Baurecht

Bestimmtheit der Festsetzung der Emissionskontingente im Bebauungsplan

Aktenzeichen  9 N 12.218

Datum:
21.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2016, 850
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 2
BauNVO BauNVO § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
VwGO VwGO § 47
GG GG Art. 20 Abs. 3

 

Leitsatz

Bleibt unklar, auf welche Flächen sich die Festsetzung von Emissionskontingenten in einem Bebauungsplan beziehen, ist die Festsetzung unwirksam. (amtlicher Leitsatz)

Tenor

I.
Die 2. Änderung des Bebauungsplans „Schelmhecke“ ist unwirksam.
II.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Normenkontrollanträge haben Erfolg.
Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2015 erklärten Einverständnisses der Antragsteller und des Antragsgegners sowie der Schriftsätze der Beigeladenen vom 9. und 11. Februar 2016 kann der Senat über die Normenkontrollklage gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden. Dass seit der Einverständniserklärung der Antragsteller und des Antragsgegners nahezu ein Jahr vergangen ist, steht einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nicht entgegen (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2014 – 9 B 13.1401 – juris Rn. 22 ff. m. w. N.).
I.
Die Normenkontrollanträge sind zulässig.
1. Die Antragsteller sind antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis ist, dass die Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch den angegriffenen Bebauungsplan in einem subjektiven Recht verletzt werden (BVerwG, B.v. 2.3.2015 – 4 BN 30/14 – juris Rn. 3). An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind grundsätzlich auch dann keine höheren Anforderungen zu stellen, wenn es – wie hier – um das Recht auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) außerhalb des Bebauungsplangebiets wohnender Grundstückseigentümer geht (mittelbar Betroffene). Auch insoweit reicht es aus, dass die Antragsteller Tatsachen vortragen, die eine fehlerhafte Behandlung ihrer Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen. Wer sich als nicht unmittelbar betroffener Grundstückseigentümer gegen einen Bebauungsplan wendet, muss aufzeigen, dass sein aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) folgendes Recht verletzt sein kann. Das setzt zunächst voraus, dass die Planung einen abwägungserheblichen Belang der Antragsteller berührt. Sind nur Interessen von geringem, unterhalb der Schwelle der Abwägungserheblichkeit liegenden Gewicht berührt, scheidet eine Verletzung des Rechts auf fehlerfreie Abwägung von vornherein aus. Berührt die Planung einen abwägungserheblichen Belang der Antragsteller, dann besteht abstrakt die Möglichkeit, dass die Gemeinde den Belang bei ihrer Abwägung nicht korrekt berücksichtigt hat. Die bloße Bezeichnung eigener Belange und die Behauptung, es liege eine Rechtsverletzung vor, reichen zur Darlegung aber nicht aus (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2015 – 4 BN 30/14 – juris Rn. 3).
Nach diesem Maßstab sind die Antragsteller antragsbefugt, da es nicht ausgeschlossen erscheint, dass sie aufgrund des Heranrückens des Gewerbegebiets „Schelmhecke“ an ihre Wohngrundstücke in abwägungserheblichen Belangen des Lärmschutzes berührt sind. Lärmschutzbelange sind in die Abwägung einzubeziehen, wenn die Lärmbelastung – wie hier – infolge des Bebauungsplans ansteigt (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2013 – 4 BN 39/12 – juris Rn. 6). Die geltend gemachten Interessen der Antragsteller sind auch nicht objektiv geringwertig. Hier ergibt sich zwar aus dem gutachtlichen Bericht der … vom 4. März 2011, dass die Orientierungswerte der DIN 18005-1 (Schallschutz im Städtebau) an ihren Anwesen einhaltbar sind. Unter Berücksichtigung der festgesetzten immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel liegen die Beurteilungspegel im Bereich der Wohnbebauung der Antragsteller zwischen 50,3 dB(A) tags am Immissionsort 3 (EG) und 54,7 dB(A) tags am Immissionsort 1 (OG). Die Antragsteller befinden sich deshalb nach Nr. 2.2, 6.1 Buchst. d TA Lärm zumindest im Einwirkungsbereich der im Gewerbegebiet zulässigen Betriebe (vgl. VGH BW, U.v. 19.9.2002 – 5 S 113/00 – juris Rn. 17). Eine Regel dahingehend, dass nur bei Erreichen der Immissionsrichtwerte der TA Lärm eine planbedingte Zunahme vom Lärm abwägungsrelevant ist, besteht nicht (BayVGH, B.v. 11.3.1998 – 2 NE 97.3184 – juris Rn. 25). Zudem wird von den Antragstellern gerade die Unwirksamkeit der Festsetzungen zur Lärmkontingentierung, die die Richtwerteinhaltung erst sicherstellen sollen, eingewandt.
