Baurecht

Beeinträchtigung einer Erdbebenmessstation durch eine Windenergieanlage

Aktenzeichen  22 BV 17.2448

Datum:
12.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41544
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1
BImSchG § 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Die Funktionsfähigkeit einer seismologischen Messstation ist ein unbenannter öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB, der der Genehmigung des  Baus und der Errichtung einer Windkraftanlage gemäß § § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entgegenstehen kann, wenn die geplante Windkraftanlage den Betrieb der seismologischen Messstation durch Erschütterungen so beeinträchtigen wird, dass die Funktionsfähigkeit der Messstation nicht gegeben ist (hier bejaht). (Rn. 52 – 79) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 7 K 14.1558 2017-07-27 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckungsbeginn Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
I.
Die Klage ist zulässig.
Rechtsschutzziel der Klägerin ist ausweislich ihres Klageantrags und ihres Vortrags nur die Aufhebung des Versagungsbescheids vom 18. August 2014, verbunden mit der Verpflichtung des Beklagten, über ihren Genehmigungsantrag neu zu entscheiden. Die Klägerin macht geltend, durch die auf § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gestützte Versagung der begehrten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Einen Antrag dagegen, den Beklagten zur Erteilung der beantragten Genehmigung zu verpflichten, hat die Klägerin nicht gestellt. Dies stößt vorliegend nicht auf Bedenken, obwohl § 42 Abs. 1 VwGO als Regelfall vorsieht, dass die Versagung eines beantragten begünstigenden Verwaltungsakts mit der Versagungsgegenklage verfolgt wird, die auf die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass des abgelehnten Verwaltungsakts gerichtet ist. Vorliegend ist der lediglich auf die Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Entscheidung nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs gerichtete Klageantrag deswegen statthaft, weil bei Klageerhebung wie auch im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof die Sache nicht im Sinn einer solchen weitergehenden Verpflichtung des Beklagten spruchreif gewesen ist und nicht spruchreif gemacht werden konnte, vielmehr ein sogenanntes „steckengebliebenes Genehmigungsverfahren“ vorlag.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Bau und Betrieb der von der Klägerin geplanten Windenergieanlage (WEA) bedürfen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Die WEA erweist sich indes in dem auch für Bescheidungsklagen maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 113 Rn. 217, 218) als nicht genehmigungsfähig. Deshalb verletzt der Bescheid des Landratsamts Neumarkt i.d.OPf. vom 18. August 2014 die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Klägerin kann nicht beanspruchen, dass der Beklagte über den Genehmigungsantrag der Klägerin nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs neu entscheidet (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Die Errichtung und der Betrieb der streitgegenständlichen 200 m hohen WEA sind genehmigungspflichtig gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 4. BImSchV i.V.m. Nr. 1.6.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV. Wann die Genehmigung erteilt oder versagt werden muss, richtet sich nach § 6 Abs. 1 BImSchG und nach weiteren die Genehmigungsvoraussetzungen regelnden Vorschriften.
Von diesen Genehmigungsvoraussetzungen bzw. -hindernissen streiten die Beteiligten vorliegend nur um die Frage, ob die geplante WEA deswegen nicht genehmigt werden kann, weil sich ihr Betrieb nachteilig auf den Betrieb der seismologischen Messstation GRB5 und/oder das sogenannte „Gräfenberg-Array“ (kurz: GRF-Array) auswirkt, zu dem die Station GRB5 als eine von 13 Messstationen gehört. Auch das Landratsamt hat die Versagung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung allein darauf gestützt, dass dem streitigen Vorhaben ein öffentlicher Belang entgegenstehe (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BauGB), weil der Betrieb der WEA die Funktion der Station GRB5 der Beigeladenen beeinträchtige. Klagebegehren ist demnach, dass der Verwaltungsgerichtshof die eigene Rechtsauffassung der Klägerin als Rechtsauffassung des Gerichts bestätigt und sie gegenüber dem Beklagten durch Verpflichtungsurteil durchsetzt (vgl. zu einer solchen Konstellation z.B. BVerwG, U.v. 3.12.1981 – 7 C 30/80, 7 C 31/80 – juris Rn. 13). Die Genehmigungsvoraussetzungen sind indes wegen der nachteiligen Auswirkungen des WEA-Betriebs auf den Betrieb der seismologischen Messstation GRB5 und des GRF-Arrays nicht erfüllt; das Landratsamt hat hierin im Ergebnis zu Recht einen Versagungsgrund gesehen.
2. Für die rechtliche Einordnung des nachteiligen Einflusses von WEA auf seismologische Messungen kommen – ausgehend von § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG – verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass unter anderem die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden; außerdem dürfen auch keine anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage entgegenstehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Wenn eine der unter § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen nicht erfüllt ist und auch nicht durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden kann, so muss die Genehmigung versagt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV).
2.1. Unabhängig von der rechtlichen Bewertung kann sich ein WEA-Vorhaben auf eine seismologische Messstation in technischer Hinsicht folgendermaßen auswirken:
Die Messgeräte einer seismologischen Station sind – ihrem Zweck (nämlich der möglichst weltweiten Erfassung von Erdbeben und z.B. durch Kernwaffentests ausgelösten Erschütterungen) entsprechend – hochempfindlich und in der Lage, Bodenbewegungen im Bereich von Nanometern (Millionstel Millimeter) aufzulösen (BGR vom 19.6.2014 an das Landratsamt, Nr. 1, Bl. 71 der Behördenakte). Diese Bodenbewegungen sind „Erschütterungen“ mit einer – nach dem menschlichen Empfinden und im Vergleich mit den meisten technischen Vorgängen – äußerst geringfügigen Stärke. Seismologische Messgeräte von der Art der Station GRB5 messen auch äußerst schwache Erschütterungen, deren Quelle Hunderte oder Tausende von Kilometern entfernt ist.
2.2. Nachteilige Auswirkungen des Betriebs der WEA hat die Beigeladene – BGR – nachvollziehbar und unbestritten folgendermaßen beschrieben: WEA erzeugen durch die Bewegung des Rotors Erschütterungssignale, die über den Turm und das Fundament in den Boden übertragen werden und sich von dort in alle Richtungen ausbreiten. Die Signale sind über einen breiten Frequenzbereich „verschmiert“, weil die Signaleinträge durch verschiedenartige und außerdem nicht ständig gleiche, sondern sich vielfach ändernde Bewegungen von Teilen der WEA hervorgerufen werden und Einflüssen auf dem Übertragungsweg von der WEA zur seismologischen Messstation unterliegen. Die Signale hängen nämlich zunächst ab von der Rotationsbewegung der Rotorblätter, vom Schwingungs- und Neigungsverhalten des Turms und von den Übertragungseigenschaften des Fundaments. Bei jedem Passieren eines Rotorblatts am Turm werden Signale angeregt (vgl. BGR vom 19.6.2014 ans Landratsamt, Nr. 3.7, Bl. 70 ff. der Behördenakte). Die einzelnen Parameter (z.B. Frequenz, Amplitude, Geschwindigkeit) dieser Signale, die sich als Wellen unterhalb des hörbaren Frequenzbereichs ausbreiten, sind deswegen so wandelbar, weil sie von zahlreichen, ihrerseits nicht konstanten Faktoren abhängen (Windstärke, Windrichtung, Stellung des Rotors und Neigung [Pitch] der Rotorblätter zum Wind). Die von einer WEA verursachten Erschütterungswellen werden mit zunehmender Entfernung von der WEA schwächer, lassen sich aber auch in einem Abstand von mehreren Kilometern (z.T. bis zu mehr als 10 km) noch nachweisen.
Diese Erschütterungen hindern das seismologische Messgerät nicht an seiner fehlerfreien Funktion als solcher; das Gerät misst trotz der Erschütterungen fehlerfrei. Allerdings misst es die von der WEA verursachten Signale ebenso wie solche sehr schwachen Signale, die – der Bestimmung der seismologischen Messstation gemäß – gerade entdeckt werden sollen (Erdbeben, Kernwaffentests). Der vom Betrieb der WEA verursachte Nachteil für die seismologische Messstation liegt darin, dass die „detektionswürdigen“ Signale (Erdbeben, Kernwaffen) von den störenden anderen Signalen (WEA-Erschütterungen) nicht oder nicht genau genug unterschieden werden können.
3. Der Bau und die Errichtung der streitigen WEA sind vorliegend nicht genehmigungsfähig, weil § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nicht erfüllt ist. Dem Vorhaben steht nämlich die öffentlich-rechtliche Anforderung entgegen, dass ein Vorhaben im Außenbereich, auch wenn es privilegiert ist, nur dann zugelassen werden darf, wenn ihm nicht ein öffentlicher Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 BauGB entgegensteht. Dies ist vorliegend aber der Fall.
3.1. Der Katalog der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten öffentlichen Belange, die einem Vorhaben entgegenstehen können, ist nicht abschließend (wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt); neben den in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft aufgezählten Belangen gibt es auch sogenannte „unbenannte öffentliche Belange“ (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.2003 – 4 C 3/02 – juris Rn. 31 m.w.N.).
