Baurecht

Bestimmtheit einer Baugenehmigung hinsichtlich des von mitgenehmigten Wärmepumpen ausgehenden Lärms

Aktenzeichen  W 5 S 20.1135

Datum:
25.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36187
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
BImSchG § 3 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 1

 

Leitsatz

Wenn es problematisch sein kann, ob die Geräuschimmissionen die für die Nachbarn maßgebende Zumutbarkeitsgrenze überschreiten, muss die Baugenehmigung das gestattete Ausmaß der Geräuschimmissionen durch Inhalts- und Nebenbestimmungen festlegen. Sie muss die für die Nachbarn maßgebende Zumutbarkeitsgrenze konkret bestimmen, etwa durch die Festlegung eines konkreten, zielorientierten Immissionsrichtwerts nach Nr. 6 TA Lärm. Nur in diesem Fall ist die Immissionsbelastung für den Nachbarn hinreichend bestimmbar. (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 7. August 2020 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 8. Juli 2020 (Az. W 5 K 20.1056) wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens zu gleichen Teilen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern samt Neuregelung der erschließenden Außenanlagen für das Bestandshaus auf dem Grundstück Fl.Nr. 170/2 der Gemarkung A. (Baugrundstück).
1. Der Antragsteller ist Eigentümer des nördlich des Baugrundstücks gelegenen Grundstücks mit der Fl.Nr. … der Gemarkung A. (An der S. 4, … … …), welches mit einem Wohnhaus bebaut ist. Auf dem Baugrundstück Fl.Nr. …/2, welches südlich und westlich an das Grundstück Fl.Nr. … angrenzt, befindet sich im südwestlichen Grundstücksbereich bereits ein Wohnhaus mit sechs Wohneinheiten (An der S. 2, … … …), welches mit Bescheid vom 14. Juni 2017 genehmigt wurde.
Beide Grundstücke liegen mit Ausnahme der südöstlichen Ecke des Baugrundstücks, die bis zu einer Tiefe von etwa 12 Metern vom Bebauungsplan „R. …, 3. Änderung“ (Juli 1994) erfasst wird, nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes. Der Bebauungsplan setzt in diesem Bereich eine „Sichtfläche“ fest.
Mit Formblatt vom 16. August 2019 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zum „Neubau zwei weiterer Mehrfamilienhäuser mit je 6 Wohnungen samt Neuregelung der erschließenden Außenanlagen Nord für das Bestandshaus in A., An der S. 2, Fl.st. …/2“. In der Baubeschreibung zum Bauantrag wird unter Ziffer „5.1 Feuerstätten“ ausgeführt, dass für die Heizung „pro Haus eine Wärmepumpe mit ca. 15 kW“ vorgesehen ist. Aus den genehmigten Plänen ist ersichtlich, dass neben der vor dem Bestandshaus befindlichen Wärmepumpe I die Wärmepumpen II und III zwischen den zu genehmigenden Häusern II und III errichtet werden sollen. Weitere Angaben zu den Wärmepumpen erfolgten nicht.
Mit Bescheid der Stadt Bad K. vom 8. Juli 2020 wurde dem Beigeladenen die bauaufsichtliche Genehmigung zum „Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern mit je 6 Wohnungen samt Neuregelung der erschließenden Außenanlagen Nord für das Bestandshaus“ erteilt. Der Bescheid enthält eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans, soweit die Nichteinhaltung des Sichtdreiecks durch die südöstliche Gebäudeecke betroffen ist. Ferner wurden Abweichungen zugelassen bezüglich § 4 Ziff. 1 der Gestaltungssatzung der Stadt Bad Kissingen betreffend die Zulassung einer zweiten Zufahrt zur Straße „An der S.“ sowie der Überschreitung der maximal zulässigen Breite der zweiten Zufahrt (4,20 m statt 4,00 m), ferner eine Abweichung bezüglich § 4 Ziff. 2 der Gestaltungssatzung der Stadt Bad Kissingen betreffend die Unterbringung von 13 Stellplätzen in Garagen und Carports mit begrüntem Dach statt in einer Tiefgarage.
Unter den „Weiteren Hinweisen“ findet sich Ziffer 18.: „Bei der Errichtung von Luft-Wärmepumpen wird auf folgenden Link hingewiesen: https://www.lfu.bayern.de/laerm/luftwaermepumpen/index.htm“. Ziffer 19. besagt, dass das „beiliegende Blatt Lärmschutz bei Luft-Wärmepumpen zu beachten“ ist.
