Baurecht

Berechnung der Wandhöhe einer Grenzgarage

Aktenzeichen  1 ZB 15.1839

Datum:
7.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133170
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6 Abs. 4 S. 2, Abs. 9 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Für die Berechnung der Wandhöhe ist grundsätzlich auf das vorhandene Geländeniveau auf dem Baugrundstück abzustellen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Geländeoberfläche im Zusammenhang mit dem zur Genehmigung gestellten Bauvorhaben ohne rechtfertigenden Grund verändert worden ist (vgl. VGH BW BeckRS 2014, 57511 mwN). Auch ohne direkten Bezug zu dem Bauvorhaben herbeigeführte Niveauveränderungen durch Aufschüttungen oder Abgrabungen können zu Lasten des Bauherrn berücksichtigt werden, um einem missbräuchlichen sukzessiven Vorgehen wirksam entgegenwirken zu können. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ist die Geländeoberfläche in den letzten 30 Jahren nicht verändert worden, so ist allein der Zeitablauf ausreichend, um von der Rechtmäßigkeit der Veränderung auszugehen (vgl. OVG RhPf BeckRS 2005, 29957; BayVGH BeckRS 2015, 45006). Aber auch eine kürzere Frist kann genügen, um von einer in der Vergangenheit veränderten Geländeoberfläche auszugehen. Es kommt entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BayVGH BeckRS 1998, 25158; OVG RhPf BeckRS 2016, 46103). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 15.401 2015-06-19 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500‚- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger begehrt ein bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegen eine Grenzgarage, die der Beklagte im vereinfachten Verfahren genehmigt hat. Zwischen den Beteiligten ist streitig, von welcher Geländeoberfläche die Wandhöhe der Garage zu berechnen ist. Der Kläger sieht ein 1955 errichtetes, noch vorhandenes Betonzaunbankett zwischen den Grundstücken als Bezugspunkt an (Höhe – 0,84 m bezogen auf die OK FFB), der Beklagte ging bei der Genehmigung der Garage von der Oberkante der bestehenden Betonpalisaden aus, die im Rahmen von Gartenarbeiten 1998 auf dem Grundstück der Beigeladenen errichtet wurden (Höhe – 0,46 m bezogen auf die OK FFB). Die Garage wurde abweichend von der Genehmigung 7 cm zu hoch errichtet. In dem klageabweisenden Urteil des Verwaltungsgerichts wird ausgeführt, dass wohl die seit 1998 bestehende Geländeoberfläche herangezogen werden könne. Letztlich könne die Frage, ob 17 Jahre zur Begründung einer neuen Geländeoberfläche ausreichten, aber offen bleiben, weil die Annahme des Beklagten dem Kläger lediglich zum Vorteil gereiche. Nach Auffassung des Gerichts sei von der Höhe der Zufahrt zu der ehemaligen Garage (Höhe – 0,32 m bezogen auf die OK FFB), die 1984 errichtet worden sei, auszugehen. Mit dem Begriff der Geländeoberfläche sei nicht lediglich der Streifen an der Grenze der benachbarten Grundstücke gemeint, sondern eine weitläufigere Fläche. Wenn man von der Rechtsauffassung des Beklagten ausgehe, könne die Überschreitung der genehmigten Höhe um rund 7 cm durch die tatsächliche Bauausführung nicht zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten führen.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, liegen nicht vor oder werden bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
Ist das Urteil – wie hier – auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht ist und auch vorliegt (BVerwG, B.v. 8.8.2008 – 9 B 31.08 – juris Rn. 7). Das Verwaltungsgericht stützt seine Rechtsauffassung, dass der Beklagte nicht zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten verpflichtet ist, auf zwei selbständig tragende Gründe. Es nimmt zu einem an, dass die errichtete Grenzgarage eine mittlere Wandhöhe von 3 m einhält, zum anderen, dass diese Höhe um 7 cm überschritten wird und damit ein bauaufsichtliches Einschreiten nicht geboten ist. Letzteres ist nicht ernstlich zweifelhaft.