3.2. Die Funktionsfähigkeit der seismologischen Messstation GRB5 und des GRF-Arrays als System, zu dem die Station GRB5 gehört, ist ein solcher unbenannter öffentlicher Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB; unter „Funktionsfähigkeit“ versteht der Verwaltungsgerichtshof bei einer seismologischen Messstation der vorliegenden Art die Fähigkeit, gemäß dem oben unter 2.1 beschriebenen Zweck auch sehr schwache Signale ausreichend zu messen und von anderen Signalen zu unterscheiden.
3.2.1. Die „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ (BGR) ist – den Informationen in ihrem Internetauftritt und ihrem Vortrag im Gerichtsverfahren zufolge – die zentrale geowissenschaftliche Beratungseinrichtung der Bundesregierung und gehört zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Ihre Arbeit dient einer ökonomisch und ökologisch vertretbaren Nutzung und Sicherung natürlicher Ressourcen und somit der Daseinsvorsorge. Die BGR nimmt als nationaler geologischer Dienst zugleich zahlreiche internationale Aufgaben wahr. Im Inland hat sie überwiegend koordinierende Funktionen. Als Bundesoberbehörde ist die BGR Bestandteil der wissenschaftlich-technischen Infrastruktur Deutschlands und übernimmt auch gesetzlich festgelegte Aufgaben. Auf Basis des Gründungserlasses gehören zum Tätigkeitsprofil der BGR u.a. die Aufgaben der rohstoffwirtschaftlichen und geowissenschaftlichen Beratung der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft, der internationalen geowissenschaftliche und technischen Zusammenarbeit sowie der geowissenschaftliche Forschung und Entwicklung. Das GRF-Array ist ein Netzwerk von dreizehn seismologischen Messstellen in der fränkischen Alb, das vom Seismologischen Zentralobservatorium, einem Referat der BGR, betrieben wird.
Im Gerichtsverfahren hat die Beigeladene zu den Aufgaben der Station GRB5 und des GRF-Arrays in seiner Gesamtheit, nachvollziehbar und in der Sache auch seitens der Klägerin unwidersprochen, Weiteres dargelegt: Das GRF-Array wurde zwischen 1975 und 1980 als weltweit erstes digitales seismologisches Breitband-Array errichtet. Es liefert die zeitlich am weitesten zurückreichende digitale Breitbanddatenbasis in Deutschland. Alle seit 1976 weltweit stattgefundenen Kernsprengungen wurden und werden in diesen Messstationen aufgezeichnet. Die Messstation GRB5 und das GRF-Array bieten die Infrastruktur zur Begegnung nuklearer und radiologischer Bedrohungen und sind damit auch für die Landesverteidigung bedeutsam, insbesondere weil die Bundeswehr zur Messung militärischer Nuklearversuche kein eigenes Netz von Erdbebenmessstationen zur Ortung und Einschätzung nuklearer und chemischer Explosionen unterhält. Die seismologischen Messeinrichtungen sind – wenngleich Erdbeben sich nicht vorhersagen lassen – auch für die Vorwarnung vor Erdbeben für den Zivil- und Katastrophenschutz bedeutsam. Die Registrierung der Signale in unveränderter Qualität und Konfiguration sowie der Vergleich mit den bisher aufgezeichneten Daten sind auch im Hinblick auf das Kernwaffenteststoppabkommen von Bedeutung. Die Erkenntnisse aus den Messstationen dienen zur Beratung und Information der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft in allen geowissenschaftlichen und rohstoffwissenschaftlichen Fragen, der durch die Messstationen gewonnene Datenbestand wird auch für den internationalen seismologischen Austausch und für internationale Forschungsprojekte bereitgehalten. Speziell zu den Aufgaben der Station GRB5 im Zusammenhang mit dem Kernwaffenteststoppvertrag (BT-Drs. 13/10075 vom 9.3.1998 und Gesetz zum Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen sowie Ausführungsgesetz zum Nuklearversuchsverbotsvertrag) hat die Beigeladene dargelegt (Schriftsätze vom 19.6.2014, vom 18.12.2014 mit Anlage: Auswärt. Amt vom 21.3.1996 an die BGR, Schriftsatz vom 10.3.2015 ans Verwaltungsgericht), dass die Bundesrepublik Deutschland den Vertrag unterzeichnet, ratifiziert und in nationales Recht umgesetzt hat, und dass daher die BGR Aufbau und Betrieb der Mess-Infrastruktur zur Verifikation des Vertrags leistet, dass sie ausführende Behörde bei Überwachungsaufgaben im Rahmen des Kernwaffenteststoppabkommens ist und dass diese Aufgaben u.a. mit den Messstationen des GRF-Arrays wahrgenommen werden. Das GRF-Array ist hierbei ein sogenanntes nationales Verifikationsmittel, wie es die Vertragsstaaten kraft eigenen Entschlusses in Ergänzung zum international vereinbarten Stationssatz einsetzen dürfen; nationale Verifikationsmittel sind im CTBT-Vertrag definiert und dienen der Datenerhebung für Verifikationsaufgaben im Rahmen des CTBT.
3.2.2. Die Klägerin hat erstinstanzlich (Az. RO 7 K 14.1558, Schriftsatz vom 24.11.2014) u.a. unter Hinweis auf die Vollzugsanordnung zum Baugesetzbuch und zur bayerischen Bauordnung vom 26. Juni 1987 (Abschnitt III Abs. 1 und 2), in der die BGR nicht als einer der im Baugenehmigungsverfahren zu hörender Träger öffentlicher Belange aufgeführt ist, bezweifelt, dass die BGR Träger eines öffentlichen Belangs sei. Indes ist es – anders als die Argumentation der Klägerin nahelegen will – für die Bejahung eines „öffentlichen Belangs“ nicht erforderlich, dass es hierfür überhaupt einen „Träger“, eine Institution oder eine Behörde (hier die BGR) gibt, die diesen Belang „trägt“. Dies folgt schon daraus, dass auch das Rücksichtnahmegebot als öffentlicher Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB anerkannt ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris Rn. 11 m.w.N.), das sich, ohne einen „Träger“ zu haben, an jedermann wendet. Es kommt nicht darauf an, ob die BGR als einer der „Träger öffentlicher Belange“ im Genehmigungsverfahren hat beteiligt werden müssen.
3.2.3. Der Bejahung eines öffentlichen Belangs steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber seismologischen Messstationen nicht wie etwa Radarstationen einen ausdrücklichen Schutzstatus zugestanden und Bauschutzbereiche oder Ähnliches festgelegt hat. Die lediglich beispielhafte („insbesondere“) Aufzählung öffentlicher Belange in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB dient gerade dem sachgerechten Zweck, diese Vorschrift offen zu halten gegenüber künftigen, noch nicht absehbaren Entwicklungen, die einen öffentlichen Belang möglicherweise erst dann ins Licht rücken, wenn die Beeinträchtigung ein bislang hingenommenes Ausmaß übersteigen.
Die geschilderten Aufgaben der BGR, die diese u.a. mittels des GRF-Arrays (deren Teil die Station GRB5 ist) wahrnimmt, reichen aus, um die unbeeinträchtigte bestimmungsgemäße Funktion des GRF-Arrays als unbenannten öffentlichen Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu bejahen. In der Rechtsprechung ist ohne weiteres die Funktionsfähigkeit von Erdbebenmessstationen als öffentlicher Belang im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB angesehen worden (OVG NW, B.v.9.6.2017 – 8 B 1264/16 – juris Leitsatz Nr. 3; VG Aachen, U.v. 13.12.2017 – 6 K 2371.15 – juris Rn. 314). Ob dies für alle Erdbebenmessstationen gilt, kann dahinstehen. Der erkennende Senat hat jedenfalls – aus den geschilderten Gründen – keine Zweifel daran, dass die Funktionsfähigkeit der Station GRB5 als Teil des GRF-Arrays ein öffentlicher Belang im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist.
3.3. Anhaltspunkte dafür, dass die Schutzwürdigkeit der seismologischen Messstation GRB5 als öffentlicher Belang deswegen gemindert sein könnte, weil sie baurechtlich nicht genehmigt sei, sieht der Verwaltungsgerichtshof nicht; die Klägerin hat diesen erstinstanzlich (vergeblich) erhobenen Einwand im Berufungsverfahren auch nicht weiterverfolgt. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der im Zeitpunkt der Errichtung der Station GRB5 geltenden Rechtslage die Anlage künstlicher Hohlräume unter der Erdoberfläche mit einem Rauminhalt bis zu 50 cbm genehmigungsfrei war (Art. 83 Abs. 1 Nr. 22 BayBO i.d.F. vom 1.10.1974 – GVBl 1974, 513) und dass solche seismologische Messstationen, die in einem unterirdischen, ca. 3 m bis 5 m tiefen und ca. 2 m im Durchmesser messenden Schacht das eigentliche Messgerät (Seismometer) beherbergen, samt den wenigen oberirdischen Teilen der Anlage diese Voraussetzungen erfüllen dürften. Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass für den Fall einer dennoch bestehenden baurechtlichen Genehmigungspflicht angesichts der beschriebenen Beschaffenheit der Messstation an der Genehmigungsfähigkeit der Station kein Zweifel besteht und eine eventuelle bloße formelle Baurechtswidrigkeit der Station das Gewicht des mit ihrem Betrieb verbundenen öffentlichen Interesses im nachbarlichen Verhältnis zum Außenbereichsvorhaben der Klägerin nicht entscheidend zu schwächen vermag (vgl. OVG Koblenz, U.v.13.1.2016 – 8 A 10535/15 – juris Rn. 115 zu einer Wetterradarstation).
