Baurecht

Baugenehmigung zur Errichtung eines Bullenmaststalls und einer Getreidelagerhalle im Dorfgebiet

Aktenzeichen  AN 17 K 19.01267

Datum:
16.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12826
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 5 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 2
BayBO Art. 59
BauGB § 34 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Einordnung als faktisches Dorfgebiet setzt kein bestimmtes prozentuales Mischverhältnis der drei Hauptnutzungsarten des § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO voraus. Notwendig ist aber wenigstens eine noch aktive landwirtschaftliche Wirtschaftsstelle. (Rn. 25)
2. Besondere Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber Wohnnutzung im Dorfgebiet, § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO: Die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Beeinträchtigungen sind insoweit gebietstypisch und daher in der Regel von der dort vorhandenen Wohnnutzung hinzunehmen. (Rn. 29)
3. Die Abstandsregelung für Rinderhaltungen des Bayerischen Arbeitskreises für „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“, Kap. 3.3.2, kann zur Orientierung bei der Prüfung, ab wann im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbare Geruchsimmissionen einer Rinderhaltung vorliegen, herangezogen werden (BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 24). (Rn. 30)
4. Treuwidriges Berufen auf unzumutbare Geruchsimmissionen durch Rinderhaltung im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, wenn in Kenntnis der Belastungssituation in einem Dorfgebiet ein Wohngebäude errichtet wurde und das beklagte Vorhaben im Wesentlichen nur der Ersetzung eines abgebrannten landwirtschaftlichen Bestandsgebäudes dient. (Rn. 31)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. 
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Die Klage ist unbegründet und damit abzuweisen, weil der dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigungsbescheid vom 21. Mai 2019 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Eine Anfechtungsklage hat nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nämlich nur dann Erfolg, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Dafür genügt nicht die objektive Verletzung einer Rechtsnorm. Die Rechtsverletzung muss sich aus einer Norm ergeben, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient (Schutznormtheorie, s. BayVGH, B.v. 23.6.2017 – 15 ZB 16.920 – BayVBl 2019, 596 Rn. 8). Zudem müssen die als verletzt gerügten Normen Teil des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren sein, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 140. EL Februar 2021, Art. 66 Rn. 537).
Eine Verletzung drittschützender Normen des Prüfprogramms durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung scheidet aus. Das Prüfprogramm bemisst sich vorliegend nach Art. 59 BayBO (vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren), da der durch den Beigeladenen geplante Bullenmaststall mit Güllebehälter und die Getreidelagerhalle keine Sonderbauten im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO sind.
a) Es liegt kein Verstoß gegen die gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften der §§ 29 bis 38 BauGB vor. Das Vorhabengrundstück des Beigeladenen liegt wie das des Klägers in einem faktischen Dorfgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO. Die durch den Beigeladenen vorgesehene landwirtschaftliche Nutzung seiner Bauvorhaben im Sinne des § 201 BauGB ist in einem Dorfgebiet gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO grundsätzlich zulässig. Das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme wird durch das Vorhaben nicht verletzt.
aa) Das Vorhabengrundstück des Beigeladenen ist im Ganzen noch im Innenbereich belegen und in Übereinstimmung mit den Beteiligten nicht nach § 35 BauGB zu beurteilen, obschon dies zum selben Ergebnis führen würde. Der Innenbereich definiert sich nach § 34 Abs. 1 BauGB als im Zusammenhang bebauter Ortsteil. Der Bebauungszusammenhang reicht dabei soweit, wie eine tatsächlich vorhandene Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (BayVGH, U.v. 31.10.2013 – 1 B 13.794 – juris Rn. 13), wobei das geplante Vorhaben, dessen Zulässigkeit zu bestimmen ist, außer Betracht bleibt (schon BVerwG, U.v. 6.12.1967 – IV C 94.66 – juris Rn. 27). Ein Ortsteil ist in Abgrenzung von einer Splittersiedlung jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht be-sitzt und Ausdruck einer organisch gewachsenen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – NVwZ 2015, 1767 Rn. 11). Unter Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind in einem Dorfgebiet dabei nicht nur Gebäude zu zählen, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, sondern auch landwirtschaftliche Gebäude (Spannowsky in Span-nowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 52. Ed. 1.8.2020, § 34 Rn. 17.2). Die Entscheidung, ob ein Bebauungszusammenhang gegeben ist, ist auf Basis einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Bewertung zu treffen (Spannowsky a.a.O., § 34 Rn. 22).
