Baurecht

Beseitigungsanordnung, Unterstand für Pferde, Privilegierte Pensionspferdehaltung (hier verneint)

Aktenzeichen  1 ZB 21.2964

Datum:
28.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6530
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BayBO Art. 76 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 9 K 20.707 2021-10-13 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger, ein Landwirt, wendet sich gegen die Beseitigungsanordnung für einen Unterstand für Pferde. An seiner Hofstelle, an der er bis 1996 Bullenhaltung betrieben hat, sind nach der im Verfahren vorgelegten Betriebsbeschreibung 25 Pensionspferde eingestellt, weitere 29 Pferde bzw. Ponys auf einem zweiten Betriebsgrundstück im Außenbereich, auf dem auch eine Reitanlage besteht, sowie zwei Pferde in einem Offenstall auf dem Grundstück FlNr. …
Bei einer Baukontrolle am 14. September 2018 wurde festgestellt, dass auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung W. …, ein Unterstand mit den Außenmaßen 16,8 m (Länge) und 7,8 m (Breite) errichtet wurde; eine Baugenehmigung liegt nicht vor. Zum Zeitpunkt des gerichtlichen Augenscheins waren dort zwei Pferde eingestellt, die dritte Box wurde zur Lagerung von Heu genutzt. Nach Anhörung des Klägers, einer Ortsbesichtigung sowie mehrfacher Einschaltung des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, das eine privilegierte Nutzung des Unterstandes gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB verneinte, ordnete das Landratsamt mit Bescheid vom 29. Januar 2020 die Beseitigung der baulichen Anlage an, da keine privilegierte Pensionspferdehaltung vorliege, sondern eine gewerbliche Vermietung von Pferdeplätzen.
Die erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 13. Oktober 2021 ab. Der verfahrensgegenständliche Pferdeunterstand sei kein privilegiertes Vorhaben. Zwar sei der Kläger Landwirt, er betreibe jedoch bereits vom Umfang her keine Pensionspferdehaltung, sondern eine gewerbliche Vermietung von 50 bis 60 Stellplätzen an vier Standorten mit Reitplatz und Halle, verbunden mit dem Angebot einiger Dienstleistungen, wie die Pflege der Reitanlage, die Reinigung einiger Räume und Verkauf von Heu und Stroh; lediglich 10 Pferde würden vollversorgt. Soweit geltend gemacht worden sei, bei den zwei Pferden in dem Unterstand handle es sich um Pensionspferdehaltung, führe dies nicht zu einer landwirtschaftlichen Privilegierung des Unterstands. Die Pensionspferdehaltung von einigen Tieren sei zum einen als Teil des Gewerbebetriebes diesem untergeordnet. Zum anderen sei unter Berücksichtigung des vorhandenen Bestands kein weiterer Stall erforderlich, da der Kläger ausreichend über gewerblich genutzte Einstellplätze verfüge. Weiter diene das Vorhaben auch nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb. Insbesondere an der ausgelagerten Hofstelle sei ausreichend Platz, wenn tatsächlich Bedarf für einen weiteren Unterstand oder ein Heu-/Strohlager bestehen sollte. Auch sei der Standort nicht sinnvoll für den Gesamtbetrieb.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die angeordnete Beseitigung des Pferdeunterstands zu Recht abgewiesen, da die bauliche Anlage nicht gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert ist.
