Baurecht

Beitrag für die Verbesserung einer Abwasserbeseitigungseinrichtung

Aktenzeichen  AN 1 K 18.01267

Datum:
12.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3252
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 1

 

Leitsatz

Für die Beitragspflicht von bebaubaren Grundstücken kommt es nicht entscheidend darauf an, ob auf dem Grundstück ein Wohngebäude genehmigungsfähig wäre. Auch die Bebaubarkeit nur mit landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden oder gewerblichen Gebäuden erfüllt den Beitragstatbestand. (Rn. 109) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Soweit sich die Klage vom 3. Juli 2018 ursprünglich auch auf das von den Bevollmächtigten der Kläger als Bescheid bezeichnete Schreiben des Landratsamtes … vom 9. April 2018 bezogen hat, wurde die Klage nicht aufrechterhalten. Die Aufhebung dieses „Bescheides“ ist in der mündlichen Verhandlung nicht mehr beantragt worden (Antrag aus dem Schriftsatz vom 16.11.2018). Insoweit ist die Klage konkludent teilweise zurückgenommen worden.
Eines gesonderten Einstellungsbeschlusses bedurfte es nicht. Die Kostenentscheidung kann vielmehr im Urteil über den noch anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits getroffen werden (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2005 – 3 C 50.04, DVBl 2006, 118; Kopp/ Schenke, VwGO, Rn. 27 zu § 92).
Die Klage ist im noch anhängigen Teil nur teilweise zulässig.
Nicht zulässig ist die Klage der Klägerin zu 2).
Das veranlagte Grundstück Fl.Nr. … steht zwar zur Hälfte im Gesamthandseigentum der Kläger. Da die Gütergemeinschaft jedoch weder aktiv noch passiv parteifähig ist (Gsell/Krüger/ Lorenz/Reymann, Großkommentar zum BGB, Stand 01.11.2018, Rn. 8 zu § 1416, beck-online), damit aber auch nicht beteiligungsfähig nach Art. 11 BayVwVfG ist und deshalb nicht Adressat eines Beitragsbescheides sein kann, konnte die Beklagte auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 6 Satz 2 KAG den Kläger zu 1) als Gesamtschuldner heranziehen (vgl. OVG NW, B.v. 25.11.2009 – 9 a 2420/09, juris zum Gesamthandseigentum). Einer gesonderten Begründung, weshalb der Kläger zu 1) als Gesamtschuldner ausgewählt worden ist, bedurfte es nicht (vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2003 – 23 CS 03.2169).
Nicht herangezogenen Gesamtschuldnern steht keine Klagebefugnis zu (BVerwG, B.v. 29.1.1990 – 8 CB 100, GK 1991/270; BayVGH, B.v. 20.12.1995 – 23 CS 94.3342). Die auf Art. 5 Abs. 6 Satz 2 KAG beruhende gesamtschuldnerische Haftung gegenüber der Gemeinde und die gemäß § 426 BGB im Innenverhältnis bestehenden Ausgleichspflichten zwischen Gesamtschuldnern untereinander vermögen weder Widerspruchs- noch Klagebefugnis zu begründen (BayVGH, U.v. 26.6.1993 – 23 B 92.1142, GK 1994/19, B.v. 20.12.1995 – 23 CS 94.3352, GK 1996/195).
Die Klage des Klägers zu 1) ist zulässig, aber nicht begründet.
Den Bevollmächtigten der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 3. Juli 2018 zunächst gegen den Freistaat Bayern Klage erhoben haben. Der Freistaat Bayern ist vorliegend nicht passiv legitimiert, da Streitgegenstand ein Beitragsbescheid einer Gemeinde in der Gestalt des Widerspruchsbescheides eines Landratsamtes ist, die Klage somit gegen die Gemeinde zu richten ist (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 und § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Die Bevollmächtigten der Kläger haben die fehlerhafte Bezeichnung des Beklagten jedoch zulässigerweise mit Schriftsatz vom 5. Juli 2018 berichtigt. Es war durch den Antrag in Ziffer II. der Klageschrift („Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens“) und durch die dem Klageschriftsatz beigefügten Unterlagen, unter denen sich der angefochtene Beitragsbescheid und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … befinden, objektiv erkennbar, dass sich die Klage nicht gegen den Freistaat Bayern, sondern gegen die Gemeinde … richten sollte. Die Berichtigung der offensichtlichen Falschbezeichnung wäre sogar noch nach Ablauf der Klagefrist zulässig gewesen (BayVGH v. 16.4.1984 – 6 B 82 A. 1895, BayVBl 1984, 407), sie stellt keine Klageänderung dar (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Rn. 16 zu § 78).