Gemessen an diesem Maßstab ist das Grundstück des Beigeladenen in Gänze, auch soweit das bislang unbebaute nach Osten liegende Drittel, in welchem das Bauvorhaben errichtet werden soll, betroffen ist, dem Innenbereich zuzuordnen. Es ist ausweislich der Luftbilder des BayernAtlas sowie der gerichtlichen Inaugenscheinnahme zum einen von Norden und Westen in die bestehende Bebauung … vor allem aus Wohnhäusern und (ehemaligen) landwirtschaftlichen Hofstellen eingefasst, wobei die westlich des Vorhabengrundstücks anschließende Straße … (FlNr. …) aufgrund ihrer beidseitigen Bebauung keine trennende Wirkung hat (vgl. BVerwG, B.v. 16.2.1988 – 4 B 19/88 – NVwZ-RR 1989, 7; OVG SH, B.v. 20.8.2015 – 1 LA 20/15 – KommJur 2016, 78 Rn. 7). Im Süden schließt sich, getrennt durch die schmale Stich straße FlNr. …, zum einen das Fahrsilo des Beigeladenen selbst auf FlNr. …, sowie weiter südlich die zweite Hofstelle des Landwirts … (FlNr. …) an, dessen Grundstück in Ost-West-Richtung etwa parallel zum Beigeladenengrundstück liegt. Außerdem befindet sich südlich des Vorhabengrundstücks und östlich der Kreisstraße … gelegen weitere Wohnbebauung sowie u.a. eine Schreinerei (FlNrn. …, …, …, …, …). Demnach ergibt sich das Bild eines von drei Seiten von Bebauung umgebenen und selbst bis auf das östliche Drittel u.a. mit einem Wohnhaus, einem Stallgebäude, einer Scheune und einem leerstehenden Wohnhaus bebauten Grundstücks, welches vom Beginn des Außenbereichs durch die sich östlich anschließende Stich straße FlNr. … getrennt ist. Das bisher unbebaute östliche Drittel des Beigeladenengrundstücks vermag den Eindruck der Geschlossenheit insofern nicht zu durchbrechen. In diesem Fall spricht eine Regelvermutung für den Innenbereich, die hier nicht widerlegt ist (BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 1 ZB 12.468 – juris Rn. 3); im Übrigen ergäbe sich auch aus einer nur mit zwei Seiten an den Innenbereich angrenzenden Lage kein automatischer Umkehrschluss auf § 35 BauGB (Spannowsky in Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 52. Ed. 1.8.2020, § 34 Rn. 26; s.a. BVerwG, U.v. 6.12.1967 – IV C 94.66 – juris Rn. 26).
bb) Der Gebietscharakter in der näheren Umgebung des Bauvorhabens des Beigeladenen einschließlich des Grundstücks des Klägers entspricht einem faktischen Dorfgebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO, in dem eine landwirtschaftliche Nutzung sogar in privilegierter Weise zulässig ist.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dienen Dorfgebiete der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Bei dem so beschriebenen Dorfgebiet handelt es sich gleichsam um ein ländliches Mischgebiet, dessen Charakter grundsätzlich nicht von einem bestimmten prozentualen Mischverhältnis der drei Hauptnutzungsarten abhängt. Es reicht also aus, dass wenigstens noch eine Wirtschaftsstelle eines landwirtschaftlichen Betriebs neben Wohngebäuden und Ge-werbe- oder Handwerksbetrieben vorhanden ist und das Gebiet dörflich prägt (BVerwG, B.v. 4.12.1995 – 4 B 258/95 – NVwZ-RR 1996, 428; BayVGH, B.v. 16.10.2013 – 15 CS 13.1646 u.a. – juris Rn. 20, 23 f.; Karber in Spannowsky/Hornmann/Kämper, BeckOK BauNVO, 25. Ed. 15.3.2021, § 5 Rn. 16).
