Baurecht

Bebauungsplan für ein allgemeines Wohngebiet – Normenkontrollantrag eines Plannachbarn mangels Antragsbefugnis unzulässig.

Aktenzeichen  15 N 20.198

Datum:
20.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2718
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1, § 47 Abs. 5 S. 1
BauGB § 1 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

Der Anspruch auf Unterlassung der Bauleitplanung ist nach § 1 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB e contrario ausgeschlossen; mit diesem Vortrag lässt sich keine Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO begründen. (Rn. 15 – 17) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Beschluss ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich als Plannachbarin gegen den am 30. April 2018 bekannt gemachten Bebauungsplan Nr. 87 „S…-W…“ der Antragsgegnerin. Die Satzung setzt ein aus zwei Teilbereichen (WA 1 und WA 2) bestehendes allgemeines Wohngebiet mit insgesamt 49 Bauparzellen fest.
Der Bebauungsplan war in seiner am 29. September 2016 bekannt gemachten Fassung bereits Gegenstand der Verfahren 15 NE 16.2315 (Beschluss vom 3.3.2017), 15 NE 17.1221 (Beschluss vom 22.8.2017), 15 N 16.2158 (Urteil vom 24.11.2017) und 15 NE 18.1148 (Beschluss vom 15. März 2019). Auf den Inhalt der zitierten Entscheidungen wird Bezug genommen. Mit dem zuletzt genannten Beschluss lehnte der Senat einen gegen den verfahrensgegenständlichen Bebauungsplan gerichteten Eilantrag ab. Die zuvor noch vorhandenen Mängel seien zulässigerweise in einem ergänzenden Verfahren behoben worden. Dies betreffe auch die Ermittlung und Abwägung der durch das neue Baugebiet am Wohnhaus der Antragstellerin zu erwartenden Erhöhungen der Lärmimmissionen (B.v. 15.3.2019 – 15 NE 18.1148 – Rn. 15, 16).
Mit am 15. Mai 2018 eingegangenem Schriftsatz vom 14. Mai 2018 beantragt die Antragstellerin – zunächst noch zusammen mit ihrem Ehegatten in dem unter dem Aktenzeichen 15 N 18.1070 geführten Verfahren,
den Bebauungsplan Nr. 87 „S…-W…“ der Antragsgegnerin vom 26. April 2018 für unwirksam zu erklären.
Zur Begründung wurde auf Stellungnahmen vom 23. März 2018 und 4. August 2017 im Rahmen des Aufstellungsverfahrens verwiesen.
Mit Beschluss vom 7. August 2019 wurde die Beigeladene nach § 65 Abs. 1 VwGO zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladene beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der für eine mündliche Verhandlung angesetzte Termin vom 22. Oktober 2019 wurde aufgehoben, nachdem die Antragstellerseite mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2019 hatte mitteilen lassen, dass der Antragsteller zu 1 verstorben sei und zugleich die Aussetzung des Verfahrens beantragte. Mit Beschluss vom 15. Oktober 2019 wurde das Verfahren bis zum 15. Januar 2020 gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO ausgesetzt. Die Antragstellerin kündigte an, bis zum 15. Januar 2020 abschließend schriftlich vorzutragen.
Am 15. Januar 2020 reichten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zwei von dieser unter dem 30. Dezember 2019 und 9. Oktober 2019 gefertigte Stellungnahmen bei Gericht ein, die sie sich zu Eigen machten. Das Normenkontrollverfahren wurde unter dem aktuellen Aktenzeichen fortgesetzt. Mit Schreiben vom 30. Januar 2020, den Bevollmächtigten der Antragstellerin zugegangen am 3. Februar 2020, wurden die Beteiligten mit einer zweiwöchigen Äußerungsfrist zu einer im Beschlussweg gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO in Betracht kommenden Entscheidung angehört.