4. Vorliegend kommt es entscheidungserheblich darauf an, ob die geplante WEA den Betrieb der seismologischen Messstation GRB5 durch Erschütterungen so beeinträchtigen wird, dass die Funktionsfähigkeit dieser Station und des GRF-Arrays nicht möglich ist, und ob – wenn diese erste Frage bejaht worden ist – bei wertender Abwägung zwischen dem öffentlichen Belang und dem privilegierten Vorhaben der öffentliche Belang sich durchzusetzen und die Beeinträchtigung abzuwehren vermag, also der Verwirklichung des privilegierten Vorhabens im Sinn des § 35 Abs. 1 BauGB „entgegensteht“. Zur Beurteilung dieser Fragen bedarf es einer noch näheren Untersuchung und Beschreibung dieses Belangs.
4.1. Hierbei nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar sind die Erwägungen, die das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf das Verständnis der einschlägigen Begriffe bei der Störung des (benannten) öffentlichen Belangs der Funktionsfähigkeit einer Radaranlage (Wetterradar oder Flugsicherungsradar) angestellt hat (vgl. BVerwG, U.v. 22.9.2016 – 4 C 6/15 – juris Rn. 11 bis 13, Rn. 30 und 31, Rn. 44 ff.). Diese Einschränkung beruht darauf, dass im dortigen Fall (Radaranlage) der öffentliche Belang als ungestörte „Funktionsfähigkeit“ von Radaranlagen umschrieben war (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB) und das Bundesverwaltungsgericht für die Antwort auf die Frage, wann eine Störung in diesem Sinn vorliegt, auf die Rechtsprechung zu § 18a Abs. 1 LuftVG zurückgegriffen hat, die es – auch wegen des Wortlauts der Vorschrift (Störung der „Funktionsfähigkeit der Radaranlage“) – auf den benannten öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB für übertragbar gehalten hat (BVerwG, U.v. 22.9.2016 – 4 C 6/15 – juris Rn. 11 bis 13). Der unbenannte öffentliche Belang der Funktionsfähigkeit
Von der Störung der Funktionsfähigkeit einer Radaranlage unterscheidet sich die Beeinträchtigung des öffentlichen Belangs der bestimmungsgemäßen Aufgabenerfüllung der seismologischen Messstationen im GRF-Array ist nicht im Gesetz umschrieben und es gibt – anders als im Fall von Wetterradaranlagen – nicht eine zweite gesetzliche geregelte Fallgruppe (nämlich die in § 18a Abs. 1 LuftVG tatbestandlich vorausgesetzte Störung von Flugsicherungseinrichtungen), zu der anhand der gesetzlichen Regelungen, der Gesetzesmaterialien und der bereits ergangenen Rechtsprechung Parallelen gezogen oder Unterschiede herausgearbeitet werden können.
Jedenfalls aber ist der Zweck seismologischer Messstationen wie derjenigen im GRF-Array so beschaffen, dass – anders als bei einer Wetterradarstation – nicht zwischen den „reinen Basisdaten“ und mehreren nachfolgenden Schritten in einem vergleichsweise aufwendigen Prozess (nämlich der Verwertung dieser Daten und sodann der Gewinnung von „Warnprodukten“ als Endprodukt der Wetterradarbeobachtung) zu unterscheiden ist: Der sich drehende Rotor einer WEA kann die vom Wetterradar zu erkennenden, auf bestimmte „warnwürdige“ Wetterereignisse hinweisende Signale (dies sind die z.B. von Hagelkörnern zurückgeworfenen „Echos“ eines ausgesandten Radarstrahls) grundsätzlich nur in einem kleinen unteren Bereich eines Winkelsegments unbrauchbar machen, auch wenn das Ausmaß dieser Störung im Detail abhängt von der Entfernung und der höhenmäßigen Lage der WEA zu einer Wetterradarstation. Betroffen sind nämlich die vom Wetterradar zu erkennenden Echos (1.) nur in einer bestimmten Himmelsrichtung, (2.) nur in einem sehr schmalen Kreiswinkelbereich von ca. 1°, (3.) auch der Höhe nach (d.h. von der „waagrechten“, horizontnahen bis zur steil nach oben gerichteten Abtastung) nur in einem kleinen Bereich, und (4.) ist die Detektion von Echos, die „warnwürdige“ Ereignisse anzeigen, nur in solchen Wetterlagen relevant, zu denen überhaupt eine „unwetterträchtige“ Witterung herrscht. Ob diese echoverfälschende oder echovernichtende Wirkung des Rotors eintritt, hängt überdies stark von der Stellung des Rotors zum Wetterradarstrahl ab (ein parallel zum Radarstrahl stehender Rotor wirkt sich wenig aus). Der geringe Bereich, in dem Echos gestört werden, erlaubt es außerdem, wennauch nur eingeschränkt, das „warnwürdige“ Wetterereignis anhand derjenige Signale zu entdecken, die der Radarstrahl ausgelöst hat, bevor und nachdem er den schmalen von der WEA gestörten Kreiswinkelbereich passiert hat.
Diejenigen Erschütterungssignale dagegen, zu deren Erkennung und Speicherung die Station GRB5 und die übrigen seismologischen Messstationen des GRF-Arrays in der Lage sind (Erschütterungen durch Erdbeben und Kernwaffentests), sind gewissermaßen bereits selbst das „Endprodukt“, zu dessen Gewinnung die Messstationen im GRF-Array eingesetzt werden; es geht mithin um die Aufzeichnung kleinster Erschütterungen, um ihre Qualifizierung als erdbeben- oder explosionsbedingte (insbesondere durch Kernwaffentests) Erschütterung und ihre Archivierung sowie ihre Analyse im Vergleich mit bereits vorhandenen, in den vergangenen ca. 40 Jahren am selben Ort (GRF-Array) gesammelten Daten. So hat die Bevollmächtigte der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2019 ausgeführt, bei der Erfassung und Speicherung der Signale aus Atomtests gehe es auch darum, Vergleiche mit dem Datenbestand aus den 70er Jahren anzustellen und zu beurteilen, wie sich derartige Atomtests und deren Häufigkeit entwickelt hätten (vgl. Niederschrift vom 31.10.2019 S. 5). Es geht dagegen nicht darum, aus den gemessenen seismologischen Wellen erst mittels weiterer Verarbeitungsschritte „Warnprodukte“ herzustellen. Da die (möglichst) lückenlose Erkennung auch sehr schwacher von Erdbeben oder Kernwaffentests herrührender Erschütterungssignale unmittelbar zur Aufgabenerfüllung des GRF-Arrays und der im Verbund dieses Arrays zusammenwirkenden seismologischen Messstationen gehört, ist demnach beim „Verlust“ eines – nicht nur marginalen – Teils dieser Signale auch diejenige Voraussetzung erfüllt, die das Bundesverwaltungsgericht für die Beurteilung einer Störung des (benannten) öffentlichen Belangs der Funktionsfähigkeit einer Radaranlage (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB) angewandt hat: Eine rechtserhebliche Störung der Funktionsfähigkeit – analog hierzu im vorliegenden Fall eine rechtserhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Aufgabenerfüllung der seismologischen Messstation GRB5 und des GRF-Arrays – setzt voraus, dass sich die Beeinträchtigung auf die Aufgabenerfüllung des Betreibers auswirkt (BVerwG, U.v. 22.09.2016 – 4 C 6.15 – Leitsatz 1). Dies ist hier der Fall. Die Messstationen des GRF-Arrays dienen der Schilderung der Beigeladenen zufolge auch nicht nur der „Warnung“ vor Erdbeben (die sich – im Vergleich mit Wetterereignissen – ohnehin nicht vorhersagen lassen), sondern auch der Erkennung von Erschütterungen „menschlichen Ursprungs“ (Kernwaffentests) sowie dem Zweck, aus den Datenbeständen analytische Folgerungen und Entscheidungshilfen u.a. für politische Entscheidungen gewinnen zu können.
