Baurecht

Beseigigungsanordnung rechtmäßig – Verleih von Landmaschinen im Außenbereich

Aktenzeichen  AN 17 K 17.00104

Datum:
8.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 22374
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 30 Abs. 1, § 34, § 35
BayBO Art. 76 S. 1
VwZVG Art. 36 Abs. 1 S. 2
VwGO § 92 Abs. 3 S. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114, § 167 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Maßgeblich für die Frage, ob ein Ortsteil iSv § 34 Abs. 1 BauGB vorliegt, ist die tatsächlich vorhandene Bebauung, wobei es nicht darauf ankommt, ob es sich um genehmigten Bestand oder um bauliche Anlagen handelt, mit deren Existenz sich die zuständige Behörde abgefunden hat. (Rn. 27) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Das Vorhaben eines Nichtlandwirts (hier: Verleih von Landmaschinen) steht im Widerspruch zur  Darstellung des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB) „Fläche für Landwirtschaft“. (Rn. 36) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Das Entstehen einer Splittersiedlung ist tatsächlich zu befürchten, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich weitere Bauherren dazu ermutigt fühlen können, im Außenbereich Anlagen zur gewerblichen Nutzung zu errichten. (Rn. 37) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit es in der mündlichen Verhandlung für erledigt erklärt worden ist.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 3/4, die Beklagte zu 1/4. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
4. Die Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der andere Beteiligte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2018 erklärt hat, dass der Bescheid vom 10. Januar 2017 in Ziffer I Nr. 2 sowie die Fristsetzung in Ziffer I Nr. 1 aufgehoben wird und die Beklagte insoweit die Kosten des Verfahrens übernimmt, und die Beteiligten das Verfahren insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO in diesem Umfang einzustellen.
2. Im noch verbleibenden Umfang ist die zulässigerweise erhobene Anfechtungsklage unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2017 ist im verbleibenden Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a) Rechtsgrundlage für eine Beseitigungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die vollständige oder teilweise Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert worden sind, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Erforderlich ist demnach zum einen, dass im Fall einer genehmigungsbedürftigen Anlage, diese formell baurechtswidrig, d.h. ohne durch die erforderliche Baugenehmigung gedeckt zu sein, errichtet oder geändert wurde, und darüber hinaus materiell baurechtswidrig ist, d.h. sie auch nicht (nachträglich) genehmigt werden kann. Bei genehmigungsfreien Vorhaben kommt es allein auf die materielle Rechtslage an (vgl. etwa BVerwG U.v. 10.12.1982 – 4 C 52/78 – juris Rn.13; BayVGH B.v. 20.01.2003 – 20 ZB 99.3616 – juris Rn. 3).
aa) Ob es sich bei dem Vorhaben – welches unzweifelhaft eine bauliche Anlage i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO darstellt – um ein genehmigungsfreies Vorhaben handelt oder dieses aufgrund einer nach Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderlichen, aber fehlenden Baugenehmigung formell illegal ist und damit bereits hierdurch ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften begründet wird, braucht vorliegend nicht entschieden werden. Denn gleich um welches Vorhaben es sich handelt, müssen gemäß Art. 55 Abs. 2 BayBO in jedem Fall die Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden, eingehalten werden. Die vom Kläger errichtete Stützmauer entspricht diesen Anforderungen vorliegend nicht, sodass von der materiellen Illegalität des Vorhabens auszugehen ist.
bb) Das Vorhaben des Klägers erweist sich bauplanungsrechtlich als unzulässig, weshalb eine nachträgliche Genehmigung vorliegend nicht in Betracht kommt. Es handelt sich um ein sonstiges Vorhaben im Außenbereich (§ 35 Abs. 2 BauGB), hinsichtlich dessen eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange gegeben ist.
(1) Das Grundstück des Klägers, auf welchem die streitgegenständliche Mauer errichtet wurde, befindet sich im baurechtlichen Außenbereich gemäß § 35 BauGB. Es liegt – dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig – nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB und nimmt auch nicht am Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB teil.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängt die Beantwortung der Frage, ob ein Grundstück dem Innen- oder Außenbereich angehört, davon ab, ob sich dieses in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil befindet. Bei der Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich verbietet sich eine Betrachtung nach geografisch-mathematischen Maßstäben. Sie ist vielmehr anhand einer auf den konkreten Einzelfall bezogenen, umfassenden Würdigung der gesamten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der optisch wahrnehmbaren topografischen Situation (wie z.B. Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte im Landschaftsbild) und der Umgebungsbebauung, vorzunehmen (vgl. BVerwG U.v. 6.11.1968 – IV C 2.66 – BVerwGE 31, 20 ff.; B.v. 4.7.1990 – 4 B 103/90 – BayVBl. 1991, 473).
Ein Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB kennzeichnet sich durch einen Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (st. Rspr. vgl. etwa BVerwG U.v. 6.11.1968 – IV C 2.66 – BVerwGE 31, 20 ff.; BVerwG U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – BVerwGE 152, 275). Maßgeblich ist die tatsächlich vorhandene Bebauung, wobei es nicht darauf ankommt, ob es sich um genehmigten Bestand oder um bauliche Anlagen handelt, mit deren Existenz sich die zuständige Behörde abgefunden hat.
Allerdings vermag dennoch nicht jede bauliche Anlage eine in diesem Zusammenhang zu berücksichtigende Bebauung darstellen. Vielmehr gehören dazu grundsätzlich nur Bauwerke, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind. Dies trifft auf Anlagen zu, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben; mithin geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Zu verlangen ist damit regelmäßig, dass die Gebäude des betreffenden Bebauungskomplexes grundsätzlich zum regelmäßigen Aufenthalt von Menschen geeignet sein müssen (BayVGH U.v. 9.9.2015 – 1 B 15.251 – juris Rn. 15 mit Verweis auf BVerwG U.v. 6.11.1968 – IV C 2.66 – BVerwGE 31, 20 ff. sowie BVerwG U.v. 14.9.1992 – 4 C 15.90 – NVwZ 1993, 985). Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt zu werden pflegen, unabhängig davon, ob sie landwirtschaftlichen Zwecken (z.B. Scheunen oder Ställe), Freizeitzwecken (z.B. Wochenendhäuser) oder sonstigen Zwecken dienen, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen als ein für Siedlungsstruktur prägendes Element zu Buche schlagen (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 127. EL Oktober 2017, § 34 Rn. 15). Abzustellen ist auf die tatsächlichen Gegebenheiten im Gebiet der jeweiligen Gemeinde (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 127. EL Oktober 2017, § 34 Rn. 14).
Die organische Siedlungsstruktur erfordert nicht, dass es sich um eine nach Art und Zweckbestimmung einheitliche Bebauung handelt. Auch eine unterschiedliche Bebauung kann einen Ortsteil bilden. An einer organischen Siedlungsstruktur fehlt es aber in der Regel dann, wenn eine völlig regellose und in dieser Anordnung geradezu funktionslose Bebauung besteht und diese kein System erkennen lässt (BVerwG U.v. 6.11.1968 – IV C 47.68 – juris Rn. 20).
Von einem Bebauungszusammenhang ist schließlich auszugehen, wenn eine aufeinander folgende Bebauung – trotz etwaig vorhandener Baulücken und freien Flächen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung einer Bebauung entzogen sind – nach der Verkehrsanschauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (vgl. BVerwG U.v. 6.11.1968 – IV C 2.66 – BVerwGE 31, 20 ff.). Der Bebauungszusammenhang endet am Ortsrand in der Regel hinter der letzten Bebauung (BayVGH U.v. 16.6.2015 – 1 B 14.2772 – juris Rn. 17 mit Verweis auf BVerwG U.v. 12.10.1973 – IV C 3.72 – juris Rn. 11). Nicht von maßgeblicher Bedeutung sind die formalen Grundstücksgrenzen. In den Bebauungszusammenhang kann auch nur ein Teil eines Grundstücks fallen (vgl. BVerwG B. v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 106, 67 ff.; Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 34 Rn. 7). Nach der zitierten Rechtsprechung muss das betreffende Grundstück selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bilden, also selbst am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnehmen.
Nach den vorgenannten Grundsätzen gehört das streitgegenständliche Grundstück des Klägers keinem Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB an. Der im Zusammenhang bebaute Ortsteil endet vorliegend jedenfalls nach dem Wohnhaus des Klägers auf dem ihm ebenfalls gehörenden Grundstück Fl.Nr. … Weder die Lagerhalle des Klägers, noch die auf dem Grundstück Fl.Nr. … in nördlicher Richtung dahinterliegende Lagerhalle sind als am Ortsteil teilnehmend zu qualifizieren. Insoweit ist nämlich zum einen zu berücksichtigen, dass nach dem Abschluss des Wohnhauses auf Fl.Nr. … in nördlicher Richtung zunächst eine nicht unerhebliche Freifläche vorzufinden ist. Daran mag auch der von der Klägerbevollmächtigten vorgebrachte Einwand, dass es sich insgesamt um eine lockere Bebauung handle, nichts zu verändern. Denn im Vergleich zu den südlich des Grundstücks Fl.Nr. … befindlichen Bauten ist diese Freifläche augenscheinlich um ein vielfaches größer, als diejenigen Freiflächen die sich zwischen den einzelnen Bauten im Süden befinden. Zum anderen spricht für diesen Eindruck auch der Umstand, dass sich auf den gegenüberliegenden Grundstücken keine Bebauung vorfinden lässt. Von einer organischen Siedlungsstruktur kann insoweit nicht mehr gesprochen werden. Die Bebauung lässt vielmehr auf eine, im Gegensatz zur organischen Siedlungsstruktur stehende, städtebaulich unerwünschte Splittersiedlung schließen (dazu nachfolgend noch unter (2)). Letztlich können die beiden Gebäude – schon aufgrund der geringen Zahl von nur zwei Gebäuden – auch für sich genommen keinen Ortsteil bilden.
(2) Das Vorhaben des Klägers stellt mangels Privilegierung ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB dar und beeinträchtigt als solches öffentliche Belange.
Von einer Privilegierung des Vorhabens im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Bei dem Kläger handelt es sich unstreitig nicht um einen Landwirt, sodass eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ausscheidet. Im Übrigen kommt auch eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht in Betracht, da große, landwirtschaftliche Maschinen nicht zwingend im Außenbereich untergebracht werden müssen.
An die Verwirklichung von sonstigen Vorhaben im Außenbereich hat der Gesetzgeber durch § 35 Abs. 2 BauGB besonders strenge Anforderungen aufgestellt, die vorliegend als nicht erfüllt angesehen werden müssen. Ein nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben, ist nur dann bauplanungsrechtlich zulässig und damit genehmigungsfähig, wenn es keine öffentlichen Belange, wie sie in § 35 Abs. 3 BauGB nicht abschließend aufgezählt sind, beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Nur so kann dem Zweck des § 35 BauGB Rechnung getragen werden, wonach der Außenbereich grundsätzlich vor einer Bebauung geschützt werden soll (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 127. EL Oktober 2017, § 35 Rn. 13).
Im vorliegenden Fall beeinträchtigt das Vorhaben des Klägers die öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 7.
Ein Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB) der Stadt … liegt insoweit vor, als der dortige Bereich, in dem die streitgegenständliche Fläche des Klägers liegt, als „Fläche für Landwirtschaft“ dargestellt ist. Diesen Darstellungen widerspricht das Vorhaben des Klägers als das eines Nichtlandwirts. Insbesondere kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Darstellungen des Flächennutzungsplans allein aufgrund des Umstands, dass mit den zwei Hallen zwei nicht landwirtschaftlich genutzte Vorhaben genehmigt wurden, überholt sind. Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn die Entwicklungen des Baugeschehens den Darstellungen des Flächennutzungsplans in einem qualitativ und quantitativ so erheblichen Maße zuwiderlaufen, dass die Verwirklichung der ihnen zu Grunde liegenden Planungsabsichten entscheidend beeinträchtigt ist (BVerwG B.v. 31.10.1997 – 4 B 185.97 – juris Rn. 7). Die beiden Hallen erfüllen diese Voraussetzungen weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht.
Darüber hinaus lässt das Vorhaben die Entstehung einer Splittersiedlung und damit einhergehend die Entwicklung einer unorganischen Siedlungsstruktur sowie die Zersiedlung des Außenbereichs erwarten. Damit ist auch der in § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB niedergeschriebene öffentliche Belang beeinträchtigt. Eine Splittersiedlung in Form einer zusammenhanglosen oder aus anderen Gründen unorganischen Streubebauung kann nicht nur bei Gebäuden, die Wohnzwecken dienen, sondern auch bei anderen Bauten, die jedenfalls mit dem Aufenthalt von Menschen verbunden sind (wie z.B. gewerblichen Zwecken dienende Anlagen), anzunehmen sein (vgl. BVerwG U.v. 19.4.2012 – 4 C 10/11 – juris Rn. 19). Es ist zudem anerkannt, dass dieser öffentliche Belang schon dann berührt sein kann, wenn erstmals außerhalb des Innenbereichs ein Bauvorhaben verwirklicht werden soll, das den Anfang einer Splittersiedlung darstellen kann (vgl. Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, § 35, Rn. 226; BVerwG, U.v. 9.6.1976 – 4 C 42.74 – juris, Rn. 15). Das Vorhaben des Klägers soll nach dessen Vorstellung einem gewerblichen Zweck, nämlich dem Verleih von Landmaschinen dienen. Es kann insoweit nicht ausgeschlossen werden, dass dies eine negative Vorbildwirkung dahingehend entfaltet, dass sich weitere Bauherren dazu ermutigt fühlen, im Außenbereich Anlagen zur gewerblichen Nutzung zu errichten. Insoweit ist die Entstehung einer Splittersiedlung tatsächlich zu befürchten.
Schließlich sei seitens des Gerichts darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Vorhaben auch nicht um ein begünstigtes Vorhaben nach § 35 Abs. 4 BauGB handelt, mit der weitreichenden Rechtsfolge, dass sich die Beeinträchtigung der öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 7 BauGB in diesem Fall als bedeutungslos darstellen würde (BVerwG U.v. 17.2.2011 – 4 C 9/10 – BVerwGE 139, 21). Insbesondere liegt keine Erweiterung im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB vor. Hiervon erfasst ist nämlich nur die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs; begünstigt damit nur die bauliche Erweiterung, nicht aber die Nutzungsänderung (BVerwG B.v. 3.12.1990 – 4 B 145/90 – ZfBR 1991, 83). Gerade um eine solche Nutzungsänderung würde es sich im vorliegenden Fall jedoch handeln, denn nach den eigenen Angaben des Klägers ist die gewerbliche Nutzung erst für die Zukunft beabsichtigt. Die bisher genehmigte Halle, an die sich nun die streitgegenständliche Freifläche mit Mauer als Erweiterung anschließen soll, wurde nicht – was die Norm jedoch voraussetzen würde – als gewerblicher Betrieb genehmigt.
cc) Die Beklagte hat auch das ihr in Art. 76 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen rechtmäßig ausgeübt. Nach Art. 40 BayVwVfG hat eine Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Ein gem. § 114 VwGO seitens des Gerichts zu berücksichtigender Ermessensfehler ist nicht gegeben. Die Ermessenserwägungen im streitgegenständlichen Bescheid sind zwar knapp, aber ausreichend. Bei der Ermessensentscheidung über das Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände genügt es regelmäßig, dass die Behörde – so wie hier – zum Ausdruck bringt, der beanstandete Zustand müsse wegen seiner Rechtswidrigkeit beseitigt werden (vgl. BayVGH U.v. 13.4.2015 – 1 B 14.2319 – juris Rn. 31 unter Bezug auf BVerwG U.v. 18.4.1996 – 4 C 22.94 – BVerwGE 110, 64). Insbesondere geht aus dem Bescheid hervor, dass der Beklagten bewusst war, dass ihr im Rahmen der Entscheidung nach Art. 76 Satz 1 BayBO ein Ermessen zusteht. Von einem Ermessensausfall, wie klägerseits ausgeführt, kann daher nicht ausgegangen werden.
Die Ausübung des Ermessens stellt auch keinen Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung gem. Art. 3 Abs. 1 GG dar. Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn von einer (rechtmäßigen) Verwaltungspraxis im Einzelfall ohne zureichenden Grund abgewichen wird. Diese Verwaltungspraxis kann sich aus der Anwendung von Verwaltungsvorschriften gebildet haben oder aus der Behandlung von Einzelfällen entstanden sein (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG 17. Aufl. 2016, § 40 Rn. 93). Die Behörde ist daher zu einer gleichmäßigen Behandlung gleichgelagerter Fälle verpflichtet und darf nicht ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ihr Ermessen ausüben (Decker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 129. EL März 2018, Art. 76 Rn. 221). Die vom Kläger ins Feld geführten Bezugsfälle vermögen allesamt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu begründen. Soweit sich auf zwei Wohngebäude (Fl.Nrn. … und …*) bezogen wird, stellen diese schon keine vergleichbaren baulichen Vorhaben dar. Im Übrigen sei angemerkt, dass diese ersichtlich nicht im Außenbereich liegen. Das Vorhaben auf dem Grundstück Fl.Nr. … ist dagegen genehmigt, sodass es auch hier an der erforderlichen Vergleichbarkeit fehlt. Erforderlich wäre es vielmehr gewesen, dass sich auch dieses Vorhaben ungenehmigt im Außenbereich befindet und die Beklagte hiergegen nicht einschreitet (vgl. BVerwG B. v. 22.12.1989 – 4 b 226/89 – juris Rn. 6). Dies ist wie aufgezeigt aber gerade nicht der Fall.
Auch wurde seitens der Beklagten bei der Ausübung des Ermessens der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Nach Auffassung des Gerichts stellt die angeführte Aufschüttung der Mauer kein milderes Mittel dar, da diese die bereits angeführten Beeinträchtigungen der öffentlichen Belange nicht zu beseitigen vermag.
b) Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass auch die im Bescheid vom 10. Januar 2017 enthaltene Anordnung, den betroffenen Bereich „in eine Wiesenfläche/landwirtschaftliche Nutzfläche“ zurückzuführen von Art. 76 Satz 1 BayBO gedeckt ist. Derartige sog. Rückbauanordnungen sind immer dann von Art. 76 Satz 1 BayBO gedeckt, wenn sich diese in der bloßen Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes erschöpfen. Geben sie dem Bauherrn dagegen ein positives Tun auf, genügt Art. 76 Satz 1 BayBO nicht als Rechtsgrundlage (Decker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 129. EL März 2018, Art. 76 Rn. 54). Soweit der Kläger vorliegend die Stützmauer vollständig entfernt, kann die Fläche wieder als landwirtschaftliche Nutzfläche dienen. Damit wird von dem Kläger kein zusätzliches positives Tun abverlangt.
c) Hinsichtlich der in Ziffer 3 des Bescheids vom 10. Januar 2017 getroffenen Kostenentscheidung, die ihre Rechtsgrundlage in den von der Beklagten zitierten Vorschriften des Kostengesetzes (KG) findet, bestehen keine rechtlichen Bedenken.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils und aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils. Das Gericht ging dabei davon aus, dass das Verhältnis der Beseitigungsanordnung zu der Zwangsgeldandrohung unter entsprechender Fristsetzung mit 3/4 zu 1/4 zu bewerten ist.
Als im streitigen Verfahren Unterlegener hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, soweit darüber entschieden wurde.
Im Hinblick auf den für erledigt erklärten Teil entscheidet das Gericht nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Es entspricht in der Regel der Billigkeit, demjenigen Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Maßgeblich ist dabei die Sach- und Rechtslage unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses. Im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung in Ziffer I Nr. 2 des Bescheids vom 10. Januar 2017, einschließlich der in Ziffer I Nr. 1 enthaltenen Fristsetzung, wäre voraussichtlich die Beklagte unterlegen gewesen. Die Zwangsgeldandrohung mit Fristsetzung bis zum 31. Mai 2017 konnte vorliegend aufgrund des mittlerweile eingetretenen Zeitablaufs nicht mehr als Grundlage für eine spätere Beitreibung des Zwangsgeldes dienen. Bei der Zwangsgeldandrohung handelt es sich um einen aufschiebend bedingten Leistungsbescheid (Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG) über eine Geldforderung. Bedingung für den späteren Eintritt der Fälligkeit ist es – neben dem Umstand, dass der Pflichtige die durch die Grundverfügung auferlegte Pflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt hat –, dass vom Beginn bis zum Ende der Erfüllungsfrist i. S. d. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des Art. 19 Abs. 1 VwZVG vorliegen. Es ist nämlich sicherzustellen, dass dem Betroffenen ein ausreichender Zeitraum zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Verfügung steht (vgl. zum Ganzen BayVGH B. v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – NVwZ-RR 2002, 608 ff.). Dies konnte mit der vorliegenden Zwangsgeldandrohung allerdings nicht mehr gewährleistet werden. Es hätte vielmehr im Bescheid der gleichzeitigen Anordnung der sofortigen Vollziehung bedurft. Der Billigkeit der Kostentragung durch die Beklagte entspricht es auch deshalb, weil sich die Parteien hierauf geeinigt haben.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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