Baurecht

Bebauungsplangebiet, Geltungsbereich eines Bebauungsplans, Grundzüge der Planung, Beiladung, Überbaubare Grundstücksfläche, Textliche Festsetzung, Verwaltungsgerichte, Kostenentscheidung, Garagengebäude, Stellplätze und Garagen, Grenzständige Garagen, Satzungsbeschluss, Beseitigungsanordnung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Baugenehmigungsverfahren, Rechtsmittelbelehrung, Bauaufsichtsbehörde, Prozeßbevollmächtigter, Außergerichtliche Kosten, Festsetzungsbeschluss

Aktenzeichen  M 1 K 18.2496

Datum:
21.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41297
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 30 Abs. 1
BauGB § 31 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit kann ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) und auch keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Entscheidung über den Bauantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für die planwidrig errichtete Garage, weil diese öffentlichrechtlichen Vorschriften widerspricht, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, § 30 Abs. 1 BauGB, Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 59 Satz 1 BayBO, und weil eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „R* …“ über die überbaubare Grundstücksflächen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB nicht erteilt werden kann.
1. Der am 17. Februar 2005 als Satzung beschlossene Bebauungsplan „R* …“ der Beigeladenen ist wirksam.
a) Die vom Kläger gerügten, untersch* …ichen Datierungen führen nicht zur Unbestimmtheit des Bebauungsplans „R* …“. Entgegen dem klägerischen Vorbringen ist nicht unklar, welche Fassung der Planzeichnung Gültigkeit hat.
Es trifft zu, dass sich in den Planaufstellungsakten ein ausgefertigtes Exemplar der textlichen Festsetzungen befindet, deren Präambel lautet:
„Für das Gebiet „R* …“ in … gilt der vom Architekturbüro … R* … aus … ausgearbeitete Plan in der Fassung vom 12.10.2004, der zusammen mit den nachstehenden Vorschriften den Bebauungsplan bildet.“
Jedoch handelt es sich dabei der Chronologie der Planaufstellungsakte nach nicht um das bekanntgemachte Exemplar des Bebauungsplans. Der Gliederung der Planaufstellungsakte zufolge findet sich unter „Nr. 17 Inkrafttreten“ der vollständige Bebauungsplan, so wie er am 3. Januar 2006 bekannt gemacht worden ist. Darin lautet die Präambel wie folgt:
„Für das Gebiet „R* …“ in … gilt der vom Architekturbüro … R* … aus … ausgearbeitete Plan in der Fassung vom 11.01.2005, der zusammen mit den nachstehenden Vorschriften den Bebauungsplan bildet.“
Aus der durch das Gericht hervorgehobenen Passage ergibt sich, dass das in Kraft getretene Exemplar des Bebauungsplans berichtigt worden war und infolgedessen auch in Bezug auf das Datum der Planfassung unmissverständlich ist. Auch den Verfahrensvermerken ist zu entnehmen, dass Grundlage des Satzungsbeschlusses die Planfassung vom 11. Januar 2005 war. Die originale Planfassung trägt auf der Deckseite des Planteils mittig mit dem Datum „12.10.2004“ die Bestätigung des 1. Bürgermeisters dafür, dass die Beigeladene die Planung veranlasst hat. Es erschließt sich aber unmissverständlich, dass es sich dabei nicht um das Datum der letzten Planänderung handelt.
b) Auch fehlt es nicht an einer jeden Zweifel über deren Zusammengehörigkeit ausschließenden Verbindung der Planbestandteile.
Hierzu ist zunächst klarzustellen, dass es einer „gedanklichen Schnur“ nur dann bedarf, wenn sich die Regelungen des Bebauungsplans auf mehreren, untereinander nicht hinreichend fest verbundenen Einzelblättern befinden. Die einzelnen Blätter des Bebauungsplans müssen entweder körperlich miteinander verbunden sein oder in dem ausgefertigten Teil muss mit hinreichender Bestimmtheit auf die übrigen Teile oder Einzelblätter der Satzung Bezug genommen werden oder es muss auf andere Weise, mittels einer „gedanklichen Schnur“, jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der nicht gesondert ausgefertigten Teile zur Satzung ausgeschlossen sein (BayVGH, U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris Rn. 38).
