Baurecht

Beitrag für Ausbau einer  Erschließungsanlage

Aktenzeichen  AN 3 K 19.00510

Datum:
20.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3947
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5 Abs. 1, Art. 19 Abs. 7

 

Leitsatz

1. Wie weit eine Ortsstraße im beitragsrechtlichen Sinne reicht, bestimmt sich nach dem Gesamteindruck, den die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenlänge und -breite sowie die Ausstattung mit Teileinrichtungen vermitteln. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine beitragsfähig Erneuerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG) ist die über eine Instandsetzung hinausgehende Ersetzung einer in Folge bestimmungsgemäßer Nutzung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit abgenutzten Ortsstraße durch eine  „neue“ Ortsstraße von gleicher räumlicher Ausdehnung, funktioneller Aufteilung der Fläche und gleichwertiger Befestigungsart zu verstehen. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Dem einen Tag vor der mündlichen Verhandlung telefonisch erwähnten und in der mündlichen Verhandlung wiederholten Begehren des Klägers, für zwei Wochen die Akten unter Einräumung einer entsprechenden Äußerungsfrist übersandt zu bekommen, war – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – nicht vor Urteilserlass nachzukommen.
Die Verfahrensbeteiligten sind im Interesse der Prozessökonomie gehalten, rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung Akteneinsicht zu nehmen und alle sich bietenden zumutbaren Gelegenheiten wahrzunehmen.
Vorliegend hatte der Kläger seit Erhebung der Klagen am 8. März 2019 und auch zuvor im behördlichen Verfahren Gelegenheit zur Akteneinsicht. Er unterließ es nicht nur, diese wahrzunehmen, sondern versäumte es auch, trotz mehrmaliger gerichtlicher Aufforderungen, die Klagen zu begründen sowie einen ordnungsgemäßen Klageantrag zu stellen.
Der Kläger hat seine diesbezügliche Mitwirkungslast nicht erfüllt, so dass seinem Begehren ohne Verletzung rechtlichen Gehörs nicht nachzukommen war. Denn dies hätte die Erledigung des Rechtsstreits hinausgezögert (vgl. BVerwG, B.v. 8.6.2011 – 9 B 23.11 – juris). Gleiches gilt in Ansehung des nach Erlass des Urteils bei Gericht eingegangenen Faxes vom 20. Februar 2020, mit welchem erneut Akteneinsicht beantragt wurde.
In diesem Zusammenhang drängt sich vielmehr der Eindruck auf, der Kläger wollte sich durch die so kurzfristig vor der mündlichen Verhandlung bzw. in der mündlichen Verhandlung beantragte Akteneinsicht über einen Zeitraum von zwei Wochen ausreichend Zeit zur „Nachholung“ der bisher unterbliebenen Klagebegründung verschaffen.
2. Ob die Anfechtungsklagen gegen die Ausgangsbescheide der Beklagten vom 30. November 2017 bereits unzulässig sind (vgl. § 79 VwGO), nachdem der Kläger mit Schriftsätzen vom 8. März 2019 lediglich „Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Regierung … … vom 5. Februar 2019“ und damit zunächst nur eine im vorliegenden Fall nicht zulässige, isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben hat, kann dahingestellt bleiben, da die Klagen jedenfalls unbegründet sind.
Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten über die Erhebung von Ausbaubeiträgen für den Ausbau der Erschließungsanlage „…, H.-Straße und … zwischen … und H.-Platz“ vom 30. November 2017 (Nrn. … sowie …) in der Form des Widerspruchsbescheids der Regierung … … vom 5. Februar 2019 sind rechtmäßig. Der Kläger wird durch die Bescheide in der Form des Widerspruchsbescheids, mit dem der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen wurde, in seinen Rechten nicht verletzt, § 113 Abs. 1 Satz1 VwGO.
Durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) wurde rückwirkend zum 1. Januar 2018 die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verboten (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG n.F.). Allerdings verbleibt es für Beiträge, die bis zum
31. Dezember 2017 durch Bescheid festgesetzt worden sind, nach Maßgabe der Übergangsvorschriften in Art. 19 Abs. 7 und 8 KAG bei der früheren, bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Rechtslage, die sich aus dem Kommunalabgabengesetz selbst (KAG a.F.) und dem auf seiner Grundlage wirksam erlassenen gemeindlichen Satzungsrecht ergibt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 9.7.2019 – 6 ZB 18.2370 – juris).