Die Funktionsweise der seismologischen Messstation GRB5 und des Verbunds GRF-Array hat die Beigeladene im Einzelnen wie folgt beschrieben (im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 12.1.2015, S. 7 bis 9): Ein Breitband-Seismometer, wie es an der Station GRB5 eingesetzt wird, zählt wegen des (für die Erfassung von Signalen in einem breiten Frequenzbereich) nötigen technischen Aufwandes zu den teuersten seismologischen Aufnehmern. Die Konstruktion moderner Seismometer erlaubt die Registrierung kleinster Bodenbewegungen von einigen Nanometern, also im Bereich von millionstel Millimetern. Unter anderem kann aus den gemessenen Amplituden und der Entfernung zum Erdbebenherd die Stärke des Erdbebens ermittelt werden. Die gemessenen Bodenbewegungen werden kontinuierlich aufgezeichnet und digital gespeichert. Eine permanente Übertragung der aufgezeichneten Datenströme von einem ganzen Netz von Stationen zu einem Datenzentrum ist nötig, um eine zuverlässige und zeitnahe Überwachung der Erdbebenaktivität zu gewährleisten. Die Array-Funktionalität ist auf das Zusammenwirken aller Array-Elemente ausgelegt. Für das Array sowie für die Einzelstation gilt, dass seismologische Ereignisse mit kleinen Amplituden in einem höheren Rauschniveau nicht mehr gemessen werden können. Diese Messergebnisse gehen verloren und können nicht mehr mit bereits vorliegenden Beobachtungen verglichen werden. Da die Häufigkeit von Erdbeben mit sinkender Magnitude exponentiell ansteigt, betrifft das einen Großteil der messbaren seismologischen Ereignisse. Die sichere Erkennung gerade von schwachen Ereignissen ist schwierig und wird durch zusätzliche Störungen noch weiter erschwert. Außerdem ist im Rahmen der Tätigkeit der BGR auch die Aussage, dass kein Ereignis einer bestimmten Magnitude stattgefunden hat, von Relevanz. Diese Aussage wäre für kleinere Magnituden nicht mehr möglich. Weltweit gibt es pro Jahr weit über 10.000 Ereignisse der Magnitude 4. Die Messstationen des GRF-Arrays besitzen eine hohe Detektionsfähigkeit, d.h. Empfindlichkeit gerade gegenüber fernen oder kleinen Ereignissen. Die 13 Seismometer sind in L-Form als eine Art seismologische Antenne angeordnet. Die Standorte der Messeinrichtungen sind sorgfältig gewählt, abseits von größeren Wohn- und Industrieanlagen und häufig frequentierten Verkehrswegen. Die 13 Stationen des GRF-Arrays können zu einem Gesamtsystem zusammengeschaltet werden (Array-Funktionalität). Daraus ergeben sich Informationen über die Einfallsrichtung entfernter Signale. Zusätzlich wird für solche Signale auf der Summenspur das Signal/-Stör-Verhältnis gegenüber den Registrierungen der Einzelspuren verbessert. Störungen auf Einzelspuren übertragen sich auch auf die Summenspur. Die von der Station GRB5 zu detektierenden Signale (aus Erschütterungen durch Erdbeben und Kernwaffentests) können zu jeder beliebigen Sekunde eines jeden Tages aus jeder beliebigen Himmelsrichtung die Station GRB5 erreichen und sollen dann von dieser Station wahrgenommen und aufgezeichnet werden können. Derartige Erschütterungen können ihre Quelle relativ nahe (wenige Hundert Kilometer) oder in einer Entfernung von Tausenden von Kilometern haben; ihr Auftreten ist – anders als die von Wetterradaren zu detektierenden Echos von Regentropfen, Hagelkörnern oder Schneekristallen – nicht von Jahreszeiten, Temperaturen oder Großwetterlagen abhängig. Der nachteilige Einfluss, den der Betrieb einer WEA auf die Erkennung solcher geringer Erschütterungen infolge der von der WEA selbst erzeugten Erschütterungen hat, ist – wiederum anders als bei einem Wetterradar – nicht begrenzt auf einen bestimmten räumlichen Bereich (wie das von der WEA beeinträchtigte schmale Kreissegment eines sich um 360 Grad drehenden Radars), sondern betrifft den gesamten 360 Grad umfassenden Detektionsbereich des seismologischen Messstation, da die von der WEA verursachten Erschütterungen sich in alle Richtungen und außerdem auch über die Entfernung jenseits der seismologischen Messstation hinaus ausbreiten. Eine relevante Störung der bestimmungsgemäßen Aufgabenerfüllung tritt (insoweit ist die Situation gleich derjenigen bei einem Wetterradar) selbst dann ein, wenn sich der Rotor der WEA gar nicht dreht. Denn – wie oben ausgeführt – ist für die bestimmungsgemäße Aufgabenerfüllung der Messstationen im GRF-Array auch die Aussage von Bedeutung, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums kein detektionswürdiges Ereignis (Erdbeben, Kernwaffentest) gegeben hat. Eine solche Aussage ist aber dann nicht mehr zuverlässig möglich, wenn am Ort der seismologischen Messung unbekannt ist, ob innerhalb eines bestimmten Zeitraums die WEA überhaupt in Betrieb gewesen ist, so dass nicht entschieden werden kann, ob das Nichterkennen eines „detektionswürdigen“ Erschütterungssignals darauf zurückzuführen ist, dass es kein entsprechendes Ereignis (Erdbeben, Kernwaffentest) nicht gegeben hat, oder nur darauf, dass das Erschütterungssignal in dem durch den Betrieb der WEA verstärkten Hintergrundrauschen „untergegangen“ ist.
4.2. Ob der unbenannte öffentliche Belang der bestimmungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Station GRB5 und des GRF-Arrays als Verbund durch den Betrieb der WEA beeinträchtigt wird, ist gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar. Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum steht insoweit der BGR weder bezüglich der Frage zu, ob überhaupt eine Beeinträchtigung vorliegt, noch in Bezug auf das „Entgegenstehen“ dieser Beeinträchtigung. Dies haben der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Beeinträchtigung eines vom Deutschen Wetterdienst (dem damaligen Beigeladenen) betriebenen Wetterradars entschieden und die Ablehnung einer solchen Einschränkung der gerichtlichen Kontrollbefugnis ausführlich mit den gesetzlichen Regelungen, welche die Aufgabenerfüllung des Deutschen Wetterdienstes betreffen, und dem Anwendungsbereich (und gerade auch der Anwendungsgrenzen) des Rechtsinstituts eines Beurteilungsspielraums, einer Einschätzungsprärogative oder eine Letztentscheidungsbefugnis begründet (vgl. BayVGH, U.v. 18.9.2015 – 22 B 14.1263 – juris Rn. 46 ff.; BVerwG, U.v. 22.9.2016 – 4 C 6/15 – juris Rn. 15 bis 29). Rechtsvorschriften, die der BGR in Bezug auf die ihrer Aufgabenerfüllung dienenden seismologischen Messstationen im GRF-Array eine gewichtigere Position einräumen oder Ausdruck einer vom Gesetzgeber zuerkannten höheren Kompetenz sind, als sie der Deutsche Wetterdienst in Bezug auf seine Wetterradarstationen hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Auch andere rechtliche oder tatsächliche Merkmale, anhand derer die Rechtsprechung eine Zurücknahme der gerichtlichen Kontrollbefugnis trotz des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in Kauf nimmt und einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum, einer Einschätzungsprärogative oder eine Letztentscheidungsbefugnis anerkennt, sind vorliegend nicht festzustellen.
Dies gilt vorliegend insbesondere, soweit an eine wegen wissenschaftlicher Erkenntnisdefizite bestehende Einschätzungsprärogative (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 22.9.2016 – 4 C 6/15 – juris Rn. 27 bis 29) gedacht werden könnte, die allerdings aus verfassungsrechtlichen Gründen ohnehin nur sehr zurückhaltend angenommen werden darf (vgl. BVerfG, B.v. 23.10.2018 – 1 BvR 2523/13 – juris). Die im vorliegenden Fall bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnisdefizite betreffen – wie weiter unten noch dargelegt wird – die Frage, in welchem genauen Ausmaß eine erst noch zu errichtende WEA wahrscheinlich Erschütterungen über eine größere Entfernung hinweg (z.B. bis zu einer mehrere Kilometer entfernte seismologischen Messstation) verursachen wird und ob und wie diese Erschütterungen vermindert werden können. Die Erkenntnis dagegen, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Entfernung voraussichtlich Erschütterungen in einem für den bestimmungsgemäßen Betrieb der seismologischen Station beeinträchtigenden Ausmaß auftreten werden, beruht auf gerichtlich nachprüfbaren wissenschaftlich gesicherten Erfahrungswerten – nicht einem „wissenschaftlichen Patt“, das möglicherweise die Gerichte zur Einräumung einer Einschätzungsprärogative nötigt.
