Baurecht

Bebauungsplan mit „Ein-Wohnungs-Klausel“, Bestandsgebäude mit 2 Wohneinheiten, nachträglicher Bauantrag zur Errichtung einer 3. Wohneinheit, (kein) Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans bzgl. der Anzahl der Wohneinheiten und des Bauraums

Aktenzeichen  M 11 K 18.3471

Datum:
24.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51153
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 30
BauGB § 31

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.  

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung unter Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Dem gemäß Art. 55 BayBO unstrittig genehmigungspflichtigen Vorhaben stehen mit den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans öffentlichrechtliche Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 59, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO).
Das Vorhaben widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Begrenzung der Anzahl der Wohnungen (Ziff. 4.3.5 des Bebauungsplans) und zur überbaubaren Grundstücksfläche für Nebenanlagen, Garagen und Stellplätzen (Ziff. 4.4.3 i.V.m. 4.6.2 des Bebauungsplans). Das Gericht folgt der Begründung des angefochtenen Bescheids und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO). Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im gerichtlichen Verfahren und das Ergebnis des durchgeführten Augenscheins ist ergänzend Folgendes auszuführen:
1.1 Soweit von Klägerseite – ungeachtet des auf Errichtung einer dritten Wohnheinheit gerichteten Klagebegehrens – offenbar die Auffassung vertreten wird, es sei letztlich unerheblich, ob sich in den Räumlichkeiten des Dachgeschosses eine Küche befinde oder nicht, bleibt klarzustellen, dass der Begriff der „Wohnung“ die dem Wohnen dienende selbständige Wohneinheit umschreibt, wobei eine Wohnung bauordnungsrechtlich mindestens eine Kochgelegenheit, Bad und Toilette voraussetzt (vgl. Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 4. Auflage 2019, Rn. 21 m.w.N.). Die von Beklagtenseite getroffene Differenzierung zwischen bloßen Erweiterungsmaßnahmen innerhalb einer Wohneinheit und der Schaffung neuer, selbständig nutzbarer Wohneinheiten ist daher in keiner Weise zu beanstanden.
1.2 Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Selbst bei Zugrundelegung der von Klägerseite angeführten wenigen Bezugsfälle könnten diese für sich genommen noch keine Funktionslosigkeit der Beschränkung der Wohnungsanzahl in Ziff. 4.3.5 des Bebauungsplans begründen; letzteres wird auch von Klägerseite nicht behauptet. Im Übrigen kommt es auf die angeführten beiden Bezugsfälle in der Dachauer Straße nicht entscheidungserheblich an, weil das Plangebiet jedenfalls teilbar wäre. In dem durch die Weiherstraße (Fl.Nr. 979/1, 954/26 und 954/24) begrenzten Geviert am östlichen Rand des Plangebiets, in dem das Vorhabengrundstück gelegen ist, finden sich nach dem Ergebnis des Augenscheins in Bezug auf die Anzahl der Wohneinheiten keine relevanten „Ausreißer“. Von der Klägerseite wurde in diesem Gebiet lediglich auf das südlich benachbarte Anwesen Weiherstr. 12 (Fl.Nr. 947) verwiesen. Hierzu hat das Landratsamt bereits in der Klageerwiderung mitgeteilt, dass es sich – wie bei dem klägerischen Anwesen – um ein vor Inkrafttreten des Bebauungsplans als Zweifamilienwohnhaus genehmigtes Gebäude handelt. Die Errichtung einer weiteren Wohneinheit sei dem Landratsamt jedoch bislang weder bekannt gewesen noch sei eine solche genehmigt worden. Aus einer illegal errichteten weiteren Wohneinheit kann der Kläger für sich indes nichts herleiten, zumal das Landratsamt bereits ein bauaufsichtliches Einschreiten angekündigt hat.
Ein Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans besteht nach § 31 Abs. 2 BauGB schon deshalb nicht, weil die Grundzüge der Planung berührt werden. Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans (S. 20) zielte die 2. Änderung des Bebauungsplans zwar darauf, eine gewisse Verdichtung zuzulassen. Dies sollte jedoch vor allem durch eine Erhöhung der Wohnfläche, und explizit nicht durch eine Erhöhung der Wohneinheiten erfolgen. Als ausdrücklicher „Grundsatz“ der geplanten Nachverdichtung wird in der Folge insbesondere ausgeführt, dass die Zulassung weiterer Wohneinheiten angesichts der vorhandenen Infrastruktur sehr restriktiv zu behandeln sei. Das Landratsamt hat insoweit zu Recht angenommen, dass die Gemeinde an den Festsetzungen des ursprünglichen Bebauungsplans vom 23. Januar 1997 und den zugrundeliegenden planerischen Erwägungen festgehalten hat. Angesichts dieser eindeutigen Vorgaben des Planungsgebers hat das Landratsamt die Erteilung einer Befreiung zurecht abgelehnt und für den Fall einer Änderung des gemeindlichen Planungswillens auf das Instrument der Änderung des Bebauungsplans verwiesen. Die Umsetzung der von Klägerseite angesprochenen allgemein wohnungspolitischen Erwägungen obliegt der gemeindlichen Planungshoheit. Dessen ungeachtet ist der klägerische Vortrag nicht geeignet, einen der Tatbestände des § 31 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 BauGB zu begründen. Lediglich angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass angesichts der Vermietung der beiden Wohnungen im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss wohl auch die Möglichkeit zu einer Kündigung wegen Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) bestünde, sodass der Sohn des Klägers eine der beiden legal errichteten Wohneinheiten in seinem Elternhaus beziehen könnte. Eine nicht beabsichtigte Härte ist damit ebenso wenig erkennbar wie etwaige Gründe des Wohls der Allgemeinheit.
Hinsichtlich des Carports entspricht das Vorhaben wohl bereits nicht den Festsetzungen zur zulässigen Grundfläche – ungeachtet der Überschreitung des im Bebauungsplan für überdachte Stellplätze vorgesehenen Bauraums. Bei der gewählten Kubatur ist nach dem Bebauungsplan für das Vorhabengrundstück eine überbaubare Grundfläche von 155 m² vorgesehen, wobei die in § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO genannten Anlagen diese Grundfläche um 100%, max. aber bis zu einer GRZ von 0,5 überschreiten dürfen (Ziff. 4.3.1.3 des Bebauungsplans i.V.m. § 19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO). Der durchgeführte Augenschein hat insoweit ergeben, dass der Zufahrtsbereich von der Straße zur Garage in der Nordwestecke des Grundstücks vollständig mit Platten belegt ist, ebenso der Bereich zwischen Carport und Wohnhaus. Ferner ist der Bereich vor der Südfassade des Wohnhauses durch eine Terrassenfläche überbaut und südlich der Doppelgarage findet sich ein weiterer Anbau, der zu einem Dachgeschoss über der Doppelgarage führt. Vor diesem Hintergrund dürfte die vorhandene Versiegelung auf dem Grundstück das Maß des bauplanerisch Zulässigen wohl bereits deutlich überschreiten. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Standort des Carports auch im Widerspruch zu einem nach den grünordnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans anzupflanzenden Baum steht.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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