Baurecht

Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer Spielhalle in einem Gebiet sui generis

Aktenzeichen  M 8 K 14.3685, M 8 K 14.3687

Datum:
7.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1
BauNVO BauNVO § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Soweit sich die streitgegenständliche Umgebung keiner der Gebietsarten der BauNVO zuordnen lässt, liegt eine Gemengenlage vor, die nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Spielhalle ist entweder als nicht kerngebietstypische oder als kerngebietstypische Vergnügungsstätte iSd BauNVO zuzuordnen, deren Rahmenverträglichkeit in einer Gemengenlage dann gegeben ist, wenn in der näheren Umgebung bereits Spielhallen oder sonstige Vergnügungsstätten vorhanden sind. Ein in der Umgebung befindlicher Bordellbetrieb ist unbeachtlich, da es sich dabei um einem Gewerbebetrieb iSd BauNVO handelt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Verfahren M 8 K 14.3685 und M 8 K 14.3687 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
Die Klagen werden abgewiesen.
III.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Die zulässigen Klagen, die gem. § 93 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden konnten, sind nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf positive Beantwortung der beantragten Vorbescheidsfragen 2, weil ihr Vorhaben in beiden abgefragten Varianten öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, die im Vorbescheidsverfahren nach Art. 71 Satz 4, Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfen sind, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Auch die Hilfsanträge auf Neuverbescheidung bleiben ohne Erfolg, da die hinsichtlich Frage 2 negative Vorbescheide jeweils rechtmäßig sind, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
1. Gemäß Art. 71 Satz 1 BayBO kann vor Einreichung des Bauantrags auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden. Als feststellender Verwaltungsakt stellt der Vorbescheid im Rahmen der vom Bauherrn gestellten Fragen die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die Gegenstand der Prüfung sind, fest und entfaltet während seiner regelmäßigen Geltungsdauer von drei Jahren (Art. 71 Satz 2 BayBO) Bindungswirkung für ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren. Die im Vorbescheidsantrag der Klägerin gestellten Fragen betreffen alleine die planungsrechtliche Zulässigkeit der zwei Vorhabensvarianten nach den §§ 29 ff. BauGB.
1.1 Die beiden vorliegend abgefragten streitgegenständlichen Bauvorhaben der Klägerin sind planungsrechtlich in beiden Varianten (Spielhalle mit 144 m², Spielhalle unter 100 m²) unzulässig, da sie sich nach Art der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, Art. 71, Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 BayBO i. V. m. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Das Vorhaben soll in einem Bereich verwirklicht werden, für den weder ein qualifizierter noch ein einfacher Bebauungsplan Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung trifft, so dass sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB beurteilt (vgl. VG München, U. v. 12.12.2011 – M 8 K 11.2358 – juris Rn. 34).
Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einer Gebietskategorie der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der BauNVO ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden.
Die maßgebliche nähere Umgebung reicht soweit, wie einerseits die Umgebung den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst und andererseits die Ausführung des Vorhabens sich auf die Umgebung auswirken kann (vgl. BVerwG, B. v. 11.2.2000 – 4 B 1/00 – juris Rn. 40). Die Grenze der näheren Umgebung lässt sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern ist nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (BVerwG, B. v. 28.8.2003 – 4 B 74/03 – juris Rn. 2). Zur maßstabsbildenden vorhandenen Bebauung kann dabei auch ein qualifiziert beplantes Gebiet gehören (vgl. BVerwG, B. v. 24.11.2009 – 4 B 1/09 – juris Rn. 5). Ob eine Straße insoweit eine trennende oder verbindende Wirkung hat, ist eine Frage des Einzelfalles (vgl. BayVGH, B. v. 20.9.2012 – 15 ZB 11.460 – juris Rn. 6).