4.3. Der vorliegend in Rede stehende öffentliche Belang besteht nach der Überzeugung, die der Verwaltungsgerichtshof aus dem Inhalt der Akten und dem Vortrag der Beteiligten gewonnen hat, darin, dass durch das GRF-Array mit jeder einzelnen seiner 13 Messstationen möglichst lückenlos in zeitlicher wie räumlicher Hinsicht Erschütterungen, die z.B. durch Erdbebenereignisse oder durch Kernwaffentests oder Kernwaffentests ausgelöst werden, registriert werden, dass durch Analyse des Erschütterungssignals auf die vermutliche Herkunft und Ursache des Signals geschlossen wird, und dass die so gewonnenen Daten auch als „Wissensschatz“ archiviert und für die Weiterentwicklung der Wissenschaft und für die Beurteilung später eintretender ähnlicher Fälle vergleichend herangezogen werden können. Dabei kommt es gerade auch auf die Erkennung und zutreffende Beurteilung sehr schwacher Signale an, die von weit entfernten Quellen herrühren; gerade zu diesem Zweck sind die technisch aufwendigen, hochempfindlichen Breitband-Messgeräte im GRF-Array entwickelt und eingerichtet worden. Es kommt außerdem darauf an, dass jede einzelne der 13 Messstationen im GRF-Array ihren Beitrag leistet und möglichst ungestört Signale gewinnen kann. Denn die Anordnung der 13 Messstationen auf der Fränkischen Alb in einem bestimmten Abstand und einer bestimmten Form (Anordnung in Form eines „L“ als eine Art seismologischer Antenne, vgl. Schriftsatz der Beigeladenen vom 12.1.2016 S. 9 vor Nr. 5.2) bezweckt nicht nur, Erschütterungssignale überhaupt zu erkennen. Vielmehr können die Stationen des GRF-Arrays zu einem Gesamtsystem zusammengeschaltet werden und ermöglichen dann, Informationen über die Einfallsrichtung entfernter Signale zu erlangen; zusätzlich wird für solche Signale auf der Summenspur das Signal-/Stör-Verhältnis gegenüber den Registrierungen der Einzelspuren verbessert (Schriftsatz der Beigeladenen vom 12.1.2016 S. 9 Nr. 5.2). Zum Weiteren kommt es darauf an, dass die gewonnenen Daten unter solchen örtlichen Rahmenbedingungen erlangt werden, die über lange Zeiträume möglichst unverändert bleiben; nur auf diese Weise lassen sich aus Vergleichen mit den früheren, seit den Anfängen des GRF-Arrays in den 1970er Jahren gewonnenen Erkenntnissen ausreichend brauchbare weitere Erkenntnisse gewinnen. Zusammengefasst bedeutet dies: Das öffentliche Interesse des Bundes, das sich in dem durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe betriebenen Messsystem des GRF-Arrays manifestiert, geht dahin, gerade durch dieses aus 13 einzelnen Messstationen bestehende Verbundsystem Überwachungsaufgaben in großer Genauigkeit und Beständigkeit wahrzunehmen. Zwar bietet – wie der Verwaltungsgerichtshof den Ausführungen der Beigeladenen entnimmt (Schriftsatz vom 12.1.2015) – das Zusammenwirken aller Stationen innerhalb des GRF-Arrays auch eine gewisse Redundanz der von den einzelnen Stationen geleisteten Beiträge. Diese kann aber – wie oben unter 4.1 ausgeführt – mittlerweile die bei einer einzelnen Station eintretenden Beeinträchtigungen praktisch nicht mehr auffangen, weil schon alle Stationen des GRF-Arrays Beeinträchtigungen durch WEA-Signale – mehr oder weniger stark – aufweisen. Hinzu kommt, dass auch die Messungen an einer einzelnen Station für sich genommen von Nutzen sind, wie Dr. S… für die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung dargestellt hat (vgl. Niederschrift vom 31.10.2019 S. 8, 9).
5. Vorliegend ist davon auszugehen, dass die geplante WEA bei D… im Betrieb Erschütterungen auslösen wird, die von der Messstation GRB5 aufgezeichnet werden, nicht von den bestimmungsgemäß zu erfassenden (von Erdbeben, Nukleartest usw. ausgelösten) Wellen unterschieden werden können und daher die bestimmungsgemäße Aufgabenerfüllung der Messstation GRB5 und des GRF-Arrays beeinträchtigen.
5.1. Diese Einschätzung beruht darauf, dass die streitige WEA in einer geringeren als der in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 genannten Entfernung zur Station GRB5 (5 km) errichtet werden soll. Die Annahmen in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 sind zwar einer abweichenden Beurteilung im konkreten Einzelfall, bei der die technischen Einzelheiten einer geplanten WEA und die Verhältnisse am Standort betrachtet werden, zugänglich. Die Einzelfallbetrachtung führt im vorliegenden Fall aber nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
5.1.1. Die Einschätzung, dass – jedenfalls im Hinblick auf das GRF-Array – die Aussagen in Nr. 7.3.4 BayWEE 2016 auf besonderem Sachverstand und besonderen Erfahrungswerten beruhen, hat ein Fachkundiger, nämlich der vorliegend erstinstanzlich vom Verwaltungsgericht und sodann im Berufungsverfahren vom Verwaltungsgerichtshof als Sachverständiger herangezogene Prof. Dr. W. in seinen schriftlichen Gutachten (vom 2.10.2019 und 29.10.2019) sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 31. Oktober 2019 ausgeführt. Er hat in seinem schriftlichen Gutachten (vom 2.10.2019) zunächst dargelegt, dass es außerordentlich schwierig ist, die von einer erst noch zu bauenden WEA voraussichtlich verursachten Erschütterungen zu prognostizieren; dies liege am Ausbreitungsverhalten der bei seismologischen Messstationen interessierenden Erschütterungen und der weitgehenden Unkenntnis über die Beschaffenheit des Ausbreitungsmediums auf der Strecke zwischen der WEA und einer seismologischen Messstation, nämlich des Erdbodens in Tiefen von mehreren Hundert bis etwa 1.000 Metern. Prof. Dr. W. hat ausgeführt, man könne heute und in naher Zukunft die Bodenerschütterungen einer WEA oder mehrerer WEAs in mehreren Kilometern Entfernung modellhaft bestenfalls in Größenordnungen abschätzen, sofern man keine empirischen Beobachtungen vor Ort zur Verfügung habe. Gleichzeitig liege mittlerweile eine Reihe von Erfahrungswerten aus seismologischen Messungen vor, die die Vorgaben des BayWEE 2016 stützten. Die Einschätzung des GRF-Arrays der BGR als höher schutzbedürftig als die Breitbandstationen des Bayerischen Erdbebendienstes sei richtig, wenn man bedenke, dass ein Array, was die gleichzeitige Nutzung aller Stationen für Detektions- und Identifikationszwecke erlaube, nur dann funktioniere, wenn alle oder wenigstens die meisten Stationen ein gutes Signal/Stör-Verhältnis aufwiesen. An denjenigen BGR-Stationen, in deren Nähe es schon WEA gebe, könne anhand von Messungen der von diesen WEA schon verursachten Auswirkungen unter Umständen gezeigt werden, ob eine weitere WEA gravierend negative Auswirkungen haben würde, wenn sie in 5 km oder geringerer Entfernung installiert werde; es wäre also vertretbar, für diese Stationen die 3 km Entfernung beizubehalten, aber die Option für 3 bis 5 km einem Nachweis zu überlassen. Bei den Stationen dagegen, die keiner (schon bestehenden) vergleichbaren WEA näher als 5 km ausgesetzt seien (darunter zählt die vorliegend streitige WEA bei D… in Bezug auf die Station GRB5) sollte die im BayWEE 2016 genannte Entfernung von 5 km eigehalten werden (vgl. W., Gutachten vom 2.10.2019, S. 6 zu Frage 2.2). In der mündlichen Verhandlung hat Prof. Dr. W. auf die Fragen des Klägerbevollmächtigten nach der wissenschaftlichen Rechtfertigung der im BayWEE 2016 angegebenen pauschalierenden 3 km bzw. 5 km-Abstände und danach, ob man nicht zwingend immer den jeweiligen Einzelfall prüfen müsse, ausgeführt: Durch die Arbeiten der BGR sei durch lange Datenseiten nachgewiesen, dass bei einem Abstand von 5 km im Prinzip das stets vorhandene Hintergrundrauschen (bestehend aus in der Natur vorhandenen Signalanteilen – etwa verursacht durch Bewegung der Vegetation im Wind oder den Wellenschlag der Ozeane -, die neben dem gewünschten Nutzsignal durch das Messinstrument aufgezeichnet werden) erreicht werde. Dies sei ein experimenteller Nachweis aus vorhandenen Daten. Seiner Ansicht nach sei deshalb der 5 km-Radius absolut zu rechtfertigen, aus wissenschaftlicher Sicht sei er jedenfalls für die Verhältnisse in dieser Region bewiesen. Dahinter stehe die Annahme, dass die geologischen Verhältnisse jedenfalls in der Region annähernd vergleichbar seien. Ein 5 km-Abstand sei daher ein typischer Wert, bei dem das Störsignal auf das Rauschniveau absinke. Dies gelte jedenfalls bei höheren Frequenzen; es stimme dagegen nicht so bei 1 Hertz. In diesem Frequenzbereich gebe es vielmehr immer noch Störungen. Diese würden allerdings durch eine Abstandsvorgabe von 5 km in Kauf genommen; einen Nachteil für die seismologische Messstation gebe es auch bei einem Abstand zur WEA von 5 km. Ein Abweichen von den 5 km sei seiner Meinung nach erst dann kein Problem, wenn Nachweise für entsprechend geringere Energieeinträge geführt werden könnten (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31.10.2019, S. .7 und 8).
5.1.2. Die in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 enthaltenen fachlichen Aussagen können also als antizipiertes Sachverständigengutachten dahingehend verstanden werden, dass bei einer Unterschreitung des dort genannten Abstands zwischen WEA und seismologischer Messstation (5 km) im Regelfall die seismologische Messstation und das GRF-Array einen nicht unerheblichen Teil der zu erkennenden „Nutzssignale“ (Erdbeben- und Atomtest-Wellen) nicht detektieren können. Dies hat in rechtlicher Hinsicht. zur Folge, dass der geplanten WEA der ungeschriebene öffentliche Belang (§ 35 Abs. 3 BauGB) der bestimmungsgemäßen Funktion einer der in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 genannten seismologischen Messstationen im Sinn von § 35 Abs. 1 BauGB entgegensteht und damit eine nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu beachtende, aus anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften sich ergebende Genehmigungsvoraussetzung nicht erfüllt ist. Einen Gegenbeweis hat die Klägerin als Genehmigungsantragstellerin, etwa im Weg einer fachgerechten Prognose, dass trotz der Unterschreitung des in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 genannten Abstands der Betrieb der Messstation und des GRF-Arrays als Gesamtheit nicht beeinträchtigt ist, nicht erbracht und konnte ihn auch mangels einer anerkannten Berechnungsmethode im Ergebnis nicht erbringen.
