Baurecht

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Anordnung von Notsicherungsmaßnahmen

Aktenzeichen  AN 9 S 19.00975, AN 9 S 19.00976

Datum:
20.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 20047
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayBO Art. 54 Abs. 2, Abs. 4
LStVG Art. 9 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Für die Störerauswahl iRd Art. 54 Abs. 4 und Abs. 2 BayBO sind die Grundsätze des allgemeinen Sicherheitsrechts maßgebend; die Inanspruchnahme eines Grundstückeigentümers als Zustandsstörer für eine ungesicherte Hanglage kommt dabei nicht in Betracht, wenn es einen anderen Grundstückseigentümer gibt, der wegen erheblicher Abgrabungen Handlungs- und Zustandsstörer zugleich ist.  (Rn. 47 – 49) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die beiden Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. April 2019 wird hinsichtlich der Nr. 1 des Bescheides wiederhergestellt und hinsichtlich der Nr. 4, soweit sich die Androhung des Zwangsgeldes auf die Nr. 1 des Bescheides bezieht, angeordnet. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2019 wird hinsichtlich der Nr. 1 des Bescheides wiederhergestellt und hinsichtlich der Nr. 2 angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird für das Verfahren AN 9 S 19.00975 auf 2.500,00 EUR, für das Verfahren AN 9 S 19.00976 auf 2.250,00 EUR und ab Verbindung der Verfahren auf insgesamt 4.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Anordnung von Notsicherungsmaßnahmen sowie gegen eine erneute Zwangsgeldandrohung durch die Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Anwesens …straße … in … …, FlNr. …, Gemarkung … Das Nachbargrundstück …, FlNr. …, Gemarkung …, in …, das im Eigentum der Beigeladenen steht, liegt hinsichtlich der Geländeoberkante ca. 4 m tiefer als das Grundstück der Antragstellerin. Beide Nachbargrundstücke sind entlang der Grundstücksgrenze durch eine Böschung mit zwei Stützmauern voneinander getrennt, wobei die alte Bestandsmauer entlang des Grenzverlaufs beider Grundstücke nur noch teilweise vorhanden ist. Auf dem Nachbargrundstück … wurden unstrittig im Zuge von Baumaßnahmen im Herbst 2018 im nordwestlichen Bereich Teile der ursprünglich bestehenden, unteren Stützmauer, ein Terrassenbauwerk sowie Bäume und Büsche entfernt.
Der Sachverständige des von der Antragstellerin in Auftrag gegebenen Gutachtens der … … GmbH vom 8. Februar 2019 stellte fest, dass westlich des Wohnhauses der Antragstellerin ein ca. 9 m langer Geländeriss mit einer Versatzhöhe bis ca. 10 cm vorhanden sei, wobei die Rissbildung bis ca. 1,70 m an das teilunterkellerte Wohnhaus heranreiche. Nach Auskunft der Antragstellerin seien die Missbildungen vor ca. drei Wochen beobachtet worden. An der Nordostecke des Grundstücks … sei das Bodenmaterial im unteren Bereich der Böschung auf einer Höhe von ca. 2 m nahezu senkrecht abgegraben worden. An dem unmittelbar westlich angrenzenden Anwesen der Beigeladenen werde derzeit im Bereich der östlichen Grundstücksgrenze eine (neue) Stützmauer aus Betonformsteinen errichtet. Eine kraftschlüssige Verfüllung an der Mauerrückseite zur anschließenden Böschung sei nicht vorhanden.
Die Abgrabung am Fuß der Böschung auf dem Nachbargrundstück sei unsachgemäß, da die Bodenaushubgrenzen nicht eingehalten und die zulässigen Böschungswinkel bei der Herstellung der Baugrube durch die fast senkrechte Abgrabung erheblich überschritten seien, wodurch die Standsicherheit der Böschung deutlich verringert sei. Aufgrund der deutlichen Rissbildung am Kopf der Böschung auf dem Grundstück der Antragstellerin mit dem Beginn der Hang- bzw. Böschungsrutschung sei kurzfristiger Handlungsbedarf gegeben. Es werde dringend darauf hingewiesen, dass bei einem Fortschreiten der Böschungsrutschung die Standsicherheit des Wohnhauses der Antragstellerin gefährdet sei und westlich des Wohnhauses eine Kanalleitung sowie eine Gasleitung verlaufe, die bei einem Fortschreiten der Hangbewegungen ebenfalls gefährdet sei. Mit Schreiben vom 26. November 2018 und 18. Januar 2019 habe die Antragstellerin die Beigeladenen mehrfach schriftlich auf die Gefährdung der Hangstandsicherheit hingewiesen. Die offenen Risse am Kopf der Böschung seien durch die Antragstellerin bereits mit einer stabilen Baufolie abgedeckt worden, um ein Eindringen von Oberflächenwasser in die Rutschfuge zu verhindern.
Aus dem Schreiben des von dem Beigeladenen zu 1) beauftragten Ingenieurbüros für Baustatik, …, vom 21. Februar 2019 ergibt sich, dass die vom Sachverständigen der … … GmbH vorgelegten Bilder den örtlichen Gegebenheiten entsprechen. Der Beigeladene zu 1) habe gegen herabfallende Steine eigenhändig etwas unternehmen müssen, nachdem die Antragstellerin trotz mehrmaliger Aufforderung nichts unternommen habe und weitere Vorschläge zur Problemlösung abgelehnt worden seien. Die errichtete Wand sei nicht fachgerecht ausgeführt worden. Vor den Aushubarbeiten seien keine Sicherungsmaßnahmen gegen Erdrutsch wegen vorhandener Begrünung ausgeführt worden. Die errichtete Wand aus Betonsteinen solle lediglich herunterfallende Steine verhindern, nicht den Erdrutsch aufnehmen. Den Beigeladenen habe er empfohlen, den vom Erdrutsch gefährdeten Bereich ca. unter 45° wieder aufzufüllen und zu verdichten.
Hinsichtlich der Rissbildung auf dem Grundstück der Antragstellerin sei auszuführen, dass dieses Grundstück ohne Erlaubnis nicht betreten werden könne. Anhand der Bilder sei festzustellen, dass die Erdbewegungen nicht infolge der Aushubarbeiten der Beigeladenen entstanden seien, sondern ständig in Bewegung seien. Die vorhandene Stützwand an der Grenze sei für die Erdlasten nicht ausreichend und solle erneuert werden. Nach Aussagen des Beigeladenen zu 1) sei Regenwasser wegen Verstopfung der Wasserrinne im Hof und auf seinem Grundstück ausgelaufen. Es werde empfohlen, die Wasserleitungen prüfen zu lassen, ob an einigen Stellen Verstopfungen vorhanden seien. Zudem werde der Antragstellerin empfohlen, die vorhandene Gartenmauer standsicher stellen zu lassen. Durch die Witterung könnten sich Steine aus der Grenzmauer lösen und auf die Terrasse bzw. auf das Grundstück der Beigeladenen fallen.
Die Antragsgegnerin erließ gegenüber der Antragstellerin am 3. April 2019, zugestellt am 5. April 2019, folgenden Bescheid:
„1. Das weitere Abrutschen der Böschung im westlichen Bereich des Anwesens …straße … ist durch Notsicherungsmaßnahmen, welche durch eine Fachfirma bzw. Sachverständigen für Statik auszuführen sind, zu verhindern. Über die Durchführung der Sicherung ist eine Bestätigung des beauftragten Sachverständigen der Bauordnungsbehörde vorzulegen.
Frist: sofort, spätestens innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Bescheides
2. Das Betreten des durch das Abrutschen der Böschung gefährdeten Bereiches im Garten des Anwesens …straße … ist bis zur Sicherung der Notsicherungsmaßnahmen zu unterlassen.
3. Frau … wird verpflichtet, die mit Bescheiden gleichen Datums (Az. …und …) von Herrn …und Frau … als Eigentümer des Nachbargrundstücks …geforderten Maßnahmen zu dulden:
1. Das weitere Abrutschen der Böschung im östlichen Bereich des Anwesens …
… ist durch Notsicherungsmaßnahmen, welche durch eine Fachfirma bzw. Sachverständigen für Statik auszuführen sind, zu verhindern. Über die Durchführung der Sicherung ist eine Bestätigung des beauftragten Sachverständigen der Bauordnungsbehörde vorzulegen.
Frist: sofort, spätestens innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Bescheides.
Insbesondere ist auch das Betreten des Grundstücks …straße … durch die von den Eigentümern des Nachbargrundstücks …beauftragten Fachfirma bzw. Sachverständigen für Statik im Rahmen der notwendigen Sicherungsmaßnahmen zu dulden.
4. Für den Fall, dass gegen die in Nrn. 1-3 getroffenen Anordnungen verstoßen wird, wird ein Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 5.000,00 EUR angedroht.
Das Zwangsgeld teilt sich auf wie folgt:
„Nr. 1 3.000,00 EUR
Nr. 2 1.000,00 EUR
Nr. 3 1.000,00 EUR.“
Diese Beträge werden nach ungenutztem Ablauf der in Nr. 1 gestellten Frist bzw. bei Nichteinhaltung der Nrn. 2 und 3 zur Zahlung fällig, ohne dass es eines weiteren Verwaltungsaktes bedarf. Zur Zahlung ist Frau … verpflichtet.
5. Für die Nrn. 1, 2 und 3 wird die sofortige Vollziehung angeordnet.“
Mit ergänzender Stellungnahme des … GmbH vom 5. April 2019 nahm der Sachverständige …Bezug auf den gemeinsamen Ortstermin vom 3. April 2019, an dem neben dem Sachverständigen … die Antragstellerin, ihr Prozessbevollmächtigter, die Beigeladenen und deren Tragwerksplaner/Statiker … teilnahmen, um ein gemeinsames Sicherungs- und Sanierungskonzept für die Hangböschung zu besprechen. Der Vorschlag des Sachverständigen …, als Sofortmaßnahme zur Sicherung der instabilen unteren Böschung und der oberen Grenzmauer, eine Vorschüttung ab dem Fuß der Böschung aus sandig-kiesigem Material oder aus gebrochenem Erdbaustoff vorzunehmen, sei durch den Tragwerksplaner und die Beigeladenen abgelehnt worden. Eine Einigung über die Durchführung eines gemeinsamen Sanierungskonzeptes sei nicht erzielt worden, vielmehr sei zunächst durch das Vermessungsamt der genaue Verlauf der gemeinsamen Grenze festzustellen.
Im nördlichen Teil des unteren Böschungsbereiches sei keine alte Natursteinmauer (überwiegend aus Sandsteinblöcken) mehr vorhanden. Nach den Angaben des Beigeladenen zu 1) seien die Sandsteinblöcke zwischenzeitlich herausgefallen. Der untere Böschungsteil liege in einem sandigen Bodenmaterial mit einem Böschungswinkel von größer 60°. Dies sei ohne rechnerischen Standsicherheitsnachweis als nicht standsicher einzustufen. Die Rissweite der Abrissfuge im Garten des Oberliegergrundstücks habe sich seit dem Zustand vom 5. Februar 2019 deutlich vergrößert, besonders deutlich sei dies im Pflasterbelag südlich des Garagengebäudes der Antragstellerin.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 30. April 2019, am gleichen Tag beim Bayerischen Verwaltungsgericht eingegangen, erhob die Antragstellerin Anfechtungsklage gegen die Nr. 1 und die Nr. 4 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3. April 2019 (AN 9 K 19.00892), soweit sich die Androhung des Zwangsgeldes auf die Nr. 1 des Bescheides bezieht und beantragte mit weiterem Schriftsatz vom 15. Mai 2019 (AN 9 S 19.00975):
Es wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 03.04.2019 angeordnet, soweit dieser gemäß Ziffer 1 angefochten ist.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Beigeladenen an der Nordostecke des Grundstückes das Bodenmaterial im unteren Bereich der Böschung auf eine Höhe von ca. 2 m nahezu senkrecht abgegraben hätten. Auf die Beurteilung des …GmbH vom 8. Februar 2019 werde verwiesen. Am 25. März 2019 habe eine Rohrreinigungsfirma die deutliche Vergrößerung der Rissbildung im Boden des Grundstücks der Antragstellerin festgestellt. Bei einem Ortstermin am 3. April 2019 habe Herr … vom … GmbH erläutert, dass zuerst der Hangfuß im unteren Grundstück stabilisiert werden müsse, durch dessen Abtragung die Instabilität des Hangs verursacht worden sei. Erst dann, soweit erforderlich, seien im oberen Bereich des Grundstückes der Antragstellerin Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen.
Der beauftragte Statiker des Ingenieurbüros für Tragwerksplanung …, habe bei einem Ortstermin am 9. April 2019 festgestellt, dass für den Riss im Boden auf ihrem Grundstück die Arbeiten am talseitigen Grundstück ursächlich seien. Der ehemals bepflanzte Hang habe durch die Entfernung der Bäume und Büsche seine Festigkeit verloren und drohe weiter abzurutschen. Es sei dringend erforderlich, im Tal (Hang – Anfang) Maßnahmen zur Hangsicherung, zum Beispiel durch eine Stützwand, zu errichten. Für die Standsicherheit der Gebäude bestünden zurzeit keine Bedenken.
Die Antragstellerin habe daraufhin die Firma … Bauunternehmen beauftragt, eine im Hang verlaufende Mauer rückzubauen, um ein etwaiges Abrutschen der Wand zu verhindern. Die Firma … habe jedoch mit Schreiben vom 1. Mai 2019 ihr mitgeteilt, dass im Bereich des Hangfußes der Hang stabilisiert werden müsse, bevor im oberen Bereich des Grundstücks irgendwelche Arbeiten durchgeführt werden können. Ohne entsprechende Stabilisierung des Hanges im Hangfußbereich bestehe die Gefahr, dass durch Vibration von Geräten oder auch durch das Betreten des Hangs dieser nach unten abrutsche.
Die Antragsgegnerin fordere Sicherungsmaßnahmen, ohne solche konkret zu benennen. Zudem verstehe die Antragsgegnerin nicht, dass zunächst der Hangfuß im unteren Grundstück stabilisiert werden müsse, was die Antragsgegnerin gegenüber den Eigentümern dieses Grundstücks angeordnet habe, dies aber bislang umfänglich nicht geschehen sei. Allenfalls nach Sicherung des Hangfußes könne die Antragstellerin Sicherungsmaßnahmen auf ihrem Grundstück ergreifen.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2019 wurde zur Erfüllung der Anordnung Nr. 1 des Bescheides vom 03. April 2019 eine Nachfrist von einer Woche ab Zustellung dieses Bescheides bestimmt und insoweit die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 1 des Bescheides vom 2. Mai 2019). In der Nr. 2 dieses Bescheides wurde für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist ein Zwangsgeld in Höhe von 4.500,00 EUR angedroht.
Am 15. Mai 2019 erhob die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 2. Mai 2019 (AN 9 K 19.00977) und beantragte (AN 9 S 19.00976),
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2019 anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf die Klagebegründung im Parallelverfahren AN 9 K 19.00892 verwiesen. Voraussetzung für die Notsicherungsmaßnahmen auf dem Grundstück der Antragstellerin sei, dass zunächst die Sicherungsmaßnahmen auf dem Grundstück der Beigeladenen ergriffen würden. Dort sei die Ursache für das drohende Abrutschen des Hanges gesetzt worden. Diese Auffassung vertrete auch der Sachverständige der … GmbH in seinen gutachterlichen Stellungnahmen, auf die Bezug genommen werde.
Die Antragsgegnerin erwiderte auf die beiden Klagen und Anträge mit Schriftsatz vom 6. Juni 2019 und beantragte,
die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im zeitlichen Zusammenhang mit Bauarbeiten auf dem Anwesen der Beigeladenen es zu Bodenabsenkungen auf dem angrenzenden, höher gelegenen Anwesen der Antragstellerin gekommen sei. Dieses sei grenznah mit einem Wohngebäude bebaut. Auf Fotoaufnahmen seien Setzungsrisse im grenznahen Gartenbereich, an der Terrasse und am Gebäude der Antragstellerin zu erkennen. Unstreitig sei im Herbst 2018 auf dem Grundstück mit der Fl.-Nr. … im nordwestlichen Teil die untere Stützmauer entfernt worden. Eine weitere, ältere Stützmauer aus Ziegelsteinen befinde sich im oberen Teil der Böschung, wobei gegenwärtig nicht geklärt sei, zu welchem Grundstück diese Stützmauer gehöre. Auf dieser Stützmauer befinde sich ein Gartenzaun aus Maschendraht.
Gleichlautende Verfügungen mit Duldungsanordnungen – wie gegenüber der Antragstellerin – seien gegenüber den Beigeladenen ergangen.
Die Bauordnungsbehörde habe am 11. Februar 2019 das Gutachten der …GmbH vom 8. Februar 2019 erhalten. Der Außendienst der Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin habe bei einer Ortseinsicht am 12. Februar 2019 festgestellt, dass im Bereich der Grundstücksgrenze zwischen den beiden Grundstücken ein Höhenunterschied zwischen den Geländeoberkanten von ca. 4 m liege, der durch eine Böschung überbrückt werde, die in etwa einer Tiefe von ca. 3 m zum unteren Grundstück abfalle. Auf diesem Grundstück sei entlang der Böschungskante eine alte Bestandsmauer verlaufen, die in Teilen noch vorhanden sei und auf Lageplänen zu den Bauvorhaben beider Grundstücke eingezeichnet sei. Aufgrund herabfallender Steine aus dem Bestandsmauerwerk hätten die Beigeladenen einen Sichtschutz in Form von auszugießenden Hohlmauerwerksteinen entlang der alten Bestandsmauer errichtet. Zum Zeitpunkt der Begehung sei diese neue, vorgesetzte Mauer bereits ca. zur Hälfte errichtet und der Hohlraum zwischen neuer und alter Mauer nach Angaben der Bauherrn mit Sand verfüllt worden. Die Hohlbausteine seien noch nicht mit Beton vergossen worden. Die nördliche Hälfte der Mauer sei bereits beseitigt worden. Ebenfalls sei die ehemalige, an der nördlichen Grundstücksgrenze über dem Grundstück erhabene und gegen die Böschung gelehnte Terrasse beseitigt worden. Auf dem Grundstück der Antragstellerin habe sich im Bereich oberhalb der durch die Beigeladenen beseitigten Mauer und Terrasse ein Senkriss gebildet, der sehr nah an das Bestandsgebäude der Antragstellerin heranrücke und von Nord nach Süd auf einer Länge von ca. 6-9 m verlaufe. Das Gelände scheine sich in Richtung der fehlenden Bestandsmauer und der beseitigten Terrassenfläche zu neigen. Die Lage der Senkkante spreche dafür, dass die Bauarbeiten auf dem Grundstück Fl.-Nr. …zu der Senkung des Hanges geführt haben.
Nach Auffassung des Statikers … liege keine Gefahr vor. Anfang Mai werde eine Stützwand errichtet. Zudem bezweifle der Statiker, dass die Erdbewegungen durch die Aushubarbeiten der Beigeladenen entstanden seien. Die vorhandene Stützwand an der Grundstücksgrenze sei für die Erdlasten auf dem Hof des Grundstückes der Antragstellerin nicht ausreichend. Die Bindemittel in den Mauerwerksfugen würden alters- und witterungsbedingt ihren Halt verlieren. Zudem sei der Verdacht geäußert worden, eine nicht funktionierende Grundstücksentwässerung habe zu den Absenkungen geführt.
Im Rahmen einer Ortseinsicht durch den Außendienst des Prüfamtes für Standsicherheit bei der Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin am 28. März 2019 sei festgestellt worden, dass nach wie vor ein Abrutschen des Hanges drohe. Aufgrund dessen seien die Eigentümer beider Anwesen jeweils für ihre Grundstücke mit E-Mail vom 29. März 2019 aufgefordert worden, bis spätestens 1. April 2019 die Gefahr für Leib und Leben abzuschaffen und eine Bestätigung des beauftragten Sachverständigen über die Erfüllung der geforderten Maßnahmen vorzulegen.
Eine weitere Ortseinsicht durch den Außendienst der Antragsgegnerin am 2. April 2019 habe ergeben, dass im Garten des Anwesens der Antragstellerin der betroffene Bereich mit einem Absperrband gesichert worden sei. Der Statiker … habe telefonisch am 9. April 2019 mitgeteilt, er könne keine Sicherungsmaßnahmen durchführen, da aufgrund fehlender Sicherungsmaßnahmen vom Oberliegergrundstück herabfallende Steine zu erwarten seien.
Bei einer Ortseinsicht am 15. April 2019 durch die Antragsgegnerin sei festgestellt worden, dass die Antragstellerin den betroffenen Bereich im Garten mit weiteren Folien überdeckt und zu dem bestehenden Absperrband gelbe Warnschilder angebracht habe.
Für die Gefahrenbeseitigung seien nach öffentlichem Recht die Eigentümer beider angrenzenden Grundstücke als Gesamtschuldner verantwortlich. Die Antragstellerin sei zumindest Zustandsverantwortliche im Sinne des Sicherheitsrechts, da ohne die obere Mauer an der Grundstücksgrenze sich der Boden auf dem eigenen Grundstück durch Schwerkraft und Erosion löse und ins Rutschen gerate. Die Antragsgegnerin könne nicht über die fachliche Frage entscheiden, ob zunächst Maßnahmen am Hangfuß in Auftrag gegeben werden müssten, bevor die Antragstellerin im oberen Bereich des Hanges tätig werden könne. Die Antragsgegnerin sehe die Eigentümer beider Grundstücke in der Verpflichtung, die Gefahrenlage durch ein aufeinander abgestimmtes Vorgehen zu beseitigen.
Am 19. Juli 2019 ergänzte die Antragstellerin ihren Vortrag dahingehend, dass das Auffangen der Erdlasten nur durch Stabilisierung des Hangfußes vom Grundstück der Beigeladenen zu erreichen sei, ein Abfangen der Erdlasten „von oben“ sei nicht möglich. Dies bestätige die Stellungnahme der …GmbH vom 8. Februar 2019 als auch das Ingenieurbüro für Tragwerksplanung … mit Schreiben vom 12. April 2019. Sicherungsmaßnahmen am Grundstück der Antragstellerin seien allenfalls durch einen Rückbau/Teilrückbau der oberen Grenzmauer oder ein Übernetzen der oberen Grenzmauer möglich. Dies setze voraus, dass zunächst der Hangfuß stabilisiert werde. Die Firma … Bauunternehmen weigere sich im Schreiben vom 1. Mai 2019, das Grundstück zur Ausführung solcher Maßnahmen zu betreten. Die Antragsgegnerin mache es sich zu einfach, allgemein die Ergreifung von Maßnahmen mit Hinweis auf den Verantwortungsbereich der Antragstellerin zu fordern. Zudem verkenne die Antragsgegnerin, dass einzig und allein die Beigeladenen durch Abgraben des Hangfußes die bestehende Situation geschaffen haben und es daher – sowohl zivilrechtlich als auch öffentlich-rechtlich – alleine an diesen liegt, die Ursache für die Destabilisierung des Hanges zu beseitigen.
Mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 26. Juli 2019 wurde die ergänzende Stellungnahme der …GmbH vom 26. Juli 2019 vorgelegt, woraus sich ergebe, dass die von den Beigeladenen vorgenommene Vorschüttung am Hangfuß nicht ansatzweise als Notsicherungsmaßnahme geeignet sei, um dem Hang die notwendige Stabilität zu verleihen. Die Bescheide der Antragsgegnerin seien rechtswidrig und aufzuheben, da sie von der Antragstellerin etwas tatsächlich Unmögliches bzw. nicht Zumutbares verlangten. Im Übrigen sei die Inanspruchnahme der Antragstellerin ermessensfehlerhaft, da Handlungsstörer die Beigeladenen seien.
Der Sachverständige … der …GmbH kommt in den Ausführungen vom 26. Juli 2019 zu dem Ergebnis, dass die schmale Vorschüttung auf dem Unterliegergrundstück unter einem Böschungsneigungswinkel von 33° bis 36° liege und nicht bis zur erkennbaren Oberkante der ehemaligen unteren Stützmauer führe. Es sei mit einem Sand locker aufgefüllt worden, der einen geringen Kieskornanteil aufweise, ohne dass eine Verdichtung eingebracht worden sei. Das sandige Material der Vorschüttung lasse sich bereits mit geringer mechanischer Einwirkung lösen und reiche nicht aus, um die Standsicherheit der Böschung, wie sie vor der erfolgten Abgrabung vorgelegen habe, wiederherzustellen. Am 23. Mai 2019 habe das Vermessungsamt die Grenzpunkte zwischen den Grundstücken der FlNrn. … und … neu vermessen und vermarkt. Die neuen Grenzmarkierungen sowie die farblich gekennzeichneten Hilfs- und Zwischenpunkte seien beim Ortstermin zusammen mit den Parteien und den Parteivertretern besichtigt worden Die Abrisskante und die Rissbildungen auf dem Grundstück mit der FlNr. … hätten sich seit dem letzten Ortstermin vom 3. April 2019 nicht wesentlich verändert.
Ursächlich für die Böschungsrutschung im Grenzbereich der beiden Grundstücke sei die am Böschungsfuß vorgenommene unsachgemäße Abgrabung mit einer dokumentierten freien, fast senkrechten Böschungshöhe von 2 m. Hierdurch seien die Bodenaushubsgrenzen gemäß DIN 4123:2013-04 nicht eingehalten und die gemäß DIN 4124:2012-01 zulässigen Böschungswinkel deutlich überschritten. Zur Sicherung des Böschungssprunges seien zur Vermeidung von weiteren Hangbewegungen bauliche Maßnahmen erforderlich wie zum Beispiel statisch bemessene Winkelstützmauern aus Beton, Schwergewichtsmauern, Gabionen oder auch eine Bodenvernagelung. Die Baumaßnahmen zur Sicherung der Böschung, die unverzüglich einzuleiten seien, erfolgten naturgemäß von unten nach oben, d. h. beginnend auf dem Unterliegergrundstück. Bei einem Fortschreiten der Böschungsrutschung sei die Standsicherheit des Wohnhauses der Klägerin gefährdet. Bei stärkeren oder länger anhaltenden Niederschlägen werde die bereits eingetretene Böschungsrutschung weiter aktiviert.
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 20. August 2019 wurden die Eigentümer des Grundstückes mit der FlNr. …, Gemarkung …, …in …, zum Verfahren notwendig beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegenden Behördenakten sowie auf die Gerichtsakten (auch hinsichtlich AN 9 K 19.00892, AN 9 S 19.00976 und AN 9 K 19.00977) verwiesen.
II.
Die zulässigen Anträge haben Erfolg.
I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. April 2019 wird hinsichtlich der Nr. 1 wiederhergestellt und hinsichtlich der Nr. 4 angeordnet, soweit sich die Androhung des Zwangsgeldes auf die Nr. 1 bezieht. Zwar erfolgte die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Nr. 5 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3. April 2019 formell ordnungsgemäß, im Rahmen der vorzunehmenden summarischen Prüfung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage in der Hauptsache durch das Gericht überwiegen jedoch die Interessen der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des Bescheides. Im Rahmen der durch das Gericht zu treffenden originären Entscheidung erweist sich die Anfechtungsklage gegen die Nr. 1 und die Nr. 4, soweit sie sich auf die Androhung des Zwangsgeldes in der Nr. 1 bezieht, des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3. April 2019 als zulässig und begründet, da die Antragsgegnerin ihr Ermessen im Rahmen der Auswahlentscheidung hinsichtlich der in Betracht kommenden Störer fehlerhaft ausgeübt hat.
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Nr. 5 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3. April 2019 ist ordnungsgemäß erfolgt.
Die Antragsgegnerin hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids ausreichend und schriftlich begründet (§§ 80 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 VwGO).
Die Begründung muss auf den konkreten Einzelfall abstellen und darf nicht lediglich formelhaft sein. Die im Rahmen der geforderten Begründung angeführten Gründe müssen über das Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes hinausgehen, jedoch sind an die Begründung der Anordnung keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014 § 80 RdNr. 80).
Die Antragsgegnerin hat ausreichend in der Begründung des Bescheides ausgeführt, dass die getroffenen Anordnungen gegenüber der Antragstellerin als Notstandsmaßnahmen im öffentlichen Interesse geboten sind und insbesondere im konkreten Fall aufgrund des sicherheitsgefährdenden Zustandes durch das Abrutschen der Böschung Gefahr für Leib und Gesundheit in Verzug besteht.
2. Des Weiteren trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Überprüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Im vorliegenden Fall fällt die vorzunehmende Abwägung zugunsten der Antragstellerin aus, da ihre Interessen an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegenüber den öffentlichen Interessen der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung überwiegen. Nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ist die Nr. 1 in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. April 2019 rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Dabei kann im konkreten Fall offen bleiben, ob auf Art. 54 Abs. 4 BayBO (Anforderungen an bestandsgeschützte Gebäude) – wie von der Antragsgegnerin in der Begründung des Bescheides erfolgt – zurückgegriffen werden musste. Die mit dem Bescheid getroffenen Anordnungen von Notsicherungsmaßnahmen bei einer – wie hier gegebenen – Gefahr für Personen durch herabstürzende Steine können auch auf die allgemeine Befugnisnorm des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO gestützt werden (vgl. Beispiele bei Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 54 Rn. Rdnr. 52 m.N. aus der Rechtsprechung). Ein etwa nötiger Austausch der Rechtsgrundlage ist möglich; die Begründung für die bescheidmäßig getroffenen Regelungen würde nicht in ihrem Wesen geändert (vgl. etwa BayVGH, B.v. 5.3.2018 – 8 ZB 16.993 – juris Rn. 10 m.w.N.).
Im Übrigen lagen in Übereinstimmung mit den unbestrittenen Ausführungen der Antragsgegnerin die Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 4 BayBO vor. Eine konkrete, erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit folgt aus dem Zustand, dass im unteren Bereich der Böschung entlang des Grenzverlaufs zwischen dem Grundstück der Antragstellerin mit der FlNr. … und dem Grundstück der Beigeladenen mit der FlNr. … der Gemarkung … in … eine ungesicherte Hanglage besteht, die bei zusätzlicher Belastung wie beispielsweise Witterung, Bauarbeiten usw. abzurutschen droht. Der Sachverständige der …GmbH führt hierzu in seinen Stellungnahmen vom 8. Februar 2019, 3. April 2019 und 26. Juli 2019 aus, dass aufgrund der auf dem Grundstück der Antragstellerin eingetretenen deutlichen Rissbildungen mit dem Beginn einer Hang- bzw. Böschungsnutzung am Kopf der Böschung kurzfristiger Handlungsbedarf im streitgegenständlichen Bereich gegeben ist. In der Vergangenheit sind bereits nach den Ausführungen des Ingenieurs/Statikers …Steine aus dem oberen Bestandsmauerwerk auf das Unterliegergrundstück mit der FlNr. … gefallen. Bei einem Fortschreiten der Böschungsnutzung ist zudem die Standsicherheit des Wohnhauses … …straße … gefährdet.
Nach summarischer Prüfung hat jedoch die Antragsgegnerin zu Unrecht (auch) gegenüber der Antragstellerin als Eigentümerin und damit Zustandsverantwortlicher des Grundstücks mit der FlNr. … die Durchführung von Notsicherungsmaßnahmen angeordnet, um das weitere Abrutschen der Böschung im westlichen Bereich des Anwesens …straße … und in diesem Zusammenhang ein Herabfallen von Steinen aus dem Mauerwerk zu verhindern.
Die Antragstellerin ist als Eigentümerin des Grundstücks mit der FlNr. … Zustandsstörerin nach Art. 9 Abs. 2 LStVG. Eine darüber hinausgehende (Mit-)Ursächlichkeit für die fehlende Hangsicherung der Böschung zwischen den beiden streitgegenständlichen Grundstücken ist jedoch nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin als Verhaltensstörerin nach Art. 9 Abs. 1 LStVG zu Sicherungsmaßnahmen verpflichtet werden könnte, weil sie in der Vergangenheit eine ausreichende Unterhaltung der alten Stützmauer versäumt habe, sind weder ersichtlich noch wurde solche vorgetragen. Vielmehr ergibt sich anhand der vorzunehmenden summarischen Prüfung des Gerichts, dass die Beigeladenen als Handlungsstörer nach Art. 9 Abs. 1 LStVG vorrangig im Rahmen der von der Antragsgegnerin zu treffenden Ermessensentscheidung heranzuziehen sind.
Für die Störerauswahl im Rahmen des Art. 54 Abs. 4 und 2 BayBO sind die Grundsätze des allgemeinen Sicherheitsrechts maßgebend (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO Art. 76 Rn. 152; BayVGH, B.v. 16.03.2016 – 9 CS 16.191 – BeckRS 2016, 4..4413 Rn. 8; VG Augsburg, U.v. 11.04.2018 – Au 4 K 17.1874 – BeckRS 2018, 7100). Soweit mehrere Störer in Betracht kommen, besteht grundsätzlich ein Auswahlermessen, dessen Ausübung die Behörde auch tatsächlich zum Ausdruck bringen muss. Bei einer Mehrheit von Störern hat die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen über deren Inanspruchnahme zu entscheiden. Zur fehlerfreien Ausübung dieses Auswahlermessens gehört die Beachtung der Umstände des Einzelfalls, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gebot der schnellen und effektiven Gefahrenbeseitigung (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2015 – 9 ZB 14.1291 – juris Rn. 10; VG München, B.v. 09.07.2012 – M 1 S 12.2343 – BeckRS 2012, 56910). Raum für eine Auswahlentscheidung bleibt dann, wenn bekannt oder ohne weiteres feststellbar ist, dass mehrere Personen und gegebenenfalls welche Personen als Störer in Betracht kommen, wobei die Behörde nicht verpflichtet ist, quasi als Vorstufe zu einer Auswahlentscheidung weitere, zeitraubende Untersuchungen zur Störerauswahl zu machen und alle möglichen Störer zu ermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 16.03.2016 – 9 CS 16.191 – BeckRS 2016, 44413 – beck-online). Der Eigentümer kann nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG als Zustandsverantwortlicher und Inhaber der tatsächlichen Gewalt für die Beseitigung der Gefahr herangezogen werden, da er aufgrund eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses die Möglichkeit der unmittelbaren Einwirkung auf die Sache besetzt. Dies ist jedoch auf die Fälle beschränkt, in denen die Sache die ursächliche Quelle der Gefahr ist und diese unmittelbar mit dem Zustand der Sache in Verbindung steht. Die Zustandsstörerhaftung des Inhabers der tatsächlichen Gewalt kommt insbesondere dann in Betracht, wenn keine andere Person als vorrangiger Handlungsstörer nach Art. 9 Abs. 1 LStVG in Betracht kommt (BayVGH, B.v. 04.04.2016 – 10 ZB 14.2380 – BeckRS 2016, 4..5084 Rn. 10).
Die Kammer ist bei summarischer Prüfung im Rahmen ihrer Prüfungskompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO) der Auffassung, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung, vorrangig und ausschließlich die Beigeladenen als Handlungsstörer nach Art. 9 Abs. 1 LStVG für die Anordnung der Notsicherungsmaßnahmen heranzuziehen hat – wie auch bereits mit gleichlautenden Bescheiden vom 3. April 2019 erfolgt. Eine gleichzeitige Inanspruchnahme der Antragstellerin und damit eine Haftung beider Eigentümer der streitgegenständlichen Grundstücke als Gesamtschuldner scheidet demgegenüber aus.
Die Beigeladenen sind aufgrund ihrer Doppelstörereigenschaft vorrangig gegenüber der Antragstellerin als Verpflichtete für die Anordnung von Notsicherungsmaßnahmen verantwortlich. Zum einen sind sie als Handlungsstörer aufgrund der seit September 2018 durchgeführten baulichen Veränderungen in Form der erheblichen Abgrabungen des alten Bestandsmauerwerks auf ihrem Grundstück für die fehlende Sicherheit der Böschung verantwortlich und zum anderen haben sie es als Eigentümer (bislang) unterlassen, Hangsicherungsmaßnahmen auf ihrem Grundstück durchzuführen, um im gefährdeten Bereich auf ihrem Grundstück eine dauerhafte Sicherung des Hanges vorzunehmen.
Im Hinblick auf den Inhalt sowohl der gutachterlichen Beurteilung des …GmbH vom 8. Februar 2019, dem Schreiben des Ingenieurbüro … vom 12. April 2019, der Stellungnahme der Firma … Bauunternehmen vom 1. Mai 2019, der Stellungnahme des Ingenieurbüro für Baustatik …vom 15. Mai 2019 sowie den eigenen Feststellungen der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer durchgeführten Ortseinsicht am 11. Februar 2019, konkretisiert in dem Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 12. Februar 2019, und auch aufgrund der zahlreichen Bilder in den vorgelegten Behördenakten kommt die Kammer zu der Überzeugung, dass die umfangreichen baulichen Veränderungen auf dem Grundstück der Beigeladenen, bei denen am Fuß der Böschung auf dem Unterliegergrundstück auf eine Höhe von ca. 2 m nahezu senkrecht Bodenmaterial in erheblichem Umfang abgegraben wurde, ursächlich dafür sind, dass es auf dem Grundstück der Antragstellerin zu der erheblichen Rissbildung mit ca. 9 m Länge gekommen ist und nunmehr eine ungesicherte Hanglage mit dem Beginn einer Hang- bzw. Böschungsrutschung besteht. Bestätigt wird dies durch die weiteren Ausführungen in den Stellungnahmen des Sachverständigen … der … … GmbH vom 3. April 2019 und 26. Juli 2019, wonach eine kraftschlüssige Verfüllung an der Mauerrückseite zur anschließenden Böschung auf dem Unterliegergrundstück nicht vorhanden ist und die bereits vorgenommene lockere Auffüllung mit sandigen Material ohne Verdichtung nicht ausreicht, um die Standsicherheit der Böschung, wie sie vor der erfolgten Abgrabung vorlag, wiederherzustellen. Aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakten ist zweifelsfrei ersichtlich, dass im östlichen Bereich auf dem Grundstück mit der
Fl.-Nr. … ehemals eine ältere Stützmauer aus Ziegelsteinen zur Hangsicherung vorhanden war, die sich vollständig auf dem Grundstück der Nachbarn mit der Fl.-Nr. … befand. Auch nach der erneut durchgeführten Vermessung des Grenzverlaufs zwischen den beiden Grundstücken ist es anscheinend zu keiner anderen Beurteilung gekommen, da der Sachverständige … in seiner Stellungnahme vom 22. Juli 2019 hierzu ausführt, dass am 23. Mai 2019 durch das Vermessungsamt die Grenzpunkte zwischen den Grundstücken mit den Fl.-Nrn. … und … neu vermessen und vermarkt wurden und die neuen Grenzmarkierungen sowie die farblich gekennzeichneten Hilfs- und Zwischenpunkte bei dem gemeinsamen Ortstermin der Beteiligten am 22. Juli 2019 besichtigt wurden. Eine Änderung der bisherigen Eigentumsverhältnisse, wie sie sich aus den vorgelegten Behördenakten ergeben, wonach die alte Bestandsmauer vollständig auf dem Grundstück der Beigeladenen liegt, und auf die die Antragsgegnerin in ihrer Klageerwiderung Bezug nimmt, wurde seitens der Parteien nicht vorgetragen. Die Ausführungen des Sachverständigen vom 26. Juli 2019 wurden auch bislang nicht bestritten.
Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin aufgrund des Ortstermins am 12. Februar 2019 sind nur noch Teile der ursprünglichen komplett vorhandenen Stützmauer vorhanden und das Gelände scheint sich in dem Bereich zu neigen, in dem auf dem Unterliegergrundstück die alte Bestandsmauer und das Terrassenbauwerk durch die Beigeladenen beseitigt wurde. Aufgrund der Stellungnahme der Firma … Bauunternehmen vom 1. Mai 2019 führt die Beseitigung von Büschen und Sträuchern auf dem 4 m hohen Hang, die mit der Mauer verwachsen waren und hierdurch zusätzlichen Halt durch deren Wurzelwerk gegeben haben, zu einer weiteren Destabilität der Hanglage. Die von den Beigeladenen vorgenommene Abgrabung auf dem Grundstück mit der FlNr. … ist zudem nach den fundierten und nicht bestrittenen Folgerungen des Sachverständigen … von der … GmbH vom 26. Juli 2019 fehlerhaft erfolgt, da die Bodenaushubgrenzen gemäß DIN 4123:2013-04 nicht eingehalten wurden und die zulässigen Böschungswinkel gemäß DIN 4124:2012-01 deutlich überschritten sind.
Die neue und nur zum Teil errichtete Mauer auf dem Nachbargrundstück mit einer Auffüllung von Sand mit geringem Kieskornanteil bietet demgegenüber nach den Feststellungen der Antragsgegnerin im Rahmen der Ortstermine vom 11. Februar 2019, 28. März 2019, 2. April 2019 und 15. April 2019 sowie den Ausführungen des Sachverständigen der … GmbH aufgrund der fehlenden Verdichtung noch nicht die erforderliche Hangsicherung, wie sie vor der durch die Beigeladenen vorgenommenen Abgrabung und Teilentfernung der alten Stützmauer, innehatte.
Demgegenüber erscheinen die Ausführungen des von den Beigeladenen beauftragten Statikers … wenig plausibel, der in seiner Stellungnahme vom 21. Februar 2019 bezweifelt, dass die Erdbewegungen auf dem Grundstück der Antragstellerin durch die Aushubarbeiten der Beigeladenen entstanden seien, vielmehr sei die vorhandene Stützwand an der Grundstücksgrenze für die vorhandenen Erdlasten auf dem Hof des Grundstückes der Antragstellerin nicht ausreichend und das Bindemittel in den Mauerwerksfugen würde alters- und witterungsbedingt ihren Halt verlieren. Zudem könne eine nicht funktionierende Grundstücksentwässerung zu den Absenkungen geführt habe.
Jahrzehntelang ist es bislang aufgrund der vollständig vorhandenen alten Stützwand, wie sie sich aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakten zweifelsfrei ergibt, auf dem Grundstück der Nachbarn entlang der Grundstücksgrenze zu dem Anwesen der Antragstellerin nicht zu einer unsicheren Situation der Hangböschung gekommen. Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass bauliche Veränderungen auf dem Grundstück der Antragstellerin stattgefunden haben. Vielmehr zeigte sich die erste Rissbildung auf dem Grundstück der Antragstellerin nach ihren Angaben erstmals im Januar 2019 und damit im zeitlichen Zusammenhang mit den im Herbst 2018 durchgeführten baulichen Veränderungen in Gestalt von Abgrabungen der Eigentümer des Nachbargrundstücks.
Auch die pauschale Empfehlung des Statikers … in seinem Schreiben vom 21. Februar 2019, die Antragstellerin solle die Wasserleitungen auf ihrem Grundstück dahingehend überprüfen, ob nicht eine Leitung verstopft bzw. verengt sei, führt zu keiner anderen Beurteilung.
Schließlich ergibt sich in der Gesamtabwägung ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid hinsichtlich der Anordnung von Notsicherungsmaßnahmen in der Nr. 1. Sofern sich im Nachhinein – entgegen den bisherigen fachlichen Stellungnahmen – herausstellen sollte, dass eine Mitursächlichkeit der Antragstellerin an der ungesicherten Hanglage vorliege, besteht die Möglichkeit für die Beigeladenen im zivilrechtlichen Verfahren Ausgleichsansprüche gegenüber der Antragstellerin geltend zu machen.
3. Hinsichtlich der in der Nr. 4 im Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. April 2019 enthaltenen Zwangsgeldandrohung, deren Sofortvollzug sich aus dem Gesetz ergibt (Art. 21a VwZVG), ist in der Folge die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit anzuordnen, als sich die Androhung des Zwangsgeldes auf die Nr. 1 im Bescheid bezieht.
II.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2019 wird hinsichtlich der Nr. 1 wiederhergestellt und hinsichtlich der Nr. 2 angeordnet.
Unabhängig davon, dass die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 2. Mai 2019 hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung in dessen Nr. 1 Satz 2 nach § 80 Abs. 3 VwGO nicht (ausreichend) begründet hat, überwiegen im Rahmen der vorzunehmenden summarischen Prüfung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage in der Hauptsache durch das Gericht die Interessen der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des Bescheides. Im Rahmen der durch das Gericht zu treffenden originären Entscheidung erweist sich die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2019 als zulässig und begründet, da bereits der Grundverwaltungsakt der Antragsgegnerin, nämlich der Bescheid vom 3. April 2019, nach summarischer Prüfung rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Auf die obigen Ausführungen wird hierzu verwiesen.
In der Folge ist auch die Androhung des erneuten Zwangsgeldes nach Art. 36, 29 und 18 ff. VwZVG, die in der Nr. 1 auf den Grundverwaltungsakt der Antragsgegnerin vom 3. April 2019 Bezug nimmt, rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Aus diesem Grund sind die Anträge erfolgreich.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 2 und 3 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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