Im Gegensatz zu den vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fällen, die der Kläger zitiert (U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967- juris Rn. 37 ff.; U.v. 4.8.2017 – 15 N 15.1713 – juris Rn. 19 ff.), sind bezogen auf das in der Planaufstellungsakte der Beigeladenen befindliche Original des Bebauungsplans „R* …“ die vier Blätter mit textlichen Festsetzungen in einer Weise körperlich miteinander verbunden, die den Anforderungen von § 10 Abs. 3 BauGB und Art. 26 Abs. 2 BayGO genügt. Die linke obere Ecke der Blätter ist nach hinten umgeknickt, durch eine Heftklammer sind die Blätter auf dem Knick fest verbunden und die nach hinten umgeknickte Ecke zusätzlich gesiegelt. Auch sind die solchermaßen körperlich verbundenen textlichen Festsetzungen auf dem letzten Blatt unter dem Datum des Satzungsbeschlusses, 17. Februar 2005, vom 1. Bürgermeister unterschrieben und mit einem Siegel versehen. Die Verfahrensvermerke sind mit den textlichen Festsetzungen körperlich nicht verbunden. Sie tragen die Unterschrift des 1. Bürgermeisters vom 18. Februar 2005 und daneben ein Siegel, ferner den Bekanntmachungsvermerk mit Siegel und Unterschrift des Bürgermeisters unter dem Datum des 5. Januar 2006. Der Planteil des Bebauungsplans „R* …“ ist ebenfalls nicht körperlich mit den textlichen Festsetzungen verbunden und trägt nur die Unterschrift des 1. Bürgermeisters vom 12. Oktober 2004 für die Beigeladene als Planveranlasserin. Eine gesonderte Ausfertigung fehlt.
Die Ausfertigung des Bebauungsplans „R* …“ ist in der Unterschrift des 1. Bürgermeisters vom 17. Februar 2005 unter den textlichen Festsetzungen zu sehen. Die Unterschrift vom 18. Februar 2005 unter den Verfahrensvermerken bezieht sich dagegen nicht nur auf den Satzungsbeschluss, sondern bescheinigt auch den Ablauf des Bauleitplanverfahrens im Übrigen
Zur Erfüllung der Identitätsfunktion kommt es darauf an, dass die Ausfertigungsunterschrift alle relevanten regelnden Teile der Satzung umfasst (BayVGH, U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris Rn. 40). Das Blatt mit den Verfahrensvermerken spielt deshalb im zu entscheidenden Fall keine Rolle, weil es weder die Ausfertigungsunterschrift noch regelnde Teile des Bebauungsplans „R* …“ umfasst. Es geht somit allein um die Frage, ob jeder Zweifel an der Zugehörigkeit des nicht gesondert ausgefertigten Planteils zu den textlichen Festsetzungen ausgeschlossen ist. Insoweit ist eine ausreichende „gedankliche Schnur“ zwischen dem Planteil und den textlichen Festsetzungen der Satzung gegeben, denn in den textlichen Festsetzungen wird der Bebauungsplan „R* …“ ebenso wie im Planteil mit diesem Namen bezeichnet, es wird das auch auf dem Plan befindliche Datum „11.01.2005“ genannt und die textlichen Festsetzungen spiegeln sich in den planlichen Festsetzungen und Planzeichen. Die Zusammengehörigkeit von Planteil und textlichen Festsetzungen ist somit eindeutig genug ersichtlich, um die Funktion des Ausfertigungsvermerks zu erfüllen, nämlich sicherzustellen, dass alle regelnden Einzelteile des als Satzung beschlossenen Bebauungsplans mit dem Willen des beschließenden Gremiums im Zeitpunkt der Beschlussfassung übereinstimmen. Auch die Funktion, mittels der durch die Ausfertigung vollzogenen Urkundenherstellung zu gewährleisten, dass sich die Betroffenen verlässlich Kenntnis vom Inhalt der als Satzung beschlossenen Rechtsnorm verschaffen können, ist erfüllt. Dass es in den textlichen Festsetzungen heißt „Plan in der Fassung vom 12.10.2004“, obwohl dieses Datum tatsächlich dasjenige der Unterschrift des 1. Bürgermeisters für die Planveranlasserin ist, ändert daran nichts. Hierdurch kann nämlich kein Zweifel daran entstehen, dass der unterschriebene und gesiegelte Planteil, zuletzt geändert am 11. Januar 2005, zusammen mit den textlichen Festsetzungen am 17. Februar 2005 als Satzung beschlossen wurde, denn ein Planteil mit dem 12. Oktober 2004 als Datum der Planfassung existiert tatsächlich in der Planaufstellungsakte nicht. Eine Verwechslungsgefahr ist somit ausgeschlossen.