1.2 Gemessen an diesen Vorgaben und nach dem Ergebnis des Augenscheins gehört vorliegend zur maßgeblichen näheren Umgebung die Bebauung auf der Südseite der …-straße auf den Anwesen …-str. 109 bis …-str. 137/139. Zu berücksichtigen ist auch die auf dem Vorhabengrundstück selbst vorhandene bauliche Nutzung. Dagegen scheidet eine Einbeziehung der auf der Nordseite der …-straße vorhandenen Bebauung aus, da die …-straße, die zum Teil vierspurig ausgebaut und auch im zweispurigen Bereich stark befahren ist, insoweit trennende Wirkung entfaltet (vgl. VG München, U. v. 12.12.2011 – M 8 K 11.2358 – juris Rn. 36). Zudem unterscheidet sich die Bebauung auf der Nordseite nach ihrem Charakter und der vorgefundenen Bebauungsstruktur deutlich von derjenigen auf der Südseite.
Nach dem Ergebnis des Augenscheins befinden sich in dem Gebäude …-str. 109 drei Gewerbe- und vier Wohneinheiten, die keine Betriebsleiterwohnungen darstellen. Im Hintergebäude ist eine Schreinerei untergebracht. Das zweigeschossige Gebäude …-str. 111 weist zwei Wohnnutzungen auf. Bei der …-str. 113 handelt es sich um ein Gewerbegebäude, das bis auf eine Eisproduktion offenbar leer steht. Dahinter befindet sich auf dem Grundstück Fl.-Nr. … ein neues zweigeschossiges Gebäude, das gewerblich genutzt wird. Bei dem Nachbargebäude auf Fl.Nr. … handelt es sich offenbar um eine Großgarage. Auf dem Vorhaben-grundstück Fl.Nr. …, …-str. 115 befindet sich ein Autohandel. Als nächste Bebauung besteht auf dem Grundstück Fl.Nr. … ein dreigeschossiges Gebäude mit gewerblicher Nutzung in Form eines größeren Beleuchtungsgeschäftes mit elektronischer Produktion. Ein Hinweis auf eine Wohnnutzung in diesem Gebäude gibt es nicht. In dem Gebäude …-str. 129 sind 13 Wohnnutzungen zu finden, im Anbau offenbar gewerbliche Nutzung, daneben einige Verkaufscontainer bzw. Verkaufsbaracken sowie eine Imbissbude. Das Grundstück Fl.Nr. … ist ansonsten weitgehend mit Fahrzeugen zugeparkt und wird offenbar von mehreren Autohändlern zum Autohandel genutzt. Südlich steht eine zweigeschossige Wohncontaineranlage mit 8 Containern, die laut Angabe der Beklagten nicht genehmigt, sondern nur geduldet werde. Im zweigeschossigen Gebäude …-str. 131 befindet sich eine bordellartige Nutzung, die Gebäude …-str. 133 und 135 sind Wohngebäude mit insgesamt ca. 13 Wohneinheiten sowie vier Leerständen. Das Gebäude …-str. 137 wird gewerblich genutzt und weist offenbar zusätzlich eine Betriebsleiterwohnung auf. In dem Gebäude …-str. 139 befinden sich 2 Gewerbeeinheiten sowie drei Wohneinheiten.
1.3 Nach dem Ergebnis des Augenscheins lässt sich die nähere Umgebungsbebauung weder als Kerngebiet im Sinn von § 7 Abs. 1 BauNVO noch als Mischgebiet nach § 6 Abs. 1 BauNVO und auch nicht als Gewerbegebiet im Sinne von § 8 Abs. 1 BauNVO einer der Gebietsarten der Baunutzungsverordnung zuordnen (vgl. auch VG München, U. v. 12.12.2011 – M 8 K 11.2358 – juris Rn. 38). Daher liegt eine Gemengelage vor, so dass im vorliegenden Fall zur Bestimmung der Zulässigkeit von Vorhaben § 34 Abs. 1 BauGB zur Anwendung kommt.