2. Der Antragsteller hat gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz vom 6. August 2020, eingegangen bei Gericht am 7. August 2020, Klage erhoben (Az. W 5 K 20.1056). Über diese Klage ist noch nicht entschieden worden.
Mit Schriftsatz vom 24. August 2020, eingegangen bei Gericht am 27. August 2020, hat der Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtsschutzes „die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO”  beantragt.
Zur Begründung ist im Wesentlichen vorgetragen, dass sich Bagger und LKWs auf dem Baugrundstück befänden und Baggerarbeiten stattfänden.
Im Hauptsacheverfahren hat der Antragsteller zur Begründung der Klage des Weiteren ausgeführt, dass sich das Bauvorhaben nicht in die nähere Umgebung anpasse, da es bis auf das Bestandshaus des Beigeladenen keine gleichwertigen Bauten in der Umgebung gebe. Auf den Anwesen in der Nähe befänden sich Gärten und Grünflächen. Laut Bauplan seien zudem die Wärmepumpen zwischen zwei Carports gelegen. Die Wärmepumpen seien nach den ihm vorliegenden Plan ca. sechs Meter von der Grundstücksgrenze entfernt und lägen direkt an seinem Gartenzaun und unter den Schlaf- und Kinderzimmern sowie dem Erholungsbereich des Gartens. Ferner gehe der Antragsteller aufgrund der Parkplätze und der engen Zufahrt direkt an der Grundstücksgrenze davon aus, dass es, z.B. durch rückwärtsfahrende Autos, zu erhöhtem Lärm kommen werde. Im Bauplan sehe es danach aus, als ob das Wenden in sehr beengtem Raum stattfinden müsse bzw. gar nicht gewendet werden könne. Auch reichten die Straßenparkplätze in der Straße „An der S.“, der K. H1.-straße und der A. H2. Straße, die schon jetzt knapp seien, nicht aus.
3. Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Antragsteller sei durch die Baugenehmigung nicht in seinen Rechten verletzt. Auch das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Hierzu werde auf die Ausführungen im Verfahren W 5 K 20.1056 verwiesen. Dort legt die Antragsgegnerin dar, dass sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Die Wärmepumpen seien nördlich von Haus I (Bestand) sowie zwischen den Häusern II und III angesiedelt und befänden sich nicht direkt an der nördlichen Grundstücksgrenze, sondern vielmehr mindestens 14 m davon entfernt. Die Untere Immissionsschutzbehörde am Landratsamt Bad Kissingen habe dem Standort der Wärmepumpen zugestimmt. Durch die Baugenehmigung sei sichergestellt, dass der erforderliche Abstand der Wärmepumpen zur nachbarlichen Grundstücksgrenze eingehalten werde. Die Zufahrt führe nur im Bereich der westlichen Nachbargrundstücksgrenze direkt an der Grenze entlang. Dort befinde sich ein Nebengebäude des Antragstellers, das den Lärm durch An- und Abfahrt von Pkws abschirme. Das Wohnhaus des Antragstellers habe zur Zufahrt einen Abstand von ca. 13,50 m. Eine maßgebliche Beeinträchtigung durch Lärm für den Nachbarn oder gar die Verletzung des Rücksichtnahmegebots könne nicht erkannt werden. Gleiches gelte für die Anordnung der Kfz-Stellplätze in Garagen und Carports auf dem Baugrundstück.
4. Mit Beschluss vom 27. August 2020 wurde der Bauherr zum Verfahren notwendig beigeladen. Er ließ beantragen,
den Antrag des Antragstellers vom 24.08.2020 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kostenpflichtig abzuweisen.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dem Antragsteller fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller sei über das Bauvorhaben hinreichend informiert. Insbesondere sei das Baustellenschild mittlerweile an vorgeschriebener Stelle angebracht. Dessen ungeachtet habe der Antragsteller eine Beeinträchtigung oder Verletzung seiner Rechte weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Dem Antragsteller fehle somit die Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog. Darüber hinaus habe die Klage in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg. Die streitgegenständliche Baugenehmigung sei formellwie materiell-rechtlich rechtmäßig und stehe im Einklang mit sämtlichen Vorschriften des öffentlichen Rechts. Ein Verstoß gegen bauplanungsrechtliche oder baupolizeiliche Vorschriften sei ebenso wenig ersichtlich wie eine Verletzung nachbarrechtlicher Belange.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Antragsgegnerin vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.
II.
Der nach § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist begründet.
Vom Vorliegen der Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog und des Rechtsschutzbedürfnisses des Antragstellers ist auszugehen, da eine Verletzung seiner Rechte als Nachbar zumindest bezüglich des Gebots der Rücksichtnahme (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) möglich erscheint. Darauf kann er sich – entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten des Beigeladenen, der dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis abspricht – auch berufen, ungeachtet der Tatsache, dass letztlich eine umfassende Information der Nachbarn durch den Bauherrn erfolgte.
Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus, weil sich die Baugenehmigung im Hinblick auf nachbarschützende Belange als nicht hinreichend bestimmt und damit rechtswidrig erweist.
1. Gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80 a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage eines Dritten gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung, die gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat, aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise anordnen.
Hierzu hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen. Insoweit stehen sich das Interesse des Nachbarn an der aufschiebenden Wirkung der Klage, das sog. Suspensivinteresse, und das Interesse des Bauherrn, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch machen zu dürfen, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Deshalb ist bei einer Entscheidung nach §§ 80 a, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in erster Linie auf die Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs abzustellen. Fällt die Erfolgsprognose zugunsten des Nachbarn aus, erweist sich also nach summarischer Prüfung die angefochtene Baugenehmigung dem Nachbarn gegenüber als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Baugenehmigung regelmäßig auszusetzen (BayVGH, B.v. 14.12.1991 – 1 CS 91.439 – juris). Erscheint der Nachbarrechtsbehelf dagegen nach vorläufiger Betrachtung als voraussichtlich erfolglos, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, findet eine reine Interessenabwägung statt.
Die nach den genannten Grundsätzen vorzunehmende Interessenabwägung fällt hier zugunsten des Antragstellers aus. Denn nach der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung dürfte die streitgegenständliche Baugenehmigung rechtswidrig und deshalb in einem Hauptsacheverfahren aufzuheben sein (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2. Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO darf die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Gemäß Art. 59 BayBO ist der Prüfungsrahmen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren beschränkt. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO hat die Bauaufsichtsbehörde aber die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften i.S.d. Art. 81 Abs. 1 BayBO zu prüfen. Zum Prüfungsumfang gehören außerdem beantragte Abweichungen i.S.d. Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO (Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO) sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO).
Vorliegend lässt sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung anhand der Akten feststellen, dass die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die Baugenehmigung der Stadt Bad Kissingen vom 8. Juli 2020 aller Voraussicht nach Erfolg haben wird, weil der angefochtene Bescheid den Antragsteller in nachbarschützenden Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ergibt sich aus den unter 3. folgenden Erwägungen.
3. Die streitgegenständliche Baugenehmigung ist im Hinblick auf nachbarschützende Belange des Antragstellers inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, soweit der Betrieb der mit den zwei Mehrfamilienhäusern genehmigten Wärmepumpen betroffen ist, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
Eine Baugenehmigung kann Rechte des Nachbarn verletzen, wenn sie hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Fragen unbestimmt ist und daher im Falle der Umsetzung des Bauvorhabens eine Verletzung von Nachbarrechten nicht auszuschließen ist. D.h., ein Dritter kann sich dann auf eine unzureichende inhaltliche Bestimmtheit mit der Folge eines entsprechenden Abwehranspruchs berufen, soweit der Bestimmtheitsmangel eine Regelung betrifft, die ihre Grundlage in einer zum Prüfprogramm des konkreten bauaufsichtlichen Verfahrens gehörenden und gerade dem Schutz dieses Dritten dienenden materiell-rechtlichen Norm hat, und der Dritte infolge des Bestimmtheitsmangels auch insoweit qualifiziert und individualisiert betroffen ist, als er nicht feststellen kann, ob bzw. in welchem Maße eine Verletzung dieser drittschützenden Norm durch die Genehmigung möglich scheint (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.1999 – 1 B 97.3174 – juris Rn. 16; B.v. 29.4.2015 – 2 ZB 14.1164 – juris Rn. 6).
Dies ist hier der Fall, da der Baugenehmigungsbescheid dem Antragsteller nicht die Möglichkeit gibt, zweifelsfrei festzustellen, ob durch die Zulassung des Vorhabens schädliche Umwelteinwirkungen i.S.v. § 3 Abs. 1, Abs. 2 BImSchG in Form von Geräuschimmissionen an seinem Wohnhaus – und damit eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme, § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO bzw. § 34 Abs. 1 BauGB – zu erwarten sind, was dazu führt, dass der Baugenehmigungsbescheid gegenwärtig in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt ist, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 18.5.2018 – 9 CS 18.10 – juris; weiter auch BayVGH, B.v. 17.8.2010 – 15 CS 10.981 – juris).
Dies folgt daraus, dass der Baugenehmigungsbescheid eine sog. zielorientierte Festlegung des Lärmschutzes gegenwärtig vermissen lässt, soweit der Betrieb von zwei Wärmepumpen betroffen ist, die zusätzlich zu einer bereits vorhandenen Wärmepumpe bei Haus I im Rahmen des streitgegenständlichen Bescheids genehmigt worden sind. Unter einer „zielorientierten Festlegung des Lärmschutzes“ ist die Festlegung von Beurteilungspegeln im Baugenehmigungsbescheid zu verstehen, die den Lärmschutz regeln (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 18.5.2018 – 9 CS 18.10 – juris; B.v. 18.10.2017 – 9 CS 16.883 – juris; U.v. 16.10.2013 – 15 B 12.1808 – juris; B.v. 17.8.2010 – 15 CS 10.981 – juris). Eine solche Festlegung des Lärmschutzes kann bei der Genehmigung von immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen (§ 22 BImSchG), deren Nutzung mit Geräuschen einhergeht, welche als schädliche Umwelteinwirkungen (§ 3 BImSchG) auf die Nachbarschaft einwirken können, zum Schutz der subjektiven Rechte der Nachbarn (§ 22 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG; § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO) erforderlich sein.
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Bei den Wärmepumpen, die untrennbarer Bestandteil des Gesamtbauvorhabens (Neubau zwei weiterer Mehrfamilienhäuser) sind, handelt es sich um Anlagen, die unter dem Aspekt des Immissionsschutzes eine kritische Nähe zur Nachbarschaft aufweisen. Wenn es aber problematisch sein kann, ob die Geräuschimmissionen die für die Nachbarn maßgebende Zumutbarkeitsgrenze überschreiten, muss die Baugenehmigung das gestattete Ausmaß der Geräuschimmissionen durch Inhalts- und Nebenbestimmungen (Art. 36 BayVwVfG) festlegen (VGH Mannheim, B.v. 30.1.2019 – 5 S 1913/18 – juris Rn. 36 m.w.N. zur obergerichtlichen Rechtsprechung).
Daran fehlt es hier. In Bezug auf die Bestimmtheit und den gebotenen Immissionsschutz müssten sich nämlich aus der Baugenehmigung zum einen die erforderlichen Kenngrößen der Anlage (v.a. Konstruktionsmerkmale, maximale Schallleistungspegel, Betriebszeiten, Abstand zum Immissionsort, Gebietsart) entnehmen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2018 – 9 CS 18.10 – juris Rn. 20). Zum anderen muss die Baugenehmigung die für die Nachbarn maßgebende Zumutbarkeitsgrenze konkret bestimmen, etwa durch die Festlegung eines konkreten, zielorientierten Immissionsrichtwerts nach Nr. 6 TA Lärm (VGH Mannheim, B.v. 30.1.2019 – 5 S 1913/18 – juris Rn. 37). Nur in diesem Fall ist die Immissionsbelastung für den Nachbarn hinreichend bestimmbar.
Beides lässt sich der streitgegenständlichen Baugenehmigung nicht entnehmen. Die wesentlichen Kenngrößen betreffend die Installation der Wärmepumpen und der damit einhergehenden Immissionsbelastung in Bezug auf die Nachbargrundstücke können dem Bauantrag und den mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen nicht entnommen werden. Aus diesen ergibt sich lediglich, dass der Bauherr neben einer vorhandenen Wärmepumpe des bereits bestandskräftig genehmigten Wohnhauses I zwei weitere Wärmepumpen mit ca. 15 kW (Bl. 123 d.A.) vorgesehen hat. Diese sollen zwischen den jetzt genehmigten Häusern II und III und damit in ca. 19 m Entfernung zum Wohnhaus des Antragstellers platziert werden (Bl. 16. d.A.). Eine Immissionsprognose und die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze für die Nachbarn finden sich in den genehmigten Unterlagen jedoch nicht. Zwar verweist der Bescheid vom 8. Juli 2020 in Ziffern 18. und 19. der „Weiteren Hinweise“ auf Angaben des Landesamts für Umwelt (LfU) zum „Lärmschutz bei Luft-Wärmepumpen“, u.a. in einem Informationsblatt, welches allgemein erforderliche Abstände von Anlagen auflistet. Dabei handelt es sich jedoch ausweislich der Anbringung der Ausführungen bei den „Weiteren Hinweisen“ nicht um eine Regelung im Bescheid selbst und um eine Nebenbestimmung. Zum anderen bleiben die Hinweise völlig abstrakt und ohne Bezug zu den konkreten Wärmepumpen, wodurch es dem Nachbarn nicht möglich ist, die ihn treffende Lärmbelastung zu erkennen.