2. Die vom Kläger bereits errichtete Garage, deren bauaufsichtliche Genehmigung er begehrt, widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans „R* …“, § 30 Abs. 1 BauGB. Eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann nicht erteilt werden.
a) Der Bebauungsplan enthält Festsetzungen über überbaubare Grundstücksflächen für die jeweiligen Hauptbaukörper und Garagen. Auf dem Grundstück des Klägers FlNr. 1593 (im Bebauungsplan Parzelle Nr. 13) ist der Bauraum für eine Garage sowie einen Stellplatz frei stehend südwestlich des Hauptbaukörpers festgesetzt. Tatsächlich hat der Kläger seine Garage jedoch nordwestlich an den Hauptbaukörper direkt angebaut.
b) Die Erteilung einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplans über die überbaubaren Grundstücksflächen wurde zu Recht verweigert, denn das streitige Vorhaben berührt die Grundzüge der Planung. Ist das wie hier der Fall, kommt eine Befreiung unabhängig davon, ob sie etwa städtebaulich vertretbar oder mit den Nachbarinteressen vereinbar wäre, nicht mehr in Betracht.
aa) Wann eine Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, lässt sich nicht für alle Konstellationen abstrakt bestimmen. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass z.B. Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung stets oder zumindest in der Regel zu den Grundsätzen der Planung gehören, lässt sich nicht aufstellen. Ob eine Abweichung die Grundzüge der Planung berührt, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, nämlich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen. Bezogen auf dieses Wollen darf der Abweichung vom Planinhalt keine derartige Bedeutung zukommen, dass die angestrebte und im Plan zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Es muss mit anderen Worten angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte (vgl. BVerwG, U.v. 29.1.2009 – 4 C 16.07 – juris Rn. 23; U.v. 4.8.2009 – 4 CN 4.08 – juris Rn. 12). Die Grundzüge der Planung bilden die den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrunde liegende und in ihnen zum Ausdruck kommende planerische Konzeption.
Die Grundzüge der Planung werden nicht als solche im Bebauungsplan festgesetzt.Sie ergeben sich aber aus dessen Festsetzungen (insbesondere aus dem den Festsetzungen zugrunde liegenden planerischen Konzept), aus seiner Begründung oder ggfs. auch aus weiteren Unterlagen der Planaufstellung (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2019, § 31 Rn. 36 m.w.N.). Das planerische Konzept muss aus den Unterlagen erkennbar sein, wozu es aber nicht unbedingt ausdrücklicher Erklärungen oder Ausführungen bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2017 – 15 ZB 16.940 – juris Rn. 13; VGH BW, U.v. 15. 9. 2016 – 5 S 114/14 – BauR 2017, 225 – juris Rn. 34). Ist das planerische Grundkonzept ohne weiteres aus Planzeichnung und textlichen Festsetzungen erkennbar, reicht dies für die Feststellung eines Grundzugs der Planung aus.
