogenen Stadtbild die Rede. Soweit die Beigeladene in der Begründung im Weiteren (S. 17) darauf verweist, der Straßenraum (Verkehrsflächen) des gesamten Bereichs … Straße Mitte Süd weise durch den Umbau vor einigen Jahren insgesamt eine hohe Gestaltqualität auf, beschränkt sich dies offenbar auf die Verkehrsflächen als solche, nicht aber auf die hier in Rede stehende Bebauung jenseits der Verkehrsflächen, für die die Beigeladene selbst keine Schutzwürdigkeit angenommen hat. Zudem hat die Beigeladene bereits in ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung betreffend das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. Mai 2012 (Au 4 K 11.1806) zur Werbeanlage auf Fl.Nr. … Bemühungen zur Aufwertung der gegebenen städtebaulichen Situation angeführt. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nicht ausreichen lassen (BayVGH, B.v. 14.8.2012 – 15 ZB 12.1515 – juris Rn. 6), ganz abgesehen davon, dass die Beigeladene in der jetzigen Satzung im hier fraglichen Bereich gerade nicht die gesamte städtebauliche Situation, sondern nur die Gestaltqualität der Verkehrsflächen angeführt hat.
Auch jenseits der von der Beigeladenen in der Satzung und der Begründung angeführten Gesichtspunkte sind besondere ortsgestalterische Gründe oder eine gewisse Wertigkeit des Gebiets in baugestalterischer Hinsicht nicht erkennbar. Dies hat die Kammer bereits im Urteil vom 23. Mai 2012 (Au 4 K 11.1806) zur Werbeanlage auf Fl.Nr. … (UA S. 6) ausgeführt und hierzu unter anderem auf die vorhandene Tankstelle (in deren Bereich die jetzige Werbeanlage errichtet werden soll) und das schräg gegenüber liegende Autohaus verwiesen. Die im gerichtlichen Schreiben vom 6. April 2017 mitgeteilte Annahme, dass sich seit dem in jenem Verfahren am 22. März 2012 durchgeführten Augenschein die Situation vor Ort nicht nennenswert verändert hat, haben die Beteiligten nicht in Frage gestellt.
Insofern enthält die jetzige Satzung der Beigeladenen zwar eine Differenzierung nach Kategorien der Schutzwürdigkeit. Dies ist aber unbehelflich, wenn – wie hier – die Beigeladene im hier in Rede stehenden Bereich im Rahmen des festgesetzten Mischgebiets selbst gerade keine ortsgestalterischen Besonderheiten annimmt. Zudem kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Beigeladene selbst in der „Kategorie 4: ohne Schutzwürdigkeit“ eine Größenbeschränkung für Werbeanlagen von 10 qm vorsieht und damit de facto nicht nur in Misch-, sondern selbst in Gewerbe- und Industriegebieten Großflächenwerbetafeln ausschließt. Damit enthält die nunmehrige Satzung der Beigeladenen mittels Größenbeschränkung für ihr gesamtes Gebiet einen pauschalen Ausschluss von Großflächenwerbetafeln. Die auf den ersten Blick vorgenommene Differenzierung besteht daher nur in Bezug auf einen mehr oder minder eindeutigen Ausschluss von Werbetafeln der in Rede stehenden Art.
Der Klage war damit mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, konnten ihr keine Kosten auferlegt werden (§ 154 Abs. 3 VwGO); aus diesem Grunde trägt sie jedoch auch ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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