1.3.1 Einer Einstufung als Kerngebiet im Sinne des § 7 BauNVO widerspricht vorliegend insbesondere die die auf den Grundstücken mit den Fl.Nrn. … (…-str. 133 und 135), Fl.Nr. … (…-str. 129), Fl.Nr. … (…-str. 111 und Fl.Nr. … (…-str. 109) vorhandene Wohnnutzung. Kerngebiete dienen gemäß § 7 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur. Sie haben zentrale Funktionen mit vielfältigen Nutzungen und einem urbanen Angebot an Gütern und Dienstleistungen der Stadt und für die Wohnbevölkerung eines großen Einzugsbereichs. Wohnen ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 6 und 7 BauNVO allgemein und gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise zulässig (vgl. BayVGH, B. v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – juris Rn. 6). Vorliegend sind zentrale Einrichtungen in diesem Sinne in der maßgeblichen Umgebung nicht vorhanden. Den Handels- und sonstigen Gewerbebetrieben in dem Bereich fehlt insbesondere der spezifische Charakter, der für derartige Betriebe in einem Kerngebiet typisch sind (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 118, EL August 2015, BauNVO § 7 Rn. 1, 10). Dass neben kleineren Betrieben auch zumindest ein mittelgroßes Ladengeschäft mit elektronischer Produktion vorhanden ist, macht das Gebiet nicht zum Kerngebiet. Auch der auf mehreren Anwesen, darunter dem streitgegenständlichen ausgeübte Gebrauchtwagenhandel ist gerade nicht kerngebietstypisch. Eine Einstufung als Kerngebiet kommt aber darüber hinaus jedenfalls wegen der vorhandenen Wohnnutzungen nicht in Frage. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 6 und 7 BauNVO sind in einem Kerngebiet allgemein nur Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter sowie ferner nach Ziffer 7 sonstige Wohnungen nach Maßgaben von Festsetzungen des Bebauungsplans zulässig. Mangels Bebauungsplan im streitgegenständliche Umgriff kommen daher nur Wohnungen nach Ziffer 6 in Betracht. Ausnahmsweise können gem. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zwar Wohnungen zugelassen werden, die nicht unter § 7 Abs. 2 Nr. 6 und 7 BauNVO fallen, der Charakter des Kerngebiets als Gebiet mit den zentralen Einrichtungen darf durch die Zulassung von Wohnnutzung jedoch nicht aufgehoben werden (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauNVO 118. EL. 2015 § 7 Rn. 40 und 46). Allein aus dem Umstand, dass die Gebäude …-str. 133 und 135 ausschließlich zu Wohnzwecken mit insgesamt 13 Wohneinheiten genutzt werden, ist zu schließen, dass es sich dabei nicht um Wohnungen für den in § 7 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO eng begrenzten Bereich handelt. Ferner werden die auf dem Grundstück der …-str. 128 aufgestellten Wohncontainer sicherlich ebenfalls nicht von Betriebsleitern und Aufsichts- und Bereitschaftspersonen genutzt. Wegen des Umfangs der vorzufindenden Wohnnutzung kann es sich auch nicht um ausnahmsweise zulässige Wohnungen nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO handeln. Die vorhandene Wohnnutzung ist auch nicht als „Fremdkörper“ bei der Bestimmung der Umgebungsbebauung außer Betracht zu lassen. Derartige Fremdkörper sind in der Regel Baulichkeiten, die in einem auffälligen Kontrast zu der sie umgebenden, im Wesentlichen homogenen Bebauung stehen und die wegen ihrer Andersartigkeit und singulären Charakters ihre Umgebung nicht zu beeinflussen vermögen (vgl. BVerwG, B. v. 1.9.2010 – 4 B 31/10 – juris Rn. 9; BVerwG, U. v. 15.2.1990 – 4 C 23/86 – juris Rn. 13ff.; Finklenburg/Ortloff/Kment, Öffentliches Baurecht I, 6. Auflage 2011, § 26 Rn. 20). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Bestimmung des Maßstabes der Umgebungsbebauung das außer Acht zu lassen, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint (vgl. BVerwG, B. v. 16.6.2009 – 4 B 50/08 – juris Rn. 6). Auszusondern sind danach solche baulichen Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild (Ausdehnung, Höhe, Zahl usw.) nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, die der Betrachter also nicht oder nur am Rande wahrnimmt (vgl. BVerwG, B. v. 16.6.2009 – 4 B 50/08 – juris Rn. 8; U. v. 15.2.1990 – 4 C 23/86 – BVerwGE 84, 322, 325). Besitzt der vermeintliche „Fremdkörper“ hingegen ein derartiges Gewicht, dass er sich auf die andersartige Umgebung prägend auswirkt, ist er nicht als Fremdkörper, sondern als Teil der „Eigenart der näheren Umgebung“ zu betrachten (vgl. BVerwG, B. v. 1.9.2010 – 4 B 31/10 – juris Rn. 9; BVerwG, U. v. 15.2.1990 – 4 C 23/86 – juris Rn. 13ff.; Finklenburg/Ortloff/Kment, a. a. O., § 26 Rn. 20 a. E.; VG München, U. v. 12.12.2011 – M 8 K 11.2358 – juris Rn. 39).
