Baurecht

Bindung an einen vollziehbaren Planfeststellungsbeschluss

Aktenzeichen  8 AS 19.40041

Datum:
9.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4569
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2, § 80a Abs. 3, Abs. 5
WHG § 71a Abs. 1, Abs. 2
WaStrG § 20 Abs. 2-7
BayEG Art. 39
BayVwVfG Art. 14

 

Leitsatz

1. Die Vorlage der Vollmacht ist nicht Voraussetzung der Vertretungsbefugnis, sondern dient lediglich dem Nachweis der Bevollmächtigung des Rechtsanwalts und der Absicherung der Behörde. Sie kann daher auch mündlich erfolgen bzw. konkludent erteilt werden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist dem Betroffenen der Antrag auf Besitzeinweisung mitzuteilen, erfordert dies nicht eine Übermittlung des Antrags mit allen Anlagen; vielmehr ist eine Information über den wesentlichen Inhalt ausreichend. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Verfahren der vorläufigen Besitzeinweisung können keine Einwendungen gegen die Planfeststellung erhoben werden. Für die Enteignungsbehörde ist der sofort vollziehbare Planfeststellungsbeschluss bindend. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Gebotensein des sofortigen Beginns der Bauarbeiten aus Gründen des wirksamen Hochwasserschutzes setzt voraus, dass notwendige Vorarbeiten und Bauarbeiten auf dem Grundstück nach dem Bauablaufplan des Vorhabenträgers unmittelbar bevorstehen. Zu den erforderlichen Vorarbeiten gehören auch die notwendigen Entscheidungen über die Vergabe der Baumaßnahme. (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Besitzeinweisungsbeschlusses des Landratsamts Rosenheim vom 23. Oktober 2019, mit dem der Antragsgegner für die Errichtung der Hochwasserschutzmaßnahme „Hochwasserrückhaltebecken Feldolling“ mit Wirkung zum 11. November 2019 in den Besitz einer Teilfläche von ca. 1.311 m² des im Eigentum des Antragstellers stehenden Grundstücks FlNr. … der Gemarkung V… eingewiesen und ihm gestattet wurde, auf dieser Fläche die im Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern vom 19. Dezember 2014 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2017 vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen.
Die Planung sieht die Errichtung eines gesteuerten Hochwasserrückhaltebeckens im Nebenschluss mit den zugehörigen Bauwerken, Nutzungen und Nebeneinrichtungen südlich der Mangfall vor. Auf der betroffenen Teilfläche des Grundstücks FlNr. … ist die Errichtung des Absperrdamms mit Auslassbauwerk, Hauptbecken und Überleitungsbauwerk geplant. Die Planfeststellungsbehörde hat die sofortige Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 19. Dezember 2014 und des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2017 angeordnet.
Der Antragsteller hat gegen die Planfeststellung kein Rechtsmittel eingelegt. Gegen die vorzeitige Besitzeinweisung hat er Klage erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist.
Im vorliegenden Rechtsstreit macht der Antragstellerin geltend, er habe erst im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Besitzeinweisungsantrag am 14. Oktober 2019 eine Vollmacht für den der Kanzlei L. & Partner zugehörigen Rechtsanwalt Dr. W. unterzeichnet. Zuvor habe der Antragsteller keine Vollmacht unterschrieben gehabt. Dennoch seien alle für den Antragsteller bestimmten Schriftstücke in dem vorangegangenen Planfeststellungsverfahren und im Besitzeinweisungsverfahren der Kanzlei L. & Partner zugestellt worden. Daher sei bereits das Planfeststellungsverfahren formell fehlerhaft und damit rechtswidrig, weshalb die Voraussetzungen für eine vorzeitige Besitzeinweisung nicht vorlägen. Auch der Besitzeinweisungsantrag sei dem Antragsteller nicht zugestellt worden und nicht bekannt. Die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung über den Besitzeinweisungsantrag sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil der Antragsteller nicht persönlich geladen worden sei. Es fehlten auch die behaupteten Einigungsbemühungen. Der Antragsteller, der als Biobauer für einen wirtschaftlich noch effizienten Betrieb das streitgegenständliche Wiesengrundstück dringend für die Futtererzeugung und den Bestand des für die Milchwirtschaft notwendigen Viehbestands benötige, wäre mit einem Ausgleich durch das Angebot einer anderen landwirtschaftlichen Fläche einverstanden gewesen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Inbesitzeinweisung seines Grundstücks angeblich unbedingt nötig sei, während das direkt westlich angrenzende Nachbargrundstück, das gleichartig beplant und bebaut werde, nicht in Anspruch genommen werde.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Besitzeinweisungsbeschluss des Landratsamts Rosenheim vom 23. Oktober 2019 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Ablehnung des Antrags
und tritt den vom Antragsteller erhobenen Einwänden entgegen. Rechtsanwalt Dr. W. von der Kanzlei L. & Partner sei bereits im Planfeststellungsverfahren als Bevollmächtigter des Antragstellers aufgetreten und habe in dessen Namen Einwendungen gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 19. Dezember 2014 erhoben. Er habe auch im Verfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung unter anderem für den Antragsteller Einwendungen erhoben und sei selbst von der Bevollmächtigung durch den Antragsteller überzeugt gewesen. Auf Nachfrage der Enteignungsbehörde habe er die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zugesagt. Da diese bis zur mündlichen Verhandlung über den Besitzeinweisungsantrag nicht vorgelegen habe, sei dies zu Beginn des Termins angesprochen worden, woraufhin der Antragsteller, der mit Rechtsanwalt Dr. W. erschienen sei, für diesen eine schriftliche Vollmacht unterzeichnet habe. Erst in zwei nach der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schreiben habe der Antragsteller gerügt, dass Rechtsanwalt Dr. W. nicht bevollmächtigt gewesen sei und dass er, weil er den Antrag auf vorzeitige Besitzeinweisung nicht erhalten habe, überrumpelt worden sei. Rechtsanwalt Dr. W. habe daraufhin sein Mandat niedergelegt. Die Kanzlei habe auf spätere Nachfrage bestätigt, dass dem Antragsteller sowohl die Entschädigungsangebote des Wasserwirtschaftsamtes als auch die Ladung mit dem Besitzeinweisungsantrag übermittelt worden seien. Vorsorglich habe das Landratsamt den Besitzeinweisungsantrag mit allen Anlagen nochmals dem Antragsteller sowie dessen mittlerweile bevollmächtigten Rechtsanwalt zugestellt und eine Äußerungsmöglichkeit eingeräumt, die diese jedoch nicht wahrgenommen hätten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens sowie des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Entfällt wie hier die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 71a Abs. 2 WHG, § 20 Abs. 7 Satz 1 WaStrG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Dabei trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben, ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 85 ff. m.w.N.). Zu beachten ist hierbei auch, dass durch den gesetzlich angeordneten Wegfall des Suspensiveffekts gemäß § 71a Abs. 2 WHG, § 20 Abs. 7 Satz 1 WaStrG dem Vollzugsinteresse ein besonderes Gewicht verliehen wird. Dadurch erübrigt sich allerdings nicht die Abwägung der widerstreitenden Interessen. Trotz des gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung muss bei der Interessenabwägung der Einzelfallbezug gewahrt bleiben. Je schwerer die dem Einzelnen auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken, umso mehr verbietet sich ein regelhafter Vorrang des Vollzugsinteresses gegenüber dem Aufschubinteresse (BVerwG, B.v. 14.4.2005 – 4 VR 1005.04 – BVerwGE 123, 241 = juris Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, B.v. 13.8.2013 – 22 AS 10.40045 u.a. – juris Rn. 23).
Danach ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vom Antragsteller gegen den Besitzeinweisungsbeschluss erhobenen Klage abzulehnen, weil bei summarischer Prüfung die vom Antragsteller erhobene Anfechtungsklage gegen den Besitzeinweisungsbeschluss des Landratsamts Rosenheim vom 23. Oktober 2019 unbegründet sein dürfte. Die vorzeitige Besitzeinweisung ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Im Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage steht ihm deshalb kein Suspensivinteresse von Gewicht zur Seite.
1. Der Besitzeinweisungsbeschluss ist verfahrensfehlerfrei ergangen.
Der Antragsteller wurde am 12. September 2019 und damit unter Wahrung der Frist des § 71a Abs. 2 WHG, § 20 Abs. 2 Satz 4 WaStrG zu der für den 14. Oktober 2019 anberaumten mündlichen Verhandlung geladen. Dabei muss der Kläger die an die Kanzlei L. & Partner übermittelte Ladung gegen sich gelten lassen.
1.1 Der Einwand des Antragstellers, die Ladung hätte ihm selbst übersandt werden müssen, weil er eine schriftliche Vollmacht für Rechtsanwalt Dr. W. erst am 14. Oktober 2019 unterzeichnet habe, geht fehl. Ist für ein Verwaltungsverfahren ein Bevollmächtigter bestellt, so soll sich die Behörde gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG an diesen wenden (vgl. für Zustellungen auch Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayVwZVG). Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG hat der Bevollmächtigte der Behörde auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Die Vorlage der Vollmacht ist gemäß dieser Bestimmung jedoch nicht Voraussetzung der Vertretungsbefugnis, sondern dient lediglich dem Nachweis der Vollmacht und der Absicherung der Behörde. Sie kann daher auch mündlich erfolgen bzw. konkludent erteilt werden (vgl. Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 14 Rn. 14 m.w.N.; Porz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 14 Rn. 9).
Das Besitzeinweisungsverfahren weist auch keine Verfahrensfehler auf, soweit der Antragsteller mit seinem Vorbringen eine mündliche oder konkludente Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Dr. W. vor der Erteilung der schriftlichen Vollmacht bestreiten sollte. Dieser hatte bereits im Planfeststellungsverfahren die Vertretung des Antragstellers angezeigt und war auch im Besitzeinweisungsverfahren als dessen Vertreter aufgetreten. Zwar dürfte eine bloße Vertretungsanzeige eines Rechtsanwalts allein nicht genügen, um eine Empfangsvollmacht für ihn zu begründen; hier lag jedoch zumindest ein vom Antragsteller zurechenbar gesetzter Rechtsschein einer Bevollmächtigung vor, der dazu führt, dass dieser die Zustellung der Ladung an den Rechtsanwalt gegen sich gelten lassen muss (vgl. zum nichtförmlichen Verwaltungsverfahren BVerwG, B.v. 20.1.2017 – 8 B 23/16 u.a. – NVwZ-RR 2017, 430 = juris Rn.10). Denn der Rechtsanwalt war offensichtlich über einen längeren Zeitraum selbst von einer Bevollmächtigung ausgegangen, was bereits aus dem Schreiben im Planfeststellungsverfahren vom 7. November 2013, aber auch aus der Weiterleitung der Schreiben des Wasserwirtschaftsamtes vom 20. Juli 2017 und 11. Januar 2019 sowie der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit Anlagen an den Antragsteller deutlich wird. Der Antragsteller hat die Weiterleitung der Schriftsätze, auf die der Antragsgegner nach Nachfrage bei der Kanzlei unter Angabe der jeweiligen Schriftsatzdaten hingewiesen hat, im gerichtlichen Verfahren nicht bestritten. Sein Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung zusammen mit Rechtsanwalt Dr. W. belegt zudem, dass er von diesem jedenfalls über die Ladung zu dem Termin informiert worden war. Danach war ihm auch bekannt, dass der Rechtsanwalt und die Enteignungsbehörde von einer Bevollmächtigung ausgingen. Diesem Rechtsschein ist er nicht entgegengetreten; vielmehr hat er ihn durch die Unterzeichnung der schriftlichen Vollmacht zu Beginn der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2019 und das rügelose Einlassen in die Erörterung bestätigt. Der Einwand der fehlenden Bevollmächtigung (soweit er denn so zu verstehen ist) erfolgte erst in den Schreiben vom 1. und 10. November 2019, ohne dass sich der Antragsteller damit auseinandersetzt, weshalb er bis zu diesem Zeitpunkt die angeblich fehlende Vollmacht mit keinem Wort gerügt hat.
1.2 Demzufolge muss der Antragsteller auch die mit der Ladung erfolgte Übersendung des Besitzeinweisungsantrags vom 27. August 2019 an die Kanzlei L. & Partner gegen sich gelten lassen, ohne dass es darauf ankommt, ob er von dieser die mit der Ladung erhaltenen Unterlagen per Post erhalten hat oder nicht. Dabei ist es unschädlich, dass die Enteignungsbehörde neben dem Antrag vom 27. August 2019 nur einzelne, aber nicht alle Anlagen übersandt hat. Nach § 71a Abs. 2 WHG, § 20 Abs. 2 Satz 3 WaStrG ist den Betroffenen mit der Ladung lediglich der Antrag auf Besitzeinweisung „mitzuteilen“. Dies erfordert nicht eine Übermittlung des vollständigen Antrags mit allen Anlagen, vielmehr ist eine Information über dessen wesentlichen Inhalt ausreichend (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2004 – 22 AS 04.40028 – juris Rn. 12). Die Übersendung des Besitzeinweisungsantrags mit den Anlagen 3 c und 3 d, 7 a, 7 b und 7 c genügt diesen Anforderungen. Zudem war in der Ladung auch der Hinweis enthalten, dass die Antragsunterlagen zusätzlich bei der Enteignungsbehörde eingesehen werden können.
Es ist daher nicht entscheidungserheblich, dass der Antragsgegner dem Antragsteller sowie dessen Bevollmächtigten den Besitzeinweisungsantrag vom 27. August 2019 mit allen Anlagen am 17. Dezember 2019 nochmals zugestellt und eine Äußerungsfrist bis zum 8. Januar 2020 mit der Zusage eingeräumt hat, bei Eingang einer Stellungnahme diese zum Anlass zu nehmen, den Besitzeiweisungsantrag und -beschluss erneut und ergebnisoffen unter Würdigung des Vortrags zu prüfen. Diese Frist wurde nochmals bis 22. Januar 2020 verlängert, ohne dass eine inhaltliche Stellungnahme des Antragstellers zum Besitzeinweisungsantrag einging. Da aus vorgenannten Gründen kein Ladungsmangel vorliegt, kann es dahinstehen, ob die Heilungsvorschrift des Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG auf die hier vorliegende qualifizierte Form der Anhörung, also der Ladung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Anwendung findet (vgl. hierzu VGH BW, B.v. 14.12.2016 – 5 S 1920/16 – NVwZ-RR 2017, 489 [Leitsatz] = juris Rn. 13 m.w.N.).
2. Auch die weiteren in materiell-rechtlicher Hinsicht vorgebrachten Einwendungen gegen den Besitzeinweisungsbeschluss greifen nach summarischer Prüfung nicht durch.
Gemäß § 71a Abs. 1 WHG hat das Landratsamt als die nach Art. 71a Abs. 3 WHG i.V.m. Art. 19 Abs. 1, Art. 39 Abs. 7 BayEG zuständige Enteignungsbehörde den Träger eines Vorhabens u.a. des Hochwasserschutzes auf Antrag nach Feststellung des Plans in den Besitz einzuweisen, wenn der Eigentümer oder Besitzer eines für das Vorhaben benötigten Grundstücks sich weigert, den Besitz durch Vereinbarung unter Vorbehalt aller Entschädigungsansprüche dem Vorhabenträger zu überlassen (§ 71a Abs. 1 Nr. 1 WHG), der sofortige Beginn von Bauarbeiten aus Gründen eines wirksamen Hochwasserschutzes geboten ist (§ 71a Abs. 1 Nr. 2 WHG) und der Planfeststellungsbeschluss vollziehbar ist (§ 71a Abs. 1 Nr. 3 WHG).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
2.1 Die Besitzeinweisung betrifft eine Fläche, die vom Vorhabenträger zur Verwirklichung eines Vorhabens zum Hochwasserschutz benötigt, ihm vom Eigentümer und Besitzer jedoch nicht freiwillig überlassen wird (§ 71a Abs. 1 Nr. 1 WHG).
Der Planfeststellungsbeschluss (PFB) der Regierung von Oberbayern vom 19. Dezember 2014 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses (PEG) vom 22. Dezember 2017 sieht die Errichtung eines Hochwasserrückhaltebeckens vor. Der Plan umfasst auch die Errichtung des Absperrdamms mit Auslaufbauwerk, Hauptbecken und Überleitungsbauwerk auf dem Grundstück des Antragstellers.
Nach den Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss vom 19. Dezember 2014 ist das Vorhaben Teil des Gesamtprojekts „Hochwasserschutz im unterem Mangfalltal“, das aus dem Ausbau der Deichstrecke zwischen Feldkirchen-Westerham und Rosenheim auf das Bemessungshochwasser HQ 100 zuzüglich eines Freibords von 1 m (sog. „Linienausbau“) und dem Bau des streitgegenständlichen Hochwasserrückhaltebeckens als einem von insgesamt 16 Seitenpoldern besteht. Das planfestgestellte Vorhaben dient dazu, den Hochwasserschutz für die im unteren Mangfalltal liegenden Städte und Gemeinden bei sehr großen Hochwasserabflüssen zu verbessern. Durch die Errichtung des Hochwasserrückhaltebeckens samt Einbindung der Unterwasserbecken der Leitzachwerke kann der Klimazuschlag von 15% zum HQ 100 in diesem Bereich eingehalten und gleichzeitig die durch den Linienausbau bewirkte Abflussverschärfung, die sich nachteilig auf die Unterlieger der Mangfall auswirken würde, wirksam aufgefangen werden.
Der Antragsteller hat eine freiwillige Besitzüberlassung der betroffenen Teilfläche des Grundstücks FlNr. … zur Durchführung der Arbeiten abgelehnt. Ausweislich der vorliegenden Behördenakten hat sich der Vorhabenträger hierum ernsthaft bemüht (vgl. hierzu Drost in Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand März 2019, § 71a WHG Rn. 6), indem er dem Antragsteller mit Schreiben vom 20. Juli 2017 und 11. Januar 2019 vergeblich angemessene Entschädigungsangebote unterbreitet hat. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen (vgl. II.1.1 und 1.2) ergibt, kann der Antragsteller hiergegen nicht erfolgreich einwenden, diese Angebote seien ihm nicht wirksam unterbreitet worden, weil sie an die Kanzlei L. & Partner übersandt worden sind. Der Antragsteller ist auf die Angebote nicht eingegangen und hat sowohl im Verhandlungstermin als auch in seinem Schreiben vom 1. November 2019 noch einmal klargestellt, dass er lediglich aus seiner Sicht geeignete Austauschflächen akzeptieren werde. Wie der Antragsgegner unwidersprochen vorträgt, beharrte der Antragsteller in den Ortsterminen am 26. Juli und 14. Oktober 2019 auf ein Angebot von Tauschflächen außerhalb des geplanten Polders oder zumindest auf eine an seine Grundstücke angrenzende Tauschfläche; solche Flächen sind für den Antragsgegner jedoch nicht verfügbar. Auch der angedachte Ringtausch, um den sich die Behörde noch im Beschwerdeverfahren bemühte, war nach dem Vorbringen des Antragsgegners nicht zu realisieren. Für die Erfüllung des Verhandlungsgebots ist die mit Schreiben vom 20. Juli 2017 und 11. Januar 2019 angebotene finanzielle Entschädigung ausreichend; ein Anspruch auf eine den Anforderungen des Antragstellers entsprechende Ersatzfläche besteht nicht.
2.2 Der Planfeststellungsbeschluss vom 19. Dezember 2014 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2017 ist vollziehbar (§ 71a Abs. 1 Nr. 3 WHG).
Die Planfeststellungsbehörde hat die sofortige Vollziehung beider Bescheide angeordnet (vgl. S. 412 ff. des PFB vom 19.12.2014 unter E; S. 119 ff. des PEB vom 22.12.2017 unter D); die von dritter Seite gestellten Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen die Planfeststellung sind mit Beschluss des Senats vom 23. Februar 2019 (8 AS 19.40002 u.a. – BayVBl 2020, 49) abgelehnt worden.
Soweit der Antragsteller geltend macht, der Planfeststellungsbeschluss und Planergänzungsbeschluss seien unwirksam, weil die Planfeststellungsbehörde alle für den Antragsteller bestimmten Schriftstücke diesem nicht persönlich, sondern an die von ihm nicht bevollmächtigte Kanzlei L. & Partner zugestellt habe, kann dies schon deshalb nicht zum Erfolg der Klage und seines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz führen, weil § 71a WHG lediglich die Vollziehbarkeit der Planfeststellungsbeschlusses, nicht aber dessen Rechtmäßigkeit voraussetzt (§ 71a Abs. 1 Nr. 3 WHG). Für die Enteignungsbehörde ist die sofort vollziehbar erklärte Entscheidung bindend (§ 71a Abs. 3 WHG, Art. 28 Satz 1, Art. 39 Abs. 7 BayEG). Im Verfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung können daher gemäß § 71a Abs. 3 WHG, Art. 28 Satz 2, Art. 39 Abs. 7 BayEG keine Einwendungen gegen die Planfeststellung erhoben werden (vgl. auch OVG LSA, B.v. 22.3.2019 – 2 R 9/19 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 18.10.2019 – 8 AS 19.40016 – juris Rn. 44 m.w.N.).
Es kann deshalb dahinstehen, ob auch im Planfeststellungsverfahren ein vom Antragsteller zurechenbar gesetzter Rechtsschein einer Bevollmächtigung des Rechtsanwalts Dr. W. bestanden hatte, der mit Schreiben vom 7. November 2013 sein Mandat angezeigt und unter anderem für den Antragsteller Einwendungen erhoben hatte. Im Übrigen war sowohl im Planfeststellungs- als auch im Planergänzungsverfahren der Plan nach den Vorgaben des Art. 73 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 BayVwVfG ausgelegen. Sollte der Antragsteller bestreiten wollen, dass er Rechtsanwalt Dr. W. zur Erhebung von Einwendungen gegen den Planfeststellungsbeschluss bevollmächtigt hatte, wäre seine persönliche Benachrichtigung vom Erörterungstermin, der gemäß Artikel 73 Abs. 6 Satz 2 BayVwVfG ortsüblich bekannt gemacht worden war, ohnehin nicht erforderlich gewesen (vgl. Art. 73 Abs. 6 Satz 3 BayVwVfG). Schließlich lagen sowohl Planfeststellungsbeschluss als auch Planergänzungsbeschluss nach ortsüblicher Bekanntmachung gemäß Art. 74 Abs. 4 Satz 2 BayVwVfG aus. Die vom Antragsteller behaupteten Verfahrensfehler im Planfeststellungsverfahren sind daher ungeachtet des Umstands, dass sie im Verfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung keine Berücksichtigung finden können, nicht gegeben.
2.3 Der sofortige Beginn der Bauarbeiten ist aus Gründen eines wirksamen Hochwasserschutzes geboten (§ 71a Abs. 1 Nr. 2 WHG). Der Antragsgegner hat dies im angefochtenen Besitzeinweisungsbeschluss ausführlich und zutreffend begründet (vgl. S. 5 bis 7 des Besitzeinweisungsbeschlusses vom 23.10.2019).
2.3.1 Das Gebotensein des sofortigen Beginns der Bauarbeiten setzt unter anderem voraus, dass notwendige Vorarbeiten und Bauarbeiten auf dem betroffenen Grundstück nach dem Bauablaufplan des Vorhabenträgers unmittelbar bevorstehen und keine erheblichen Hindernisse – wie eine fehlende Bereitstellung von Haushaltsmitteln – für deren Realisierung vorliegen (vgl. OVG NW, B.v. 16.9.2010 – 11 B 1179/10 – juris Rn. 17 zu § 18f Abs. 1 S. 1 FStrG). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Dem steht nicht entgegen, dass im grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Besitzeinweisungsbeschlusses (vgl. OVG LSA, B.v. 11.12.2014 – 2 M 139/14 – juris Rn. 7 zum insoweit wortgleichen § 40 Abs. 1 Satz 1 StrG LSA; vgl. auch BayVGH, B.v. 13.2.2003 – 22 A 97.40029 – VGH n.F. 56, 70 = juris Rn. 39 ff. zum Enteignungsbeschluss nach § 11 Abs. 1 und 2 EnWG a.F.) die unmittelbare Ausführung des Vorhabens noch nicht anstand und die tatsächliche Inanspruchnahme des streitbefangenen Grundstücks erst ab Mai 2020 geplant war. Wie die Enteignungsbehörde im angefochtenen Besitzeinweisungsbeschluss zutreffend ausführt, zählen zu den erforderlichen Vorarbeiten auch die notwendigen Entscheidungen über die Vergabe der Baumaßnahme, weil die Ausschreibung und Vergabe von Aufträgen anderenfalls ein unkalkulierbares Risiko für den Vorhabenträger wären (vgl. BayVGH, U.v. 11.9.2002 – 8 A 02.40028 – VGH n.F. 56, 4 = juris Rn. 16; B.v. 14.12.2012 – 8 AS 12.40066 – juris Rn. 14; GB v. 19.9.2013 – 8 A 12.40065 – juris Rn. 14, jeweils zu § 18f Abs. 1 Satz 1 FStrG; a.A. Schenk in Sieder-Zeitler-Dahme, WHG und AbwAG, Stand Juni 2018, § 71a WHG Rn. 13). Der Vorhabenträger hat anhand des von ihm vorgelegten Bauzeitenplans nachvollziehbar ausgeführt, dass die Ausschreibung und Vergabe der Arbeiten zur planfestgestellten Errichtung des Absperrdamms mit Auslassbauwerk, Hauptbecken und Überleitungsbauwerk zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung über den Antrag auf Besitzeinweisung unmittelbar bevorstand; dies wurde vom Antragsteller auch nicht infrage gestellt.
Der Träger des Vorhabens hat auch plausibel dargestellt, dass die umgehende Durchführung dieser Maßnahmen zur Einhaltung des Bauzeitenplans notwendig ist. Danach soll das Gesamtprojekt mit einer Gesamtbauzeit von ca. drei Jahren durchgeführt und bis zum 31. Dezember 2021 fertiggestellt werden. Nach den nachvollziehbaren und vom Antragsteller auch nicht bestrittenen Erläuterungen des Vorhabenträgers ist die Gesamtdauer des Projekts abhängig von der Dauer zweier voneinander unabhängiger Teilabschnitte, für die beide jeweils eine Bauzeit von mindestens drei Jahren zu veranschlagen ist. Eine Verzögerung eines Teilabschnitts hätte die Verzögerung der Fertigstellung des gesamten Projekts zur Folge und würde zu erheblichen Mehrkosten führen. Die geplante Errichtung des Absperrdamms auf dem Grundstück des Antragsgegners ist Teil des Bauabschnitts A, mit dessen Verwirklichung unmittelbar nach der für Mitte März zu erwartenden Fertigstellung der 110 kV-Leitung begonnen werden muss; das Vergabeverfahren musste danach spätestens Mitte November 2019 erfolgen.
Der vom Antragsteller in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Inanspruchnahme seines Grundstücks wegen unaufschiebbarer Maßnahmen für den Baubeginn geboten sei, das direkt westlich angrenzende Nachbargrundstück jedoch verschont bleibe, greift nicht durch. Der Antragsgegner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die westlich angrenzenden Nachbargrundstücke einen anderen Bauabschnitt (Betriebsweg Absperrdamm) betreffen, dessen Baubeginn nach dem Bauzeitenplan erst im Frühjahr/Sommer 2021 vorgesehen ist.
Anhaltspunkte dafür, dass finanzielle Hindernisse für die Realisierung des Vorhabens bestehen, werden vom Antragsteller nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
2.3.2 Die Enteignungsbehörde ist vorliegend zu Recht davon ausgegangen, dass das Interesse der Allgemeinheit an der Umsetzung der genannten (Vor-)Arbeiten das Interesse des Antragstellers an der Nichtinanspruchnahme des Grundstücks überwiegt.
Auch soweit man voraussetzt, dass das Gebotensein des sofortigen Baubeginns im Sinne des § 71a Abs. 1 Nr. 2 WHG ein gesteigertes öffentliches Interesse am umgehenden Beginn der Ausführung des Vorhabens aus Gründen eines wirksamen Hochwasserschutzes voraussetzt, das gegenüber dem Interesse des Betroffenen überwiegt (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2014 – 22 AS 14.40020 – juris Rn. 30 zu § 21 Abs. 1 Satz 1 AEG, dort offen gelassen; OVG NW, U.v. 16.9.2010 – 11 B 1179.10 – juris Rn. 19 f. zu § 18f Abs. 1 Satz 1 FStrG; Schenk in Sieder-Zeitler-Dahme, WHG und AbwAG, § 71a WHG Rn. 17, jeweils m.w.N), bestehen keine rechtlichen Bedenken an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Besitzeinweisungsbeschlusses. Der Gesetzgeber geht bei planfestgestellten Vorhaben des Hochwasserschutzes davon aus, dass das Vorhaben dem Wohl der Allgemeinheit dient (vgl. § 71 Abs. 2 WHG; BT-Drs. 18/10879 S. 26). Das Gebotensein des sofortigen Beginns der Bauarbeiten muss jedoch auch im Hinblick auf das konkret betroffene Grundstück gegeben sein (Schenk in Sieder-Zeitler-Dahme, WHG und AbwAG, § 71a WHG Rn. 12). Dies ist bei großräumigen Vorhaben nicht kleinräumig zu bewerten, sondern darf praktikable Arbeitseinheiten erfassen; es ist daher nicht erforderlich, dass das in Anspruch genommene Grundstück als allerletztes Grundstück der Verwirklichung des Projekts entgegensteht (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2010 – 22 ZB 10.43 – BayVBl 2011, 569 = juris Rn. 10 zu Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayEG).
Danach überwiegt bei der hier vorzunehmenden Abwägung das Interesse der Allgemeinheit an einem sofortigen Baubeginn das Aufschubinteresse des Antragstellers. Hierfür spricht bereits die gesetzgeberische Entscheidung zur Schaffung des § 71a WHG und des darin enthaltenen Beschleunigungsgebots (vgl. § 71a Abs. 2 WHG, § 20 Abs. 2, 4 und 7 WaStrG; BT-Drs. 18/10879 S. 16 f.). Die Gegenüberstellung der betroffenen Belange im hier vorliegenden Fall führt zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn man der Ansicht folgen wollte, dass die sofortige Ausführung der geplanten Maßnahmen nur dann im Sinn von § 71a Abs. 1 Nr. 2 WHG geboten ist, wenn das Wohl der Allgemeinheit ohne die vorzeitige Besitzeinweisung in erheblicher, nicht wieder gutzumachender Weise beeinträchtigt würde (vgl. OLG Naumburg, U.v. 9.12.2010 – 2 U 60/10 (Baul) – juris Rn. 38; ablehnend BayVGH, B.v. 4.7.2014 – 22 AS 14.40020 – juris Rn. 32, jeweils zu § 21 Abs. 1 Satz 1 AEG), wäre das Gebotensein des sofortigen Baubeginns aus Gründen eines wirksamen Hochwasserschutzes hier zu bejahen.
Denn nach den plausiblen Ausführungen der Enteigungsbehörde im Besitzeinweisungsbeschluss wären bei einer aufschiebenden Wirkung der Klage die im Bauzeitenplan vorgesehenen Termine nicht einhaltbar. Dies würde nicht nur zu einer Verzögerung der Arbeiten für den Bauabschnitt A („Verlegung der 110 kV-Leitung und Absperrdamm samt Überleitungsbauwerk, Ausleitungsbauwerk Hauptbecken und Straßenanhebung“) führen, vielmehr würde sich damit auch die Gesamtbauzeit des Vorhabens verlängern (vgl. oben unter II.2.3.1).
Der Schutz vor Hochwasser und Überschwemmungen stellt ein maßgebliches Ziel des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und des bayerischen Wassergesetzes (BayWG) dar und ist wesentlicher Bestandteil des wasserrechtlichen Bewirtschaftungssystems. Er wird in verschiedenen Vorschriften explizit angesprochen und als übergeordnete Zielsetzung vorausgesetzt (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, §§ 67 ff. WHG, Art. 43 ff. BayWG). Auch im europäischen Recht ist die wirksame Hochwasservorsorge und Begrenzung von Hochwasserschäden von überragender Bedeutung (vgl. die Richtlinie 2007/60/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken, ABl. L 288 vom 6.11.2007 S. 27). Im Falle eines großen Hochwasserereignisses besteht die konkrete Gefahr, dass Menschen zu Tode kommen oder verletzt werden und dass erhebliche Sach- und Umweltschäden entstehen. Damit sind höchstrangige Rechtsgüter betroffen (Art. 2 Abs. 2, Art. 20a GG) und es stehen Ereignisse in Form von Naturkatastrophen im Raum. Auch wenn solch große Hochwasserereignisse statistisch gesehen (noch) relativ selten sind – wenn auch mit steigender Tendenz -, ist es nicht auszuschließen, dass ein solches gerade in dem Zeitraum eintritt, um den sich die Errichtung des Hochwasserrückhaltebeckens verzögert, wenn die vom Antragsteller erhobene Klage aufschiebende Wirkung hätte.
Demgegenüber müssen die Interessen des Antragstellers zurücktreten. Die vorzeitige Besitzeinweisung ist nur vorläufig. Wird der Planfeststellungsbeschluss, der vom Senat im erstinstanzlichen Verfahren mittlerweile als rechtmäßig erachtet wurde, in einem etwaigen Rechtsmittelverfahren aufgehoben, ist auch der Besitzeinweisungsbeschluss aufzuheben und der vorherige Besitzer wieder in den Besitz einzuweisen. Der Eingewiesene hat für alle durch die vorzeitige Besitzeinweisung entstandenen besonderen Nachteile angemessene Entschädigung zu leisten (§ 71a Abs. 2 WHG, § 20 Abs. 6 WaStrG). Es gibt keinen Grund zu bezweifeln, dass dies erforderlichenfalls technisch und wirtschaftlich umsetzbar wäre. Soweit der Antragsteller die Gefährdung seines landwirtschaftlichen Betriebs durch die Inanspruchnahme seines Grundstücks geltend macht, wendet er sich in der Sache gegen die zugrundeliegende Planfeststellung, gegen die er kein Rechtsmittel eingelegt hat; im Verfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung kommt es hierauf nicht an (vgl. oben unter II.2.2). Im Übrigen sind die vorhabenbedingten Beeinträchtigungen des Betriebs des Antragstellers im Rahmen des nachfolgenden Enteignungs- oder Entschädigungsverfahrens auszugleichen. Gemäß § 71a Abs. 2 WHG, § 20 Abs. 5 Satz 1 WaStrG hat der Träger des Vorhabens für die durch die vorzeitige Besitzeinweisung entstehenden Vermögensnachteile Entschädigung zu leisten, soweit die Nachteile nicht durch die Verzinsung der Geldentschädigung für die Entziehung oder Beschränkung des Eigentums oder eines anderen Rechts ausgeglichen werden.
Da sich danach der in der Hauptsache angefochtene Besitzeinweisungsbeschluss als voraussichtlich rechtmäßig erweist, überwiegt das Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Der Streitwert bemisst sich nach §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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