Ein Pensionspferdebetrieb ist Tierhaltung im Sinn von § 201 BauGB, soweit das erforderliche Pferdefutter überwiegend auf zum landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers gehörenden Flächen erzeugt werden kann und die Bodenertragsnutzung im Vordergrund steht. Der zu schonende Außenbereich darf grundsätzlich nur im Fall einer ernsthaften und in seiner Beständigkeit langfristig ausgerichteten, nachhaltigen landwirtschaftlichen Betätigung in Anspruch genommen werden. Diesen Anforderungen kommt bei Betätigungen wie der Pensionspferdehaltung besonderes Gewicht zu. Erforderlich ist eine kritische Prüfung, weil gerade die Pensionspferdehaltung dadurch gekennzeichnet ist, dass der unmittelbare Bezug zur Bodenertragsnutzung gelockert und der Übergang von der (noch) landwirtschaftlichen zur die Freizeitnutzung in den Vordergrund stellenden gewerblichen Betriebsweise fließend und nur schwer nachprüfbar ist. Betriebe der Pensionspferdehaltung tragen die Gefahr einer Umwandlung in überwiegend gewerblich tätige „Reiterhöfe“ gewissermaßen in sich. Es obliegt dem Bauherrn darzulegen, dass nicht nur die Betriebsführung als solche, sondern auch ihre landwirtschaftliche Ausprägung zur Überzeugung von Behörden und Gericht verlässlich gewährleistet ist (vgl. BayVGH, U.v. 8.8.2019 – 2 B 19.457 – BayVBl 2020, 91; B.v. 18.2.2013 – 1 ZB 11.1389 – juris Rn.15; VGH BW, U.v. 7.8.1991 – 3 S 1075/90 – BauR 1992, 208). Die betriebliche Zielsetzung der Pensionspferdehaltung ist im Wesentlichen darauf gerichtet, eine Dienstleistung zu erbringen, welche vor allem Elemente der zumeist individuellen Pflege, der Verwahrung und der Fütterung enthält (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.1985 – 4 C 54.82 – NVwZ 1986, 200; HambOVG, U.v. 28.5.2015 – 2 Bf 27/14 – juris Rn. 37).
Nach diesen Maßgaben ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Betriebsmodell des Klägers keine privilegierte Pensionspferdehaltung ist, sondern die gewerblichen Komponenten eindeutig überwiegen. Die Ausführungen im Zulassungsantrag rechtfertigen keine andere Bewertung. Soweit darauf hingewiesen wird, dass der Kläger Verträge vorgelegt habe, mit denen er für die Pensionspferdehaltung typische Tätigkeiten erbringe, hat dies das Verwaltungsgericht berücksichtigt, indem es ausgeführt hat, dass ca. 10 Pferde vollversorgt würden. Die für eine Pensionspferdehaltung typischen Tätigkeiten werden im Übrigen aber nicht von dem Kläger, sondern von den Mietern der Pferdeboxen geleistet. Aus der vorgelegten Betriebsbeschreibung ergibt sich nichts Anderes. Danach wird mit Ausnahme von 10 Pferden die tägliche Fütterung der Pferde, das Einstreuen und Entmisten des Stalles sowie der Auslauf der Tiere und deren Pflege von den Pferdebesitzern vorgenommen. Soweit in der Betriebsbeschreibung die Kontrolle der Zäune als Leistung des Klägers angegeben wird, ergibt sich aus den vorgelegten Verträgen, dass selbst (teilweise) bei Verträgen mit erweiterten Leistungen des Klägers der Mieter für die Kontrolle und Sicherheit der Zäune verantwortlich ist. Dass der Kläger Heu und Einstreu für die Ställe zur Verfügung stellt, das von den Pferdebesitzern erworben werden kann, und die Anlagen, die benutzt werden können, in Ordnung hält, betont nur die Tatsache der gewerblichen Betriebsweise, stellt aber keine Tierhaltung im Sinn von § 201 BauGB dar. Nach der von ihm vorgelegten Arbeitszeitaufstellung ist er auch im Wesentlichen mit diesen Arbeiten ausgelastet, so dass das Verwaltungsgericht zu Recht eine privilegierte Pensionspferdehaltung verneint hat.
Soweit vorgetragen wird, dass der Betrieb des Klägers durch seine Aufteilung in „Vollpension“ und „Teilpension“ nicht sein Gepräge als landwirtschaftlicher Pensionsbetrieb verloren habe und die gewerbliche Nutzung von der landwirtschaftlichen Nutzung mitgezogen werde, ist das nicht zutreffend. Das Verwaltungsgericht ist entsprechend den Angaben des Klägers von einer Vollversorgung von 10 Pensionspferden ausgegangen. Da der Kläger insgesamt 55 – 60 Einstellplätze bereithält, kann bei dieser untergeordneten landwirtschaftlichen Betätigung nicht von einem privilegierten Gesamtbetrieb gesprochen werden. Zwar können einzelne Betätigungen, die bei isolierter Betrachtung landwirtschaftsfremd sind, durch ihre betriebliche Zuordnung zu der landwirtschaftlichen Tätigkeit von dieser gleichsam mitgezogen werden und damit im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB an der Privilegierung teilnehmen. Bei der landwirtschaftsfremden Betätigung muss es sich aber um eine bodenrechtliche Nebensache handeln, es muss sich um eine untergeordnete Tätigkeit handeln (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.1998 – 4 B 66.98 – BauR 1999, 33 m.w.N.). Das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Es bedurfte im Hinblick auf die Gesamtprägung des Betriebs auch keiner weiteren Aufklärung durch das Gericht; es oblag dem Kläger, der zudem anwaltlich vertreten war, die Einzelheiten seines Betriebs umfassend darzustellen. Die Unzufriedenheit mit der geltenden Rechtslage, die der Kläger auch schon in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, kann zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis führen.