2. Die Antragsteller sind auch nicht präkludiert (§ 47 Abs. 2a VwGO). Dies folgt hinsichtlich der Antragsteller zu 1. und 2. bereits daraus, dass sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung vom 9. Mai 2011 bis 15. Juni 2011 mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 10. Juni 2011 Einwendungen erhoben haben.
Der Antragsteller zu 3. hat zwar im Rahmen des Verfahrens nach § 3 Abs. 2 BauGB keine Einwendungen erhoben; die Einwendungen im Verfahren der frühzeitigen Bürgerbeteiligung sind insoweit nicht ausreichend (vgl. OVG NW, U.v. 3.2.2012 – 2 D 92/10 – juris Rn. 27). Er ist jedoch nicht vom Verfahren ausgeschlossen, da der Eintritt der Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO davon abhängt, dass die ortsübliche Bekanntmachung formell und materiell fehlerfrei erfolgt ist, woran es hier mangels Angaben zu umweltbezogenen Informationen in der Bekanntmachung vom 1. Mai 2011 fehlt (BVerwG, U.v. 11.9.2014 – 4 CN 3/14 – juris Rn. 12). Zwar enthalten die Begründung zum Änderungsbebauungsplan und die textlichen Festsetzungen den Hinweis, dass der gutachtliche Bericht Nr. 1102/1811A in der Fassung vom „7. Februar 2011“ (gemeint ist wohl die Fassung vom 4.3.2011 als Ergebnis des Auftrags vom 7.2.2011; in den textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans ist das korrekte Datum enthalten) der Begründung zum Änderungsbebauungsplan beiliegt (vgl. Nr. 6 der Begründung des Änderungsbebauungsplans und Nr. 9 Abs. 1 der textlichen Festsetzungen). Dieser gutachtliche Bericht der … vom 4. März 2011 lag dem Antragsgegner zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung am 1. Mai 2011 bereits vor. Er war zudem Bestandteil der Planunterlagen und aufgrund seiner Bedeutung für die Beurteilung der Lärmschutzbelange als umweltbezogene Information zu bewerten (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Nov. 2015, § 3 Rn. 35). Aus den Planakten ist nicht ersichtlich, dass der gutachtliche Bericht der … vom 4. März 2011 als umweltbezogene Information entsprechend der Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB in der Bekanntmachung angeführt worden ist.
II.
Die Normenkontrollanträge sind auch begründet.
Die 2. Änderung des Bebauungsplans „Schelmhecke“ ist ungültig und gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären.
1. Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist Gegenstand der Normenkontrolle ausschließlich die 2. Änderung des Bebauungsplans „Schelmhecke“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. November 2015, nicht auch der Ursprungsbebauungsplan vom 21. April 1984. Zwar kann auch eine frühere Fassung eines Bebauungsplans zum Gegenstand einer Normenkontrolle gemacht werden (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.1997 – 4 NB 30/96 – juris Rn. 9). Allerdings müssen auch insoweit die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sein (BVerwG, B.v. 22.5.2006 – 4 BN 10/06 – juris Rn. 6), also auch die Einhaltung der Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, woran es bereits fehlt. Die Rechtmäßigkeit des Ursprungsbebauungsplans kann ferner als Vorfrage inzident im Rahmen einer Normenkontrolle zu überprüfen sein, soweit hiervon die Rechtmäßigkeit einer nachfolgenden Änderung abhängt (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 7/98 – BVerwGE 110, 193 – juris Rn. 18). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass entweder ein untrennbarer Zusammenhang oder ein Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen Änderungs- und Ursprungsbebauungsplan besteht (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 – a. a. O. – juris Rn. 17, 21). Beides liegt hier jedoch nicht vor. Zum einen kann der Ursprungsbebauungsplan auch ohne den Änderungsbebauungsplan bestehen, ergibt auch allein eine sinnvolle städtebauliche Ordnung i. S. d. § 1 Abs. 3 BauGB und ist die bisherige Planungsabsicht eines Gewerbegebiets vom Antragsgegner nach wie vor auch so gewollt, was sich ohne Weiteres aus den Planunterlagen des Änderungsbebauungsplanverfahrens entnehmen lässt (vgl. z. B. Begründung Nr. 1 zum Bebauungsplan und Aufstellungsbeschluss vom 16.9.2010). Zum anderen schafft der Änderungsbebauungsplan für sich genommen – unabhängig vom Ursprungsbebauungsplan – eine vollständige städtebauliche Ordnung, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Änderung ins Leere geht, weil sie auf einem Regelungswerk aufbaut und dieses voraussetzt, welches seinerseits unwirksam ist und dementsprechend keine wirksame Grundlage für die Änderung darstellen kann (vgl. OVG NW, U.v. 12.12.2005 – 10 D 27/03 – juris Rn. 71, 73). Bei der 2. Änderung des Bebauungsplans „Schelmhecke“ handelt es sich um einen eigenständigen, qualifizierten Bebauungsplan i. S. d. § 30 Abs. 1 BauGB, zumal der Ursprungsbebauungsplan für den Änderungsbereich vollständig aufgehoben und ersetzt wird (Nr. 10.1 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans). Prüfungsmaßstab im vorliegenden Normenkontrollverfahren ist daher ausschließlich die Wirksamkeit des Änderungsbebauungsplans.
2. Die Festsetzung der Emissionskontingente (immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel) durch die 2. Änderung des Bebauungsplans „Schelmhecke“ ist nicht hinreichend bestimmt. Daraus ergibt sich hier die Gesamtunwirksamkeit der 2. Änderung des Bebauungsplans „Schelmhecke“.
a) Ein Bebauungsplan muss als Rechtsnorm dem aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit entsprechen. Es muss – gegebenenfalls nach entsprechender Auslegung – hinreichend konkret und klar zu erkennen sein, welche Regelungen mit welchem Inhalt normative Geltung beanspruchen. Die Gemeinde hat dabei die Wahl zwischen zeichnerischer Festsetzung und textlicher Beschreibung; sie kann beide Elemente auch kombinieren (BayVGH, U.v. 5.2.2009 – 1 N 07.2713 – juris Rn. 50). Diesen Anforderungen wird die Festsetzung von immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegeln durch die 2. Änderung des Bebauungsplans „Schelmhecke“ nicht gerecht.
Lärmemissionskontingente sind grundsätzlich ein zulässiger Maßstab für das Emissionsverhalten eines Betriebes oder einer Anlage, die nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO in einem Bebauungsplan festgesetzt werden können (vgl. BVerwG, B.v. 2.10.2013 – 4 BN 10.13 – juris Rn. 5; BVerwG, B.v. 9.3.2015 – 4 BN 26.14 – juris Rn. 5). Sie bezeichnen den Pegel der Schallleistung, die bei gleichmäßiger Verteilung sowie bei ungehinderter Abstrahlung und ungehinderter verlustloser Schallausbreitung je Quadratmeter höchstens abgestrahlt werden darf (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2012 – 15 N 09.693 – juris Rn. 37). Dabei muss der Bebauungsplan aber u. a. eindeutig bestimmen, welche Bezugsflächen für die „Umrechnung“ der betrieblichen Schallleistung in den flächenbezogenen Schallleistungspegel zugrundezulegen sind (vgl. Wahlhäuser in Bönker/Bischopink, BauNVO, 1. Aufl. 2014, ImmSchR Rn. 124; Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 7. Aufl. 2013, § 1 BauNVO Rn. 32; BayVGH, U.v. 14.9.2009 – 1 N 07.2977 – juris Rn. 39). Die hinreichende Bestimmtheit kann sich auch durch Auslegung der planerischen Festsetzungen (Text und Zeichnung) unter Rückgriff auf die Planbegründung oder in Bezug genommene Gutachten ergeben (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2012 – 15 N 09.693 – juris Rn. 39). Im vorliegenden Fall sind die Bezugsflächen jedoch weder aus dem Änderungsbebauungsplan selbst noch aus dem von ihm in Bezug genommenen gutachtlichen Bericht der … vom 4. März 2011 zweifelsfrei zu ermitteln.
Hier enthält die Planzeichnung zwar eine Schablone, aus der sich die Emissionskontingente ergeben. Auch sind die Baufenster und die Abgrenzung unterschiedlicher Nutzungen dargestellt. Es bleibt aber unklar, ob sich die Emissionskontingente nur auf den Bereich innerhalb der Baugrenzen, auf die Gesamtfläche des jeweiligen Baugebiets oder nur auf die Betriebsflächen beziehen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Schablone im Bereich der neuen Gewerbeflächen 1 bis 3 auch die blau dargestellte Baugrenze erfasst. Zum anderen werden in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans und in der Begründung sowie im gutachtlichen Bericht der … vom 4. März 2011 unterschiedliche Bezeichnungen verwendet. Während in den textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans unter Nr. 9.3 von „Parzellen im Änderungsbereich“ die Rede ist, sind in der Begründung des Bebauungsplans unter Nr. 6 die Begriffe „Gewerbeflächenelement“ und „(Betriebs-) Fläche“ enthalten. Im gutachtlichen Bericht der … vom 4. März 2011 werden neben den bereits angeführten Begriffen noch weitere Bezeichnungen verwendet (z. B. „Gewerbeflächen“ und „Flächenparzellen“ unter Nr. 6.1; „Parzellen im Änderungsbereich“ unter Nr. 7 oder „Flächenparzellen im Änderungsbereich“ unter Nr. 9). Da die gewählten Begriffe nicht gleichgesetzt werden können und auch nicht inhaltlich identisch sind, ist nicht ersichtlich, auf welche Flächen sich die Emissionskontingente tatsächlich beziehen (vgl. BayVGH, U.v. 11.4.2011 – 9 N 10.2478 – juris Rn. 71; VGH BW, U.v. 24.3.2005 – 8 S 595/04 – juris Rn. 45).
Soweit die jeweiligen Flächengrößen in Nr. 9.6 der textlichen Festsetzungen und im gutachterlichen Bericht der … vom 4. März 2011 in m2 angegeben werden, ist aus der bloßen Flächenangabe aber ohne nähere Beschreibung der Zusammensetzung oder Berechnung dieser – nur ungenau („ca.“) angegebenen – Flächengröße auch nicht ersichtlich, ob sich diese Angabe auf die überbaubare Fläche, die Gesamtfläche oder die Grundstücksgröße bezieht. Eine Definition der Flächenbasis in den textlichen Festsetzungen, der Begründung oder im gutachtlichen Bericht der … vom 4. März 2011 fehlt ebenfalls (vgl. BayVGH, U.v. 5.2.2009 – 1 N 07.2713 – juris Rn. 51). Unabhängig davon, ob die gutachtliche Stellungnahme 1811B der … vom 21. März 2012 (Bl. 326 der Gerichtsakte), die während des Normenkontrollverfahrens erstellt wurde, überhaupt zur Auslegung herangezogen werden kann, da sie nicht Gegenstand der Planunterlagen ist, ergibt sich auch aus dieser – entgegen dem Vorbringen der Bevollmächtigten des Antragsgegners – nicht, welche Flächen gemeint sind und wie sich die genannten Flächengrößen zusammensetzen. Denn auch in dieser Stellungnahme ist die Bezeichnung „GE-Flächen bzw. Parzellengrößen“ nicht eindeutig, bezieht sich der Gutachter im Übrigen auf seine bisherigen Ausführungen, die unterschiedliche Begriffe verwenden und wird nicht ausgeführt, wie sich die Flächengrößen oder Parzellengrößen zusammensetzen bzw. berechnet werden. Aufgrund der unterschiedlichen Bezeichnungen und Angaben kann daher auch nicht einfach auf die gesamte Gewerbegebietsfläche abgestellt werden (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2012 – 15 N 09.693 – juris Rn. 40).
b) Der verfahrensgegenständliche Bebauungsplan ist im Ganzen unwirksam.
Die Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen führt dann nicht zur Gesamtunwirksamkeit eines Bebauungsplans, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können und die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck kommenden Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – juris Rn. 19).
Aus den Planunterlagen ergibt sich hier, dass die schalltechnische Verträglichkeit des Gewerbegebiets gegenüber der angrenzenden Wohngebietsnutzung über die Festsetzung von immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegeln geregelt werden sollte (vgl. Nr. 6 der Begründung des Änderungsbebauungsplans). Diese hier – wie oben ausgeführt – nicht hinreichend bestimmte und damit unwirksame Festsetzung betraf damit eine zentrale Frage der Gesamtplanung, insbesondere gerade im Hinblick auf die Erweiterung des Gewerbegebiets nach Norden und ein Heranrücken an die vorhandene Wohnbebauung. Zwar enthält der Änderungsbebauungsplan bezüglich der Anpassung an die tatsächlichen Verhältnisse (vgl. Nr. 1 der Begründung des Änderungsbebauungsplans) Festsetzungen, die nach dem mutmaßlichen Willen des Antragsgegners wohl auch ohne die unwirksamen Festsetzungen zu den immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegeln erlassen worden wären. Gerade wegen des vom Antragsgegner festgestellten Regelungsbedarfs der geplanten Bebauung einer Teilfläche der FlNr. …/… Gemarkung P… und der nicht auf den Erweiterungsbereich getrennten und trennbaren Festsetzungen zum Immissionsschutz führt der festgestellte Mangel jedoch zur Unwirksamkeit des Änderungsbebauungsplans im Ganzen, da die nicht zu beanstandenden Regelungen angesichts der Bedeutung und Tragweite des Immissionsschutzes hier für sich genommen nicht die Grundlage für eine sinnvolle städtebauliche Ordnung bilden können (vgl. BayVGH, U.v. 11.4.2011 – 9 N 10.1373 – juris Rn. 78).
3. Auf die weiteren Einwendungen der Antragsteller gegen die Gültigkeit des Änderungsbebauungsplans kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an. Der Senat hält es jedoch für sachgerecht, auf einige Punkte ergänzend hinzuweisen:
a) Der vom Antragsgegner gefertigte Umweltbericht beschränkt sich vorliegend auf die Erweiterungsfläche der Änderungsplanung, bezieht sich jedoch nicht auf den gesamten Änderungsbereich der 2. Änderung des Bebauungsplans „Schelmhecke“, der auch noch einen Teil des Ursprungsbebauungsplans umfasst. Nach § 2 Abs. 4 Satz 2 BauGB legt die Gemeinde fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Maßstab hierbei ist das Ermittlungsgebot gemäß § 2 Abs. 3 BauGB (Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiss, a. a. O., § 2 Rn. 54). Vorliegend dürfte daher der Änderungsbereich zumindest hinsichtlich der geänderten Festsetzungen insgesamt relevant sein. Eine Beschränkung auf den bloßen Erweiterungsbereich erscheint nicht angemessen, zumal der Änderungsbebauungsplan den bisherigen Ursprungsbebauungsplan vollständig ersetzt (Nr. 10.1 der textlichen Festsetzungen). Zumindest hinsichtlich der Lärmschutzbelange und der Frage, ob die Emissionskontingente möglicherweise bereits durch vorhandene Betriebe ausgeschöpft werden, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass ein Ermittlungsdefizit insoweit auch auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist.
