Baurecht

Berufung, Abnahme, Auslegung, Ablehnung, Berufungsverfahren, Schriftsatz, Kenntnis, Aktivlegitimation, Zweifel, Ablehnungsgesuch, Vereinbarung, Anlage, Abnahmeprotokoll, Klage, nicht ausreichend, ohne Verschulden

Aktenzeichen  9 U 3081/20 Bau

Datum:
1.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 52166
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

2 O 13637/19 2020-04-29 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.04.2020, Aktenzeichen 2 O 13637/19, wird zurückgewiesen.
2. Die beklagte Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die beklagte Partei kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.200,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin, eine aus 4 Gebäudekomplexen und damit 4 selbständigen Bewirtschaftungseinheiten bestehende WEG, macht „Vorschuss“ für Mängelbeseitigung als Schadenersatz wegen des Austausches mangelhafter Plattenwärmetauscher (PTW) in drei separaten Heizungsanlagen der WEG gegen den Beklagten als beauftragten Fachplaner geltend. Die Baumaßnahme wurde von der Firma … GmbH ausgeführt und deren Arbeiten am 05.03.2013 abgenommen.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 29.04.2020 Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Vorschussklage nebst Feststellungsantrag überwiegend stattgegeben. Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Klageabweisung.
Das Urteil wurde dem Klägervertreter am 05.05.2020 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 20.05.2020 (Bl. 120), beim OLG München eingegangen am selben Tag (Bl. 120), legte dieser dagegen Berufung ein, die er mit Schriftsatz vom 06.08.2020 (Bl. 127/143), beim OLG München eingegangen am selben Tag begründete (Bl. 127/143).
Der Berufungskläger erstrebt mit der Berufung die vollständige Klageabweisung, wie in erster Instanz, weiter. Der Beklagte bestreitet, Vertragspartner der Klägerin geworden zu sein sowie deren Existenz, das Vorliegen eines Mangels sowie eine eigene Verantwortlichkeit für einen etwaigen Mangel, da seine Planung nicht ausgeführt worden sei und erst während des Prozesses von einem Planungsfehler auf einen Bauüberwachungsfehler umgestellt worden sei, was eine unzulässige Klageänderung darstelle und die Verjährung nicht unterbrechen könne. Die Verjährungseinrede wurde erhoben. Bereits bei Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens seien etwaige Gewährleistungsansprüche verjährt gewesen, da die Abnahme schon am 17.10.2012 und nicht erst am 05.03.20213 stattgefunden habe. Die vom Sachverständigen untersuchten PTWs seien nicht die von der Firma … GmbH eingebauten gewesen.
Im Berufungsverfahren wird beantragt.
Der Beklagte beantragt,
1.Das Urteil des Landgerichts München I wird aufgehoben
2.Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Mit Beschluss vom 29.09.2020 (Bl. 154/160) hat der Senat darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Hierzu hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.10.2020 (Bl. 161/170) erwidert.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.04.2020, Aktenzeichen 2 O 13637/19, hat nach einstimmiger Auffassung des Senats in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, und ist deshalb, da die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordert, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 29.09.2020 (Bl. 154/160) Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
Im Hinblick auf die Stellungnahme vom 30.10.2020 (Bl. 161/170) ist ergänzend auf Folgendes hinzuweisen:
1. Die Formulierungen im Schriftsatz vom 21.11.2019 erwecken den Eindruck, als würde der Abschluss eines Projektantenvertrages gemäß § 53 Abs. 1 Ziffer 1-9 HOAI 2009 vom Beklagten generell – unabhängig von der Frage, wer rechtlich Vertragspartner einer solchen Beauftragung geworden ist oder werden sollte – geleugnet. Dies verstößt gegen die prozessuale Wahrheitspflicht, da nicht ausreichend zwischen tatsächlicher Beauftragung und rechtlichen Folgen (Wer ist Vertragspartner? Besteht Rechtsfähigkeit der Auftraggeberin?) unterschieden, sondern beides miteinander vermischt wird und damit letztlich eine tatsächliche Auftragserteilung in Abrede gestellt wird.
2. Richtig ist, dass sich auf Seite 7 der Anlage K 1 auch die Pluralform: „Auftraggeber: Eigentümergemeinschaften WEG 171, 172, 173 und 180“ befindet. Daraus folgt jedoch nichts anderes. Da die Singular- und Pluralform wechselt, kann aus der bloßen Formulierung allein keine sichere Kenntnis erlangt werden, wer Vertragspartner der Vereinbarung werden sollte. Dies ist vielmehr durch Auslegung und Berücksichtigung der wohl verstandenen Interessenlage der Parteien – insbesondere am Zustandekommen eines rechtswirksamen Vertrages! – zu entscheiden. Die Untergemeinschaften einer WEG sind nicht rechtsfähig; ihnen fehlt die Aktivlegitimation im Baumängelprozess (vgl. Urteil des OLG München, 9. Zivilsenat vom 14.05.2013, Az.: 9 U 2517/12 Bau). Gewollt ist daher im Zweifel ein Vertrag mit dem rechtsfähigen Träger der Untergemeinschaften. Der Senat hält daher an seiner Rechtsmeinung fest.
3. Der Senat geht mit seinem Hinweis auf eine unterbliebene Anfechtung des Beklagten nach § 119 Abs. 1 BGB davon aus, dass dem Beklagten letztlich gleichgültig war, mit welchem Rechtsträger er den Projektantenvertrag abschließt. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegen nicht mehrere Verträge des Beklagten mit diversen nicht rechtsfähigen Untergemeinschaften der WEG vor, sondern ein einziger Vertrag mit dem rechtsfähigen Träger, nämlich der WEG. Da der Senat zu diesem Ergebnis durch Auslegung gelangt (s.o. unter Ziffer 2.), liegt keine unzulässige Umdeutung mehrerer Verträge mit diversen WEGs in einen einzigen Vertrag mit einer bestimmten WEG vor.
4. Zweifel am Bestehen einer rechtswirksamen WEG hat der Senat weiterhin nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die klägerseits vorgelegten Unterlagen gefälscht sind, hat der Senat nicht. Auch der Beklagte behauptet dies nicht.
5. Die Anlage K 28 beweist die Aktivlegitimation der Klägerin hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Gewährleistungsansprüche. Eine Verspätung liegt nicht vor, da der Beschluss der Eigentümerversammlung am 28.07.2020 und damit erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz gefasst wurde und es sich daher um eine neue Tatsache handelt.
6. Zweifel an der wirksamen Beauftragung der Verwalterin … GmbH hat der Senat nicht. Für eine fehlende oder nichtige Beauftragung fehlen jegliche Anhaltspunkte.
7. Das Umschwenken von Planungsmängeln auf Bauüberwachungsmängel stellt schon keine Klageänderung dar, jedenfalls wäre eine solche sachdienlich. Selbst wenn kein Planungsmangel vorliegt und der Beklagte insoweit entlastet wäre, hätte sich hier ein Bauüberwachungsfehler des Beklagten verwirklicht, der seine Einstandspflicht begründet.
8. Soweit der Beklagte behauptet, die Abnahme gegenüber der Firma … GmbH habe bereits am 17.10.2012 stattgefunden, bezieht er sich offenbar auf einen Schriftsatz des Rechtsanwalts F. … vom 25.10.2018. Dieser hat als Vertreter der … GmbH im selbständigen Beweisverfahren des Landgerichts München I, Az.: 2 OH 12772/18 (dort Bl. 16/17) vorgetragen, dass die Abnahme gegenüber der … GmbH bereits am 17.10.2012 stattgefunden habe, da für diesen Tag ein Abnahmetermin vereinbart gewesen sei, dieser auch stattgefunden habe und von den Vertretern der Klägerin der Erhalt des vorbereiteten Abnahmeprotokolls bestätigt worden sei. Allerdings trägt Rechtsanwalt … auch vor, dass sich die Vertreter der Klägerin geweigert haben, das vorbereitete Abnahmeprotokoll zu unterschreiben, weil die Einweisung des Hausmeisters in die Heizungsanlage noch nicht erfolgt sei. Damit wurde letztlich die Abnahme verweigert. Jedenfalls kann aus diesem geschilderten Ablauf nicht auf eine Abnahme am 17.10.2012 geschlossen werden. Von einer Abnahme gegenüber der Firma … GmbH kann daher erst mit Einweisung des Hausmeisters in den sogenannten „täglichen Betrieb“ am 05.03.2013 (Anlage K 2) ausgegangen werden.
9. Die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Beklagten vom 16.04.2020, 20.04.2020, 21.04.2020, 24.04.2020 und 25.04.2020 sind verspätet und nicht berücksichtigungsfähig. Es handelt sich um eine reine Spekulation des Beklagten, dass nach der Firma … GmbH eine andere Firma tätig geworden sein muss und zwischenzeitlich andere PWT als die ursprünglich verbauten eingebaut wurden und lediglich diese untersucht wurden. Es mag sein, dass der Beklagte in seiner ursprünglichen Planung einen PWT eines anderen Herstellers vorgesehen hat und nicht den tatsächlich eingebauten PWT. Dies entlastet ihn jedoch nicht, da jedenfalls ein Bauüberwachungsverschulden vorliegt. Aus dem bloßen Umstand, dass etwas anderes als geplant eingebaut wurde, zumal der Beklagte in die Planänderung einbezogen war, führt nicht zu der zwingenden Annahme, dass die vom Sachverständigen untersuchten PWT nicht von der Firma … GmbH eingebaut sein können, sondern nachträglich durch eine andere unbekannte Firma eingebaut bzw. ausgetauscht wurden. Hier bewegt sich der Beklagte im Bereich bloßer Spekulation. Die angebotenen Zeugen können zur Aufklärung nichts beitragen. Es handelt sich um einen klassischen unzulässigen Ausforschungsbeweis.
10. Wie der Beklagte darauf kommt, dass keine Stahlrohre verbaut sind, erschließt sich nicht, zumal er diese selbst in seinem Leistungsverzeichnis vom 18.01.2012, S. 16 f. (Anlage B 1 sowie Anlage K 23) vorgesehen hat. Wieder bewegt sich der Beklagte im Bereich bloßer Spekulation. Der Sachvortrag ist zudem verspätet. Die Voraussetzungen des § 531 ZPO sind nicht erfüllt.
11. Aus dem Umstand, dass „in der Anlage 5 (fehlender Teil der Gerichtsakte im OH-Verfahren!) drei technische Planzeichnungen der … GmbH enthalten sind, wonach alle drei ursprünglich eingebauten PWT vom Hersteller SWEP stammen, der Gutachter aber im Anwesen …str. … wiederum einen PWT GEW-WTT vorgefunden und begutachtet hat“, folgt nicht, dass dieser nachträglich eingebaut worden ist; er kann auch von Anfang an eingebaut worden sein.
12. Die Überschreitung des maximalen Grenzwertes von 500 Mikrosiemens/cm beim Münchner Trinkwasser führt dazu, dass der Einbau von kupferverlöteten PWTs bei Stahlrohren fehlerhaft ist. Dies hat der Sachverständige bestätigt. Das Erstgericht hat.sich diesbezüglich keine eigene Sachkunde angemaßt, sondern sich auf die Sachkunde des Sachverständigen gestützt. Wieder geht der Beklagte höchst spekulativ von anderen Gegebenheiten als vom Sachverständigen zugrunde gelegt aus.
Eine Anhörung des Sachverständigen zum Ablehnungsgesuch des Beklagten ist nicht veranlasst. Der Beklagte irrt, wenn er meint, dass hier die Ablehnung auf Umstände außerhalb des Gutachtens gestützt wird. Ohne Bedeutung ist, dass der Beklagtenvertreter sich erst nach dem Anhörungstermin durch selbst eingeholte Auskünfte bei den Stadtwerken München hinsichtlich Ermittlung und Bedeutung von Messwerten über 500 Mikrosiemens eine eigene Beurteilungsgrundlage verschafft hat. Denn Gegenstand einer Ablehnung des Sachverständigen kann nicht eigenes Tun der Partei sein, sondern Anknüpfungspunkt ist allein ein in der Person 9 U 3081/20 Bau – Seite 6 – oder dem Verhalten des Sachverständigen begründetes Misstrauen in dessen Unvoreingenommenheit. Dieses muss an ein Tun oder Verhalten des Sachverständigen, das auch in der Vergangenheit liegen kann, anknüpfen.
13. Hier kommen nur das Verhalten des Sachverständigen sowie dessen Äußerungen im Anhörungstermin vom 01.04.2020 in Betracht. Zu der streitgegenständlichen Frage, ob und inwieweit das Münchner Trinkwasser den Grenzwert von 500 Mikrosiemens/cm überschreitet und dies eine Korrosionsgefahr begründet, hat sich der Sachverständige bereits unmissverständlich im Anhörungstermin vom 01.04.2020 (Bl. 61 d.A.) geäußert. Ein tauglicher Ablehnungsgrund liegt diesbezüglich nicht vor. Dieser stützt sich hier lediglich auf die angeblich fehlende Sachkunde des Sachverständigen oder auf den Vorwurf unzureichender Informationseinholung bei den SWM. Beides ist unberechtigt. Die Grundaussage des Sachverständigen zum Grenzwert von 500 Mikrosiemens/cm, der nicht überschritten werden soll, ist nicht zu beanstanden und kann inhaltlich auch nicht von der beklagten Partei nachvollziehbar in Frage gestellt werden.
14. Soweit der Beklagte die fehlende Kompetenz des Sachverständigen bzw. dessen unzureichenden Recherchen bei den SWM aufgrund seiner Äußerungen im Anhörungstermin beanstanden will, hätte eine Ablehnung des Sachverständigen bereits im Termin vom 01.04.2020 erfolgen müssen. Dies ist nicht geschehen. Der Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen ist daher nicht rechtzeitig gemäß § 406 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO gestellt worden. Zudem ist es nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden, weshalb der Beklagte ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Anknüpfungspunkt ist wiederum das Verhalten bzw. die Äußerungen des Sachverständigen, nicht die danach vom Beklagtenvertreter getätigten Erkundigungen.
15. Die Ausführungen des Erstgerichts (LGU S. 11) zur Trinkwasseranalyse sind nachvollziehbar und plausibel.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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