Die streitgegenständlichen Bescheide wurden von der Beklagten am 30. November 2017 erlassen, so dass mithin nach Art. 19 Abs. 7 KAG (n. F.) das Kommunalabgabengesetz in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung Anwendung findet. An der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsvorschrift in Art. 19 Abs. 7 KAG bestehen keine Bedenken.
Die angefochtenen Bescheide finden ihre Rechtsgrundlage demnach in Art. 5 KAG (a.F.) i.V.m. der Ausbaubeitragsatzung der Beklagten vom 16. April 2003.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Ergänzend hierzu bestimmt Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG (a.F.), dass für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt öffentlichen Wegen solche Beiträge erhoben werden sollen, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch einzufordern sind. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 12. Januar 2005, Az. Vf.3-VII-03, die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen als verfassungsgemäß erachtet und insbesondere festgestellt, dass solch eine Erhebung nicht gegen das Eigentumsrecht nach Art. 103 Abs. 1 BV verstößt. Für die Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des Grundgesetzes gilt nichts anderes (vgl. BayVGH, U.v. 1.6.2011 – 6 BV 10.2467 – juris).
Die genannten gesetzlichen Voraussetzungen liegen vor und rechtfertigen die strittigen Beiträge dem Grunde wie der Höhe nach. Der vorliegend vorgenommene und mit den inmitten stehenden Bescheiden abgerechnete Ausbau der Erschließungsanlage „…, H.-Straße und … zwischen … und H.-Platz“ stellt eine beitragsfähige Erneuerung/Verbesserung einer dem Beitragstatbestand des Art. 5 Abs. 1 KAG unterfallenden öffentlichen Einrichtung in Form einer Orts straße dar.
a) Die Beklagte verfügt mit ihrer Satzung über die Erhebung eines Straßenausbaubeitrages (Ausbaubeitragssatzung – ABS) vom 16. April 2003 über eine wirksame Beitragssatzung. Rechtliche Mängel der Ausbaubeitragssatzung wurden weder substantiiert gerügt noch sind solche sonst erkennbar.
b) Bei der vorliegend den Gegenstand der Ausbaumaßnahme bildenden Erschließungsanlage „…, H.-Straße und … zwischen … und H.-Platz“ handelt es sich um eine dem Beitragstatbestand des Art. 5 Abs. 1 KAG unterfallende öffentliche Einrichtung in Form einer Orts straße im Sinne des Art. 46 Nr. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG.
Wie weit diese Orts straße im beitragsrechtlichen Sinne reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenlänge und -breite sowie Ausstattung mit Teileinrichtungen vermitteln (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 23. September 2009 – 6 CS 09.1753, juris; U. v. 22. April 2010 – 6 B 08.1483, juris). Zugrundezulegen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme (vgl. BayVGH, U.v. 12.6.2006 – 6 BV 02.2499 – juris; U.v. 1.6.2011 – 6 BV 10.2467 – juris; U.v. 6. April 2017 – 6 B 16.1043 – juris). Der umlagefähige Aufwand ist nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG grundsätzlich auf sämtliche Grundstücke zu verteilen, die eine beitragsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit „dieser Einrichtung“ haben. Wird die Einrichtung nur teilweise erneuert/verbessert, so erfasst das Abrechnungsgebiet demnach grundsätzlich sämtliche Anliegergrundstücke, unabhängig davon, ob diese unmittelbar an die erneuerte Teilstrecke angrenzen oder davon entfernt liegen (vgl. z.B. BayVGH, U. v. 28.1.2010 – 6 BV 08.3043, juris).
Unter Zugrundelegung dieser Betrachtungsweise stellt die abzurechnende Anlage „…, H.-Straße und … zwischen … und H.-Platz“ bei natürlicher Betrachtungsweise – trotz der Länge der … sowie deren rechtwinkeligen Einmündung in die H.-Straße – insbesondere aufgrund der optischen Gestaltung der Pflasterung in dem großzügig gestalteten Einmündungsbereich einen durchgehenden Straßenzug und damit eine einheitliche Anlage dar.
b) Bei den von der Beklagten durchgeführten Straßenbaumaßnahmen handelt es sich nicht lediglich um eine beitragsfreie Instandhaltung, sondern um eine beitragsfähige Erneuerung und Verbesserung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG.
