Baurecht

Einfügen nach Maß der baulichen Nutzung und überbaubarer Grundstücksfläche

Aktenzeichen  1 ZB 16.1938

Datum:
16.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 111580
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Für einen Verstoß gegen das im Begriff des Einfügens in § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB enthaltene Rücksichtnahmegebot reicht es nicht aus, dass ein Vorhaben sich nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die Bebauung der näheren Umgebung gebildet wird. Hinzukommen muss objektivrechtlich, dass es im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen erzeugt oder erhöht, und subjektivrechtlich, dass es die Rücksichtnahme auf die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung vermissen lässt (vgl. BVerwG BeckRS 9998, 30435). (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 16.338 2016-08-09 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vermag das Vorbringen im Zulassungsantrag, auf dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2009 – 1 C 15.08 – BVerwGE 135, 121), nicht zu begründen. Die Kläger verkennen, dass es für einen Verstoß gegen das im Begriff des Einfügens in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene Rücksichtnahmegebot nicht ausreicht, dass ein Vorhaben sich nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die Bebauung der näheren Umgebung gebildet wird. Hinzukommen muss objektivrechtlich, dass es im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen erzeugt oder erhöht, und subjektivrechtlich, dass es die Rücksichtnahme auf die in seiner unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung vermissen lässt (vgl. BVerwG, B.v. 13.11.1997 – 4 B 195.97 – ZfBR 1998, 166). Abgesehen davon, dass die Kläger den Nachweis schuldig bleiben, dass das Vorhaben der Beigeladenen das in der näheren Umgebung anzutreffende Bauvolumen und die Lage der Baukörper in der näheren Umgebung erkennbar überschreitet, weil sie zu Unrecht das denkmalgeschützte Gebäude im Süden des Bauvorhabens ausblenden, legen sie nicht konkret dar, welche bodenrechtlich relevanten Störungen mit dem angegriffenen Vorhaben verbunden sein sollen (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55, 369). Das wäre jedoch für die sachgerechte Bewertung der gegensätzlichen Interessen von Nachbarn und Bauherrn im Rahmen des Rücksichtnahmegebots unabdingbar gewesen. Zwar kann auch ein Vorhaben, das den Rahmen der näheren Umgebung einhält, im Einzelfall rücksichtslos sein, weil es auf die gesteigerte Schutzwürdigkeit der unmittelbaren Umgebung nicht ausreichend Rücksicht nimmt. Gleichwohl fügen sich Vorhaben, die den maßgeblichen Rahmen einhalten oder ihn zwar überschreiten, die städtebauliche Situation aber nicht verschlechtern, in der Regel nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 a.a.O.). Unter dieser Voraussetzung kommt auch den Interessen des Bauherrn an der Realisierung seines Vorhabens grundsätzlich ein gewisser Vorrang vor den Interessen der Nachbarn zu, von Beeinträchtigungen verschont zu bleiben (vgl. BVerwG, U.v. 6.10.1989 – 4 C 14.87 – BVerwGE 82, 343). Dass das Vorhaben der Beigeladenen, dessen grundsätzliche bauplanungsrechtliche Zulässigkeit die Kläger nicht in Frage stellen, allein wegen der mit ihm verbundenen Verschattung das Grundstück der Kläger unzumutbar beeinträchtigt, vermag der Senat angesichts des Abstands der beiden Gebäude von etwa 12 m und der vorhandenen Freiflächen vor den übrigen Außenwänden des Wohnhauses der Kläger nicht zu erkennen. Dazu kommt, dass die Abstandsflächenregelungen durch das Vorhaben der Beigeladenen eingehalten werden, was dazu führt, dass im Regelfall das Rücksichtnahmegebot aus tatsächlichen Gründen nicht verletzt ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.98 – NVwZ 1999, 879). Die Einhaltung einer bestimmten Besonnungsdauer gewährleistet § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht.
2. Auch die Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) greift nicht durch. Die Kläger legen keinen im angegriffenen Urteil aufgestellten abstrakten Rechtssatz dar, der in Anwendung derselben Rechtsvorschrift einem in den herangezogenen obergerichtlichen Entscheidungen aufgestellten Rechtssatz widerspricht (vgl. BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 262.97 – NJW 1997, 3328). Die Kläger arbeiten bereits keinen abweichenden abstrakten Rechtssatz heraus, den das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung tragend zugrunde gelegt haben soll. Sie rügen lediglich die fehlerhafte Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstäbe zur Beurteilung des Entzugs von Sonnenlicht, was eine Divergenzrüge jedoch nicht begründen kann. Darüber hinaus befassen sich die von den Klägern herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 23.2.2005 – 4 A 4.04 u.a. – BVerwGE 123, 37) mit Entschädigungsansprüchen nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG, nicht aber mit der Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, die das Verwaltungsgericht angewendet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, den Klägern die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, weil diese sich substanziell am Zulassungsverfahren beteiligt hat. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 3 GKG.
Mit diesem Beschluss wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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