Garagen sind als grenznahe Bebauung ohne eigene Abstandsflächen zulässig, wenn sie eine mittlere Wandhöhe von 3 m und eine Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m nicht überschreiten (Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO). Den unteren Bemessungspunkt für die Berechnung der Wandhöhe eines Vorhabens bildet nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO die Geländeoberfläche. Dabei differenziert der Gesetzgeber seit der Neufassung 2008 nicht mehr zwischen natürlicher oder festgelegter Geländeoberfläche, so dass grundsätzlich auf das vorhandene Geländeniveau auf dem Baugrundstück abzustellen ist (vgl. auch die Gesetzesbegründung, Molodovsky, BayBO 2008/1998, 1. Aufl. 2007, S. 149). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Geländeoberfläche im Zusammenhang mit dem zur Genehmigung gestellten Bauvorhaben ohne rechtfertigenden Grund verändert worden ist (vgl. VGH BW, B.v. 8.10.2014 – 3 S 1279/14 – NVwZ-RR 2015, 205 m.w.N.). Auch ohne direkten Bezug zu dem Bauvorhaben herbeigeführte Niveauveränderungen durch Aufschüttungen oder Abgrabungen können zu Lasten des Bauherrn berücksichtigt werden, um einem missbräuchlichen sukzessiven Vorgehen wirksam entgegenwirken zu können. Dabei verlangen die Regelungen der Abstandsflächen aber nicht, dass ein ursprüngliches Gelände heranzuziehen ist, das weit in der Vergangenheit einmal vorhanden war und in der Zwischenzeit verändert wurde. Die Abstandsflächenvorschriften sollen in Gegenwart und Zukunft eine Bebauung gewährleisten, die mit den Anforderungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und dem gebotenen Nachbarschutz vereinbar ist. Es soll deshalb vermieden werden, durch Manipulationen des Geländes die gesetzlichen Regelungen zu unterlaufen (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.1998 – 20 B 97.912 – juris Rn. 13; B.v. 17.3.2003 – 2 CS 03.98 – juris Rn. 13). Ist die Geländeoberfläche in den letzten 30 Jahren nicht verändert worden, so ist allein der Zeitablauf ausreichend, um von der Rechtmäßigkeit der Veränderung auszugehen (vgl. OVG RhPf, B.v. 28.9.2005 – 8 A 10424/05 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 17.4.2015 – 15 CS 14.2612 – juris Rn. 7). Aber auch eine kürzere Frist kann genügen, um von einer in der Vergangenheit veränderten Geländeoberfläche auszugehen. Es kommt entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.1998, a.a.O.; OVG RhPf, U.v. 24.2.2016 – 1 A 10815/15 – NVwZ-RR 2016, 764).
Nach diesen Maßgaben ist die Rechtsauffassung des Beklagten, dass Bezugspunkt für die Wandhöhe der Garage die Oberkante der an der Nachbargrenze errichteten Betonpalisaden ist, nicht zu beanstanden. Zwar ist das Geländeim Grenzbereich möglicherweise „erst“ 1998 verändert worden. Eine etwaige Aufschüttung ist aber, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, nicht missbräuchlich vorgenommen worden. Die hauptsächliche Geländeveränderung auf dem Nachbargrundstück hat mit der Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage 1984 (nicht entscheidend ist, wann das Bauvorhaben endgültig fertiggestellt wurde) stattgefunden und ist aufgrund der Baugenehmigung sowie des Zeitablaufs als vorhandenes Geländeniveau zugrunde zu legen. 1998 wurden nach dem Vortrag der Beigeladenen im Zuge von Gartenarbeiten Betonrandsteine verlegt, um das vorhandene Erdreich zu sichern und Auswaschungen durch Regen etc. zu verhindern; eine zusätzliche Aufschüttung des Niveaus habe nicht stattgefunden. Der Kläger hat hingegen geltend gemacht, dass das Nachbargrundstück 1998 im Zuge einer Gartenneugestaltung in dem Randbereich zu seinem Grundstück aufgeschüttet und mit einer Betonpalisade eingefasst worden sei. Wenn man wie das Verwaltungsgericht diesen Vortrag des Klägers als wahr unterstellt, handelt es sich hier auch bei Anlegen eines strengen Maßstabs nicht um ein missbräuchliches Vorgehen. Die Maßnahme fand nur im Randbereich des Grundstücks statt und zwar in einem kleinen Böschungsbereich, da die alte Garage und der Carport sowie deren Zufahrt höher gelegen waren. Wie der Kläger auch vorgetragen hatte, gab es in diesem Randbereich einen hohen Fichtenbestand. Der Vortrag des Beigeladenen, dass mit den Gartenarbeiten nach Fällen der Bäume ein Abrutschen des Erdreichs verhindert werden sollte, ist daher nachvollziehbar. Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren weiter vorgetragen, dass hinter den Betonrandsteinen das Gelände nur teilweise angefüllt wurde (Blatt 79 der Behördenakte). Er hat gegen die durchgeführten Maßnahmen auch keine Einwendungen erhoben, will allerdings für die Höhe der Grenzgarage einen tiefer gelegenen Bezugspunkt. Aufgrund der verstrichenen Zeit im Zusammenhang mit den genannten Umständen ist dies aber rechtlich nicht geboten.
Soweit der Kläger geltend macht, dass die Geländeaufschüttung im Jahr 1998 im Zuge einer Gartenumgestaltung außer Betracht zu bleiben habe, da Geländeaufschüttungen frühestens nach 30 Jahren zu einer neuen natürlichen Geländeoberfläche führen könnten, negiert er die oben genannte Rechtsprechung. So wird gerade in dem vom Kläger herausgestellten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (B.v. 28.9.2005 – 8 A 10424/05 – juris Rn. 22) ausgeführt, dass spätestens nach Ablauf von 30 Jahren von der tatsächlichen Geländeoberfläche auszugehen ist und zwar unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Veränderung. Dies schließt aber eine frühere Berücksichtigung gerade nicht aus. Auch die vom Kläger zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 24.3.2014 – 8 S 1938/12 – juris) ist nicht einschlägig. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht darauf abgestellt, dass vom Bauherrn in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bauvorhaben durchgeführte Niveauveränderungen grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig sind. Konkrete Einwendungen gegen die Rechtsauffassung des Gerichts, dass die Überschreitung der Wandhöhe um rund 7 cm durch die tatsächliche Bauausführung nicht zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten führt, werden nicht geltend macht.
Soweit der Kläger ernstliche Zweifel im Hinblick auf die Rechtsauffassung des Gerichts, dass auf die Höhe der Zufahrt zur Garage abgestellt werden könne, dargelegt hat, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an, denn das Gericht hat die Klage zu Recht auch für den Fall abgewiesen, dass die Rechtsauffassung des Beklagten zutreffend ist.
Die vom Kläger dargelegte Abweichung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) betrifft ebenfalls nur eine der alternativen Begründungen. Da wie ausgeführt die Oberkante der Betonpalisaden als unterer Bezugspunkt für die Wandhöhe anzusehen ist, liegt eine Abweichung von der genannten Rechtsprechung hier nicht vor.
Die vom Kläger formulierte Frage, ab welchem Zeitpunkt Geländeaufschüttungen in die Höhenermittlung nach der BayBO einzubeziehen sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Maßgebend für die nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO zugrunde zu legende Geländeoberfläche sind die Umstände des Einzelfalls (vgl. OVG RhPf, U.v. 24.2.2016 – 1 A 10815/15 – NVwZ-RR 2016, 764). Es kommt nicht nur auf die Zeitdauer an (vgl. VGH BW, B.v. 8.10.2014 – 3 S 1279/14 – NVwZ-RR 2015, 205).
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen‚ da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger gemäß § 162 Abs. 3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. § 162 Rn. 17 m.w.N.). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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