Weiter hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass der streitgegenständliche Unterstand auch bei Annahme einer privilegierten Pensionspferdehaltung diesem Betrieb nicht dienen würde. Wird das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Erwägungen gestützt, kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. für die Revisionszulassung BVerwG, B.v. 26.8.2019 – 4 BN 1.19 – NVwZ 2020, 326; B.v. 20.12.2016 – 3 B 38.16 u.a. – NVwZ-RR 2017, 266).
Die Privilegierung eines Vorhabens gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB setzt voraus, dass das Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Bei der Auslegung des Merkmals „Dienen“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Es reicht deshalb nicht aus, dass ein Vorhaben nach den Vorstellungen des Landwirts für seinen Betrieb lediglich förderlich ist. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist. Die bloße Förderlichkeit einerseits und die Unentbehrlichkeit andererseits bilden den äußeren Rahmen für das Merkmal des Dienens. Innerhalb dieses Rahmens muss darauf abgestellt werden, ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Mit dem Tatbestandsmerkmal des „Dienen“ in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB soll sichergestellt werden, dass das Bauvorhaben zu dem privilegierten Betrieb tatsächlich in einer funktionalen Beziehung steht (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.1991 – 4 C 11.89 – NVwZ-RR 1992, 401). Erforderlich ist eine gewisse räumliche Nähe zu der Hofstelle und den Betriebsflächen (vgl. BayVGH, U.v. 29.1.2019 – 1 BV 16.232 – BayVBl 2019, 562). Ungeachtet der Frage, ob an den bestehenden Standorten noch freie Einstellplätze vorhanden sind, ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass ein vernünftiger Landwirt das Vorhaben an dem gewählten Standort nicht verwirklichen würde. Das Grundstück FlNr. … ist ca. 450 m von der Hofstelle entfernt. Liegt das Grundstück FlNr. … noch zwischen der Hofstelle und dem weiteren Betriebsgrundstück mit der Reitanlage, so ist das streitgegenständliche Grundstück auch ca. 250 m von letzterem entfernt. Eine Versorgung von Pensionspferden an vier verstreut liegenden Standorten ist betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll und widerspricht dem Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. Eine entsprechende fachliche Einschätzung hat das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten abgegeben (vgl. S. 127 der Behördenakte). Der Bau eines Pferdeunterstands auf einer gesonderten Fläche mag dem Wunsch von Privatpersonen entsprechen, er ist aber nicht von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB gedeckt. Es bedurfte für diese rechtliche Schlussfolgerung auch keiner vertieften Prüfung der Platzverhältnisse auf den Betriebsgrundstücken. Soweit geltend gemacht wird, dass der Unterstand auch für die Lagerung für Heu und Stroh vorgesehen sei, ist nicht ansatzweise dargelegt, dass der hierfür in Anspruch genommene Platz nicht auf der Hofstelle oder dem weiteren Betriebsgrundstück zur Verfügung steht. Hier hatte die Fachbehörde im Übrigen beanstandet, dass die Lagerfläche für die Anzahl der Tiere nicht angemessen sei und sich erhöhter Platzbedarf nur durch die dezentrale Lagerung von Futter und Einstreu bei den einzelnen Pferdeboxen ergebe; die einzelnen und verteilten Lagerplätze seien ein weiteres Indiz dafür, dass keine privilegierte Pensionspferdehaltung vorliege.
Die Pläne eines künftigen Hofnachfolgers für die Hofstelle sind unabhängig von der Tatsache, dass sie erstmals außerhalb der Zulassungsbegründungsfrist vorgetragen wurden, und unabhängig von der Rechtsfrage, ob eine Insektenmast gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert ist, für die Entscheidung nicht maßgeblich.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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