Die Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabens im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB, die jedenfalls insoweit berücksichtigt werden muss, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG, B.v. 27.3.2018 – 4 B 60.7 – ZfBR 2018, 479 Rn. 7), entspricht dieser Definition. Zunächst befinden sich auf dem Vorhabengrundstück mit dem bereits errichteten Bullenmaststall im Süden des Geländes sowie der Scheune im Norden Gebäude des aktiven landwirtschaftlichen Betriebs des Beigeladenen. Daneben gibt es noch Wohnbebauung. Die bereits auf dem Baugrundstück vorhandenen Gebäude dürfen bei der Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung herangezogen werden (BVerwG, B.v. 21.6.2007 – 4 B 8/07 – juris Rn. 4). Im durch die südliche Stich straße FlNr. … und die Kreisstraßen … (FlNr. …) und … (FlNr. …) gebildeten Dreieck – ausgeklammert sind allerdings die FlNrn. … und der südliche Teil der FlNr. … (bereits Außenbereich) – ist neben zahlreichen Wohnhäusern, wie unter anderem auf dem klägerischen Grundstück (FlNr. …), auf der FlNr. … im Norden der landwirtschaftliche Betrieb … ansässig. Ganz im Osten des so beschriebenen Dreiecks befindet sich eine Gemeinschaftshalle der Jagdgenossenschaft. Südlich des Vorhabengrundstücks und jenseits der schmalen Stich straße FlNr. …, der hier keine trennende Wirkung innewohnt, befindet sich ein weiterer landwirtschaftlicher Betrieb (* …), und mit einer Schreinerei (FlNr. …) und einem Frisör (FlNr. …) zwei handwerkliche Betriebe. Ebenfalls noch zur näheren Umgebung zählt das südlich kurz nach der Kreuzung der Stich straße FlNr. … mit der Kreisstraße … liegende Grundstück FlNr. …, auf dem eine Kfz-Werkstatt mit kleinem Autohaus als gewerbliche Nutzung betrieben wird. Schließlich ist über das Autohaus hinaus jedenfalls auch die erste Reihe der Bebauung auf der westlichen Seite der Kreisstraße … (FlNr. …) beginnend im Süden an der Kreuzung mit der Stich straße FlNr. … bis zur Kreuzung mit der Kreisstraße … (FlNr. …) im Norden Teil der näheren Umgebung, da die Kreisstraße … … nach dem Eindruck aus der gerichtlichen Inaugenscheinnahme keinen trennenden Charakter hat. Dort befindet sich vornehmlich Wohnbebauung, an der nördlichen Kreuzung aber auch das Gasthaus und die Metzgerei … Damit entspricht die Eigenart der näheren Umgebung dem in § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO definierten Dorfgebiet, da sich sowohl Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe – die des Beigeladenen und des Betriebs … – und Wohnbebauung finden, als auch der Gebietsversorgung dienende Handwerksbetriebe wie den Frisör und die Metzgerei. Die Schreinerei ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte jedenfalls als nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb einzuordnen (vgl. BayVGH, B.v. 2.11.2004 – 20 ZB 04.1559 – NVwZ-RR 2005, 602, 603; Karber in Spannow-sky/Hornmann/Kämper, BeckOK BauNVO, 25. Ed. 15.3.2021, § 5 Rn. 86), ebenso das Autohaus. Selbst wenn man über die eben getroffene Einordnung der näheren Umgebung diese großzügiger fasste und noch die durch die Staats straße … und die Kreisstraßen … und … gerahmten Areale bis zum Beginn des Außenbereichs sowie die nördlich davon bis zur optischen Begrenzung durch die Linie FlNr. … stehende Bebauung einbeziehen würde, ergäbe sich kein anderer Gebietscharakter. Die dort nach Aktenlage befindlichen Nutzungen halten sich nämlich allesamt im Rahmen des durch § 5 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO Vorgegebenen.
cc) In einem faktischen Dorfgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO sind Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe nicht nur gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig, sondern sogar durch § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, wonach auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen ist, insbesondere geschützt. Unter den Begriff der Wirtschaftsstelle fallen alle dem landwirtschaftlichen Betrieb dienende bauliche Anlagen, u.a. auch das durch den Beigeladenen geplante Stallgebäude, der Güllebehälter und das Getreidelager (Karber in Spannowsky/Horn-mann/Kämper, BeckOK BauNVO, 25. Ed. 15.3.2021, § 5 Rn. 49).