In diesem Sinne stellt die in der näheren Umgebung vorhandene Wohnbebauung mit insgesamt mindestens 3 Mehrparteienhäusern, die ausschließlich als Wohnraum genutzt werden, keinen auszublendenden Fremdkörper dar, da sie schon aufgrund ihres quantitativen Erscheinungsbildes, insbesondere im Hinblick auf die teilweise Dreigeschossigkeit der Wohnbebauung und auch ihres Umfanges auf den einzelnen Grundstücken in der Lage ist, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen und vom Betrachter durchaus nicht nur am Rande wahrgenommen wird.
1.3.2 Die maßgebliche nähere Umgebung kann aber auch nicht als faktisches Mischgebiet im Sinne von § 6 BauNVO eingeordnet werden. Ein Mischgebiet dient dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Diese allgemeine Zweckbestimmung verlangt, dass die beiden in dem Gebiet zulässigen Hauptnutzungsarten im Sinne einer etwa gleichgewichtigen und gleichwertigen Durchmischung vorhanden sind. Zwar müssen sich Wohnen und nicht wesentlich störendes Gewerbe nicht die Waage halten, jedoch darf keine der beiden Hauptnutzungsarten ein deutliches Übergewicht über die andere haben bzw. optisch eindeutig dominieren (vgl. hierzu BVerwG vom 28.4.1972 BVerwGE 40, 94 f.; BVerwG vom 25.11.1993 BVerwGE 68, 207 f.; Fickert/Fieseler, Kommentar zur Baunutzungsverordnung, § 6 Rn. 1.31, 1.4). Vorliegend dominiert im maßgeblichen Umgriff sowohl quantitativ wie auch hinsichtlich des optischen Erscheinungsbildes die gewerbliche Nutzung, so dass eine Einstufung als Mischgebiet ausscheidet. (vgl. VG München, U. v. 12.12.2011 – M 8 K 11.2358 – juris Rn. 41). Das wird im Übrigen auch durch die Ergebnisse des von der Klägerin beauftragten Ingenieurbüros für Bauberatung bestätigt. In dem Schreiben an die Beklagte vom 12. Februar 2014 wird ausdrücklich ausgeführt, dass in dem Bereich …-str. 109 bis 139 etwa 20% Wohnflächen und 80% Gewerbeflächen vorhanden seien. Auch nach dem schriftsätzlichen Vorbringen des Bevollmächtigten der Klägerin handelt es sich bei der näheren Umgebung um eine Gemengelage (vgl. Schriftsatz vom 20.10.2014 im Verfahren M 8 K 14.3685 sowie im Verfahren M 8 K 14.3687, jeweils S. 3 Absatz 2 Satz 1).
1.3.3 Einer Einstufung als Gewerbegebiet im Sinne des § 8 BauNVO widerspricht schließlich ebenfalls die vorliegend auf mehreren Grundstücken vorhandene Wohnnutzung, die nach den vorstehenden Ausführungen auch nicht als Fremdkörper oder bloßer, vereinzelter Ausreißer unbeachtet bleiben kann. Die vorhandene Wohnnutzung wäre in einem Gewerbegebiet auch nicht ausnahmsweise nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zulässig, da danach nur Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumassen untergeordnet sind, zulässig sind.
