Baurecht

Bauvorbescheid für Schweinestall – Voraussetzungen einer erfolgreichen Aufklärungsrüge

Aktenzeichen  9 ZB 19.766

Datum:
14.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19844
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 71
VwGO § 86 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer des Rechtsmittelführers günstigeren Entscheidung hätte führen können. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen der Aufklärungsrüge muss weiter dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr beanstandet wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 17.1360 2019-01-22 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Beigeladene.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids für den Neubau eines Schweinestalls mit Güllegrube für 70 produktive Zuchtsauen mit Nachzucht auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung H… Die Beigeladene verweigerte hierzu ihr Einvernehmen und das Landratsamt R… lehnte den Vorbescheidsantrag des Klägers mit Bescheid vom 16. November 2017 ab. Auf die Klage des Klägers hin hob das Verwaltungsgericht Würzburg den Bescheid vom 16. November 2017 auf und verpflichtete den Beklagten, dem Kläger den Vorbescheid wie beantragt zu erteilen. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung der Beigeladenen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das keinen Zulassungsgrund benennende sowie im Wesentlichen aus der Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags und allgemeinen rechtlichen Ausführungen bestehende Zulassungsvorbringen dem Darlegungsgebot vollumfänglich entspricht (vgl. BayVGH, B.v. 22.7.2015 – 9 ZB 13.2581 – juris Rn. 7 f.). Soweit sich dem Vortrag die Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder die Geltendmachung eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) entnehmen lassen sollte, ist ein die Zulassung der Berufung rechtfertigender Grund jedenfalls auch bei Annahme einer hinreichenden Darlegung der Sache nach nicht gegeben.
1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Beigeladene als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Soweit sich dem Zulassungsvorbringen die Darlegung solcher Zweifel entnehmen lassen, bleibt der Antrag ohne Erfolg.
a) Entgegen dem Zulassungsvorbringen hat das Verwaltungsgericht nicht ausgeführt, dass gegenüber dem Wohnquartier „…“ das Rücksichtnahmegebot nicht zu reklamieren“ sei. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass nicht unberücksichtigt bleiben dürfe, dass das Baugebiet „…“ wegen der Nichtigerklärung des zugrundeliegenden Bebauungsplans „…“ durch Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Dezember 1985 (Az. 15 N 81 A.2227) nicht in dem vorhandenen Umfang hätte entstehen dürfen und es sich aufgrund der Lage dem Risiko landwirtschaftlicher Einwirkungen ausgesetzt habe. Im Übrigen müsse in landwirtschaftlichen Gebieten mit Gerüchen gerechnet werden, die durch die Tierhaltung, Dungstätten, Güllegruben und dergleichen entstünden. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht substantiiert auseinander. Der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Ansatzpunkt einer geminderten Schutzwürdigkeit von Wohngebäuden am Rande zum Außenbereich ist jedenfalls nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2018 – 9 CS 18.92 – juris Rn. 23).
b) Soweit das Zulassungsvorbringen einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot gegenüber dem Baugebiet „…“ im Osten wegen regional typischer Westwinde geltend macht, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat insoweit darauf abgestellt, dass das Baugebiet „…“ auf einer Anhöhe liege, das Bauvorhaben des Klägers von dort aus kaum einsehbar und ebenfalls von einer geminderten Schutzwürdigkeit des Baugebiets auszugehen sei. Es hat sich bei seiner Beurteilung zudem auf die Stellungnahme des Technischen Immissionsschutzes beim Landratsamt R… vom 9. November 2016 gestützt, der eine Berechnung nach VDI 3894 einschließlich einer Darstellung der Windverteilung (vgl. Bl. 169 der Behördenakte) zugrunde lag. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander; der bloße Hinweis auf die regional typische Windverteilung, die sich im Übrigen so auch den fachlichen Stellungnahmen und Darstellungen entnehmen lässt, genügt nicht, um die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts ernstlich in Zweifel zu ziehen. Nichts anderes gilt, soweit die Beigeladene darauf abstellt, im Baugebiet würden Niedrigenergiehäuser errichtet.
2. Soweit sich das Zulassungsvorbringen der Geltendmachung von Verfahrensmängeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuordnen lässt, liegen diese der Sache nach nicht vor.
Die Beigeladene rügt, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt, weil sie die Angaben des Klägers zu seiner Hofstelle, der Wohnadressen und der Gewinnerzielungsabsicht bestritten habe und kein Beweis hierzu erhoben worden sei. Sie beruft sich damit auf eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), die jedoch nicht zum Erfolg führt.
Umfang und Art der Tatsachenermittlung bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BVerwG, U.v. 14.11.1991 – 4 C 1.91 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 20.5.2019 – 9 ZB 18.1261 – juris Rn. 21). Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer des Rechtsmittelführers günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr beanstandet wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 B 21.16 – juris Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, B.v. 24.5.2018 – 9 ZB 16.321 – juris Rn. 31). Daran fehlt es hier.
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei dem Bauvorhaben um ein privilegiertes Vorhaben gem. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB handelt. Es hat sich hierbei auf seine beim Augenschein vom 13. November 2018 gewonnenen Erkenntnisse sowie die Stellungnahmen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten B*… … und des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 21. Juli 2017 gestützt. Dass diese Stellungnahmen auf den Angaben des Klägers im Bauantrag und in den Betriebsbeschreibungen basieren, ist – entgegen der Ansicht der Beigeladenen – nicht zu beanstanden, denn Grundlage des Bauvorbescheids ist das Bauvorhaben in der vom Kläger beantragten Form. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht substantiiert auseinander; das bloße Bestreiten der Angaben des Klägers und der Beurteilungen der Fachbehörden zeigt auch keinen weitergehenden Ermittlungsbedarf seitens des Verwaltungsgerichts auf, zumal dieses sich einen unmittelbaren Eindruck vor Ort verschafft hat und die Beigeladene keine entsprechenden Beweisanträge gestellt hat.
Gleiches gilt für das Bestreiten der Erschließung über den „I… Weg“. Denn abgesehen davon, dass das Baugrundstück auch an der Straße „…“ anliegt, stehen die Ausführungen zur mangelnden Erschließung im Widerspruch zur eigenen Stellungnahme der Beigeladenen vom 12. September 2013, in der für das Bauvorhaben eine gesicherte Erschließung angegeben wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 9.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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