Für die Frage, ob es sich um einen Grundzug der Planung handelt, kommt es auf den Willen des Plangebers zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses an (Spieß in Jäde/Dirnberger, BauGB, 9. Überarbeitete Auflage 2018, § 31 Rn. 13 m.w.N.), bei der Frage, ob ein Grundzug der Planung berührt wird dagegen auf den Zeitpunkt der Abwägungsentscheidung im Rahmen der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB. Für die Bestimmung der Grundzüge der Planung ist das Plangebiet insgesamt, zumindest aber der für das jeweilige Vorhaben relevante Teilbereich maßgeblich (Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Auflage 2019, § 31 Rn. 29).
Aus den Zusammenhängen von Festsetzungen und dem zugrunde liegendem Planungskonzept folgt, dass nicht die Festsetzung allein, von der auf dem betreffenden Grundstück abgewichen werden soll, bei der Frage entscheidend ist, ob die Grundzüge der Planung berührt sind, sondern auch die sich aus dem zugrundeliegenden Planungskonzept ergebenden Zusammenhänge. Die Grundzüge der Planung sind schon berührt, wenn die Einhaltung der Festsetzung, von der abgewichen werden soll, für die Bewahrung des Grundkonzepts relevant ist. Daraus ergibt sich, dass für eine Gruppe von Festsetzungen, denen ein Grundkonzept oder ein spezielles planerisches Konzept zugrunde liegt, im Allgemeinen höchstens untergeordnete Abweichungen im Wege der Befreiung in Betracht kommen können (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2019, § 31 Rn. 37 m.w.N.).
bb) Dies zugrunde gelegt, ist bereits aus der Planzeichung des Bebauungsplans „R* …“ ablesbar, dass die Situierung der Bauräume für Garagen auf den Bauparzellen zusammen mit den Festsetzungen der Bauräume für die Hauptbaukörper einem planerischen Grundkonzept folgt. Die Schaffung einer „Innenhofsituation“ für die jeweils von der Straße abgewandten, rückwärtigen Grundstücksbereiche war offenbar bezogen auf die Bauparzellen Nr. 14 bis 23 ein konzeptioneller Gedanke des Plangebers. Hier ist deutlich ablesbar, dass alle Bauräume zur Straße hin orientiert und die rückwärtigen Grundstücksbereiche von Bebauung freigehalten sind. Das gilt indes nicht für das Grundstück des Klägers FlNr. 1593, im Bebauungsplan „R* …“ als Parzelle Nr. 13 bezeichnet. Dieses Grundstück liegt in der Baureihe an der östlichen Grenze des Geltungsbereichs des Bebauungsplans und nicht in dem Geviert mit der offensichtlichen „Innenhofsituation“. Auch in den westlichen und nördlichen Häuserzeilen des Bebauungsplangebiets ist die Ausbildung einer „Innenhofsituation“ nicht vorhanden. Dennoch ist nach den planerischen Festsetzungen im gesamten Bebauungsplangebiet deutlich ablesbar, dass der Situierung der Bauräume für die Hauptbaukörper und Garagen im Verhältnis zueinander und im Verhältnis zur jeweiligen Erschließungsstraße ein planerisches Konzept zugrunde liegt. Die Anordnung der Bauräume ist nicht etwa regellos oder unsystematisch, sondern einheitlich und mit erkennbarer Gestaltungsvorstellung getroffen. Dass die Situierung nicht über das gesamte Plangebiet hinweg völlig gleichförmig ist, ist in der konkreten Planungssituation unerheblich. In Bezug auf die Häuserzeile, in der das klägerische Grundstück sich befindet (Parzellen Nr. 9 bis 13), ist eine gleichförmige Anordnung der Bauräume für Hauptbaukörper (jeweils mittig im nördlichen Grundstücksbereich) und Garagen (jeweils südwestlich vom Hauptbaukörper und mit diesem nicht verbunden) offensichtlich. Gleiches gilt analog für die übrigen beschriebenen Teilbereiche des Geltungsbereichs des Bebauungsplans „R* …“. Es ist jeweils eindeutig ablesbar, dass die Beigeladene im Hinblick auf die Bauräume für Hauptbaukörper und Garagen bezogen auf das jeweilige Geviert eine regelhafte Gestaltung vorgenommen hat. Diese regelhafte Konzeption hat die Annahme eines Grundzugs der Planung zur Folge.