dd) Das genehmigte Bauvorhaben des Beigeladenen verletzt auch nicht das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, auf welches sich der Kläger mit seinem ebenfalls im faktischen Dorfgebiet befindlichen Grundstück FlNr. …, welches mit zwei Wohnhäusern bebaut ist, berufen kann.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist eine grundsätzlich nach den §§ 2 bis 14 BauNVO zulässige Anlage im Einzelfall unzulässig, wenn von ihr Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Störungen können insbesondere durch die Einwirkung von Immissionen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG auftreten, hier insbesondere durch Geruchs- und Lärmimmissionen des geplanten Bullenmaststalls mitsamt Güllebehälter. Hinsichtlich des Maßstabes für die (Un-)Zumutbarkeit von Störungen des Vorhabens des Beigeladenen ist jedoch vorauszuschicken, dass § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die Belange landwirtschaftlicher Betriebe einschließlich deren Entwicklungsmöglichkeiten in einem Dorfgebiet vorrangig berücksichtigt. Konkret bedeutet dies, dass in einem Dorfgebiet der Schutz des Wohnens wegen der den landwirtschaftlichen Betrieben zukommenden Vorrangstellung eingeschränkt ist. Die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Beeinträchtigungen sind insoweit gebietstypisch und daher in der Regel von der dort vorhandenen Wohnnutzung hinzunehmen. Das bezieht sich auf alle landwirtschaftlichen Emissionen wie etwa solche aus der Tierhaltung herrührende, aber etwa auch auf Traktor- und Maschinengeräusche oder die Bewegungsgeräusche von Stall- und Scheunentoren (stRspr des BayVGH: B.v. 23.2.2021 – 15 CS 21.403 – juris Rn. 83; B.v. 10.8.2020 – 1 CS 20.1440 – juris Rn. 7; B.v. 4.9.2019 – 1 ZB 17.662 – juris Rn. 5; B.v. 3.2.2017 – 9 CS 16.2477 – juris Rn. 20; B.v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 – juris Rn. 23; U.v. 12.7.2004 – 25 B 98.3351 – juris Rn. 30).
Unter Berücksichtigung dessen kann zur Orientierung, ab wann Geruchsimmissionen durch Rinderhaltung unzumutbar im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind, mangels verbindlicher (unter-)gesetzlicher Regelungswerke, siehe etwa den Ausschlusstatbestand in Nr. 1 der TA Luft für Geruchsimmissionen, unter anderem die Abstandsregelung für Rinderhaltungen des Bayerischen Arbeitskreises für „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“, Kap. 3.3.2, Stand 03/2016, herangezogen werden (BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 24). Daran gemessen liegt das am südwestlichen Rand des klägerischen Grundstücks gelegene Wohnhaus jenseits der Unbedenklichkeitsgrenze des genannten Regelwerks, sogar, wenn man wie der Beklagte aus Vorsichtsgründen den Rinderbestand sowohl aus dem bereits auf dem südlichen Grundstücksteil des Beigeladenen vorhandenen und betriebenen Rinderstall als auch den neu hinzukommenden Rinderbestand im Rahmen des Bauvorhabens, insgesamt 125,6 Großvieheinheiten [GV] (24,8 GV [Bestandsstall] + 100,8 GV [Vorhabenstall]), ansetzt. Dann liegt der Korridor, innerhalb dessen zunächst eine Einzelfallprüfung vorzunehmen wäre, in einem Dorfgebiet zwischen 25,56 m als Mindestabstand – unterhalb dessen wäre eine schädliche Umwelteinwirkung zu vermuten – und 45,12 m, ab dem keine schädlichen Umwelteinwirkungen auf die Wohnbebauung mehr vorliegen (S. 5 der Abstandsregelung für Rinderhaltungen). Das südwestlich gelegene Wohnhaus liegt weiter als 45,12 m vom geplanten Bullenmaststall entfernt. Insoweit konnte auch auf eine Prüfung der Vorbelastung durch den Betrieb … abgesehen werden, da dieser von dem südwestlichen gelegenen Wohnhaus auf dem Klägergrundstück jedenfalls über 40 m (Messung BayernAtlas) entfernt liegt und damit selbst bei einem Maximum von 250 Großvieheinheiten noch oberhalb der unteren Abstandskurve des o.g. Regelwerks läge.
Das weiter östlich, etwa in der Grundstücksmitte gelegene weitere Wohnhaus des Klägers ist durch das Bauvorhaben des Beigeladenen ebenso wenig unzumutbaren Geruchsimmissionen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ausgesetzt. Laut der Baugenehmigung für dieses Haus mitsamt den genehmigten Bauvorlagen vom 12. Januar 2005 müsste dieses 45 m vom geplanten Bullenmaststall des Beigeladenen entfernt sein. Durch die baugenehmigungswidrige tatsächliche Ausführung beträgt der Abstand zwar tatsächlich nur noch 42 m, jedoch ist dies dem Kläger als Bauherrn selbst anzulasten. Ein Abstand von 45 m begründet, wenn er auch nur um 0,12 m hinter der Unbedenklichkeitsgrenze zurückbleibt, das Erfordernis einer Einzelfallprüfung, die der Beklagte indes korrekt vorgenommen hat. Gegen eine unzumutbare Beeinträchtigung des Klägers durch (Geruchs-)Immissionen aus der Rinderhaltung des Beigeladenen spricht zunächst, dass der Kläger im Jahr 2005 in Kenntnis der Gebietsvorprägung durch Rinderhaltung sein Wohnhaus errichtet hat. Laut Seite 13 der Bauverfahrensakte zum Wohngebäude des Klägers (* …) bestand bereits im Jahr 2004 im Norden dessen Wohnhauses der Betrieb … mit zwei Stallungen mit zum einen 80 Mastbullen (48 GV) und zum anderen 80 Mastschweinen (12,8 GV). Weiter war auch damals schon der Betrieb des Beigeladenen auf der FlNr. … im Süden aktiv und zwar mit insgesamt 210 Mastbullen (Stellungnahme des Landwirtschaftsamtes* … vom 17.12.2004). Insofern erscheint ein Berufen auf eine unzumutbare Immissionsbelastung treuwidrig (§ 242 BGB analog). Dies alleine würde schon zur Verneinung unzumutbarer Belästigungen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO führen. Darüber hinaus ist noch anzuführen, dass sich das zweite Stallgebäude des Beigeladenen (Aufzuchstall) im Süden von dessen Grundstück sogar etwa 73 m entfernt vom besagten Wohnhaus des Klägers befindet. Schließlich ist, wie der Beklagte zutreffend ausführt, miteinzustellen, dass eine Kumulation der Geruchsemissionen des Betriebs … auf der FlNr. … im Norden des klägerischen Grundstücks und des Betriebs des Beigeladenen auf der FlNr. … im Süden des klägerischen Grundstücks aufgrund von deren entgegengesetzter Lage nicht zu erwarten ist. Schließlich ist angesichts des geringfügigen Zurückbleibens von nur 0,12 m hinter der Unbedenklichkeitsgrenze nochmals die Wertung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO aufzurufen: Die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Beeinträchtigungen sind gebietstypisch und daher in der Regel von der dort vorhandenen Wohnnutzung hinzunehmen (s.o.).
Weitere zu einer möglichen Unzumutbarkeit von Belästigungen oder Störungen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO führende Immissionen auf das Klägergrundstück durch das Vorhaben des Beigeladenen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist der Güllebehälter nach Ziffer II. Nr. 11 des Baugenehmigungsbescheids vom 21. Mai 2019 in geschlossener Bauweise zu errichten und nach Nr. 10 zwischen Stallgebäude und Güllelagerbehälter ein funktionssicherer Geruchsverschluss einzubauen.
b) Verstöße gegen drittschützende und im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b und c BayBO zu prüfende bauordnungsrechtliche Vorschriften sind anhand des klägerischen Vortrags und der Aktenlage nicht ersichtlich. Die durch den Beigeladenen beantragte und gewährte Befreiung von Art. 6 BayBO zum nördlichen Nachbargrundstück FlNr. … nach Art. 63 BayBO, die gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO auch Teil des Prüfprogramms ist, berührt den Kläger mangels Berechtigung an diesem Grundstück nicht als Nachbar.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Nachdem der Beigeladene einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten ersetzt erhält, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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