Hieran ändert sich nichts durch die Tatsache, dass die Bevollmächtigten der Kläger zunächst auch gegen das von ihnen als Bescheid bezeichnete Schreiben des Landratsamts … vom 9. April 2018 Klage erhoben haben. Das genannte Schreiben beinhaltet ausschließlich die Anhörung des Klägers zu 1) im Rahmen des anhängigen Widerspruchsverfahrens, stellt also eine unselbstständige Verfahrenshandlung im Zusammenhang mit dem späteren Erlass des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2018 dar.
Der Bescheid vom 15. Dezember 2017, mit welchem die Verwaltungsgemeinschaft … als Behörde der Beklagten (vgl. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 VGemO) gegenüber dem Kläger zu 1) eine Vorauszahlung auf die Verbesserung der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Entwässerungseinrichtung in Höhe von voraussichtlich 2.236,30 EUR festgesetzt und in vier Raten eingefordert hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger zu 1) nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gleiches gilt für den Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2018.
Der Beitragsbescheid ist formell rechtmäßig.
Zwar wird der Bescheid nicht ausdrücklich als Vorauszahlungsbescheid bezeichnet. Dies ist jedoch unschädlich, da durch die Festsetzung eines Beitrags in Höhe von voraussichtlich 2.236,30 EUR und die Einforderung in vier Raten hinreichend deutlich wird, dass keine endgültige Erhebung eines Verbesserungsbeitrags (nach Abschluss der Verbesserungsmaßnahme) erfolgen sollte.
Der Beitragsbescheid ist auch materiell rechtmäßig.
Er findet seine Rechtsgrundlage in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.d.F. d. Bek. vom 4. April 1993 (GVBl S. 264, BayRS 2024-1-I), in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 13. Dezember 2016 (GVBl S. 351), und in den Bestimmungen der Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungsanlage der Beklagten vom 21. November 2017 (VES-EWS).
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können Gemeinden für die Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung einen besonderen Vorteil bietet.
Die Beklagte betreibt eine öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung (Entwässerungseinrichtung) für das Gebiet der Gemeinde …, ausgenommen die Ortsteile …, …, …, … und … (§ 1 Abs. 1 der Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Beklagten – EWS – vom 18.10.2016). Das Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … in … liegt im Geltungsbereich der genannten Entwässerungssatzung und ist sowohl durch einen Schmutzwasserwie auch durch einen Niederschlagswasserkanal der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten erschlossen.
Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem von den Bevollmächtigten der Beklagten vorgelegten Lageplan über den Verlauf des Schmutzwasser- und Niederschlagswasserkanals im angrenzenden Straßengrundstück. Beide Kanäle führen am Grundstück der Kläger vorbei.
Die Beklagte hat von der Rechtsgrundlage des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG Gebrauch gemacht und die Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungsanlage der Gemeinde … vom 21. November 2017 (VES-EWS) erlassen, die eine Woche nach ihrer Bekanntmachung im Mitteilungsblatt der Beklagten Nr. 12 vom 28. November 2017 in Kraft getreten ist.
Bedenken gegen die formelle und materielle Rechtswirksamkeit der genannten Satzung wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Bei den in § 1 Abs. 1 VES-EWS bezeichneten Maßnahmen handelt es sich um Verbesserungsmaßnahmen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Insoweit wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Landratsamts … vom 6. Juni 2018 Bezug genommen.
Die Verbesserungsmaßnahmen hatten zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 15. Dezember 2017 bereits begonnen und waren zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2018 noch nicht beendet (vgl. BayVGH, U.v. 1.3.2012 – 20 B 11.1723, GK 2012/90; U.v. 20.10.1997 – 23 B 95.2971; U.v. 16.10.1995 – 23 CS 94.2838; U.v. 19.5.1995 – 23 B 94.1611).
Unschädlich ist, dass bisher noch keine geänderte Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung mit den Verbesserungsaufwand beinhaltenden erhöhten Beitragssätzen erlassen worden ist, da eine derartige Beitragssatzung erst zum Zeitpunkt des Entstehens des Verbesserungsbeitrags mit Benutzbarkeit der verbesserten Einrichtung nach Beendigung der Verbesserungsmaßnahme vorliegen muss (BayVGH, B.v. 10.8.2015 – 20 ZB 15.217; B.v. 26.2.2007 – 23 ZB 06.3286, GK 2008/26).