cc) Die Grundzüge der Planung in Bezug auf den Bereich der Parzellen Nr. 9 bis 13 werden durch die Situierung der klägerischen Garage in zweierlei Hinsicht berührt, § 31 Abs. 2 BauGB. Zum einen ist die Garage nicht freistehend, sondern an den Hauptbaukörper angebaut. Zum anderen befindet sie sich nicht südwestlich vom Hauptbaukörper, sondern nordwestlich davon. Daran vermag die Argumentation des Klägers nichts zu ändern.
(1) Der vom Kläger vorgelegte Auszug aus der Niederschrift des Bauausschusses der Beigeladenen vom 14. Mai 2013 belegt, dass die die Sitzungsvorlage erstellende Gemeindeverwaltung gerade auf die Grundzüge der Planung hingewiesen hat und auch ein Teil der Mitglieder des Bauausschusses diese als berührt ansah. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder sah die Grundzüge der Planung damals nicht als berührt an; dass sie als nicht existent betrachtet worden wäre, geht aus der Niederschrift nicht hervor. Es handelte sich um eine Befassung mit dem Anliegen des Klägers außerhalb eines bauaufsichtlichen Verfahrens. Bereits in seiner Sitzung vom 10. Dezember 2013, in der der nunmehr förmlich gestellte Vorbescheidsantrag des Klägers vom 4. Dezember 2013 behandelt wurde, sah der Bauausschuss die Grundzüge der Planung einstimmig als berührt an. Auch ist der vorgelegten Niederschrift nicht zu entnehmen, welche Situierung der Garage genau der Beratung des Bauausschusses zugrunde lag.
Der Umstand, dass am 14. Mai 2013 außerhalb eines bauaufsichtlichen Verfahrens und somit auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 36 BauGB sechs Gemeinderatsmitglieder der Beigeladenen durch eine vom Bebauungsplan abweichende Situierung der Garage Grundzüge der Planung nicht als berührt ansahen, hat auf die Rechtslage im vorliegenden Verfahren keine Auswirkungen, denn, wie bereits ausgeführt, kommt es für die Frage, ob es sich bei Festsetzungen um Grundzüge der Planung handelt, auf den Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bezogen auf den in Rede stehenden Bebauungsplan, hier also auf den 17. Februar 2005, an. Über die Frage, ob eine Abweichung vom Bebauungsplan die einmal festgestellten Grundzüge der Planung berührt, wird in dem Verfahren zur Erteilung der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB durch die zur Entscheidung zuständige Behörde, hier im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens durch die Bauaufsichtsbehörde, bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt im Einvernehmen mit der Gemeinde (§ 36 BauGB) befunden. Die Sichtweise des Bauausschusses am 14. Mai 2013 spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
(2) Dass Abweichungen von den Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „R* …“ zugelassen oder hingenommen wurden, hat weder zur Folge, dass die Festsetzungen, die die beschriebenen Grundzüge der Planung beinhalten, obsolet geworden wären, noch kann der Kläger hieraus Bezugsfälle herleiten.
