Baurecht

Deckungsumfang einer Gebäudeversicherung; Begriff der “Überschwemmung” in der Elementarschadenversicherung

Aktenzeichen  25 U 1125/17

Datum:
7.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 141901
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ABB § 1 Abs. 1 S. 1, § 3
BGB § 93, § 94 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Sind nach den Versicherungsbedingungen einer Wohngebäudeversicherung (hier: § 1 Abs. 1 S. 1 ABB) die wesentlichen Bestandteile des versicherten Gebäudes vom Versicherungsschutz umfasst, erstreckt sich der Deckungsumfang der Versicherung nicht auf die Stützmauer und die Aufschüttung eines mitversicherten Carports, da diese nicht iSv § 94 Abs. 2 BGB zur Herstellung des Carports in diesen „eingefügt“ sind. (Rn. 1 – 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Stellplätze vor einem Carport gehören auch dann nicht zu den mitversicherten „sonstigen Gegenständen“ der Gebäudeversicherung (hier nach § 3 ABB), wenn als Nutzungszweck im Versicherungsschein sowohl „Aufstellung von Kfz“ als auch „Garagen“ angegeben ist. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
3. Definieren die Zusatzbedingungen der Gebäudeversicherung zur Deckung von Elementargefahren eine versicherte Überschwemmung als „Überflutung des Grund und Bodens (Versicherungsgrundstück) oder des versicherten Gebäudes“, liegt eine bedingungsgemäße Überschwemmung nur vor, wenn sich erhebliche Wassermengen auf der Geländeoberfläche ansammeln, mithin Wasser auf dem Grundstücksgelände gestanden hat (Anschluss an BGH BeckRS 2005, 06169; OLG Köln BeckRS 2013, 08490; KG BeckRS 2015, 119176; OLG Bamberg BeckRS 2015, 113383). Demgemäß genügt es für den Eintritt des Versicherungsfalls nicht, dass Wasser hangabwärts über einen Teil des Grundstücks und dabei auch durch den mitversicherten Carport fließt. (Rn. 6 – 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

73 O 1571/14 2017-03-13 Urt LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 13.03.2017 – Az. 73 O 1571/14 – nach Lage der Dinge im Wesentlichen schon deshalb keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, weil das Landgericht zutreffend weder die Stützmauer und die Aufschüttung noch die Stellplätze vor dem Carport als mitversichert angesehen hat (dazu 1). Im Übrigen hegt der Senat – insoweit abweichend das Urteil des Landgerichts – erhebliche Zweifel daran, ob im vorliegenden Fall von einer Überschwemmung auszugehen ist, sodass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass die Beklagte mit ihrer Anschlussberufung durchdringen wird (dazu 2).

Gründe

1. Gegenstand der Versicherung
a) Nach Auffassung des Senats ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Stützmauer und die Aufschüttung keine wesentlichen Bestandteile des versicherten Carports sind bzw. waren. Der insoweit einschlägige § 1 Abs. 1 S. 1 ABB, wonach wesentliche Bestandteile eines versicherten Gebäudes vom Versicherungsschutz umfasst sind, lehnt sich erkennbar an die Begrifflichkeit von § 94 Abs. 2 BGB an, und es ist im vorliegenden Zusammenhang kein Anlass für eine davon abweichende, genuin versicherungsrechtliche Begriffsbildung ersichtlich.
Davon ausgehend, erscheint die Argumentation des Klägers irreführend, dass der Carport ohne das Grundstück – und damit ohne Stützmauer und Aufschüttung – gewissermaßen „in der Luft hinge“; denn dies verkennt den Zweck von § 94 Abs. 2 BGB: Diese Vorschrift erweitert § 93 BGB insoweit, als es nicht auf eine feste Verbindung ankommt, sodass beispielsweise auch ein Heizkörper wesentlicher Gebäudebestandteil werden kann. Dabei geht es dem Gesetzgeber um die Erhaltung von wirtschaftlichen Einheiten und um Klarheit für den Rechtsverkehr bzw. Grundstückserwerber. Im versicherungsrechtlichen Kontext hat dies insbesondere Bedeutung für die hier nicht interessierende Abgrenzung von Wohngebäude- und Hausratsversicherung. Demgegenüber ändert § 94 Abs. 2 BGB – und demgemäß die Bezugnahme darauf in den ABB – nichts an dem anerkannten Rechtsgrundsatz, dass zwar die fest mit einem Grundstück verbundenen Sachen notwendigerweise wesentliche Bestandteile des Grundstücks werden, dass aber umgekehrt das Grundstück nicht wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes werden kann (vgl. nur Stieper, in: Staudinger, BGB, Bearb. 2017, § 94 Rz. 4). Im Ergebnis entspricht dies dem Hinweis des Landgerichts, dass die Stützmauer und die Aufschüttung nicht im Sinne von § 94 Abs. 2 BGB zur Herstellung des Carports in diesen „eingefügt“ seien. Als wesentliche Bestandteile des Carports sind nach alledem nur dessen Punktfundamente anzusehen.
b) Zudem gehören, wiederum entgegen der Auffassung des Klägers, die Stellplätze vor dem Carport nicht zu den mitversicherten „sonstigen Gegenständen“ im Sinne von § 3 ABB. Das vom Kläger angeführte Argument, dass als Nutzungszweck im Versicherungsschein sowohl „Aufstellung von Kfz“ als auch „Garagen“ angegeben ist, führt zu keinem anderen Ergebnis: Es ist nicht anzunehmen, dass „Garage“ hier synonym mit überdachtem Stellplatz (mithin: „Carport“) zu verstehen wäre, sodass der weitere Hinweis auf „Aufstellung von Kfz“ auf Versicherungsschutz für unüberdachte Stellplätze hindeuten würde. Eine solche Lesart erschiene nach den allgemeinen Auslegungsregeln fernliegend, zumal die Tragfähigkeit der
b) Versicherungsschein für die Nutzungsart verwendeten Formel schon deshalb ersichtlich begrenzt ist, weil sie sich dort – offenkundig unzutreffend – auch für die beiden versicherten Wohngebäude findet.
c) Im Übrigen ist im bisherigen Verfahren offen geblieben, ob der Carport unter dem im Versicherungsschein genannten „Schuppen“ oder als das dort zudem erwähnte „Nebengebäude“ zu verstehen ist (vgl. den Hinweis in den Entscheidungsgründen des Landgerichts unter I.1.). Diese Frage erscheint indes klärungsbedürftig, denn die Versicherungssumme für den Schuppen beträgt 500 Mark Neubauwert 1914, diejenige für das Nebengebäude hingegen 1.300 Mark Neubauwert 1914. Im Zusammenhang mit der Klärung, welcher dieser Beträge maßgeblich ist, kommt es auch darauf an, welche Versicherungssumme in Euro sich daraus heute ergibt: Denn gemäß § 38 Abs. 3 lit. a und b ABB, der gemäß § 1 der Zusatzbedingungen für Elementarschäden entsprechend gilt, wäre die vom Kläger mit der Berufung noch geltend gemachte Entschädigung für „Aufräumungs- und Abbruchkosten“ sowie „Mehrkosten infolge behördlicher Auflagen auf der Grundlage bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls erlassener Gesetze und Verordnungen“, wenn überhaupt, jeweils nur bis zur Höhe von 5% der Versicherungssumme geschuldet.
2. Sämtliche vom Kläger geltend gemachten Ansprüche hängen davon ab, dass es am 26.05.2009 zu einer „Überschwemmung des Versicherungsgrundstücks“ im Sinne von § 2 Abs. 1 lit. a, § 3 der Zusatzbedingungen, also einer „Überflutung des Grund und Bodens (Versicherungsgrundstück) oder des versicherten Gebäudes“ gekommen ist. Der Senat hegt erhebliche Zweifel, dass davon auszugehen ist; denn eine Überschwemmung ist nach der überzeugenden Rechtsprechung des BGH, die von dem insoweit maßgeblichen Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ausgeht, nur dann anzunehmen, wenn sich erhebliche Wassermengen auf der Geländeoberfläche ansammeln (BGH, 20.04.2005 – IV ZR 252/03, VersR 2005, 828; vgl. aus dem gleichsinnigen Schrifttum etwa Dietz/Fischer/Gierschek, Wohngebäudeversicherung, 3. Aufl. 2015, § 4 Rz. 57 ff.). Wie das Landgericht offenbar verkannt hat, ist demzufolge zu fordern, dass Wasser auf dem Grundstücksgelände gestanden haben muss (deutlich etwa OLG Köln, 09.04.2013 – 9 U 198/12, VersR 2013, 4174; KG, 04.08.2015-6 U 69/15, JURIS).
Treffend führt hierzu das OLG Bamberg aus:
„Hiernach ist eine Überschwemmung eine zeitlich begrenzte Wasserbedeckung von im Normalfall trockenen Landflächen als Folge von Starkniederschlägen oder Ausuferung oberirdischer Gewässer (…). Nicht umfasst ist der bloße Wassereintritt in Gebäudeflächen hinein (…). Entgegen der Ansicht des Klägers erweist sich die hier vorgenommene Auslegung auch als interessengerecht. Denn in die Abwägung mit einzubeziehen ist das Interesse der Beklagten als Versicherer und der Versichertengemeinschaft, dass ein möglichst fest umrissener Versicherungsschutz gegen bestimmte Risiken auf der Grundlage einer angemessenen und zuverlässigen Tarifkalkulation geboten wird (…). Bei der Elementarschadenversicherung geht es dabei um Risiken aufgrund von Naturereignissen, die nahezu unkalkulierbar sind. Die Art der Abdichtung des versicherten Gebäudes, insbesondere auch die Leistungsfähigkeit eines Drainagesystems, ist demgegenüber ein Umstand, auf den der Versicherungsnehmer im Allgemeinen effektiv Einfluss nehmen kann.“ (Urteil vom 30.04.2015 – 1 U 87/14, VersR 2016, 1247; Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen zurückgewiesen durch BGH, 01.06.2016-IV ZR 294/15)
Diese Erwägungen lassen sich ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen. Daher genügt es für eine Überschwemmung – und damit für den Eintritt des Versicherungsfalls -gerade nicht, dass Wasser, wie vom Zeugen M. in der Verhandlung vom 30.01.2017 geschildert, hangabwärts über einen Teil des Grundstücks und dabei auch durch den Carport geflossen ist.
3. Da die Berufung nach alledem keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, legt der Senat es dem Kläger aus Kostengründen nahe, die Berufung gemäß § 516 ZPO zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigten sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Zudem verlöre die Anschlussberufung der Beklagten ihre Wirkung (§ 524 Abs. 4 ZPO), sodass die erstinstanzliche Entscheidung in Rechtskraft erwachsen würde.
Für den Fall, dass die Berufung nicht zurückgenommen wird, sollen sich die Parteien zur Umrechnung der Versicherungssumme erklären (oben unter 1.c), der Kläger zudem dazu, auf welche konkreten Vorschriften er seine Behauptung stützt, dass ein Wiederaufbau mit den alten Balken bzw. ein Neubau mit entsprechenden Materialstärken unzulässig gewesen wäre.
Der Beklagte möge sich binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses erklären, ob er die Berufung zurücknimmt. Im Übrigen besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.


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