1.3.4 Die Zulässigkeit der abgefragten Nutzungsart als Spielhalle bestimmt sich daher allein nach § 34 Abs. 1 BauGB, da ein Gebiet sui generis und damit eine Gemengelage vorliegt.
2. Bei der Frage, ob sich bei Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung im Rahmen der Umgebungsbebauung hält, ist hinsichtlich der Zuordnung und Bewertung der vorhandenen Nutzungen auf die Typisierung der Nutzungsarten in der Baunutzungsverordnung abzustellen. Dies gilt unabhängig davon, dass keine Vergleichbarkeit der Umgebung mit einem der Baugebietstypen nach der Baunutzungsverordnung gegeben ist. In der Rechtsprechung ist insoweit geklärt, dass der Begriff der „Art der baulichen Nutzung“ in § 34 Abs. 1 BauGB nicht identisch ist mit dem Baugebiet im Sinne von § 1 Abs. 2 BauNVO, da andernfalls die Vorschrift des § 34 Abs. 2 BauGB sinnlos wäre. Die „Art der baulichen Nutzung“ ist vielmehr grundsätzlich mit den Nutzungsarten gleichzusetzen, wie sie durch die Begriffe der Baunutzungsverordnung für die zulässigen Nutzungen in den einzelnen Baugebieten definiert werden (vgl. BVerwG v. 3.4.1987 – ZfBR 1987, 260; VG München, U. v. 12.12.2011 – M 8 K 11.2358 – juris Rn. 43 m. w. N.).
2.1 Als solchen städtebaulich bedeutsamen Nutzungstyp führt die Baunutzungsverordnung u. a. auch den Begriff der Vergnügungsstätte auf (vgl. etwa § 4a Abs. 3 Nr. 2, § 6 Abs. 2 Nr. 8 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO), die daher hinsichtlich der Zuordnung und Bewertung nicht mit sonstigen gewerblichen Nutzungen mehr oder weniger störender Art gleichgesetzt werden kann, sondern als eigenständiger Nutzungstyp zu betrachten ist (vgl. BVerwG, U. v. 15.12.1994 – Az. 4 C 13/93 – DVBl 1995, 515 – juris Rn. 20). Bei Spiel- und Automatenhallen handelt es sich um einen Unterfall des vielgestaltigen bauplanungsrechtlichen Begriffs „Vergnügungsstätte“, wobei im Hinblick auf die differenzierte Zulässigkeit in den Baugebieten der Baunutzungsverordnung grundsätzlich zwischen kerngebietstypischen und nicht kerngebietstypischen Spielhallen zu unterschieden ist, wofür in der Regel als Schwellenwert die Größe von ca. 100 m² Nutzfläche herangezogen wird. Insoweit handelt es sich bei den beiden streitgegenständlichen Varianten um eine Vergnügungsstätte (vgl. VG München, U. v. 12.12.2011 – M 8 K 11.2358 – Rn. 44).