Es wird nicht einheitlich beantwortet, ob die Grundzüge der Planung durch die Ertei lung einer Befreiung zur Disposition gestellt werden können (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2019, § 31 Rn. 37a m.w.N.; für die verschiedenen Auffassungen insbesondere BayVGH, B.v. 26.7.2018 – 2 ZB 17.1656 – juris Rn. 3; U.v. 9.8.2007 – 25 B 05.1337 – juris Rn. 35 ff.). Nach der Auffassung, der die Kammer folgt, kann ein Grundzug der Planung, d.h. die Festsetzung, der er entnommen wird, funktionslos werden, wenn davon in einer Weise befreit wurde, die in die planerische Grundkonzeption eingreift. Berühren Befreiungen dagegen das planerische Grundkonzept nicht, bleiben die Festsetzungen, die die Grundzüge der Planung bilden, wirksam und stellen dann auch weiterhin Grundzüge der Planung dar, die einer Befreiung entgegengehalten werden können. Bezugsfälle dergestalt, dass eine geringfügige Abweichung wegen des Gleichheitssatzes eine Aufgabe der planerischen Grundkonzeption nach sich ziehen müsste, können nicht abgeleitet werden. Zum einen geht es dann nicht um vergleichbare Sachverhalte i.S.d. Art. 3 GG, denn eine Abweichung, die das Plankonzept unberührt lässt, ist ein aliud zu einer Abweichung, die in das Grundkonzept der Planung eingreift. Zum anderen sind Abweichungen, die das planerische Grundkonzept berühren, der planenden Gemeinde vorbehalten; das planerische Ermessen darf nicht durch die Bauaufsichtsbehörde ersetzt werden. Eine Befreiung darf nie die Grundzüge der Planung berühren, weil sie damit die Grenze zur erforderlichen förmlichen Planänderung überschreitet (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.1984 – 4 B 1063.89 – juris; B.v. 5.3.1999 – 4 B 5.99 – juris Rn. 5 f.).
Dies zugrunde gelegt, sind die Grundzüge der Planung hier nicht obsolet geworden. Wie durch die Erörterung in der mündlichen Verhandlung auf der Basis des Bebauungsplans sowie mit Hilfe von Luftbildern und Lageplänen der Vermessungsverwaltung festgestellt, gibt es im Bebauungsplangebiet „R* …“ Abweichungen von den festgesetzten Bauräumen in nicht geringer Zahl. Allerdings bewegen sich diese Abweichungen allesamt in einem Rahmen, der das Grundkonzept des Bebauungsplans unberührt lässt. Die Baukörper sind zumeist relativ geringfügig, jedenfalls aber in einer Weise planabweichend ausgeführt, dass das durch Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen geschaffene planerische Gestaltungskonzept ablesbar bleibt. Es kann deshalb ungeklärt bleiben, in wie weit für die in Rede stehenden Abweichungen Befreiungen erteilt wurden. Wenn nämlich durch Befreiungen von Festsetzungen abgewichen wird, die das jeweilige Planungskonzept nicht tragen, oder wenn die Abweichung von Festsetzungen, die für die Grundzüge der Planung maßgeblich sind, nicht ins Gewicht fallen (BVerwG B.v. 19.5.2004 – 4 B 35.04 – juris Rn. 3) kann eine Befreiung ohne Berührung der Grundzüge der Planung in Betracht kommen. Die Befreiung darf nur das planerische Konzept, das den Festsetzungen des Bebauungsplans zu Grunde liegt, nicht verändern (vgl. auch Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Juli 2019, § 31 Rn. 36; BVerwG, B.v. 19.5.2004 – 4 B 35.04 – juris Rn. 3; U.v. 19.9.2002 – 4 C 13.01 – juris Rn. 24).
(3) Zur Begründung seiner Auffassung, die Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen für Garagen würden keine Grundzüge der Planung darstellen, zieht der Kläger zu Unrecht die Verhältnisse im Rahmen des am 22. Juni 2010 als Satzung beschlossenen Bebauungsplans „R* … II“ der Beigeladenen heran.