Für die Qualifizierung der Baumaßnahme als beitragsfähige Erneuerung kommt es nicht darauf an, ob die Anlieger die Maßnahme als vorteilhaft empfinden oder aber etwa wegen des erhöhten Verkehrsaufkommens nach dem Ausbau als Nachteil (BayVGH, U.v. 1.6.2011 – 6 BV 10.2467 – juris). Unter einer beitragsfähigen Erneuerung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG ist die über eine bloße Instandsetzung hinausgehende Ersetzung einer in Folge bestimmungsgemäßer Nutzung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit abgenutzten Orts straße durch eine gleichsam „neue“ Orts straße von gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung der Fläche und gleichwertiger Befestigungsart zu verstehen, mithin eine Maßnahme, durch die eine erneuerungsbedürftige Straße oder Teileinrichtung nach Ablauf der für sie üblichen Nutzungsdauer in einen Zustand versetzt wird, der mit ihrem ursprünglichen Zustand im Wesentlichen vergleichbar ist (vgl. BayVGH, U.v. 5.12.2007 – 6 BV 04.496 – juris; B.v. 21.7.2009 – 6 ZB 06.3102 – juris). Die übliche Nutzungsdauer von Straßen beträgt nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes 20 bis 25 Jahre (BayVGH, B.v. 4.2.2005 – 6 ZB 02.319 – juris; BayVGH, B.v. 29.7.2009 – 6 ZB 07.2861 – juris). Die Erneuerung einer 20 bis 25 Jahre alten Straße stellt grundsätzlich zugleich eine beitragsfähige Verbesserung dar (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 20. Mai 1999 – 6 B 96.933 – juris; U. v. 26. März 2002 – 6 B 96.3901, juris; BayVGH, B. v. 3. November 2016 – 6 ZB 15.2805, juris, B.v. 21. Juli 2009 – 6 ZB 06.3102, juris; B.v. 13. August 2014 – 6 ZB 12.1119, juris; U. v. 20.11.2000 – 6 B 95.3097 – juris), Vorliegend war die übliche Nutzungszeit von 20 bis 25 Jahren bei Durchführung der Baumaßnahmen im Jahr 2003 bereits eindeutig überschritten. Nach Aktenlage war die streitgegenständliche Straße jedenfalls spätestens 1958 errichtet worden. Mit Blick auf den seitdem vergangenen langen Zeitraum und auf den aus den Behördenakten ersichtlichen Straßenzustand war sie erneuerungsbedürftig. Zum einen war die übliche Nutzungsdauer von 20 bis 25 Jahre eindeutig abgelaufen, zum anderen war die Straße ausweislich der Zustandsdokumentation in den Behördenakten einschließlich der Lichtbildaufnahmen vom 20. Dezember 2004 auch tatsächlich abgenutzt. In quantitativer Hinsicht besteht an einer beitragsfähigen Erneuerung ebenfalls kein Zweifel.
Es ist vorliegend demnach nicht ermessensfehlerhaft, wenn sich die Beklagte im Hinblick auf die abgelaufene Lebensdauer und den eingetretenen Verschleiß dazu entschlossen hat, die streitgegenständliche Anlage zu erneuern. Ihr Ausbau führt zu einer Erneuerung und Verbesserung der Orts straße.
Darüber hinaus erfolgte mit dem erstmaligen modernen Regelaufbau der Fahrbahn mit frostsicherem, verstärktem Unterbau, der nunmehr einheitlichen Pflasterung mit Granitgroßsteinpflaster sowie mit der Regulierung der Oberflächenentwässerung eindeutig eine beitragsfähige Verbesserung (vgl. hierzu etwa BayVGH, U.v. 27.9.2018 – 6 BV 17.1320 – juris; OVG Münster, B.v. 26.9.1997 – 15 A 5484/94 – juris; B.v. 26.8.1991 – 2 A 869/90 -juris). Die Entscheidung, ob und wie eine beitragsfähige Maßnahme durchgeführt wird, steht dabei bis zur Grenze des sachlich Vertretbaren im Ermessen der Gemeinde. Liegen – wie hier – die Voraussetzungen für eine Erneuerung/Verbesserung vor, liegt die Entscheidung darüber, ob zur Mängelbeseitigung eine Maßnahme der laufenden Unterhaltung und Instandsetzung oder eine beitragsfähige Erneuerung durchgeführt wird, im Ausbauermessen der Gemeinde. Nur die Überschreitung des diesbezüglich weiten Ermessensspielraums der Gemeinde kann beitragsrechtlich von Bedeutung sein. Überschritten ist dieser erst, wenn sich die getroffene Ausbauentscheidung nicht mehr im Rahmen des sachlich Vertretbaren bewegt. Es ist schließlich nicht Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Beitragserhebung inzident zu prüfen, ob die Gemeinde die sinnvollste und zweckmäßigste Ausbaumaßnahme gewählt hat (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 4.8.2004 – 15 BG 1351/04 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 20.11.2006 – 9 LA 385/05 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 31.8.2007 – OVG 9 N 148.05 – juris).
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt hierzu beispielsweise in seiner Entscheidung vom 29. Juli 2009 – 6 ZB 07.2861 – juris Folgendes aus:
„Eine Gemeinde hat sowohl bei der Entscheidung, welche Ausbaumaßnahme vorgenommen werden soll, als auch bei der Entscheidung über den Inhalt des Bauprogramms einen weiten Gestaltungsspielraum. Auch bei der Beurteilung der Frage, ob angefallene Kosten angemessen sind, steht ihr ein Spielraum zu. Sie ist weder gehalten, die kostengünstigste Ausbaumöglichkeit zu wählen, noch alle – etwa vergleichbaren – Ortsstraßen in gleicher Weise auszubauen (vgl. BayVGH v. 11.12.2003 Az. 6 B 99.1270). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann die Angemessenheit entstandener Kosten nur verneint werden, wenn sich die Gemeinde offensichtlich nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, d.h. wenn die Kosten in für die Gemeinde erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreichen und sachlich schlechthin unvertretbar sind (BayVGH v. 11.12.2003 a.a.O.; Driehaus, a.a.O., 8. Aufl., § 33 Rn. 44).“
Anhaltspunkte, dass sich die Beklagte hier offensichtlich nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, sind vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
c) Der besondere Vorteil, der die Auferlegung eines Straßenausbaubeitrags rechtfertigt, liegt in der qualifizierten Möglichkeit, die erneuerte Orts straße in Anspruch zu nehmen. Ein solcher Sondervorteil kommt ohne Zweifel auch den Grundstücken des Klägers in der H.-Straße zu, da sie unmittelbar an der Straße anliegen und bebaut sind. Ob der Kläger den Straßenausbau subjektiv als vorteilhaft empfindet, ist beitragsrechtlich ohne Belang (vgl. u.a. BayVGH, U.v. 27.9.2018 – 6 BV 17.1320 – juris; B.v. 18.7.2017 – 6 ZB 16.681 – juris; BVerwG, B.v. 30.7.2018 – 9 B 23.17 – juris).
d) Die Beklagte hat die … in Anwendung des § 4 Abs. 3 der Ausbaubeitragssatzung der Beklagten, was gerichtlich uneingeschränkt zu überprüfen ist, zu Recht als Anlieger straße eingestuft und dementsprechend einen gemeindlichen Eigenanteil von 20 v.H. angesetzt.
Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Einordnung einer Straße in eine Straßenkategorie ausgehend von den Definitionen der Satzung auf die Zweckbestimmung abzustellen, wie sie sich aus einer Gesamtbewertung von Art und Größe der Gemeinde, deren Verkehrsplanungen, der Lage und Führung der Straße im gemeindlichen Straßennetz und dem gewählten Ausbauprofil ergibt. Lediglich „daneben“, gewissermaßen als Bestätigungsmerkmal, können auch die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse von Bedeutung sein (vgl. BayVGH, U.v. 27.6.2019 – 6 BV 19.81 – juris; U.v. 20.2.2009 – 6 BV 07.615 – juris; U.v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris; B.v. 9.3.2015 – 6 ZB 14.124 – juris; B.v. 17.2.2016 – 6 ZB 14.1871 – juris).
Anliegerverkehr ist jeder Verkehr, der zu den angrenzenden Grundstücken hinführt oder von ihnen ausgeht (Ziel- und Quellverkehr), wobei er darüber hinaus auch den kleinräumigen Ziel- und Quellverkehr aus dem betreffenden Bauquartier umfasst (vgl. BayVGH, U.v. 27.6.2019 – 6 BV 19.81 – juris).
Gemessen an diesem Maßstab handelt es sich bei der inmitten stehenden Straße um eine Anlieger straße. Über die lediglich 5 bis 6 m breite H.-Straße wird offensichtlich kein durchgehender inner- oder gar überörtlicher Fahrzeugverkehr von nennenswertem Gewicht abgewickelt. Der motorisierte Verkehr dürfte ganz überwiegend den Anwohnern zuzurechnen sein. Dass die Straße von je nach Saison mehr oder weniger zahlreichen Touristen fußläufig genutzt wird, steht der Einstufung als Anlieger straße nicht entgegen. Diese Nutzung ist im Gegenteil in aller Regel dem Anliegerverkehr und damit dem Anliegervorteil zuzuordnen, woran weder die hohe Zahl noch die Herkunft der Touristen etwas ändern. Denn diese Nutzung wird entweder durch die in der Straße selbst gelegenen oder über sie in der kleinräumigen Umgebung erreichbaren touristischen „Anlaufpunkte“ ausgelöst und gehört damit zum typischen Ziel- und Quellverkehr (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 18.5.2016 – 6 ZB 15.2785 – juris). Selbst der bloße touristische Spaziergang durch die Hellip-…-Straße als Teil einer Besichtigungstour durch die historische Altstadt ohne konkreten Anlaufpunkt vermag nichts am Charakter als Anlieger straße zu ändern, sondern bestätigt ihn vielmehr. Denn insoweit ist die historische Altstadt als solche Ziel und Quelle des Verkehrs im Bauquartier, der deshalb nicht den Charakter des Durchgangsverkehrs annimmt (vgl. hierzu auch BayVG, U.v. 27.6.2019 – 6 BV 19.81 – juris).
Im Hinblick auf die Lage einer Anlieger straße in einer historischen Altstadt führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2019 – 6 BV 19.81 – juris Folgendes aus:
„Der Umstand, dass die historische Altstadt der Beklagten von Touristen aus aller Welt in großer Zahl besucht wird, zwingt den Satzungsgeber weder zur Bildung weiterer Straßenkategorien noch zur teilweisen oder gar pauschalen Erhöhung der gemeindlichen Eigenbeteiligung. Dass touristisch stark frequentierte Straßen von der Beklagten möglicherweise aufwändiger ausgebaut werden, muss insoweit außer Betracht bleiben (vgl. BayVGH, U.v. 11.12.2003 – 6 B 99.1270 – juris Rn. 22). (…)
Dabei ist zu berücksichtigen, dass touristische Verkehrsströme keineswegs zwangsläufig dem Allgemeinvorteil zuzuordnen sind. Denn der Begriff der Anlieger beschränkt sich nicht etwa auf die Anwohner der jeweiligen Straße, sondern umfasst alle Verkehrsteilnehmer, die sich zu den anliegenden Grundstücken hin- oder von ihnen weg begeben und demnach den „Anliegerverkehr“ bilden (Ziel- und Quellverkehr). Dem Anliegerverkehr ist darüber hinaus auch der kleinräumige Ziel- und Quellverkehr aus dem betreffenden Bauquartier zuzuordnen; denn bei diesem handelt es sich nicht um „durchgehenden innerörtlichen Verkehr“, wie er zur Einstufung als Haupterschließungsstraße erforderlich wäre (BayVGH, U.v. 31.7.2018 – 6 B 18.481 – juris Rn. 20 m.w.N.). Der vom Anliegerverkehr zu unterscheidende und dem Vorteil für die Allgemeinheit zuzuordnende inner- oder überörtliche Durchgangsverkehr ist demgegenüber jeder Verkehr, der die ausgebaute Orts straße lediglich im Rahmen des Gemeingebrauchs durchschreitet oder durchfährt, ohne mit einer qualifizierten Beziehung zwischen Straße und anliegenden Grundstücken verbunden zu sein, also die abzurechnende Straße lediglich als Verbindungsweg zwischen zwei anderen Straßen benutzt und weder von einem durch die Straße erschlossenen Grundstück ausgeht noch ein solches Grundstück zum Ziel hat (BayVGH, B.v. 3.11.2016 – 6 ZB 15.2805 – juris Rn. 16). Touristische Verkehrsströme sind daher ohne weiteres dem Anliegerverkehr zuzuordnen, soweit es sich um Ziel- und Quellverkehr aus der jeweiligen Straße oder dem betreffenden Bauquartier handelt, auch wenn es sich „nur“ um mehr oder weniger kurzfristige Besuche in einem Museum, einem Geschäft, einer Gaststätte oder einer Sehenswürdigkeit handelt.“
e) Bedenken gegen die zutreffende Ermittlung des Beitragssatzes sind vorliegend weder vom Kläger substantiiert vorgetragen noch sonst erkennbar. Nach Prüfung der vorgelegten Abrechnungsunterlagen der Beklagten ist von einer zutreffenden Ermittlung des Beitragssatzes auszugehen.