Entgegen der Auffassung der Kläger ist das Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … beitragspflichtig.
Gemäß § 2 VES-EWS wird der Beitrag für bebaute, bebaubare oder gewerblich genutzte oder gewerblich nutzbare Grundstücke erhoben, sowie für Grundstücke und befestigte Flächen, die keine entsprechende Nutzungsmöglichkeit aufweisen, auf denen aber tatsächlich Abwasser anfällt, wenn
1. für sie nach § 4 EWS ein Recht zum Anschluss an die Entwässerungseinrichtung besteht, oder
2. sie – auch aufgrund einer Sondervereinbarung – an die Entwässerungseinrichtung tatsächlich angeschlossen sind.
Das Bauamt des Landratsamtes … hat mit Schreiben vom 5. Januar 2018 zutreffend festgestellt, dass das aktuell als private Wegefläche genutzte Grundstück bauplanungsrechtlich im nicht überplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) liegt und damit grundsätzlich bebaubar ist.
Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Der Begriff des Innenbereichs enthält somit zwei selbständige Tatbestandsmerkmale, einen Bebauungszusammenhang sowie einen Ortsteil. Ein Bebauungszusammenhang ist eine tatsächlich aufeinander folgende Bebauung, die trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 2.3.2000 – 4 B 15.00, juris m.w.N.; BayVGH, B.v. 10.9.2009 – 14 ZB 09.425, juris Rn. 3 f.; B.v. 2.11.2006 – 1 ZB 05.2132, juris Rn. 8; U.v. 15.9.2005 – 23 BV 05.1129, juris Rn. 34; U.v. 12.5.2005 – 23 B 04.1761, juris Rn. 33; U.v. 24.10.2002 – 23 B 02.1144, juris Rn. 25). Dies erfordert eine wertende Betrachtung der tatsächlichen Gegebenheiten, für die sich dem Tatsachengericht häufig das Beweismittel der Ortsbesichtigung zur sachgerechten und umfassenden Tatsachenfeststellung anbieten wird (BVerwG, U.v. 14.11.1991 – 4 C 1.91, juris Rn. 22). Das zu beurteilende Grundstück muss einen Bestandteil des Bebauungszusammenhangs darstellen; auch unbebaute Grundstücke können aufgrund besonderer Gegebenheiten („natürlichen Grenzen“, z.B. besonderen topographischen Merkmalen) noch als dem Bebauungszusammenhang zugehörig anzusehen sein (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 18.6.1997 – 4 B 238.96, juris Rn. 4; U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87, juris Rn. 22; U.v. 10.8.1990 – 4 C 3.90, juris Rn. 27; U.v. 16.2.1988 – 4 B 19.88, juris Rn. 2; U.v. 6.12.1967 – IV C 94.66, juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 10.9.2009 – 14 ZB 09.425, juris Rn. 3). Dem gegenüber können je nach den Umständen des Einzelfalles andere Merkmale, beispielsweise Geländehindernisse oder eine Straße eine trennende bzw. unterbrechende Wirkung haben mit der Folge, dass jenseitig gelegene Grundstücke nicht mehr dem Bebauungszusammenhang zuzurechnen sind (stRspr, z.B. BVerwG, U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87, juris Rn. 22; B.v. 16.2.1988 – 4 B 19.88, juris Rn. 2; U.v. 12.10.1973 – IV C 3.72, juris Rn. 11; U.v. 6.11.1968 – IV C 2.66, juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 10.9.2009 – 14 ZB 09.425, juris Rn. 3, 5; B.v. 14.2.2001 – 15 ZB 00.2160, juris Rn. 3; jeweils m.w.N.).
Ein Ortsteil ist dem gegenüber jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 19.2.2014 – 4 B 40.13, juris Rn. 5; U.v. 3.12.1998 – 4 C 7.98, juris Rn. 12; B.v. 25.3.1986 – 4 B 41.86, juris; BayVGH, U.v. 15.9.2005 – 23 BV 05.1129, juris). Letzteres kann nicht pauschal beurteilt werden, sondern nur unter Heranziehen der Siedlungsstruktur im Gebiet der jeweiligen Gemeinde (vgl. BVerwG, B.v. 19.9.2000 – 4 B 49.00, juris m.w.N.; U.v. 3.12.1998 – 4 C 7.98, juris Rn. 12; B.v. 25.3.1986 – 4 B 41.86, juris, zum Ganzen: BayVGH, U.v. 26.5.2017 – 20 B 16.190, juris Rn.24; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, EL August 2018, Rn. 14 ff. zu § 34).
Ausgehend von der Siedlungsstruktur in der Gemeinde … ergeben sich für die Kammer keine Zweifel an der Richtigkeit der bauplanungsrechtlichen Einstufung des Grundstücks der Kläger durch das Bauamt im Landratsamt …, an welche die Kammer allerdings nicht gebunden wäre (vgl. BVerwG, B.v. 15.7.1994 – 4 B 109,94, juris).
Die Siedlungsstruktur ist bei einer Gesamteinwohnerzahl von 1011 (Stand: 31.12.2017) geprägt durch 12 namentlich benannte Gemeindeteile:
Die Pfarrdörfer … und …; die Dörfer … und …; die Weiler … und … und die Einöden … und … Die vier Einöden … und … sind keine amtlich benannten Gemeindeteile.
Es handelt sich bei der Beklagten um eine Flächengemeinde (26,44 km²) mit lediglich 38 Einwohnern/km².
Hiervon ausgehend erfüllt der Weiler … die Anforderungen des § 34 Abs. 1 BauGB an einen Ortsteil. … hatte mit Stand 31. Mai 1987 33 Einwohner und acht Wohnhäuser (Quelle: Wikipedia). Derzeit sind in … nach dem in „Bayern Atlas plus“ abrufbaren Lageplan elf Hausnummern vergeben. Hinzu kommen mehrere landwirtschaftliche Gebäude. Die sich im Luftbild darstellende (Wohn-)Bebauung besitzt nach der Zahl und der räumlich zusammenhängenden Anordnung der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht und ist – unter Berücksichtigung der oben genannten Besonderheiten der Beklagten als Flächengemeinde – Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. So wurde auch von der obergerichtlichen Rechtsprechung in vergleichbaren Konstellationen das Vorliegen eines Ortsteils bejaht (BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 47.68; nicht ausgeschlossen bei bereits 6 Gebäuden vom BVerwG, U.v. 30.4.1969 – 4 C 38.67; Bebauungskomplex von 5 Wohnhäusern und 5 landwirtschaftlichen Nebengebäuden von VGH Mannheim, U.v. 26.3.1984 – 8 S 1895/83, BRS 42 Nr. 63; bei 12 teils Wohnzwecken, teils landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Gebäuden von VGH Mannheim, U.v. 8.7.1986 – 8 S 2815/885, BRS 46 Nr. 81 = BauR 1987, 59; bei 7 landwirtschaftlichen Anwesen und einem Wohngebäude von BayVGH., U.v. 29.7.1985 – Nr. 14 N 84 A 1390, BauR 1986, 185 = BRS 44, Nr. 54; hierzu: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., Rn. 17 zu § 34).
Da der Kammer durch das in der Gerichts- bzw. den Behördenakten befindliche Kartenmaterial und die bei „Bayern Atlas plus“ und „Google Maps“ abrufbaren Lagepläne und Luftbildaufnahmen eine ausreichende Bewertungsgrundlage zur Verfügung stand, war die Durchführung eines Ortstermins (Augenschein) nicht erforderlich.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist das Grundstück auch bebaubar.
Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob auf dem Grundstück ein Wohngebäude genehmigungsfähig wäre. Auch die Bebaubarkeit nur mit landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden oder gewerblichen Gebäuden erfüllt den Beitragstatbestand. Solche Grundstücke sind im Innenbereich mit der Grundstücksfläche heranzuziehen. Bei der Veranlagung der Geschossflächen kommt es auf den Anschlussbedarf zur Abwasserentsorgung an (vgl. Wuttig/Thimet, Gemeindliche Satzung- und Unternehmensrecht, Teil III, Frage 4, Rn. 8.1).
Bei einem unbebauten Grundstück im Innenbereich erfolgt gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 VES-EWS die Veranlagung mit einer fiktiven Geschossfläche in Höhe von einem Viertel der Grundstücksfläche. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern (BayVGH, B.v. 1.12.2005 – 23 ZB 05.2083; U.v. 28.10.1999 – 23 N 99.1354).
Es sind für die Kammer keine Gründe ersichtlich, die es ausschließen würden, das unbebaute Grundstück mit einer Fläche von 440 m² zumindest mit einem landwirtschaftlichen Betriebsgebäude mit Anschlussbedarf (z.B. wegen eines installierten Waschbeckens o.ä.) zu bebauen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch Teilflächen bebaubarer Grundstücke, die nicht überbaut werden dürfen, weil sie in dem sich aus dem Bauordnungsrecht ergebenden Abstandsflächen liegen, beitragspflichtig sind. Baulinien, Baugrenzen, Abstandsflächen und Vorschriften über Anbauverbote sollen ihrer Zielsetzung nach nicht das Maß der baulichen Nutzung regeln, sondern lediglich auf den Standort der zulässigen baulichen Anlagen Einfluss nehmen. Soweit sich ihre Wirkung darauf beschränkt, sie also das Maß der baulichen Ausnutzbarkeit eines Grundstücks nicht zusätzlich einengen, sind grundsätzlich auch die nicht überbaubaren Flächen ohne Weiteres erschlossen und nehmen als Teil der bebaubaren Grundstücke an der Aufwandsverteilung teil (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2005 – 23 ZB 05.484, juris Rn. 7).
Ob aus immissionsschutzrechtlichen Gründen eine Wohnbebauung auf dem Grundstück ausgeschlossen wäre, ist nach dem oben Gesagten nicht entscheidungserheblich. Auch verbliebe im Falle einer Bebauung des Grundstücks zusätzlich eine Zufahrtsmöglichkeit aus Richtung Westen.
Es ist unerheblich, ob die Kläger aktuell Niederschlagswasser von dem Grundstück in die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Beklagten einleiten. Der aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz abgeleitete Grundsatz des Vorteilsausgleichs gebietet in der Regel, nicht auf die tatsächliche, derzeitige Grundstücksnutzung abzustellen, sondern auf die mögliche Ausnutzung des Baugrundstücks. So wie beim Maßstab der zulässigen Geschoßfläche nicht auf das vorhandene Maß der baulichen Ausnutzung des Baugrundstücks abgestellt wird, sondern auf das Maß der möglichen Bebauung nach den bauplanungsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Gegebenheiten, so wird bei der Inanspruchnahme der öffentlichen Entwässerungsanlage und des sich hieraus bestimmenden Vorteils nicht abgestellt auf die konkrete Ableitung von Schmutz- und Oberflächenwasser, sondern auf die Möglichkeit der Ableitung, die sich beispielsweise auch durch das Sammeln von Regenwasser auf einem Grundstück nicht verändert (vgl. BayVGH, U.v. 13.8.1998 – 23 N 97.472, juris Rn. 16).
Die Kläger können sich jederzeit dafür entscheiden, das gesamte Oberflächenwasser der öffentlichen Entwässerungsanlage zuzuführen. Denn die Entwässerungssatzung der Beklagten enthält keine dem § 4 Abs. 5 des Musters für eine gemeindliche Entwässerungssatzung, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 6. März 2012, Az.: IB1-1405.12-5, AllMBl. 2012 S. 182, vergleichbare Regelung, wonach ein Benutzungsrecht nicht besteht, soweit eine Versickerung oder anderweitige Beseitigung von Niederschlagswasser ordnungsgemäß möglich ist. Vielmehr bestimmt § 5 Abs. 5 der Entwässerungssatzung, dass in dieser Fallgestaltung kein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, das Niederschlagswasser also nicht eingeleitet werden muss, aber weiterhin eingeleitet werden darf. Die Erhebung eines Grundstücksflächenbeitrags ist deshalb wegen des fortbestehenden (objektiven) Vorteils, Niederschlagswasser in die öffentlichen Entwässerungseinrichtung einleiten zu dürfen, zulässig (Nitsche/Baumann/Mühlfeld, Satzungen zur Abwasserbeseitigung, 10.05 Nr. 3, S. 8, unter Bezugnahme auf BayVerfGH Entscheidung v. 27.7.2011 – Vf.-VII-10, juris). Die Möglichkeit, bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für Niederschlagswasser zu beantragen, lässt die Beitragspflicht unberührt (BayVGH, B.v. 28.11.2015 – 23 CS 05.1804, juris Rn. 35).
Die Klage war deshalb abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben