Baurecht

Duldung des Befahrens und Betretens eines Wegedreiecks, keine gewidmete Straße, öffentlich-rechtliche Verkehrsfläche, Widerruf der Freigabe für den öffentlichen Verkehr, Verwirkung

Aktenzeichen  AN 10 S 19.02256

Datum:
7.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9848
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 6

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verpflichtung, das Befahren und Betreten des Grundstücks Fl.Nr. …, Gemarkung …, zu dulden.
Der Antragsteller ist seit 2016 Eigentümer des 4 m² großen, dreieckigen Grundstücks Fl.Nr. …, Gemarkung … Das Grundstück wurde von der Mutter des Antragstellers und Voreigentümerin im Jahr 2013 aus dem Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, herausgemessen.
Das Grundstück Fl.Nr. … grenzt westlich an das Grundstück Fl.Nr. …, nördlich an das Grundstück der Antragsgegnerin mit Fl.Nr. … an, das nach Aktenlage die Ortsstraße „…“ bildet (vgl. Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen, Eintragungsverfügung vom 20. Februar 1989) und südlich an die „…straße“, die mit Eintragungsverfügung vom 27. Juli 1961 als Ortsstraße gewidmet wurde. Die „…“ führt von der „…straße“ aus über eine ca. 15 m lange Gefällestrecke auf eine ca. 2 m tiefer liegende Verkehrsfläche. Das ca. 15 m lange Gefälle weist nur eine Fahrbahnbreite von etwa 3 m auf.
Ausweislich einer Eintragungsverfügung vom 3. August 1961 wurde die Straße „Fl.Nr. zu …“ mit Namen „…“ mit Anfangspunkt „An der Nordwesthausecke des bewohnten Nebengebäudes beim …, westlich des Umlaufkanales“ und Endpunkt „An der Einmündung in die …straße“ in einer Länge von 0,080 km als Eigentümerweg in das Bestandsverzeichnis der Antragsgegnerin eingetragen. Als Eigentümerin der Straßenfläche ist die Antragsgegnerin aufgeführt.
Laut Eintragungsverfügung vom 20. Februar 1989 wurde der Eigentümerweg zur Ortsstraße mit Beschluss vom 4. August 1988 zum 7. März 1989 aufgestuft. Aus dem Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen ergibt sich, dass mit der Nummer … die „…“ auf einer Teilstrecke von Kilometer 0,000 bis Kilometer 0,080 eingetragen ist. Der Straßenzug ist bezeichnet mit dem Anfangspunkt Einmündung in die Ortsstraße „…straße“ bei SW-Ecke Fl.Nr. … und dem Endpunkt Einmündung in beschränkt-öffentlichen Weg „…“ bei Westseite des Querschusses vom Werkskanal bei den Stadtwerken. Als Fl.Nr. wurde das Grundstück … eingetragen.
Mit Schreiben vom 27. Juli 2016 teilte die Mutter des Antragstellers und Voreigentümerin des Flurstückes Fl.Nr. …, Gemarkung …, mit, dass das streitgegenständliche Grundstück mit Ablauf des 31. Juli 2018 eingezogen und die Öffentlichkeit von der Benutzung ausgeschlossen werde. Die Antragsgegnerin wurde aufgefordert, den Asphaltbelag zu entfernen.
Daraufhin bemühte sich die Antragsgegnerin, als ersten Schritt die nach damaliger Auffassung fehlerhafte Widmung zu heilen. Die vormalige Eigentümerin lehnte jedoch die Zustimmung zur Widmung ab. Auch der Erwerb der streitgegenständlichen Fläche durch die Antragsgegnerin scheiterte, da Kaufangebote unbeantwortet blieben. Ein weiterer Versuch, die Fläche zu einem Preis von 100,00 EUR pro Quadratmeter zu kaufen, schien zunächst Zustimmung zu finden, scheiterte im Ergebnis aber ebenfalls. Stattdessen bevorzugte der Antragsteller einen Tausch von Flächen gegen Wertausgleich, was jedoch von der Antragsgegnerin aus Wirtschaftlichkeitserwägungen abgelehnt wurde. Ein vom Antragsteller vorgelegter Vertragsentwurf beinhaltete den Tausch des streitgegenständlichen Flurstückes Fl.Nr. … mit der Eintragung einer Grunddienstbarkeit für die Pylonenkette auf der öffentlich gewidmeten Fläche vor dem … in … (Fl.Nr. …*). Der Stadtrat beschloss in der Sitzung am 26. April 2018, dem Antragsteller eine verkehrsrechtliche Sondernutzungserlaubnis anzubieten, Poller auf den Marktplatzflächen vor dem … stets widerruflich zu belassen; diese Gestattung kann nur durch einen Stadtratsbeschluss widerrufen werden. Daraufhin beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 12. Juli 2018 die vorgeschlagene Sondernutzungserlaubnis. Mit Bescheid vom 26. Oktober 2018 genehmigte die Antragsgegnerin dann in stets widerruflicher Art und Weise das Belassen von insgesamt 14 Stein-Pollern im Bereich des nördlichen Marktplatzbereichs bzw. entlang der Südseite des … Mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 wies der Bevollmächtigte des Antragstellers darauf hin, dass die Wartefrist von zwei Jahren zwischenzeitlich abgelaufen sei und er dem Antragsteller als neuen Grundstückseigentümer empfehle, demnächst Betretungs- und Befahrverbote auszusprechen.
Im Folgenden erhielt die … einen Entwurf eines Gebrauchsüberlassungsvertrages, der das Begehen und Befahren des streitgegenständlichen Grundstückes nur unter Auflagen gestattet. Dieses Angebot wurde durch die … mit Schreiben vom 2. Januar 2020 abgelehnt.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2019 forderte der Bevollmächtigte des Antragstellers das Bauunternehmen …, das mit der Sanierung der in der „…“ gelegenen städtischen Parkplätze beauftragt ist, auf, das Grundstück Fl.-Nr. … nicht zu begehen, zu befahren oder anderweitig zu benutzen.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 bot die Antragsgegnerin dem Antragsteller erneut an, die Fläche Fl.Nr. … zum Preis von 400,00 EUR käuflich zu erwerben.
Dies lehnte der Antragsteller mit Schreiben vom 29. Oktober 2019 ab und verband dies mit dem Angebot, die Fläche an die Antragsgegnerin im Austausch für mehrere Grunddienstbarkeiten abzutreten. Der Antragsteller legte das Schreiben des Landrats des Landkreises … vom 30. Januar 2018 bei, der dem Antragsteller mitteilte, dass rechtsaufsichtlich keine Einwände bestehen würden. Zudem wies der Antragsteller darauf hin, dass die Errichtung einer alternativen Zufahrt zur „…“ auf städtischem Grund möglich wäre.
Das Angebot des Antragstellers wurde von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2019 aus kommunal- und haushaltsrechtlichen Gründen nicht angenommen.
Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2019 erfolgte die Anhörung zur beabsichtigten Verpflichtung des Antragstellers, die Überfahrt und die Benutzung der Fläche Fl.-Nr. … als öffentliche Straße zu dulden und jegliche Behinderung des Verkehrs zu unterlassen.
Daraufhin teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 6. November 2019 mit, dass es hierfür keine rechtliche Grundlage gebe und ausschließlich auf zivilrechtlicher Ebene agiert werde. Das LStVG finde keine Anwendung. Zugleich wurde der Antragsgegnerin verboten, das Grundstück zu begehen, befahren oder anderweitig zu nutzen.
Mit Bescheid vom 8. November 2019 wurde der Antragsteller als Eigentümer der Straßenfläche Fl.Nr. …, Gemarkung …, verpflichtet, das Befahren des Grundstücks mit Fahrzeugen aller Art sowie das Betreten durch Fußgänger zu dulden (Ziffer 1) sowie jegliche Maßnahmen zu unterlassen, die den Verkehr auf dieser Fläche einschränken oder behindern könnten (Ziffer 2). Darüber hinaus wurde der Antragsteller verpflichtet, Maßnahmen Dritter, die die Nutzung der öffentlichen Straßenfläche Fl.Nr. …, Gemarkung …, einschränken oder behindern, zu beseitigen und die Benutzbarkeit als öffentliche Verkehrsfläche unverzüglich wiederherzustellen (Ziffer 3). Weiterhin wurden die Ziffern 1 bis 3 des Bescheides für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 4). Zudem wurde für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziffern 1 bis 3 jeweils Zwangsgeld angedroht (Ziffer 5 bis 7). Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass durch die Handlungen des Eigentümers gegenüber den Firmen …, der … sowie der Stadt … selbst ein Einschreiten zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs sowie der Aufrechterhaltung der Rettungswege zwingend geboten sei. Durch das ausgesprochene Verbot, die kleine, aber zwingend notwendige Fläche zu befahren oder zu betreten, könne die Erschließungsfunktion der Straße nicht mehr aufrechterhalten werden, so dass ein zentraler Parkplatz … mit über 50 Stellplätzen, die …, das Museum an der …, eine Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt sowie private Wohnungen nicht mehr angefahren werden könnten. Das Grundstück des Antragstellers sei in der Widmungsverfügung 1989 explizit genannt. Auch wenn die Fläche im Straßenbestandsverzeichnis nicht ausdrücklich aufgeführt sei, gelte diese als stillschweigend mitgewidmet. Die streitgegenständliche Fläche nehme an der Widmung der Ortsstraße teil. Es handele sich um eine öffentliche Straße, auf der öffentlicher Verkehr von allen Eigentümern einschließlich des Antragstellers tatsächlich zugelassen und stattgefunden habe. Der öffentliche Verkehr nutze die Straßenfläche seit mindestens 197 Jahren. Die Fläche sei mit Zustimmung des damaligen Eigentümers asphaltiert und immer als Straßenfläche genutzt worden. Eine bauliche Maßnahme zur Verbreiterung der Zufahrt würde nach Informationen des beauftragten Ingenieurbüros Kosten im 5- bis 6-stelligen Bereich verursachen. Eine solche bauliche Maßnahme sei in Relation zum anzusetzenden Grundstückswert von 200,00 EUR bis 500,00 EUR unverhältnismäßig. Das Ermessen auf sicherheitsrechtliches Einschreiten sei auf Null reduziert, da durch das Verbot der Befahrung weder Rettungsfahrzeuge zu dem dann abgetrennten Stadtteil fahren könnten noch die … bei Notfällen ausrücken könnte (Versorgungsunternehmen für Wasser und Strom).
Dagegen erhob der Antragsteller Klage und beantragte neben der Aufhebung der Anordnung der Duldung der Überfahrt und des Betretens des Straßengrundstückes Fl.Nr. … der Gemarkung … durch die Allgemeinheit die Feststellung, dass der Antragsteller berechtigt ist, das Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … für die Allgemeinheit zu sperren und der Allgemeinheit den Zugang, die Überfahrt und die anderweitige Benutzung dieses Grundstückes zu verbieten. Darüber hinaus stellte der Antragsteller einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung führte der Bevollmächtigte im Wesentlichen aus, dass das Interesse des Antragstellers, seine Eigentümerrechte aus § 903 BGB auszuüben das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung überwiege. Das Interesse der Allgemeinheit an der (rechtswidrigen) Nutzung fremden Eigentums sei nicht schutzwürdig. Der Bescheid vom 8. November 2019 sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 LStVG seien nicht erfüllt. Der Antragsteller habe keine Gefahr oder Störung verursacht. Die Antragsgegnerin sei ihrer Erschließungspflicht nicht nachgekommen und habe die Gefahr oder Störung durch ihr Unterlassen selbst verursacht. Die Antragsgegnerin könne den Bescheid auch nicht auf Art. 13 Abs. 1 BayStrWG stützen, da es sich bei dem streitgegenständlichen Wegedreieck nicht um eine gewidmete öffentliche Straße handele. Das Grundstück sei nicht in das Bestandsverzeichnis der Antragsgegnerin eingetragen. Die Widmung erstrecke sich ausschließlich auf Fl.Nr. … Auch aus der Eintragungsverfügung vom 3. August 1961 könne die Antragsgegnerin nichts für sich ableiten. Die Antragsgegnerin habe die Widmung des Flurstückes Fl.Nr. … auch nicht „konkludent mitverfügt“, da erstens die Vermessungskarte keinen Aufschluss darüber gebe, ob das streitgegenständliche Flurstück heute eine öffentliche Straße ist, sich zweitens aus dem tatsächlichen Straßenverlauf nichts ableiten lasse, da ein Grundstück nicht durch Asphaltierung zu einer öffentlichen Straße werde und da drittens die Ortsstraße „…“ auf ihrer gesamten Länge keinen nach heutigen Maßstäben für die ordnungsgemäße verkehrliche Erschließung der auf der Stadtwerksinsel gelegenen Gebäude und Parkplätze ausreichende Breite habe; Begegnungsverkehr sei nicht möglich; die Engstelle könne mit dem Auto passiert werden, ohne das Flurstück Fl. Nr. … befahren zu müssen. Die Antragsgegnerin habe das streitgegenständliche Flurstück nicht widmen dürfen, da die Antragsgegnerin nie Eigentümer gewesen sei und weder der Antragsteller noch ein Rechtsvorgänger die Widmung ausdrücklich oder konkludent genehmigt haben. Ein nur duldendes Verhalten lasse nicht den Schluss auf eine konkludente Widmung zu.
Das streitgegenständliche Flurstück sei auch keine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche. Weder die Mutter noch der Antragsteller habe der Asphaltierung des streitgegenständlichen Grundstückes und der Benutzung durch die Öffentlichkeit zugestimmt. Die Benutzer des streitgegenständlichen Grundstückes hätten keine Wegerechte. Es seien keine Dienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen. Das Flurstück sei nicht mit Duldung der damaligen Eigentümer von der Allgemeinheit genutzt worden. Aus der längeren Duldung der Benutzung des Grundstückes lasse sich kein Nutzungsrecht ableiten. Die Einwilligung sei jedenfalls widerruflich. Die Voreigentümerin habe die Einziehung der tatsächlichen Verkehrsfläche angekündigt. Die Antragsgegnerin habe Zeit gehabt, für eine bessere verkehrliche Erschließung der an der Straße „…“ anliegenden und auf der Stadtwerksinsel gelegenen Grundstücke zu sorgen. Es gebe keine technischen Zwangspunkte, die verbieten würden, die Straße nach Westen hin zu verbreitern. Die Umbaumaßnahmen seien der Antragsgegnerin zumutbar gewesen. Der Stadtrat der Antragsgegnerin habe in seiner Sitzung vom 6. Juni 2019 beschossen, die Zufahrt zum … zu verlegen, falls der Antragsteller das Wegedreieck nicht abtreten sollte. Wenn das Wegedreieck ein tatsächlich-öffentlicher Weg gewesen wäre, hätte es diese Eigenschaft aufgrund der öffentlichen Ankündigung der Schließung und des Betretungs- und Befahrungsverbotes vom 27. Juli 2016 verloren.
Zudem genüge die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO.
Der Antragsteller beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 8. November 2019 betreffend die Anordnung der Duldung der Überfahrt und des Betreten des Straßengrundstücks Fl.Nr. …, Gemarkung …, durch die Allgemeinheit wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Antragsteller nicht berechtigt sei, das als Fahrbahn geteerte Straßengrundstück Fl.Nr. … für die Nutzung durch die Allgemeinheit zu sperren und die Anordnungen rechtmäßig seien. Das streitgegenständliche Grundstück sei unter der ursprünglichen Fl.Nr. … in die Widmung der Straße „…“ einbezogen. Durch die Bezeichnung „Ecke“ sei deutlich bestimmt, dass nicht lediglich der Eck- oder Vermessungspunkt des Grundstücks, sondern ein mehrere Quadratmeter großer Bereich in die Widmung habe einbezogen werden sollen. Dass ein größerer Bereich gemeint gewesen sei, bestätige auch die Formulierung „bei“ SW-Ecke. Auch die Eintragungsverfügung vom 3. August 1961 zeige, dass der gesamte Einmündungsbereich der „…straße“ in die „…“ als Straßenfläche angesehen worden sei. Allein die Herausvermessung eines Grundstücksteils aus einem ursprünglich in eine Widmung einbezogenen Grundstückes hebe die öffentlich-rechtlichen Folgen einer Widmung nicht auf. Es lasse sich durch den Beschrieb das Bestandsverzeichnisses exakt bestimmen, welche Flächen von der Widmung umfasst seien. Die Straßenführung sei deutlich feststellbar. Die Straße „…“ könne ohne die Inanspruchnahme des streitgegenständlichen Grundstückes aufgrund der geringen Breite nicht als Straße genutzt werden. Die streitige Grundstücksfläche sei daher infolge der Widmungsverfügung von 1989 als Straßenfläche zu qualifizieren und nehme insoweit an der Widmung der Ortsstraße teil.
Die Fl.Nr. … gelte jedenfalls als stillschweigend mitgewidmet. Die Erkennbarkeit des streitgegenständlichen Grundstückes als öffentliche Straße bestätige sich gerade darin, dass die Rechtsvorgängerin des Antragstellers nur und konkret diese 4 m² aus dem Grundstück Fl.Nr. … herausmessen lassen habe. Dies lasse erkennen, dass der Rechtsvorgängerin des Antragstellers die Zugehörigkeit des heutigen Grundstückes Fl.Nr. … zur öffentlichen Straße bewusst gewesen sei.
Die Widmung sei auch nicht aufgrund der fehlenden Zustimmung des Antragstellers als nun dinglich Verfügungsberechtigten nach Art. 6 Abs. 3 BayStrWG unwirksam. Nach der Widmungsverfügung von 1989 sei davon auszugehen, dass die Zustimmung des damaligen Eigentümers erfolgt ist. Ein Widerruf durch den Antragsteller wäre jedenfalls verwirkt. Die Rechtsvorgänger des Antragstellers hätten die öffentliche Verkehrsnutzung auf der streitgegenständlichen Grundstücksfläche über mehrere Jahrzehnte mit Wissen und Wollen hingenommen. Auch die Teerung des als Fahrbahn genutzten Grundstückteils sei offensichtlich mit Zustimmung des damaligen Eigentümers erfolgt. Ein Widerruf der Freigabe für den öffentlichen Verkehr sei durch Rechtsvorgänger des Antragstellers nicht erklärt worden. Die Antragsgegnerin habe daher darauf vertrauen dürfen, dass der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. … ein eventuelles Widerrufsrecht bezüglich der Freigabe der fraglichen Teilfläche für den öffentlichen Verkehr nicht mehr ausüben werde. Dies gelte gerade mit Blick auf die finanziellen Dispositionen der Antragsgegnerin bei der Herstellung der Verkehrsfläche.
Das Grundstück des Antragstellers sei jedenfalls als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche für den öffentlichen Verkehr unbeschränkt nutzbar. Das streitgegenständliche Grundstück sei seit mindestens 197 Jahren unverändert als Verkehrsfläche genutzt worden.
Die vom Antragsteller angedrohte Einschränkung der öffentlichen Verkehrsnutzung wäre rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Duldung der Überfahrt des Betretens des Straßengrundstücks Fl.Nr. … durch die Allgemeinheit würden vorliegen. Die Straße „…“ könne ohne die streitgegenständliche Fläche von 4 m² aufgrund ihrer Topographie von Fahrzeugen nicht befahren werden. Damit werde die Anfahrt eines ganzen Straßenzuges unmöglich. Durch die fehlende Möglichkeit der Befahrung sei der Brandschutz sowie die Trinkwasserversorgung nicht vollumfänglich gewährleistet. Zudem würde die Stromversorgung im Stadtgebiet eingeschränkt. Der Rettungsdienst könne die Gassen nicht mehr befahren. Die Antragsgegnerin habe die Schaffung einer alternativen Straßenführung in die Abwägungsentscheidung einbezogen. Dies hätte Kosten in Höhe von rund 500.000,00 EUR verursacht, so dass die streitgegenständliche Anordnung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu wählen gewesen sei. Das Recht des Eigentümers zum Ausschluss der Allgemeinheit von der Nutzung eines Weges sei vorliegend durch den Gemeingebrauch eingeschränkt.
Die Antragsgegnerin stellte mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019 bei dem Landratsamt … einen Antrag auf Enteignung der Fl.Nr. …, Gemarkung … Hierzu teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 3. Februar 2021 mit, dass die Antragsgegnerin das angestrengte Enteignungsverfahren nicht mehr betreibe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antragsteller begehrt nach Auslegung (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen Ziffer 1 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 8. November 2019 gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 VwGO.
Der so verstandene zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Die Begründung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid vom 8. November 2019 entspricht den formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug in ausreichender Form begründet wurde. Die Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll u.a. der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen („Warnfunktion“), ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (BayVGH, B.v. 24.3.1999 – 10 CS 99.27 – BayVBl. 1999, 465). Bloß formelhafte Begründungen genügen daher regelmäßig nicht. An die Begründungspflicht sind jedoch keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Vorliegend ist nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin ausführt, dass den getroffenen Anordnungen sofort nachgekommen werden müsse, da andernfalls die Gefahr bestünde, dass die Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs und damit einhergehend die Zufahrbarkeit von Rettungsdiensten nicht gewährleistet wäre und das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegenüber dem Sicherheitsinteresse der Öffentlichkeit zurückzustehen habe. Damit wird deutlich, dass sich die Antragsgegnerin des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst war und auf den Einzelfall bezogene, konkrete Gründe angeführt hat, die sie dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen. Den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO ist damit Genüge getan. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Zusammenhang unerheblich ist, ob die Erwägungen der Behörde auch inhaltlich zutreffen (Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 80 Rn. 246).
2. Der Bescheid ist auch im Übrigen (materiell) rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
Im vorliegenden Fall eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO stellt das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise dann wieder her, wenn das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erhebliche Bedeutung. Bleibt dieser Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere Interesse am Sofortvollzug regelmäßig überwiegt.
Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage anhand des derzeitigen Erkenntnisstandes, dass keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids vom 8. November 2019 bestehen. Die Antragsgegnerin ist berechtigt, von dem Antragsteller eine Duldung des öffentlichen Verkehrs auf der streitbefangenen Fläche zu verlangen. Zwar ist die Antragsgegnerin hierzu nicht aufgrund des Gemeingebrauchs (Art. 14 BayStrWG) infolge einer öffentlich-rechtlichen Widmung nach Art. 6 BayStrWG oder Widmungsfiktion nach Art. 67 Abs. 4 BayStrWG befugt (a.). Es handelt sich jedoch bei dem Wegedreieck um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche, die ohne Rücksicht auf ihre Eigentumsverhältnisse oder ihre Widmung mit Zustimmung des Berechtigten dem Gemeingebrauch überlassen ist und damit der Allgemeinheit zu Verkehrszwecken offen steht (b.). Die Nutzung der tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche durch die Allgemeinheit wurde durch den Antragsteller nicht wirksam widerrufen (c.).
a. Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, eine Benutzung des in seinem Eigentum stehenden Wegedreiecks aus Art. 14 BayStrWG zu dulden. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist die Benutzung einer Straße im Rahmen ihrer Widmung für den Verkehr jedermann gestattet (Gemeingebrauch). Bei dem streitgegenständlichen Wegedreieck, Fl.Nr. …, Gemarkung … handelt es sich jedoch nicht um eine nach Art. 1 und Art. 6 BayStrWG dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße. Maßgeblich für die Eigenschaft als öffentliche Verkehrsfläche ist die Eintragung im Straßen- und Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen. Wurde eine Straße im Zuge der Erstanlegung des Bestandsverzeichnisses für Gemeindestraßen (vgl. Art. 67 Abs. 3 BayStrWG) im Bestandsverzeichnis unanfechtbar eingetragen, gilt diese nach Art. 67 Abs. 4 BayStrWG als gewidmet und erhält so die Eigenschaft einer öffentlichen Straße. Ist eine Straße demgegenüber nicht in das Bestandsverzeichnis aufgenommen, gilt sie nach Art. 67 Abs. 5 BayStrWG nicht als öffentliche Straße. Eine faktische oder konkludente Widmung gibt es nach Bayerischem Straßen- und Wegerecht nicht (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 21.04.2016 – 8 B 15.129 – juris Rn. 21 m.w.N.; vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 12.5.2020 – B 1 K 19.445 – juris Rn. 30). Durch den in der Widmung liegenden Verwaltungsakt einer Allgemeinverfügung i.S.v. Art. 35 Satz 2 BayVwVfG erhält eine Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Straße (vgl. Art. 6 Abs. 1 BayStrWG). Die Widmung wird in ein Straßen- bzw. Bestandsverzeichnis für die jeweilige Straßenart eingetragen (Art. 6 Abs. 4 und Abs. 6 Satz 2, Art. 67 Abs. 3 BayStrWG). Ihr kommt aus diesem Grund eine Registerfunktion, vergleichbar dem Grundbuch, zu. Jeder, der Einsicht in das Verzeichnis nimmt, muss ohne Weiteres erkennen können, ob ein bestimmtes Grundstück, ein bestimmter Grundstücksteil oder eine bestimmte Anlage auf einem Grundstück von der Widmung erfasst ist und demgemäß die Eigenschaft einer öffentlichen Straße bzw. eines Bestandteils einer solchen Straße erhalten hat. Dies ist der Grund, warum die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs seit jeher strenge Anforderungen an die Bestimmtheit der Widmung gestellt hat, die über die Anforderungen des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG hinausgehen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 4.10.2011 – 8 ZB 11.210 – juris Rn. 12 unter Bezugnahme auf BayVGH, U.v. 15.5.1990 – 8 B 86.558 – BayVBl 1990, 627/628; U.v. 1.8.1991 – 8 B 89.1929 – BayVBl 1992, 562; U.v. 3.12.1996 – 8 B 96.1086 – BayVBl 1997, 372; U.v. 15.7.1997 – 8 B 96.1539 – BayVBl 1998, 596; vgl. auch VG Augsburg, U.v. 9.6.2015 – Au 3 K 15.331 – juris Rn. 38).
Insbesondere hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aus diesen strengen Bestimmtheitsanforderungen abgeleitet, dass eine Widmung nach Art. 6 Abs. 1 BayStrWG – ggf. i.V.m. Art. 67 Abs. 4 BayStrWG – in der Regel nur diejenigen Bestandteile einer Straße erfasst, die sich auf Grundstücken befinden, deren Flurnummern in der jeweiligen Widmungsverfügung (Eintragung) ausdrücklich aufgeführt sind. Dies dient zum einen dem Schutz des Grundstückseigentümers, da der Widmungsakt das bürgerlich-rechtliche Eigentum an dem Straßengrundstück zu einer weitgehend inhaltsleeren Hülse reduziert; bürgerlich-rechtliche Verfügungen oder Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung über das der Straße dienende Grundstück berühren die Widmung nach Art. 6 Abs. 5 BayStrWG nicht. Zum anderen dient dies jedoch auch dem Schutz des zuständigen Straßenbaulastträgers, da so verhindert wird, dass ihm Straßenbaulasten nach Art. 9 BayStrWG aufgedrängt werden, denen er in Wirklichkeit nicht unterliegt. Eine faktische oder konkludente Widmung gibt es wie erwähnt nach bayerischem Straßen- und Wegerecht nicht. Art. 6 BayStrWG hat sich für das Modell der förmlichen, ausdrücklichen Widmung entschieden. Wird ein Grundstück zu einer Straße gewidmet, das mit einer bestimmten Flurnummer bezeichnet ist, braucht der Eigentümer daher nicht damit zu rechnen, dass die Widmung über die Grenzen der Flurnummer hinausgreift (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 28.10.2014 – 8 ZB 12.1938 – juris Rn. 14; B.v. 4.10.2011 – 8 ZB 11.210 – juris Rn. 12 f.; B.v. 9.5.2006 – 8 B 05.1473 – juris Rn. 5; U.v. 12.12.2000 – 8 B 99.3111 – BayVBl 2001, 468 – juris Rn. 55; U.v. 15.9.1999 – 8 B 97.1349 – juris Rn. 41; U.v. 3.12.1996 – 8 B 96.1086 – BayVBl 1997, 372 – juris Rn. 19; U.v. 15.5.1990 – 8 B 86.558 – juris Rn. 21; VG Augsburg, U.v. 6.2.2013 – Au 6 K 12.1287 – Rn. 36 f.; U.v. 9.6.2015 – Au 3 K 15.331 – juris Rn. 39).
Hiervon ausgehend ist das Wegedreieck Fl.Nr. … nicht von der öffentlich-rechtlichen Widmung der Ortsstraße „…“ gemäß Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 67 Abs. 4 BayStrWG umfasst. Die streitgegenständliche Fläche ist nicht in die Eintragungsverfügung vom 3. August 1961 einbezogen. Dort ist lediglich die „…“ mit der „Fl.Nr. zu …“ bezeichnet mit dem Anfangspunkt „An der Nordwesthausecke des bewohnten Nebengebäudes beim …, westlich des Umlaufkanals“ und dem Endpunkt „An der Einmündung in die …straße“.
Gegen die Zugehörigkeit des Wegedreiecks zur „…“ spricht auch, dass in der Eintragungsverfügung vom 3. August 1961 die Antragsgegnerin als Eigentümerin der Straßenfläche bezeichnet wird.
Auch aus der Eintragungsverfügung vom 20. Februar 1989 ergibt sich nicht, dass die streitgegenständliche Fläche von der Widmung der Ortsstraße „…“ umfasst wäre. Im Bestandsverzeichnis der Antragsgegnerin für Gemeindestraßen wird für die „…“ nur die (als Straßengrundstück herausgemessene) Fl.Nr. … genannt, nicht jedoch das Grundstück des Antragstellers und im Übrigen auch nicht die Fl.Nr. …, aus der das streitgegenständliche Flurstück im Jahr 2013 herausvermessen wurde. Zudem ist als Anfangspunkt die „Einmündung in die Ortsstraße „…straße“ bei Südwest-Ecke Fl.Nr. …“ genannt. Durch diesen Beschrieb des Anfangspunktes zeigt sich, dass – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – gerade kein mehrere Quadratmeter großer Bereich gemeint ist, sondern der südwestliche Eckpunkt des damaligen Grundstücks Fl.Nr. …, nunmehr Fl.Nr. … Denn der Begriff der Ecke ist insoweit wörtlich als der Punkt zu verstehen, an dem zwei Linien oder Flächen zusammenstoßen. Das streitgegenständliche Flurstück wird davon nicht umfasst.
Das entsprechende Flurstück wurde nach Aktenlage auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt förmlich als öffentliche Straßenfläche gewidmet (vgl. Art. 6 BayStrWG).
Der Einwand der Antragsgegnerin, der Antragsteller bzw. seine Rechtsvorgänger hätten der Widmung zugestimmt, jedenfalls aber nicht widersprochen, ist insoweit schon deshalb unbehelflich, weil eine Widmung des streitigen Wegedreiecks gerade nicht verfügt wurde. Eine von der Antragsgegnerin vorgebrachte stillschweigende Widmung kennt das Bayerische Straßen- und Wegerecht gerade nicht (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2017 – 8 ZB 15.1610 – juris Rn. 11 m.w.N.; vgl. auch VG Regensburg, U.v. 3.12.2020 – RO 2 K 17.782 – juris Rn. 32).
b. Allerdings geht das Gericht nach summarischer Prüfung davon aus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Wegedreieck um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche handelt.
Zum öffentlichen Verkehrsraum gehören neben den öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen im Sinne des Wegerechts auch solche Verkehrsflächen, auf denen aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten die verkehrsmäßige Benutzung durch jedermann tatsächlich zugelassen ist (so BayVGH, B.v. 19.4.2007 – 11 ZB 06.2058 – juris m. Verweis auf BayObLG vom 24.5.1982 VerkMitt 1983, 3 und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung vom 22.10.1998, BAnz. Nr. 246b, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 10.4.2006, BAnz. S. 2968, Abschnitt II Satz 1 zu § 1). Tatsächlichöffentliche Verkehrsflächen sind demnach alle Flächen, die der Allgemeinheit zu Verkehrszwecken offen stehen. Ausreichend ist, dass sie mit Zustimmung des Berechtigten ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse dem Gemeingebrauch überlassen wurden. Dies ist anzunehmen, wenn eine ausdrückliche oder stillschweigende Freigabe durch den Berechtigten zur allgemeinen Verkehrsnutzung vorliegt, wobei es nicht auf den inneren Willen des Berechtigten, sondern auf die für die Verkehrsteilnehmer erkennbaren äußeren Umstände ankommt. Eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche unterliegt dem Straßenverkehrsrecht (vgl. VG Augsburg, U.v. 5.4.2016 – Au 3 K 14.99 – juris m.w.N.; BayVGH, U. v. 26.2.2013 – 8 B 11.1708 – BayVBl 2013, 629 – juris Rn. 32; B. v. 7.2.2011 – 11 CS 10.3000 – juris Rn. 20 f.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht das Gericht davon aus, dass das streitgegenständliche Wegedreieck als tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche einzustufen ist. Denn der fragliche Bereich wurde seit jeher durch den öffentlichen Verkehr genutzt. Es ist davon auszugehen, dass die allgemeine Verkehrsnutzung des Wegedreiecks auch durch die damaligen Eigentümer des Grundstückes geduldet wurde. Dieses Verhalten muss sich der Antragsteller als Rechtsnachfolger zurechnen lassen. Dies ergibt sich aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Kartenmaterial (Bl. 47 bis 49 der Gerichtsakte im Verfahren AN 10 K 19.02241), aus dem ersichtlich ist, dass bereits seit langer Zeit die …straße in einen kurzen Weg mündet, die heutige Ortsstraße … (vgl. Bl. 47, Vermessungskarte aus dem Jahr 1822; Bl. 48, Karte aus dem Jahr 1871; Bl. 49, Karte aus dem Jahr 1872, 1930, umgraviert 1951), der Weg also schon seit Jahren vorhanden ist. Auch wenn sich vor der Brücke auf die … ein Querbau befunden haben sollte, lässt sich erkennen, dass die Einmündung als solches als kurzes Zufahrtsstück zu den damals bereits errichteten Gebäuden vorhanden war. Unabhängig von dem älteren Kartenmaterial ist nach Aktenlage jedenfalls erkennbar, dass es die … einschließlich der Zufahrt von der …straße kommend spätestens seit 1961, als die … in das Bestandsverzeichnis eingetragen wurde, gegeben hat. Die tatsächliche Inanspruchnahme des Grundstücks durch den öffentlichen Verkehr ergibt sich aus den vorliegenden örtlichen Gegebenheiten. Die … zweigt auf Höhe des Anwesens … von der …straße ab und führt über eine Gefällestrecke auf die etwa 2 m tiefer liegende Verkehrsfläche. Dabei weist das Gefälle nur einen Fahrbahnbreite von etwa 3 m auf und wird auf der einen Seite begrenzt von einer Bruchsteinstützmauer. Um demnach von der …straße in die … mit einem Fuhrwerk oder Kfz einbiegen zu können, spricht viel dafür, dass das streitgegenständliche Flurstück schon immer mitbenutzt wurde. Dies wird bestätigt durch den Umstand, dass das auf der Fl.Nr. … befindliche Gebäude von der Grundstücksgrenze zurückversetzt erbaut wurde, wie sich den örtlichen Gegebenheiten und bereits dem älteren Kartenmaterial entnehmen lässt. Dies deutet darauf hin, dass die Fläche bewusst freigehalten wurde, um ein Durchkommen mit Fuhrwerken und Pkw zu ermöglichen und dem Höhenunterschied Rechnung zu tragen. Eine Abgrenzung des Wegedreiecks von der (gewidmeten) Straßenfläche ist nicht ersichtlich. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass das streitbefangene Wegedreieck schon seit alters her durch den öffentlichen Verkehr zur Einbiegung in die Stadtmühle genutzt wurde.
Da der Antragsteller bzw. seine Rechtsvorgänger es versäumt haben, frühzeitig zu unterbinden, dass sich auf dem Grundstück Fl.Nr. … ein tatsächlich-öffentlicher Verkehr entwickelt, ist durch Duldung jedenfalls eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche entstanden. Zumindest ist aus Sicht der Verkehrsteilnehmer nach objektiv erkennbaren äußeren Umständen von einer konkludenten Freigabe zur Verkehrsnutzung auszugehen. Die Qualifizierung des Wegedreiecks als tatsächlich-öffentliche Straße hat zur Folge, dass das Wegedreieck der Allgemeinheit zu Verkehrszwecken offen steht und der Antragsteller deshalb die Verkehrsteilnahme, d.h. das Befahren und Betreten der Fläche, zu dulden hat.
c. Der Antragsteller bzw. seine Rechtsvorgängerin hat die Nutzung der tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche durch die Allgemeinheit mit Schreiben vom 27. Juli 2016 nicht wirksam widerrufen.
Zwar ist nach summarischer Prüfung nicht feststellbar, ob die Rechtsvorgänger des Antragstellers das asphaltierte Wegedreieck Fl.Nr. … in unwiderruflicher Weise für den öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestellt haben. Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass die Freigabe nur in widerruflicher Weise erfolgt sein sollte, war das Recht des Antragstellers bzw. der Rechtsvorgängerin, die Freigabe des gegenständlichen Wegedreiecks für die öffentliche Verkehrsnutzung mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, zum Zeitpunkt der Erklärung der Einziehung durch die Mutter des Antragstellers als Voreigentümerin mit Schreiben vom 27. Juli 2016 bereits verwirkt.
Das Widerrufsrecht unterliegt als Gestaltungsrecht zwar nicht der Verjährung, es kann jedoch gleichwohl verwirkt werden. Verwirkung als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (BayVGH, B.v. 9.5.2006 – 8 ZB 05.1473 – juris Rn. 3 mit Verweis auf BVerwGE 44, 339/343; 52, 16/25; vom 16. Mai 1991 BayVBl 1991, 726 = NVwZ 1991, 1182); inhaltlich stellt sie den Hauptanwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) dar. Die Verwirkung eines Rechts setzt außer der Untätigkeit des Berechtigten während eines längeren Zeitraums voraus, dass besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen entsprechend eingerichtet hat. Ein Rechtsverlust durch Verwirkung kann daher nur eintreten, wenn die verzögerte Geltendmachung des Rechts ursächlich für bestimmte Dispositionen des Verpflichteten ist und gerade im Hinblick auf das durch Untätigkeit des Berechtigten geschaffene und betätigte Vertrauen des Verpflichteten die verspätete Geltendmachung des Rechts als treuwidrig erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2006 – 8 ZB 05.1473 – juris Rn. 3).
Diese Voraussetzungen einer Verwirkung sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Die Rechtsvorgänger des Antragstellers haben die öffentliche Verkehrsnutzung des streitbefangenen Wegedreiecks – bis zum Schreiben der Voreigentümerin, der Mutter des Antragstellers, vom 27. Juli 2016 – mit Wissen und Wollen hingenommen. Die früheren Eigentümer des Grundstückes haben bis zum genannten Zeitpunkt keine Einwände gegen die Benutzung erhoben bzw. dies nie zum Ausdruck gebracht. Dabei haben sie die Asphaltierung der betroffenen Fläche hingenommen und gebilligt, dass die auf der „…“ vorhandenen Gebäude und die dort vorhandenen Parkplätze über diese Zufahrt erreicht werden können. Die „…“ führt zum … …, einem … der …, privaten Wohnungen, der … sowie eines Parkplatzes mit 50 Stellplätzen. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Verkehr zur Erreichung dieser Ziele das Wegedreieck schon immer mitgenutzt hat. Da die „…“ seit jeher, jedenfalls aber seit dem Jahr 1961 (vgl. Eintragungsverfügung vom 3. August 1961) bestand, wurde die Nutzung durch die Allgemeinheit über Jahrzehnte geduldet. Es erfolgte seitens der Rechtsvorgänger des Antragstellers bis zum Schreiben der Mutter des Antragstellers vom 27. Juli 2016 weder ein Widerruf der Freigabe für den öffentlichen Verkehr noch ein Übernahmeverlangen, dem man eine Widerrufsabsicht hätte entnehmen können.
Dem Schreiben vom 27. Juli 2016, gerichtet an die Antragsgegnerin, lässt sich eindeutig entnehmen, dass das Grundstück nach Ablauf des 31. Juli 2018 eingezogen und die Öffentlichkeit von der Benutzung ausgeschlossen werde. Allerdings war dieser Widerruf im Jahr 2016 bereits verwirkt, weil die Antragsgegnerin aufgrund der jahrzehntelangen Untätigkeit der Rechtsvorgänger des Antragstellers trotz finanzieller Dispositionen, wie dem Ausbau der Straße, darauf vertrauen durfte, dass der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. … ein eventuelles Widerrufsrecht bezüglich der Freigabe der fraglichen Teilfläche für den öffentlichen Verkehr nicht mehr ausüben werde. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die geltend gemachte Einziehung des Wegedreiecks auch deshalb treuwidrig erscheint, da sie erst erfolgte, als es zu anderweitigen Unstimmigkeiten der Familie des Antragstellers mit der Antragsgegnerin gekommen ist.
d. Die Antragsgegnerin ist deshalb berechtigt, von dem Antragsteller eine Duldung des öffentlichen Verkehrs auf der streitbefangenen Fläche zu verlangen.
Es wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber der Antragsteller aus seinem Eigentumsrecht keine Sperrung beanspruchen kann. Der Antragsteller ist nicht aus seiner aus dem Eigentumsrecht folgenden Rechtsmacht (Art. 14 GG, § 903 BGB) berechtigt, die Allgemeinheit von der Benutzung des auf seinem Grundstück verlaufenden Straßenteils auszuschließen und das Wegedreieck zu sperren.
3. Im Übrigen ergibt auch eine reine Interessenabwägung, dass dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung Vorrang vor dem privaten Aussetzungsinteresse einzuräumen ist. Das Interesse des Antragstellers am Ausschluss der öffentlichen Verkehrsnutzung der lediglich 4 m² großen Fl.Nr. … muss hinter dem Interesse, das Verkehrsnetz aufrechtzuerhalten und die Befahrbarkeit der Straße „…“ als einzige Zufahrtsmöglichkeit zu den genannten Objekten, darunter die …, zu gewährleisten, zurücktreten. Insbesondere sind die Versorgungswege für die … sowie die Rettungswege für Rettungsdienste freizuhalten.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung des Jahres 2013.


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