5.2. Die antizipierte sachverständige Einschätzung, dass die Station GRB5 von WEA, die im Abstand von weniger als 5 km betrieben wird, in ihrer bestimmungsgemäßen Funktion beeinträchtigt wird, wird durch die von der Klägerin vorgelegten sachverständigen Stellungnahmen nicht widerlegt.
Zur Widerlegung der genannten sachverständigen Einschätzung aus Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 hat die Klägerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren den Bericht „Aufstellung einer Windenergieanlage in der Gemeinde D…, Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz – Untersuchungen zur Schwingungsausbreitung“ der G. GmbH vom 24. September 2015 vorgelegt. In diesem Bericht werden Schlussfolgerungen gezogen aus Messergebnissen, die an einer der geplanten WEA baugleichen Anlage am Standort W. (REpower-Anlage WEA 4) gewonnen wurden; eingeflossen sind in die fachliche Einschätzung auch das Schwingungsverhalten der Gründung einer WEA, Störquellen in der Umgebung der Messstation, die – allerdings nicht vollständig bekannten – Baugrundverhältnisse am Standort der untersuchten WEA und am geplanten WEA-Standort. Die Schlussfolgerungen lauten, dass aus dem Betrieb der streitgegenständlichen WEA „im Mittel nur geringe Auswirkungen auf die in einer Entfernung von 3,3 km vorhandenen Messstation GRB5 zu erwarten“ seien; „nur unter Volllast und somit bei Windgeschwindigkeiten größer 11 m/s könn[t]en sich die maximalen Schwingungsamplituden mit dem Faktor 2-4 (PSD-Amplituden) aus dem allgemeinen Rauschpegel an der Messstation GRB5 herausheben“ und „unter Berücksichtigung einer steiferen Fundamentierung, z.B. durch eine Pfahlgründung“ würden die Fundamentschwingungen der WEA deutlich reduziert. Es werde daher empfohlen, die Gründung genau zu dimensionieren, auch in Hinblick auf die in den Untergrund eingeleiteten dynamischen Kräfte mit dem Ziel einer möglichst geringen resultierenden Schwingungsemission (vgl. G. GmbH vom 24.9.2015, Nr. 9 auf S. 46 = Bl. 167 der VG-Akte).
Der vom Verwaltungsgericht beauftragte gerichtliche Gutachter Prof. Dr. W. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 5. August 2016 in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass die von den Gutachtern der Klägerin (G. GmbH) vorgenommene Messung an der baugleichen WEA W. nach Art und Weise und/oder den eingesetzten Messinstrumenten nicht geeignet sei, die von der streitgegenständlichen Windkraftanlage voraussichtlich ausgelösten Schwingungen im für die seismologischen Messstationen relevanten Bereich abzuschätzen. Die Methodik der G. GmbH, die Schwingungen modellhaft im Nahfeld der Windkraftanlage zu erfassen, sei mit den sie validierenden Messungen prinzipiell akzeptabel, erfordere aber eine Fehleranalyse, die nicht geleistet worden sei. Unabhängig davon könne dieser modellierte Eintrag in die Erde nicht ohne Kenntnisse der elastischen Struktur und der Dämpfungseigenschaften auf dem Ausbreitungsweg von der Windkraftanlage in 3 oder 4 km Entfernung prognostiziert werden. Die erforderlichen Kenntnisse müssten einen Tiefenbereich von ca. 2 km einbeziehen.
Im erstinstanzlichen Verfahren haben die Klägerin und ihre Gutachter (G. GmbH) in zwei Stellungnahmen Kritik an den Aussagen von Prof. Dr. W. geäußert. Den Stellungnahmen der G. GmbH selbst entnimmt der Verwaltungsgerichtshof, dass trotz der vorgenommenen Untersuchungen an der WEA W. und der hieraus für die streitgegenständliche WEA gezogenen Schlussfolgerungen selbst aus Sicht der G. GmbH noch Zweifel (die mit vertretbarem Aufwand nicht ausgeräumt werden können) daran bestehen, dass die geplante WEA die Station GRB5 nicht entscheidungserheblich in ihrer bestimmungsgemäßen Funktion beeinträchtigen werde. So hat G. GmbH in ihrer ersten auf das Gutachten von Prof. Dr. W. (vom 5.8.2016) folgenden Stellungnahme (vom 29.9.2016, VG-Akte Bl. 515) eingeräumt, dass es für die Messungen im Fernbereich sinnvoll sei, die Modellparameter mit einer „Sensitivitätsanalyse“ abzuschätzen (VG-Akte Bl. 518). Die von Prof. Dr. W. empfohlene „Sensitivitätsanalyse“ hat G. GmbH dann begonnen und in der zweiten Stellungnahme (vom 25.10.2016) der sie beauftragenden Klägerin erste Ergebnisse berichtet. Am Ende dieses Berichts resümiert die G. GmbH, „endgültigen Aufschluss über die Dämpfungs- und Ausbreitungseigenschaften des Untergrundes könnten messtechnische Untersuchungen vor Ort bringen. So könnten mittels einer künstlichen Anregungsquelle (Schwingererreger oder großes Fallgewicht) am geplanten Standort D… hohe dynamische Kräfte in den Untergrund eingeprägt und die resultierenden Bodenschwingungen auch bis Entfernungen von ca. 1-2 km, je nach Art und Stärke der Anregung, messtechnisch ermittelt werden. Anhand der Messergebnisse seien die Dämpfungsparameter (geometrische Dämpfung und Materialdämpfung) dann direkt bestimmbar“. Dies bedeutet nichts anderes, als dass – unabhängig davon, ob diese (weitere) Beurteilung der G. GmbH mit ihrem restlichen Inhalt fachlich zweifelsfrei ist – das genaue Ausmaß der (nach den bisherigen Erfahrungen mit dem 5 km-Radius anzunehmenden) Beeinträchtigung der Messstation GRB5 durch die geplante WEA derzeit unbekannt ist und dass es sehr aufwendiger Untersuchungen mit ungewissem Ausgang bedürfte, um dieses Ausmaß exakter prognostizieren zu können.
Im Berufungsverfahren ist der vom Verwaltungsgerichtshof beauftragte gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. W. zudem in nachvollziehbarer Art und Weise schriftlich (Stellungnahme W… vom 2.10.2019) auf diejenigen Fragen eingegangen, die seitens der Klägerin und ihrer Gutachter (G. GmbH) erstinstanzlich ergänzend gestellt, vom Verwaltungsgericht aber nicht als entscheidungserheblich angesehen worden waren. Er hat (W. vom 2.10.2019) zwar diejenigen Zweifel an der Leistung der Messtechnik der G. GmbH fallengelassen, die er in seinem erstinstanzlichen Gutachten formuliert hatte (die G. GmbH hatte ihre Messtechnik in der ergänzenden Stellungnahme vom 29.9.2016 näher erklärt). Zugleich hat Prof. Dr. W. aber weiterhin das Verfahren der G. GmbH zur Abschätzung der Abminderung der Signale in Entfernungen von mehreren Kilometern für wissenschaftlich nicht haltbar angesehen, wenn – wie dies bei der WEA bei D… der Fall ist – die Rechnungen nicht mit Messungen validiert werden können; daran – so Prof. Dr. W. ausdrücklich – änderten auch die Nachlieferungen der G. GmbH (29.9.“2017“ [gemeint ist 29.9.2016] und 25.10.2016) nichts. In der Umgebung des geplanten Standorts in D… gebe es zwar 2 WEA; es handele sich dabei aber nur um eine Kleinwindkraftanlage bzw. nur 85 m hohe WEA, deren Wirkung auf die Station GRB5 im Verhältnis zur streitigen ca. 200 m hohen WEA kein Gewicht zukomme; die Klägerin habe auch – anders als im Parallelverfahren 22 BV 17.2452 – nicht versucht, im Fall D… Folgerungen aus den bekannten Einflüssen der bestehenden „kleinen“ WEA auf die voraussichtliche Auswirkung der geplanten „großen“ WEA zu ziehen. Kernaussagen des Gutachters in Bezug auf die streitige WEA bei D… sind hierbei: Die Wellenausbreitung im komplexen geologischen Untergrund, in dem Frequenzbereich um den es hier geht, können Seismologen nicht mit einfachen numerischen Simulationen quantitativ erfassen, insbesondere deshalb, weil man die nötigen Modellparameter in der Regel nicht kennt. Simulationen ohne Validierung durch Beobachtungen sind wenig aussagekräftig (W. vom 2.10.2019 S. 2 Abschnitt 3), aus Nahfeldmessungen kann die Dämpfung (gemeint ist die durch die Bodenbeschaffenheit bewirkte Dämpfung der von der WEA erzeugten störenden Welle, die sich über mehrere Kilometer zur seismologischen Messstation fortsetzt) nicht ermittelt werden (W. vom 2.10.2019 S. 2 Abschnitt 4 am Ende). Mit „Nahbereich“ ist hierbei ein Radius von weniger als 600 m um die WEA gemeint (vgl. W. vom 2.10.2019 S. 2 letzter Abschnitt). Es gibt bislang keine wissenschaftlich anerkannte Methode, die die Auswirkung einer WEA in größerer Entfernung auch nur halbwegs zuverlässig simuliert, ohne gleichzeitig solche Simulationen durch Beobachtungen zu validieren (W. vom 2.10.2019 S. 4 Abschnitt 3). Für den vorliegenden Fall und die Untersuchungen der G. GmbH bedeutet dies, dass man nicht weiß, ob die im Boden vorhandenen Schichtverhältnisse, wie sie am Standort der WEA teils angenommen, teils mit Messungen bestimmt worden sind, über mehrere Kilometer die gleichen sind. Es ist laut dem gerichtlichen Sachverständigen aber erforderlich, diese Schichtverhältnisse auf dem mehrere Kilometer langen Weg, den ein potentielles Störsignal von der WEA zur seismologischen Messstation nimmt, bis in ca. 1 km Tiefe zu kennen, „um auch nur qualitativ vernünftige Ergebnisse zu erhalten“. Weil der wichtige Dämpfungswert nicht aus Nahfeldmessungen ermittelt werden kann (siehe oben), die eben nur Aussagen über das „Nahfeld“ und (bei einem Störsignal mit der Frequenz 4 Hz) auch nur bis zu einer Tiefe von ca. 250 m erlauben, leidet die Abschätzung der Wellenausbreitung in einem realen geologischen Medium über mehrere Kilometer unter großen Unsicherheiten; es entspricht nicht wissenschaftlicher Vorgehensweise, auf der Basis von Nahfeldmessungen die Wellenausbreitung für größere Entfernungen durch Modelle zu simulieren, wenn man nicht zugleich die Ergebnisse der Simulation validieren kann (W. vom 2.10.2019 S. 4 unten, S. 5 oben). Die Möglichkeit der Validierung fehlt aber, wenn – wie im Fall der streitigen WEA bei D… – nicht bereits andere vergleichbare WEA am selben Standort vorhanden sind, deren Auswirkungen auf die seismologische Messstation aufgrund von Messungen bekannt sind und diese Erkenntnisse (wenngleich u.U. auch nur mit begrenzter Aussagekraft) prognostisch auf die erst noch zu errichtende WEA übertragen werden können.
5.3. Das Ausmaß, in dem der Betrieb der streitigen WEA bei D… die bestimmungsgemäße Funktion der Station GRB5 und des GRF-Arrays in seiner Gesamtheit beeinträchtigen wird, ist erheblich. Diesbezüglich hat der gerichtlich bestellte Sachverständige auf entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt: Wenn eine – wie im vorliegenden Fall – große WEA in einem Abstand von weniger als 5 km zu einer seismologischen Messstation errichtet werden solle, gehe es nicht nur um eine bloße Ungewissheit darüber, ob der Zubau der WEA zu einer Störung der Messstation führen werde. Vielmehr sei aus den schon genannten ausgewerteten Daten bei einem Abstand von unter 5 km bei einer großen WEA von einer deutlichen Störung auszugehen (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31.10.2019, S. 9). Diese Störung liegt – wie ausgeführt – im kompletten Ausfall (Nichterkennen) derjenigen Signale potentieller Erschütterungsquellen (Erdbeben oder Kernwaffentest), die wegen ihrer Frequenz und/oder Stärke (Amplitude) in dem „Hintergrundrauschen“, das durch die von einer WEA verursachten Erschütterungen noch verstärkt worden ist, untergehen und somit verlorengehen,. Das genaue Ausmaß der durch die vorliegend streitige WEA für die Messstation GRB5 bei D… zu erwartenden Störwirkung kann – wie oben ausgeführt – mangels bereits vorhandener und damit bekannter oder messbarer gleichartiger Störeinflüsse (etwa durch schon errichtete andere WEA) nicht exakt prognostiziert werden; ein Vergleich mit der im Parallelverfahren 22 BV 17.2452 gegebenen Konfliktsituation „WEA – seismologische Messstation“ erlaubt aber die Schlussfolgerung, dass die Störwirkung im vorliegenden Fall voraussichtlich nicht geringer sein wird. Im genannten Parallelverfahren 22 BV 17.2452, das den geplanten Bau zweier neuer WEA in der Nähe einer gleichartigen seismologischen Messstation der BGR (Station GRC4 bei B…) zusätzlich zu schon vorhandenen 5 WEA betraf, hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. W. die durch den Betrieb der beiden neuen WEA zu erwartenden „Zusatzstörung“ prozentual auf einen Wert von unter 15% eingeschätzt (vgl. die vom Verwaltungsgerichtshof für beide Verfahren eingeholte ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 29.10.2019 S. 2). Gibt es dagegen – wie vorliegend bei der seismologischen Messstation GRB5 bei D… – in der Nähe einer solchen Station noch keine vorhandene Störwirkung durch vergleichbare WEA oder gleichartige Störquellen, so ist das relative Ausmaß der Beeinträchtigung wesentlich größer als im Fall einer „vorbelasteten“ seismologischen Messstation. Prof. Dr. W. hat in seiner schriftlichen Stellungnahme (vom 29.10.2019 S. 2 oben) und in der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2019 (vgl. S. 3 der Niederschrift vom 31.10.2019) den Bau einer ersten großen WEA (hiermit ist eine WEA von der heutzutage onshore üblichen und auch vorliegend geplanten Dimension) in der Nähe einer WEA als den ersten und entscheidenden „Sündenfall“ bezeichnet. Diese fachliche Bewertung durch den Sachverständigen lässt sich vereinbaren mit dem Vortrag der Beigeladenen gegenüber dem Verwaltungsgericht, wonach die Station GRB5 durch die geplante WEA insbesondere im relevanten Frequenzbereich von 2 bis 7 Hz beeinträchtigt würde und die Störeinflüsse praktisch auch nicht nachträglich herausgerechnet werden könnten. Die durch Errichtung der streitigen WEA auf die Station GRB5 bei D… zu erwartende Beeinträchtigung muss damit nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen als beträchtlich angenommen werden.
5.4. Der Verwaltungsgerichtshof ist im Weg der gebotenen nachvollziehenden Abwägung zur Überzeugung gelangt, dass das privilegierte streitgegenständliche Vorhaben des Baus und Betriebs einer WEA geringeres Gewicht hat als der öffentliche Belang der Funktionsfähigkeit bestimmungsgemäßen Aufgabenerfüllung der seismologischen Messstation GRB5 und des GRF-Arrays, dieser Belang sich mithin gegen die geplante WEA durchsetzt.
Um feststellen zu können, ob ein in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannter oder ein unbenannter öffentlicher Belang einem privilegierten Vorhaben im Sinn des § 35 Abs. 1 BauGB „entgegensteht“, bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich einer die gesetzlichen Vorgaben und Wertungen konkretisierenden „nachvollziehenden Abwägung“. Dabei ist dem gesteigerten Durchsetzungsvermögen privilegierter Außenbereichsvorhaben gebührend Rechnung zu tragen (BVerwG, U.v. 22.9.2016 – 4 C 6/15 – juris Rn. 30 m.w.N.). Von Bedeutung sein können dabei auch das Angewiesensein der WEA bzw. der technischen Anlage, die dem öffentlichen Belang dient, auf einen bestimmten Standort.
Vorliegend hat der Verwaltungsgerichtshof die Überzeugung gewonnen, dass entscheidendes Gewicht der Aufgabe und der dementsprechenden technischen Konzeption beizumessen ist, die seitens der öffentlichen Hand im Allgemeininteresse dem GRF-Array und den in diesem Array zusammenwirkenden Messstationen zugedacht ist. Das System liefert – wie oben bereits ausgeführt – seit mittlerweile etwa 40 Jahren Erkenntnisse über Erdbebenereignisse, aber auch über alle seit 1976 weltweit stattgefundenen Kernsprengungen. Hierzu ist das Array aufgrund seiner aufwendigen, besonders sensiblen Breitband-Messtechnik in der Lage, weil auch sehr schwache Signale aus dementsprechend sehr weit entfernten Quellen detektiert werden können. Es erscheint daher nicht übertrieben, die Messstation GRB5 im GRF-Array – mit den Worten der Beigeladenen (Schriftsatz vom 19.6.2014 an die Genehmigungsbehörde) – als „wesentlichen Baustein der Infrastruktur des Bundes zur Begegnung nuklearer und radiologischer Bedrohungen“ und auch als bedeutsam für die Landesverteidigung zu bezeichnen, da die Bundeswehr zur Messung militärischer Nuklearversuche kein eigenes Netz von Erdbebenmessstationen zur Ortung und Einschätzung nuklearer und chemischer Explosionen unterhalte. Diese Bedeutung kann nicht – wie dies seitens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeklungen ist (vgl. Niederschrift vom 31.10.2019 S. 7) – damit relativiert werden, dass es für die Kontrolle des Kernwaffenteststoppabkommens ein globales Netz verschiedener Staaten gebe, das das GRF-Array womöglich ersetzen könne. Eine solche Ersetzbarkeit in Bezug ausschließlich auf die technische Leistungsfähigkeit mag gegeben sein. Es kommt hierauf allein aber nicht an. Der Kernwaffenteststoppvertrag (im Jahr 1996 mit 158 von 173 Stimmen von der UN-Generalversammlung angenommen, mangels Ratifizierung durch alle Staaten aber noch nicht in Kraft) verbietet jede Art von Kernwaffenexplosion, ob für zivile oder für militärische Zwecke. Zur Überwachung dieser Pflicht wurde mittels der eigens hierfür gegründeten Organisation über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) und deren Vorläuferorganisation ein Überwachungssystem aufgebaut, das Kernwaffenexplosionen weltweit registrieren kann (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kernwaffenteststopp-Vertrag). Die Beigeladene hat hierzu nachvollziehbar ausgeführt, dass das GRF-Array ein sogenanntes nationales Verifikationsmittel ist, wie es die Vertragsstaaten kraft eigenen Entschlusses in Ergänzung zum international vereinbarten Stationssatz einsetzen dürfen; nationale Verifikationsmittel sind im CTBT-Vertrag definiert und dienen der Datenerhebung für Verifikationsaufgaben im Rahmen des CTBT. Die politische Entscheidung, ein nationales Verifikationsinstrument zu schaffen und sich nicht ausschließlich auf das globale Netz der Staatengemeinschaft zu verlassen, ist zu beachten und verleiht dem Verifikationsinstrument eine hohe Bedeutung auch dann, wenn seine Aufgaben in technischer Hinsicht auch von jenem globalen Netz wahrgenommen werden könnten.