(a) Der Bebauungsplan „R* … II“ ist nicht wegen Unbestimmtheit oder eines Ausfertigungsmangels unwirksam. Die Ausfertigung des Bebauungsplans „R* … II“ weist dieselben Besonderheiten auf wie die des Bebauungsplans „R* …“. Der Kläger rügt hier zwar die Umstände nicht, die nach seiner Meinung zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans „R* …“ führten. Die Prüfung führt aber entsprechend zu demselben Ergebnis wie beim Bebauungsplan „R* …“ (s.o. Nr. I. 1. der Entscheidungsgründe), nämlich zu dessen Wirksamkeit.
(b) Der Bebauungsplan „R* … II“ schließt mit seinem Geltungsbereich unmittelbar östlich an den Geltungsbereich des hier einschlägigen Bebauungsplans „R* …“ an. Jedoch hat die Beigeladene nicht etwa durch eine Änderung des Bebauungsplans „R* …“ dessen Geltungsbereich erweitert, sondern einen neuen, rechtlich selbständigen Bebauungsplan mit Rechtsnormcharakter i.S.d. § 10 BauGB erlassen.
(c) Der Kläger macht geltend, besonders augenfällig sei die Situation auf der Parzelle Nr. 26b im Geltungsbereich des Bebauungsplans „R* … II“. Dort sei entsprechend der streitgegenständlichen Gestaltung die Garage vollkommen aus dem Baufenster heraus nach Norden verschoben, angrenzend an das Wohnhaus errichtet. Daraus lasse sich ableiten, dass die Garagensituierung gerade nicht als Grundzug der Planung angesehen worden sei.
Die Verhältnisse im Geltungsbereich des Bebauungsplans „R* … II“ können indes nicht zur Beantwortung der Frage herangezogen werden, ob die Festsetzungen des fünf Jahre zuvor beschlossenen Bebauungsplans „R* …“ zu den überbaubaren Grundstücksflächen Grundzüge der Planung darstellen. Grundlegend für die Beurteilung dessen, was Grundzüge der Planung sind, ist der Wille der planenden Gemeinde zum Zeitpunkt des Erlasses des fraglichen Bebauungsplans (vgl. Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Auflage 2019, § 31 Rn. 29). Das ist hier der 17. Februar 2005, an dem der Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan „R* …“ gefasst wurde. Selbst wenn beim Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan „R* … II“ am 22. Juni 2010 die überbaubaren Grundstücksflächen für Hauptbaukörper und Garagen ebenfalls das planerische Konzept maßgeblich bestimmt haben und deshalb als Grundzüge der Planung anzusehen sind, kann das auf die Beurteilung im vorliegende Rechtsstreit keinen Einfluss haben. Hiergegen spricht bereits der Gesetzeswortlaut von § 30 Abs. 1 und § 31 Abs. 2 BauGB („Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans“, „Von den Festsetzungen des Bebauungsplans“), der sich jeweils eindeutig auf die Festsetzungen desjenigen Bebauungsplans bezieht, in dessen Geltungsbereich sich das betroffene Grundstück befindet. Auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sprechen gegen eine Berücksichtigung der Verhältnisse im Geltungsbereich anderer Bebauungspläne. Unterschiedliche Bauleitpläne können unterschiedliche Schicksale haben. So kann eine Gemeinde im Geltungsbereich des einen Plans ihr Plankonzept bewusst aufgeben und ggfs. i.S.d. § 1 Abs. 8 BauGB eine Planänderung vornehmen, jedoch aus städtebaulichen Erwägungen in einem angrenzenden Plangebiet ebenso bewusst das ursprüngliche Konzept beibehalten. Die Vorstellungen der planenden Gemeinde über die städtebauliche Gestaltung können sich in den Geltungsbereichen angrenzender Bebauungspläne unterschiedlich entwickeln, auch wenn die Motive für die Planung anfänglich dieselben waren.
(4) Auch die vom Kläger ins Feld geführte „atypische Grundstückssituation“ rechtfertigt keine Befreiung von der Festsetzung über die überbaubaren Grundstücksflächen für die Garage auf dem Grundstück FlNr. 1593.
Zum einen ist der Grundstückszuschnitt der FlNr. 1593 nicht derart außergewöhnlich, dass eine Vorbildwirkung auch bezogen auf weitere Parzellen im Plangebiet gänzlich ausscheiden würde. Auch die Parzellen 14 und 15 sowie 24 und 25 z.B. weisen keinen exakt rechteckigen Zuschnitt auf.
Zum anderen hat die Beigeladene die Planung der überbaubaren Grundstücksflächen auf der FlNr. 1593 in Kenntnis des Grundstückszuschnitts vorgenommen. Bei der Abwägung i.S.d. § 1 Abs. 7 BauGB ging sie ersichtlich davon aus, dass die städtebaulichen Argumente für die Festsetzung der überbaubaren Grundstückfläche überwiegen. Wenn aber der Plangeber „angesichts des Falles“ bewusst eine Festsetzung getroffen hat, die einem Vorhaben entgegensteht, scheidet eine Befreiung in aller Regel aus (Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Auflage 2019, § 31 Rn.29).
Ein Fehler im Abwägungsvorgang gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB im Hinblick auf die Eigentümerrechte des Klägers aus Art. 14 GG wäre nicht mehr beachtlich, weil es an einer rechtzeitigen Rüge i.S.d. § 215 Abs. 1 Nr. 3 BauGB fehlt. Ein Hinweis i.S.d § 215 Abs. 2 BauGB war der Bekanntmachung des Bebauungsplans „R* …“ beigefügt.
Auch liegt kein stets beachtlicher Fehler im Abwägungsergebnis vor. Der Bebauungsplan lässt keine schlechthin nicht zu rechtfertigende Belastung des Grundstücks des Klägers zu. Auf den nördlichen rechteckigen Grundstücksteil mit rund 640 Quadratmetern Fläche folgt südwestlich eine ca. 150 Quadratmeter große, etwa dreieckige Teilfläche an. Wiederum südlich davon schließt sich die FlNr. 1608/43 an, auf der sich ein öffentlicher Parkplatz befindet. Südlich davon folgt die Straßen A. R. mit einer Breite von rund 5,5 Metern und südlich davon ein Waldstück. Zieht man südlich des festgesetzten Bauraums für Garage und Stellplatz eine gerade Linie bis zu dem etwa mittigen Messpunkt an der südlichen Grundstücksgrenze, ergibt sich südlich des festgesetzten Bauraums eine restliche Grundstücksfläche von gut 70 Quadratmetern. Das ist die Fläche, von der der Kläger behauptet, sie wäre gleichsam vom Rest des Grundstücks abgeschnitten, eine sinnvolle Nutzung sei blockiert und sie würde von einem unbefangenen Betrachter eher dem südlich folgenden Parkplatz als dem Klägergrundstück zugeordnet. Diese Sichtweise ist aber keineswegs zwingend und hängt maßgeblich von der Freiflächengestaltung durch den Kläger ab. Friedet er z.B. sein Grundstück nach Süden zum Parkplatz hin durch Bepflanzung ein und nutzt die an den Stellplatz südlich anschließende Fläche, sei es durch eine Kompostanlage, durch Spiel- oder Sportanlagen für Kinder oder durch sonstige Nebenanlagen i.S.d. § 14 BauGB, die i.Ü., wie Nr. 3 Buchst. c) der textlichen Festsetzungen zeigt, durch den Bebauungsplan „R* …“ nicht ausgeschlossen sind, kann der behauptete Effekt jedenfalls vermieden werden. Das von der Beigeladenen gefundene Abwägungsergebnis war somit nicht wegen des Eigentumsgrundrechts des Eigentümers der FlNr. 1593 (zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses war dies noch nicht der Kläger) unvertretbar.
II.
Eine Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entsprechend § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil das Vorhaben Grundzüge der Planung berührt und das in § 31 Abs. 2 BauGB eröffnete Ermessen deshalb nicht im Sinne einer Befreiung ausgeübt werden kann.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese einen eigenen Antrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO entsprechend).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben