Baurecht

Beseitigung einer ohne Genehmigung errichteten Doppelgarage

Aktenzeichen  1 ZB 15.2551

Datum:
18.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 126519
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 7 Abs. 4, Art. 63 Abs. 1 Nr. 1b, Art. 76 S. 1
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Ein Bestandsschutz ist dann nicht mehr gegeben, wenn die Bausubstanz ausgetauscht oder das Bauvolumen wesentlich erweitert wird; bei einer Erweiterung der überdachten Grundfläche um mehr als ein Drittel ist dies jedenfalls der Fall. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bedeutsam für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind solche Maße, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Bestimmung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung eines Grundstücks ist der Umkreis der zu beachtenden vorhandenen Bebauung regelmäßig enger zu begrenzen als bei der Ermittlung des Gebietscharakters. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 9 K 14.3177 2015-10-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin wendet sich gegen die Beseitigung einer Doppelgarage auf ihrem Grundstück, die sie ohne Genehmigung im Anschluss an eine bestehende Doppelgarage errichtete. Nicht genehmigte bauliche Anlagen (Einzelgarage und Carport) wurden erweitert und zu einer Doppelgarage umgebaut. Die Beseitigungsverfügung der Beklagten vom 14. Juli 2014 stützt sich darauf, dass durch die errichtete Doppelgarage zusammen mit der bereits genehmigten Doppelgarage sowie dem bestehenden Wohnhaus ein optisch wahrnehmbarer Baukörper mit einer Gesamtfläche von ca. 480 m² entstanden sei, der sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Garagen bzw. Garagenanlagen in der hier vorliegenden Größenordnung von ca. 200 m² seien in der Umgebungsbebauung nicht vorhanden. Das Verwaltungsgericht teilt die rechtliche Bewertung der Beklagten. In dem klageabweisenden Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2015 wird ausgeführt, dass die Entscheidung der Beklagten, dass sich ein solcher massiver Baukörper nicht mehr in die Umgebung einfüge, nach dem Ergebnis des Augenscheins zutreffend sei. Das Grundstück der Klägerin sei entlang der Straße mit grenzständigen Garagen- und Nebengebäuden zugebaut und ohne Vorbild in der Nachbarschaft.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor oder sind bereits nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Ernstliche Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
Die Klägerin macht geltend, dass das Verwaltungsgericht die Grundsätze des Bestandsschutzes nicht in die Entscheidung miteinbezogen habe. Die bauliche Anlage sei bereits 1999 errichtet worden, Garagen und überdachte Stellplätze hätten zum damaligen Zeitpunkt baugenehmigungsfrei errichtet werden können. Nach der von der Klägerin zitierten Vorschrift des Art. 63 Abs. 1 Nr. 1b BayBO in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. August 1997 (GVBl S. 433) durften Garagen und überdachte Stellplätze im Sinn des Art. 7 Abs. 4, die nicht im Außenbereich liegen, baugenehmigungsfrei errichtet werden. Bei der von der Klägerin 1999 errichteten Einzelgarage und dem Carport handelt es sich schon deshalb nicht um bauliche Anlagen im Sinn von Art. 7 Abs. 4 BayBO a.F., da das dort genannte Höchstmaß der Gesamtnutzfläche (50 m²) bereits mit der genehmigten Doppelgarage auf dem Grundstück überschritten war. Soweit mit dem Einwand in dem Schriftsatz vom 31. März 2016, dass Art. 7 Abs. 4 BayBO a.F. dem Nachbarschutz dient, geltend gemacht werden soll, dass Garagen und überdachte Stellplätze, die nicht an einer Nachbargrenze gebaut wurden, unbeschränkt genehmigungsfrei waren, entbehrt dies jeglicher Rechtsgrundlage. Im Übrigen ist ein Bestandsschutz nicht mehr gegeben, wenn die Bausubstanz ausgetauscht oder das Bauvolumen wesentlich erweitert wird (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2001 – 4 B 18.01 – NVwZ 2002, 92). Aus der Behördenakte mit den Fotos und dem eigenen Vortrag der Klägerin ergibt sich, dass die bestehenden baulichen Anlagen wesentlich erweitert (Erweiterung der überdachten Grundfläche um mehr als ein Drittel, vgl. Bl. 53 der Behördenakte sowie die eigene Skizze der Klägerin, Bl. 26 der Behördenakte) und das Dach erneuert bzw. die Anlage erstmals überdacht wurde. Es handelt sich dabei nicht nur um eine geringfügige bauliche Veränderung, wie die Klägerin vorträgt. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass 2013 eine Doppelgarage neu errichtet wurde.
Die bauliche Anlage fügt sich entgegen der Behauptung der Klägerin auch nicht gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Soweit ausgeführt wird, dass es sich vorliegend nicht um ein reines Wohngebiet handele, sondern auch gewerbliche Nutzung in der Umgebungsbebauung vorkomme, und damit eine gewerbliche Nutzung der Garagen zulässig sei, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an. Die Merkmale, nach denen sich ein Vorhaben im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, sind jeweils unabhängig voneinander zu prüfen. Fügt sich etwa ein Vorhaben seiner Art nach ein, so kommt es im Rahmen der Prüfung, ob es sich auch nach seinem Maße nach einfügt, nicht mehr erneut auf seine Art an, also darauf, welches Maß von anderen baulichen Anlagen gleicher Art in der näheren Umgebung bereits verwirklicht ist (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.1997 – 4 B 172.97 – NVwZ-RR 1998, 539). Bedeutsam für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts solche Maße, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen. Ihre absolute Größe nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur Freifläche, prägen das Bild der maßgeblichen Umgebung und bieten sich deshalb vorrangig als Bezugsgrößen zur Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung an (vgl. BVerwG, B.v. 3.4.2014 – 4 B 12.14 – juris Rn. 3 m.w.N.; B.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – NVwZ 2017, 717). Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht auf den Baukörper abgestellt, der mit der bereits vorhandenen Garage entstanden ist und auch berücksichtigt, inwieweit das Grundstück der Klägerin schon mit Gebäuden bebaut ist. Soweit die Klägerin mit dem Zulassungsantrag gewerbliche Objekte und Garagenanlagen als Bezugsfälle nennt, ist dieser Vortrag zum einen unsubstantiiert, da die baulichen Anlagen entweder nicht konkret mit ihrer Größe benannt werden oder bereits eine Zuordnung zu einem bestimmten Grundstück fehlt. Zum anderen setzt sich die Klägerin nicht mit dem weiteren Kriterium des Verhältnisses zur Freifläche auseinander. Gebäude prägen ihre Umgebung nicht durch einzelne Maßbestimmungsfaktoren, sondern erzielen ihre optische maßstabbildende Wirkung durch ihr gesamtes Erscheinungsbild (vgl. BVerwG, B.v. 8.12.2016, a.a.O.). Im Übrigen ist die Rechtsauffassung der Klägerin, dass zur Umgebungsbebauung das sog. Südviertel gehöre, das im engeren Sinne begrenzt werde durch die Donau, die S* … Straße, die H* … Straße sowie die M* … Straße und F* …straße, unzutreffend. Ein solch großer Umgriff wäre nicht einmal bei der Art der Nutzung, mit der die Klägerin für die Umgebungsbebauung argumentiert, zu prüfen. Auch die nähere Umgebung ist für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen. Dabei ist bei der Bestimmung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung eines Grundstücks der Umkreis der zu beachtenden vorhandenen Bebauung regelmäßig enger zu begrenzen als bei der Ermittlung des Gebietscharakters (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014, 1246). Mit dem Verweis auf die Vorschrift des § 34 Abs. 3a BauGB genügt die Klägerin nicht ansatzweise dem Darlegungserfordernis.
Soweit geltend macht wird, dass die Beklagte ihr Beseitigungsrecht verwirkt habe, da sie gegen die Einzelgarage und den Carport nicht vorgegangen sei, wurde dieser Einwand bereits nicht fristgerecht vorgebracht. Im Übrigen ist der Einwand unzutreffend, da die Klägerin eine neue bauliche Anlage errichtet hat (vgl. oben).
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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