Hinzu kommt, dass die Vergleichbarkeit der seit 1976 aufgezeichneten Daten mit neu zu gewinnenden Daten leidet, wenn einzelne Messstationen innerhalb des GRF-Arrays erheblich gestört werden, ggf. bis zu ihrer Unbrauchbarkeit und damit praktisch ihrem Ausfall. Denn die lokalen Registrierbedingungen am Standort einer Messstation gehen in die Messdaten des GRF-Arrays ein (dies zeigt sich deutlich an der von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2019 vorgelegten und vom Gericht mit den Beteiligten erörterten Grafik zur Detektionsfähigkeit, in der die Entwicklung der vom gesamten Array erkannten Schwellenmagnitude in den Jahren von 1991 bis Januar 2019 dargestellt ist). Hieraus ergibt sich auch, dass sich die Übertragungsfunktion des Arrays als Ganzes ändert, wenn einzelne Stationsstandorte – z.B. weil eine Messstation wegen zu starker Störwirkung einer WEA verlegt werden müsste – geändert werden (vgl. Schriftsatz der Beigeladenen vom 10.3.2015 an das Verwaltungsgericht München, ins vorliegende erstinstanzliche Verfahren eingeführt als Anlage zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 10.2.2016). Ein „Umzug“ der Messstation GRB5 wäre – unabhängig von der Frage, ob eine solche Art von Selbsthilfe der Beigeladenen, die das GRF-Array seit Jahrzehnten betreibt, überhaupt zumutbar wäre – daher kein in Betracht kommender Ausweg aus der Konfliktsituation zwischen öffentlichem Belang und im Außenbereich privilegierter WEA. Für die seismologische Messstation GRB5 spricht demzufolge das „Prioritätsprinzip“ (zur Bedeutung dieses Prinzips insbesondere im Immissionsschutzrecht vgl.: OVG NW, U.v. 16.6.2016 – 8 D 99/13.AK – juris Rn. 461 ff. m.w.N.; BVerwG, U.v. 19.1.1989 – 7 C 77/87 – juris Leits. 4 und Rn. 29), und zwar in einem doppelten Sinn: Die seismologische Messstation GRB5 wurde nicht nur viele Jahre vor der nun geplanten WEA errichtet. Sie kann wegen der oben dargelegten Einbindung in ein Netz von – auch nach ihrem Standort – aufeinander abgestimmten Stationen nicht einfach an einen anderen Standort verlegt werden. Der Bau einer WEA an einem „Ausweichstandort“ hängt zwar gleichfalls von günstigen Voraussetzungen bzw. dem Fehlen etwaiger Hindernisse ab (z.B. Windhöffigkeit, Vorgaben des Artenschutzes usw.). Vorliegend geht es allerdings nur um eine relativ kleine erforderliche Ortsveränderung, um vom bisher geplanten Standort (3,4 km von der Station GRB5 entfernt) die 5 km-Distanz zu erreichen. Jedenfalls sind die Errichtung und der Betrieb der streitigen WEA nicht in vergleichbarer Weise auf den geplanten Standort angewiesen wie dies im Falle der Messstation GRB5 als Bestandteil des GRF-Arrays in außerordentlichem Maß der Fall ist.
5.5. Eine ins Gewicht fallende „Vorbelastung“, welche die Schutzwürdigkeit der seismologischen Messstation GRB5 mindern oder die Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit als nicht erheblich erschienen ließe, ist nicht zu erkennen. Die Klägerin hat zwar eingewandt, dass es in der Nähe dieser Station schon eine andere WEA, eine Bundes- und eine Staats straße, eine Betonmischanlage und Deponien für Erdaushub oder Schutt als Störfaktoren gebe. Die Beigeladene hat dagegen nachvollziehbar erläutert, dass zum einen die von anderen Störquellen verursachten Beeinträchtigungen nur einige Frequenzbereiche, insbesondere nicht den hier relevanten Frequenzbereich von 2 bis 7 Hz, betreffen und dass diese Störquellen bei weitem nicht dasselbe Störpotential entwickeln können wie die geplante 200 m hohe und 2 MW leistende WEA. Diese hat wegen ihrer Gesamtmasse und der festen, aber schwingfähigen Verbindung mit dem Untergrund mittels eines Fundaments einen ungleich höheren Energieeintrag in den Boden als die vorliegend bestehende, nur 85 m hohe Klein-WEA, eine Betonmischanlage und ein Deponiebetrieb oder rollende Gummireifen auf Straßen.
6. Das Genehmigungshindernis des der geplanten WEA im Sinn von § 35 Abs. 1 BauGB entgegenstehenden Belangs lässt sich vorliegend auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse auch nicht durch eine besondere Art der Konstruktion der WEA, z.B. mittels einer „tieferen Gründung“ ausräumen.
6.1. Die Gutachterin der Klägerin hatte eine solche Möglichkeit in ihrer ersten fachlichen Stellungnahme (G. GmbH vom 24.9.2015) angesprochen und hat sich – auf die Bedenken des vom Verwaltungsgericht bestellten Gutachters hin – mit der Thematik vertieft befasst (G. GmbH vom 25.10.2016). Der vom Verwaltungsgerichtshof hierzu befragte Sachverständige hat insoweit schlüssig ausgeführt, dass die mit Datum vom 29. September 2016 vorgelegten Berechnungen der G. GmbH keine tiefere Gründung-, betrachteten, sondern eine „Erhöhung des Schubmodules durch Bodenbehandlung unter dem Fundament“. Die Berechnungen seien ermutigend, bedürften allerdings der Überprüfung und Validierung im Licht der wissenschaftlichen Arbeiten und experimentellen Ergebnisse. Von ihm befragte Kollegen der geotechnischen Fachrichtungen hätten indes für unrealistisch gehalten, dass durch tiefe Gründungen oder Bodenverbesserungen die Schwingungsamplituden um Faktoren von 5 bis 10 verringert werden könnten (W. vom 2.10.2019 zu „Frage 1.2“ auf S. 6).
6.2. Es kann im Übrigen dahinstehen, ob mit einer besonderen Bodenbehandlung am geplanten Standort der WEA oder mit einem besonders stabilen oder auf besondere Weise konstruierten Fundament der WEA („tiefe Gründung“) die von der WEA ausgehenden Schwingungen theoretisch so weit verringert werden könnten, dass eine erhebliche Störung der Funktionsfähigkeit des seismologischen Messstation GRB5 und/oder des GRF-Arrays nicht mehr zu besorgen wäre. Denn das zur Genehmigung gestellte Vorhaben der Klägerin hat eine derartige Gründung oder vorherige Bodenverbesserung nicht zum Inhalt; solche Maßnahmen werden lediglich in einem nach Bescheidserlass erstellten „geotechnischen Bericht“ vom 7.5.2015, auf den die G. GmbH auf S. 7 und 14 ihrer Stellungnahme vom 24.9.2015 Bezug nimmt, empfohlen. Die G. GmbH hat den Unterschied zwischen einer Flachgründung und einer Tiefgründung beschrieben und zeichnerisch dargestellt (G. GmbH vom 24.9.2015 S. 44). Dieser Darstellung zufolge besteht eine Tiefgründung z.B. darin, dass unter der Fundamentplatte für die WEA sechs jeweils 15 m lange Großbohrpfähle in den Untergrund eingebracht werden; den gleichen Effekt soll eine Bodenverbesserung mittels „Rüttelstopfverdichtung“ erzielen (G. GmbH vom 24.9.2015 S. 14). Derartige Maßnahmen können – schon wegen ihrer zu überprüfenden bodenschutzrechtlichen Relevanz – nicht als bloße Details der Bauausführung eines im Wesentlichen unveränderten Vorhabens angesehen werden. Vielmehr führten sie zu einem „Aliud“ im Vergleich mit einer in Flachgründung bzw. ohne Rüttelstopfverdichtung geplanten WEA.
Die Berufung ist somit zurück zu weisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit nicht am Kostenrisiko beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.


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