Das bedeutet für beide streitgegenständlichen Varianten, dass eine Rahmenverträglichkeit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung im Rahmen der Gemengelage grundsätzlich nur dann gegeben wäre, wenn in der näheren Umgebung bereits Spielhallen oder sonstige Vergnügungsstätten vorhanden wären (vgl. VG München, U. v. 9.2.2009 – M 8 K 08.2963 – juris Rn. 25). Sofern in der maßgeblichen Umgebung noch keine Vergnügungsstätte vorhanden ist, wird das Merkmal des Einfügens regelmäßig zu verneinen sein (vgl. VG München, U. v. 12.12.2011 – M 8 K 11.2358 – juris Rn. 45; Guckelberger, GewArch 2011, 231, 235 m. w. Nachw. in Fn. 147). Vorliegend sind jedoch weder kerngebietstypische noch nicht kerngebietstypische Spielhallen oder sonstige Vergnügungsstätten vorhanden. Ebenso vermag der auf dem Grundstück …-str. 131 vorhandene Bordellbetrieb dem Vorhaben nicht zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit als Vergnügungsstätte zu verhelfen, da ein Bordell nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne der Nutzungstypen der Baunutzungsverordnung einen Gewerbebetrieb und keine Vergnügungsstätte darstellt (vgl. BVerwG, B. v. 2.11.2015 – 4 B 32/15 – juris Rn. 4; VGH Baden-Württemberg, B. v. 5.3.2012 – 5 S 3239/11 – juris Rn. 5). Dies bestätigt auch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Bordelle oder bordellähnliche Betriebe als in der sozialen und ökonomischen Realität vorkommende Nutzungen eine Unterart der “Gewerbebetriebe aller Art” im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind (vgl. BVerwG, B. v. 2.11.2015 – 4 B 32/15 – juris Rn. 4).
Damit ist festzustellen, dass sich die streitige Spielothek weder als nicht kerngebietstypische noch als kerngebietstypische Vergnügungsstätte im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung innerhalb des vorgegebenen Rahmens hält. Damit fügt sich die streitgegenständliche Spielhalle in ihren beiden Varianten (144 m² bzw. unter 100 m²) insoweit nicht gem. § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung ein.
2.2 Die Überschreitung des Rahmens führt zwar nicht unbedingt, wohl aber im Regelfall zur Unzulässigkeit des Vorhabens. Denn eine Überschreitung des von der Bebauung bisher eingehaltenen Rahmens zieht in der Regel die Gefahr nach sich, dass der gegebene Zustand in negativer Hinsicht in Bewegung und damit in Unordnung gebracht wird. Nur wenn eine entsprechende Entwicklung unter Berücksichtigung der konkreten Eigenart der näheren Umgebung und der konkreten Umstände ausgeschlossen werden kann oder doch wenig wahrscheinlich erscheint, kann trotz Überschreitens des Rahmens eine planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens gegeben sein (vgl. BVerwG, U. v. 15.12.1994 – 4 C 13/93 – juris Rn. 21).
Eine ausnahmsweise Zulässigkeit des Vorhabens nach diesen Grundsätzen ist jedoch nicht gegeben. Es steht zu erwarten, dass mit der Zulassung des Vorhabens in beiden beantragten Varianten städtebauliche Spannungen schon durch seine Vorbildwirkung entstehen würden, denn in diesem Fall könnte die Genehmigung einer weiteren Vergnügungsstätte, deren Ansiedlung auf einem der benachbarten Grundstücke durchaus nahe liegend erscheint, nicht mehr verhindert werden. Durch die Zulassung der streitgegenständlichen Spielhalle – unabhängig von ihrer konkreten Größe – würde also die gegebene Situation negativ in Bewegung gebracht, wofür auch der vom Bundesverwaltungsgericht anerkannte allgemeine städtebauliche Erfahrungssatz spricht, dass sich Vergnügungsstätten, zumindest wenn sie in einem Gebiet gehäuft vorhanden sind, negativ auf ihre Umgebung auswirken, indem sie einen sogenannten Trading-down-Effekt auslösen (vgl. BVerwG, B. v. 21.12.1992 – 4 B 182.92; BVerwG, U. v. 15.12.1994 – 4 C 13/93 – juris Rn. 22).
3. Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des negativen Vorbescheids der Beklagten musste auch die hilfsweise beantrage Verurteilung zur Neuverbescheidung in beiden streitgegenständlichen Verfahren ohne Erfolg bleiben, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
4. Die Klagen waren nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird vor der Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung im Verfahren M 8 K 14.3685 auf EUR 29.700,- und im Verfahren M 8 K 14.3687 auf EUR 43.200,- und nach der Verbindung der Verfahren auf EUR 72.900,- festgesetzt
(§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-i. V. m. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 18.7.2013 beschlossenen Änderungen Ziffer 9.1.2.2).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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