Es genügt indes nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung nicht, wenn eine Klagepartei ohne jegliche konkrete Belegung lediglich behauptet, die festgesetzten Beiträge seien nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt hierzu etwa in seiner Entscheidung vom 2. August 2006 – 23 ZB 06.643 – juris Folgendes aus:
„Zwar verlangt der Grundsatz der Amtsermittlung des § 86 Abs. 1 VwGO, dass das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft, die geeignet erscheinen, die dafür erforderliche Überzeugung zu gewinnen. Diese Pflicht findet aber in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten eine Grenze. Diese besteht nicht nur darin, dass das Gericht die Beteiligten zur Erforschung des Sachverhalts mit heranziehen kann, sondern auch und gerade darin, dass die Kläger die zur Begründung ihrer Rechtsbehelfe und ihrer Einwendungen dienenden Tatsachen- und Beweismittel nach § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO angeben sollen. Solange sie dieser Pflicht nicht nachkommen, überprüfbare und einem Beweis zugängliche Tatsachen vorzutragen, braucht das Gericht der bloßen Möglichkeit fehlerhaft bestimmter Beitragssätze nicht nachzugehen (vgl. hierzu u.a. BayVGH vom 23.7.1998 BayVBl 1998, 593 = GK 1999 Rn. 60; vom 25.10.2004 Az. 23 ZB 04.1222; vom 10.8.2005 Az. 23 ZB 05.1236). Mit seiner Entscheidung vom 17. April 2002 (BVerwGE 116, 188) hat das Bundesverwaltungsgericht diese rechtlichen Grundsätze erneut bekräftigt, wonach es in der Regel nicht einer sachgerechten Handhabung der gerichtlichen Kontrolle entspricht, die Abgabenkalkulation eines kommunalen Satzungsgebers „ungefragt“ einer Detailprüfung zu unterziehen.“
f) Die Beitragsschuld ist mit Eingang der Schlussrechnung am 21. März 2013 entstanden. Die Festsetzungsverjährung einer Straßenausbaubeitragsforderung beginnt gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) cc), Abs. 2 KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO vier Jahre. Die Beitragspflicht entsteht erst dann, wenn alle Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten vorliegen. Hierzu gehört auch, dass der Aufwand für die Maßnahme ermittelt werden kann, was erst nach Eingang der letzten Unternehmerrechnung der Fall ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2016 – 6 ZB 14.1871 – juris; U.v. 1.6.2011 – 6 BV 10.2467 – juris).
g) Unter Berücksichtigung der in Art. 62 GO festgelegten Grundsätze der Einnahmebeschaffung sind die Gemeinden nach der Soll-Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG (a.F.) indes grundsätzlich verpflichtet, für die Erneuerung oder Verbesserung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen (Straßenausbau-)Beiträge von den Eigentümern und Erbbauberechtigten der bevorteilten Grundstücke zu erheben und insbesondere eine entsprechende Beitragssatzung zu erlassen. Nur unter besonderen – atypischen – Umständen darf eine Gemeinde von der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen absehen und dadurch die Finanzierung beitragsfähiger Straßenbaumaßnahmen von den Begünstigten vollständig auf die Allgemeinheit verlagern (vgl. hierzu etwa BayVGH, U.v. 9.11.2016 – 6 B 15.2732 – juris; U.v. 29.11.2018 – 6 B 18.249 – juris). Besondere Umstände, die eine Ausnahme von der grundsätzlichen Pflicht zum Erlass und zur Vorhaltung einer Straßenausbaubeitragssatzung rechtfertigen, sind vorliegend nicht ersichtlich.
Nach alldem waren die Klagen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2, 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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