b) Fraglich erscheint, ob im vorliegenden Fall aufgrund der textlichen Änderungen der Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans in der Bekanntmachung vom 1. Mai 2015 bzw. 1. November 2015 gegenüber der Bekanntmachung vom 1. August 2011 eine Pflicht zur erneuten Auslegung ausgelöst worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 8.3.2010 – 4 BN 42/09 – juris Rn. 12). Selbst wenn die Ergänzungen in den Nrn. 9.2 und 9.6 der textlichen Festsetzungen im Hinblick auf die bisher bereits vorhandenen Bezugnahmen auf den gutachtlichen Bericht der … vom 4. März 2011 lediglich klarstellenden Charakter haben sollten, ist anzumerken, dass sich die Ergänzung in Nr. 9.4 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans auch bisher nicht aus diesem gutachtlichen Bericht der … vom 4. März 2011 ergibt oder daraus ersichtlich ist.
c) Fraglich erscheint weiter, ob die Abwägung des Antragsgegners im Hinblick auf die Bewertung der Waldfläche auf FlNr. …/… Gemarkung P… fehlerfrei erfolgt ist. Nach der Abwägung des Antragsgegners und der Begründung (Nr. 3) zum Änderungsbebauungsplan wurde der Wald als „Wald mit besonderer Schutzfunktion nach Waldfunktionsplan mit besonderer Bedeutung für die Erholung der Intensitätsstufe I“ berücksichtigt. Aus der Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 14. Dezember 2012 und dem geltenden Waldfunktionsplan ergibt sich allerdings, dass es sich bei dem Wald um „Wald mit besonderer Bedeutung für Lärmschutz und Erholung der Stufe I“ handelt. Unabhängig davon sind auch die Ausführungen im gutachtlichen Bericht der … vom 4. März 2011 zu den Auswirkungen und zur Berücksichtigung der gerodeten Flächen und der Aufforstung sowie zur Geländemodellierung außerhalb des Bebauungsplans (vgl. Nr. 5 und Nr. 9 dieses Berichts) im Hinblick auf die Lärmschutzbelange der Antragsteller nicht ohne Weiteres nachvollziehbar (vgl. Nr. 2 der gutachtlichen Stellungnahme der … vom 21.3.2012).
d) Eine Transformation der immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel aus den vorherigen Festsetzungen des Ursprungsbebauungsplans ist grundsätzlich möglich (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2002 – 4 BN 20/02 – juris Rn. 14). Es erscheint jedoch problematisch, dass der Antragsgegner nur die planerische Vorbelastung, nicht dagegen die tatsächlich vorhandene Vorbelastung bei der Umsetzung berücksichtigt hat. Da im bisherigen Gewerbegebiet „Schelmhecke“ bereits Gewerbe vorhanden war, erscheint eine Prüfung dahingehend erforderlich, ob die vorhandenen Betriebe die immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel nicht bereits vollständig ausschöpfen (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2010 – 15 NE 10.2377 – juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 5.2.2009 – 1 N 07.2713 – juris Rn. 74). In der fehlenden Schutzeignung der immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel aufgrund der fehlenden Bestimmtheit sowie aufgrund der fehlenden ausreichenden Prüfung der Vorbelastung liegt zugleich ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB, wenn der Bebauungsplan die ausgelöste Lärmproblematik nicht hinreichend bewältigt hat (VGH BW, U.v. 24.3.2005 – 8 S 595/04 – juris Rn. 41). Ein solcher Mangel dürfte hier auch Einfluss auf das Ergebnis gehabt haben (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 BauGB).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich die Beigeladenen nicht am Verfahren beteiligt haben, erscheint es billig, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Die Nr. I. Der Entscheidungsformel ist nach Rechtskraft des Urteils ebenso zu veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekannt zu machen wäre (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 30.000,- Euro (10.000, – Euro je privaten Antragsteller) festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 8 GKG i. V. m. Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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