Die Antragsgegnerin erklärte sich, ebenso wie die Beigeladene, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Am 17. Februar 2020 baten die Bevollmächtigten der Antragstellerin, die Frist zur Äußerung bis zum 2. März 2020 zu verlängern, da die erforderliche Rücksprache mit der Antragstellerin aufgrund einer Vielzahl von Terminen leider noch nicht habe erfolgen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren 15 NE 18.1148, 15 N 18.1070 und 15 N 20.198 sowie die beigezogenen Verfahrensakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO auch ohne Zustimmung der Antragstellerin durch Beschluss, da er den gegen den am 24. April 2018 beschlossenen und am 30. April 2018 bekannt gemachten Bebauungsplan gerichteten Normenkontrollantrag für unzulässig hält. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B. v. 25.3.2019 – 4 BN 14/19 – juris Rn. 7), der sich der Senat anschließt, kann über Normenkontrollanträge von Plannachbarn selbst dann im Beschlussweg entschieden werden, wenn diese wegen einer möglichen Verletzung des Rechts auf gerechte Abwägung aus § 1 Abs. 7 BauGB antragsbefugt sind. Die Sache ist entscheidungsreif.
2. Im vorliegenden Fall ist der Vortrag der Antragstellerin jedoch nicht geeignet, ihre Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu begründen. Nachdem die Antragsgegnerin den durch die Bauleitplanung am Grundstück der Antragstellerin verursachten Verkehrslärm gutachterlich untersuchen ließ und das Ergebnis der fachlichen Stellungnahme in die Abwägung eingeflossen ist, hätte die Antragstellerin nicht zuletzt in Anbetracht des gesamten Vorlaufs dieses Normenkontrollverfahrens hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen müssen, aus denen sich nach wie vor die Möglichkeit der Verletzung ihres Rechts auf gerechte Abwägung herleiten ließe (vgl. BVerwG, B.v. 10.12.2018 – 4 BN 27/18 – BRS 86 Nr. 200 = juris Rn. 8; B.v. 17.12.2012 – 4 BN 19/12 – BauR 2013, 753 = juris Rn. 3). Die Darlegungen der Antragstellerin in diesem Normenkontrollverfahren erfüllen diese Anforderungen nicht.
Die im Antragsschriftsatz vom 14. Mai 2018 in Bezug genommene Stellungnahme vom 23. März 2018 äußert sich unter „IV. Lärm“ nur zum „Hundelärm“, der jedoch in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte der Antragstellerin durch den streitigen Plan steht, sondern allenfalls von einer außerhalb gelegenen Anlage an vom Grundstück der Antragstellerin weit entfernten Stellen auf das Plangebiet einwirken kann. Unter „VII. Verkehrsführung“ werden lediglich Gesichtspunkte angesprochen, die keinerlei Zusammenhang zu eigenen abwägungserheblichen Belangen der Antragstellerin aufweisen (Einziehungsverfahren eines Wegs, Zweckbestimmung eines landwirtschaftlichen Wegs). Die weitere zur Begründung des Normenkontrollantrags herangezogene Stellungnahme vom 4. August 2017 erwähnt ein Geruchsgutachten vom 31. Mai 2017, das sich mit einer ebenfalls außerhalb des Plangebiets gelegenen Pferdekoppel beschäftigt. Die Möglichkeit der Verletzung eigener abwägungserheblicher Rechte wird auch dadurch nicht aufgezeigt.
Gleiches gilt für den Inhalt der von den Prozessbevollmächtigten mit Post vom 15. Januar 2020 anstelle der im Oktober 2019 angekündigten eigenen abschließenden Stellungnahme an das Gericht weitergeleiteten beiden Schreiben der Antragstellerin selbst vom 9. Oktober und 30. Dezember 2019. Darin beschwert sich die Antragstellerin umfangreich im Wesentlichen vor allem darüber, dass sich die Antragsgegnerin nicht an eine vor dem Erwerb ihres eigenen Grundstücks im Jahr 2009 gegebene Zusage halten wolle, den dort vorbeiführenden ehemaligen Flurbereinigungsweg nicht zum Zweck der Erschließung eines späteren Baugebiets umzubauen und umzuwidmen und dass in diesem Zusammenhang vor dem endgültigen Abschluss des Normenkontrollstreits vollendete Tatsachen geschaffen worden seien. Der damit in allen bisherigen gegen den Bebauungsplan geführten Verwaltungsstreitverfahren in der Hauptsache inzident erhobene Anspruch auf Unterlassung der Bauleitplanung ist nach § 1 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB e contrario jedoch ausgeschlossen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 8 GKG.


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