Unklar bleibt daneben auch, von welchen Immissionsgrenzwerten die Antragsgegnerin an den maßgeblichen Immissionsorten ausgeht. Die immissionsschutztechnische Stellungnahme des Landratsamts Bad Kissingen (Bl. 99 f. d.A.) gibt hierzu keinerlei Aufschluss. So wird zwar ausgeführt, dass aus Sicht des Immissionsschutzes keine Bedenken gegen das geplante Bauvorhaben bestehen. Auf welcher Grundlage diese Einschätzung erfolgt, wird aber nicht im Detail dargelegt. Anscheinend liegt der Stellungnahme des Landratsamts zudem eine Einstufung der Gebietsart als „Misch-/Dorfgebiet“ zugrunde, wohingegen die Antragsgegnerin von einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO ausgeht (vgl. Bl. 92 d.A.). Bezüglich der Wärmepumpen wird lediglich auf die Internetseite des LfU verwiesen, was der Bescheid in den Hinweisen übernimmt. Weitergehende Informationen insbesondere zu den Konstruktionsmerkmalen der Wärmepumpen einschließlich der technischen Daten, Stellungnahmen bzw. Untersuchungen im Vorfeld lassen sich den Bauunterlagen und dem streitgegenständlichen Bescheid nicht entnehmen. Dies wäre umso nötiger gewesen, als sich auf dem Baugrundstück nicht nur eine Wärmepumpe, sondern nach Fertigstellung der Wohnhäuser insgesamt drei Wärmepumpen befinden und die Gesamtbelastung der Nachbarschaft insoweit überhaupt nicht gewürdigt wurde.
Anhand der Baugenehmigung und auch der ihr zugrunde liegenden Bauvorlagen lässt sich mithin nicht feststellen, dass das Anwesen des Antragstellers durch den vom streitgegenständlichen Bauvorhaben ausgehenden Lärm keinen unzumutbaren Belästigungen aussetzt wird. Ein Verstoß gegen das zum Prüfungsumfang der vorliegenden Baugenehmigung gehörende Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten des Antragstellers kann insofern nicht ausgeschlossen werden, was zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung und zur Verletzung von subjektiven Rechten des Antragstellers führt.
Schon aus diesem Grunde überwiegt das Suspensivinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse und ist dem Antrag stattzugeben.
4. Nur ergänzend (und für das Ergebnis des vorliegenden Antragsverfahrens unbeachtlich) ist anzumerken, dass darüber hinaus nach einer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorläufigen Einschätzung der Kammer keine Verletzungen nachbarschützender Vorschriften erkennbar sind.
4.1. Dies betrifft zunächst Vorschriften des Bauplanungsrechts (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 a) BayBO).
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend überwiegend nach § 34 Abs. 1 BauGB, da für den größten Teil des Baugrundstücks mit Ausnahme des südöstlichen Eckbereichs kein Bebauungsplan vorhanden ist. Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich gemäß § 34 Abs. 2 BauGB die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, wobei auf die nach der Baunutzungsverordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden ist.
Die Kammer kann keinen Verstoß gegen das Gebot des „Einfügens“ und damit gegen nachbarschützende Vorschriften erkennen.
Aufgrund des Vorbringens der Fachstelle „Städtebau“ der Antragsgegnerin (vgl. Bl. 92 d.A.) und der Auswertung des Lageplans ist nach vorläufiger Einschätzung davon auszugehen, dass es sich bei dem Geviert um ein allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 4 BauNVO handelt, so dass sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art gemäß § 34 Abs. 2 BauGB nach § 4 BauNVO bestimmt. Nach der streitgegenständlichen Baugenehmigung sowie den genehmigten Plänen wurde der Neubau zweier Mehrfamilienhäuser sowie der Außenanlagen des Bestandsgebäudes und damit eine Wohnnutzung genehmigt, die gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet zulässig ist. Der Antragsteller kann sich demgemäß gegen das Vorhaben nicht mit Erfolg auf den allgemeinen bauplanungsrechtlichen Gebietserhaltungsanspruch berufen.
4.2. Es liegt auch darüber hinaus keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme vor, soweit die Größe der Baukörper und deren Einstellung in das Grundstück betroffen ist.
Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75, BVerwGE 52, 122 – juris Rn. 22; U.v. 28.10.1993 – 4 C 5.93, NVwZ 1994, 686 – juris Rn. 17; U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04, NVwZ 2005, 328 – juris Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11, BVerwGE 145, 145 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4).
In der Rechtsprechung zum Rücksichtnahmegebot ist anerkannt, dass eine Verletzung dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78, DVBl. 1981, 928 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu 2,5-geschossigem Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85, NVwZ 1987, 34 – juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; vgl. auch BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770, BayVBl 2009, 751 – juris Rn. 23; B.v. 5.7.2011 – 14 CS 11.814 – juris Rn. 21). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind u.a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 5; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9).
Von einer erdrückenden Wirkung ist vorliegend nicht auszugehen. Es besteht schon keine erhebliche Höhendifferenz zwischen den Vorhabengebäuden und dem Haus des Antragstellers. Auch wenn das streitgegenständliche Bauvorhaben geringfügig höher ist als das Gebäude des Antragstellers, reicht das zur Bejahung einer abriegelnden oder erdrückenden Wirkung nicht aus.
Zudem spricht vorliegend gegen einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot die Tatsache, dass das Vorhaben die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO einhält. Das Vorhaben entspricht den Anforderungen des Abstandsflächenrechts (Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 b) BayBO). Gegen die Darstellung der Abstandsflächen in den genehmigten Planzeichnungen (vgl. Bl. 22 d.A.) bestehen keine Bedenken und wurden auch keine Einwände erhoben. Soweit das Carport 10 +11 die erforderliche Abstandsfläche hin zum Grundstück des Antragstellers nicht einhält, kann auf die Privilegierung nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO verwiesen werden. Die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen indiziert für das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot in tatsächlicher Hinsicht, dass auch das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot im Regelfall nicht verletzt ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128/98, NVwZ 1999, 879 – juris Rn. 4; U.v. 7.12.2000 – 4 C 3/00, NVwZ 2001, 58 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327 – juris Rn. 10; B.v. 15.3.2011 – 15 CS 11.9 – juris Rn. 32).
4.3. Auch der Umstand, dass mit dem Vorhaben zwei Mehrfamilienhäuser in einer durch Ein- und Zweifamilienhäuser geprägten Umgebung verwirklicht werden sollen, vermag keine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens zu begründen. Die Zahl der Wohneinheiten in einem Wohngebiet stellt ohne eine planerische Festsetzung (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB) kein im Rahmen des „Einfügens“ beachtliches Kriterium dar (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.1980 – IV C 98.77, DVBl. 1981, 97 – juris Rn. 18 f.; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 29.6.1993 – 1 B 11353/93, NVwZ 1994, 699 – juris Rn. 3 m.w.N.). Die städtebaulich erwünschte (Nach-)Verdichtung (vgl. § 1 a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BauGB) bringt es mit sich, dass die Baugrundstücke umfangreicher als in der Vergangenheit genutzt werden (vgl. VG Neustadt, U.v. 12.12.2013 – 4 K 626/13.NW – juris Rn. 47 m.w.N.), sofern sie sich in den durch die Umgebungsbebauung vorgegebenen Rahmen einfügen. Die bauliche Verdichtung mag dem Antragsteller unpassend erscheinen, sie ist deswegen aber noch nicht rücksichtslos. Insbesondere besteht kein Anspruch, dass das streitgegenständliche Grundstück wie das eigene Grundstück genutzt oder bebaut wird (vgl. VG Augsburg, U.v. 14.11.2012 – Au 4 K 11.1678 – juris Rn. 36).
Soweit der Antragsteller im Übrigen rügt, dass sich das Bauvorhaben des Beigeladenen hinsichtlich der Größe des Vorhabens und der überbauten Grundstücksfläche nicht einfüge, wird verkannt, dass nur das im Begriff des „Einfügens“ im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme drittschützend ist, nicht hingegen die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten weiteren Einfügensvoraussetzungen wie das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche. Sie vermitteln grundsätzlich keinen Nachbarschutz, weil sie in aller Regel den Gebietscharakter unberührt lassen und – anders als die Bestimmungen über die Art der baulichen Nutzung – kein nachbarliches Austauschverhältnis begründen (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2004 – 4 C 10.03 – NVwZ 2004, 1244 ff.; BayVGH, B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 7). Selbst wenn ein Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung hinsichtlich der Größe der Grund- und Geschossfläche (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BauNVO) sowie auch hinsichtlich seiner Höhe (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO) den aus der näheren Umgebung hervorgehenden Rahmen überschreitet, so bedeutet das daher nicht automatisch, dass der Nachbar hierdurch in seinen Rechten verletzt ist (BayVGH, B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 – juris Rn. 8).
4.4. Schließlich taugt auch die Anlage der Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück nicht dazu, um einen begründeten Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot anzunehmen. Der Antragsteller hat insoweit keine unzumutbaren Lärm- und Abgasimmissionen zu erwarten.
Die Stellplatzregelung ist gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 2 BauNVO ihrer Art nach planungsrechtlich zulässig. Es erscheint ausgeschlossen, dass die vom An- und Abfahrtsverkehr ausgehende Immissionsbelastung so erheblich ist, dass für den Antragsteller die Grenze des Zumutbaren überschritten wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) und dadurch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu verzeichnen ist.
Sowohl in (faktischen) reinen als auch allgemeinen Wohngebieten sind Stellplätze und Garagen für den durch die zugelassene Nutzung notwendigen Bedarf zulässig (vgl. § 12 Abs. 2 BauNVO). Die Vorschrift begründet für den Regelfall auch hinsichtlich der durch die Nutzung verursachten Lärmimmissionen eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit. Der Grundstücksnachbar hat deshalb die Errichtung notwendiger Garagen und Stellplätze für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Immissionen der zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 11.8.1999 – 27 ZS 99.1717 – juris Rn. 7; B.v. 18.9.2008 – 1 ZB 06.2294 – juris Rn. 34 ff.). Besondere Umstände, die die Regelung der Parksituation als unzumutbar erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus den in der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassenen Abweichungen von § 4 Ziff. 1 und Ziff. 2 und § 6 Abs. 3 der Gestaltungssatzung der Stadt Bad Kissingen (Bekanntmachung am 19. April 2003, KGAMBl. Nr. 91). Eine Abweichung von derartigen nicht drittschützenden Regelungen einer Gestaltungssatzung ist allenfalls dann erheblich, wenn nachbarliche Belange beeinträchtigt wären. Eine solche unzumutbare Beeinträchtigung durch die Stellplatzsituation ist hier jedoch – wie bereits dargelegt – nicht zu verzeichnen. Allein durch die Tatsache, dass die Stellplätze nicht unterirdisch in einer Tiefgarage untergebracht sind und die Zufahrt 4,20 m statt 4,00 m beträgt, ändert sich diese Einschätzung nicht. Insbesondere unterscheidet § 12 Abs. 2 BauNVO auch nicht zwischen unter- und oberirdischen Stellplätzen.
4.5. Die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „R. …, Stand: 3. Änderung“, soweit die Nichteinhaltung des Sichtdreiecks durch die südöstliche Gebäudeecke betroffen ist, beeinträchtigt den Antragsteller offensichtlich nicht in seinen Rechten, da die Grundstücksecke seinem Grundstück abgewandt ist und den Antragsteller daher in keinster Weise tangiert.
5. Da jedoch aufgrund der Verletzung des Bestimmtheitsgebots (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) durch die fehlende Konkretisierung des Lärmschutzes hinsichtlich der Wärmepumpen (vgl. oben unter 3.) eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und damit eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht auszuschließen ist, wird die Hauptsacheklage voraussichtlich erfolgreich sein. Damit überwiegt auch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehbarkeit der ihm erteilten Baugenehmigung. Dem Antrag ist demzufolge stattzugeben und die aufschiebende Wirkung der Hauptsacheklage anzuordnen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Als Unterlegene haben die Antragsgegnerin und der Beigeladene die Kosten zu gleichen Teile zu tragen. Dem Beigeladenen waren Kosten aufzuerlegen, weil er einen Sachantrag gestellt hat.
7. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013).


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