Baurecht

Einzelfall eines Schrottplatzes als nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb

Aktenzeichen  W 4 K 18.613

Datum:
20.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42316
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG § 6, § 10, § 19
BauGB § 30 Abs. 1
BauNVO § 8
ZPO § 266 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein Dritter kann die Durchführung eines vereinfachten Verfahrens nach § 19 BImSchG statt des förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG nicht als Verletzung eigener Rechte geltend machen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gebietserhaltungsanspruch gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung den Nachbarn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein bei typisierender Betrachtungsweise grundsätzlich gebietsunverträglicher Betrieb ist nur dann zulassungsfähig, wenn er in der Weise atypisch ist, dass er nach seiner Art und Betriebsweise von vornherein keine Störungen befürchten lässt und damit seine Gebietsverträglichkeit dauerhaft und zuverlässig sichergestellt ist. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Anfechtungsklage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zulässig, aber nicht begründet. Die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 19. April 2018 verletzt den Kläger nicht in dessen Rechten.
1. Die Klage ist zulässig.
1.1. Aufgrund der Übernahmeerklärung vom 10. Mai 2019, welche sich ausweislich der dahingehenden Klarstellung im Schriftsatz vom 10. Juli 2019 auf das Hauptsacheverfahren bezog, trat der Kläger nach erfolgtem Grundstückserwerb als Rechtsnachfolger der vormaligen Klägerin im laufenden Prozess an deren Stelle, sodass der Grundstückserwerber als nunmehr alleiniger Kläger im vorliegenden Verfahren anzusehen ist, §§ 173 VwGO, 266 Abs. 1 ZPO (vgl. auch die diesbezüglichen Ausführungen des BayVGH im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, Az. 22 CS 18.2247).
1.2. Dem Kläger steht die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zu fordernde Klagebefugnis zu. Als Eigentümer eines im entsprechenden Gewerbegebiet befindlichen Grundstücks kann sich der Kläger vorliegend jedenfalls auf die Möglichkeit der Verletzung seines Gebietserhaltungsanspruchs berufen. Dieser Anspruch gewährt Grundstückseigentümern in einem Baugebiet das Recht, das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit auch die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung zu verhindern (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Werkstand: 139. EL, August 2020, § 15 BauNVO Rn. 37). Da es dementsprechend nicht auf eine tatsächliche Beeinträchtigung ankommt, geht der insofern vorgebrachte Einwand des Landratsamts fehl, die Klagebefugnis müsse bezweifelt werden, da sich etwaige Immissionsbeeinträchtigungen durch die streitgegenständliche Anlage aufgrund der räumlichen Entfernung im Irrelevanzbereich befinden würden und somit eine Betroffenheit der Klagepartei zu verneinen sei. Ebenso wenig kann dem Beigeladenenvertreter dahingehend gefolgt werden, dass eine Klagebefugnis nicht vorläge, da ein etwaiger Gebietserhaltungsanspruch von Beginn an ausscheiden würde. Für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage reicht allein die Möglichkeit einer behaupteten Rechtsverletzung aus. Es genügt, wenn die Verletzung subjektiver Rechte nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise unmöglich erscheint (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 42 Rn. 66). Vorliegend ist es jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich die hier streitgegenständliche Anlage als erheblich belästigender Betrieb und damit gemäß § 8 BauNVO als unzulässig erweisen könnte und somit der Kläger in seinem Gebietserhaltungsanspruch verletzt wäre. Die Frage, ob der Betrieb tatsächlich im streitgegenständlichen Baugebiet unzulässig ist oder nicht, ist dagegen eine Frage der Begründetheit der Klage.
2. Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Genehmigungsbescheid vom 19. April 2018 verletzt den Kläger nicht in dessen subjektiven Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Hinsichtlich des Prüfungsumgangs gilt es zu beachten, dass es sich vorliegend um eine Anfechtungsklage des Eigentümers eines Nachbargrundstücks im Baugebiet gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung handelt. Ein Nachbar, der eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) anficht, kann mit seiner Klage nur dann Erfolg haben, wenn er durch die Genehmigung in eigenen (subjektiven) Rechten verletzt wird. Solche eigenen Rechte vermitteln insbesondere nachbarschützende Normen, die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 6 Abs. 1 BImSchG zu prüfen sind.
2.1. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die streitgegenständliche Genehmigung nicht im vereinfachten Verfahren gemäß § 19 BImSchG ohne Öffentlichkeitsbeteiligung hätte erteilt werden dürfen.
Denn ein Dritter kann die Durchführung eines vereinfachten Verfahrens nach § 19 BImSchG statt des förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG nach in der Rechtsprechung ganz herrschender Auffassung grundsätzlich schon nicht als Verletzung eigener Rechte geltend machen (vgl. VGH BW, B.v. 25.11.2014 – 10 S 1920/14 – juris Rn. 9; OVG RhPf, U.v. 7.10.2009 – 1 A 10872/07 – juris Rn. 48, insoweit bestätigt durch BVerwG, B.v. 29.12.2010 – 7 B 6/10 – juris). Entscheidend für den Erfolg einer Drittanfechtungsklage ist danach allein, ob eigene materielle Rechte des Drittbetroffenen verletzt sind.
Unabhängig von der Frage der Rügbarkeit einer falschen Verfahrenswahl liegt der vonseiten des Klägers geltend gemachte Verfahrensfehler im Übrigen aber auch nicht vor. Das Landratsamt durfte richtigerweise ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach Maßgabe des § 19 BImSchG durchführen. Der Klägerbevollmächtigte führt in diesem Zusammenhang aus, es handle sich bei der genehmigten Anlage um eine solche i.S.v. Ziffer 8.14.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV, für die ein Genehmigungsverfahren gemäß § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung hätte durchgeführt werden müssen. Eine derartige Anlage wurde vorliegend jedoch weder beantragt, noch genehmigt. Auch der Vortrag der Klägerseite, wonach die erteilte Genehmigung u.a. auch die Annahme von Eisenfeil- und -drehspänen umfasse, solche jedoch entgegen der Ansicht des Landratsamts als gefährliche Abfälle einzustufen seien, sodass die Lagerkapazitäten für gefährliche Abfälle gemäß Ziffer 8.12.1.1. des Anhangs 1 der 4. BImSchV überschritten werden würden und somit ein Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen gewesen wäre, verfängt nicht. Ausweislich der in der Genehmigung unter Ziffer III. 4.1.1. aufgelisteten Abfälle umfasst die Genehmigung nur die Annahme tropffreier Feil- und Drehspäne. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei diesen tropffreien Spänen jedoch nicht um gefährliche Abfälle. Laut den „Hinweisen zur abfallrechtlichen Einstufung von mit Kühlschmierstoffen verunreinigten Metallspänen“ des Bayerischen Landesamts für Umwelt (Stand: 02/2018) kann ein Abfallgemisch aus Metallspänen und Kühlschmierstoffen durch geeignete physikalische Verfahren in feste Späne und liquide Kühlschmierstoffe getrennt werden. Die abgetrennten Metallspäne, an welchen lediglich Restanhaftungen von Kühlschmierstoffen vorhanden sind, die nicht mehr abtropfen, können sodann als nicht gefährlicher Abfall entsorgt werden. Da die streitgegenständliche Genehmigung ausdrücklich nur die Annahme tropffreier Feil- und Drehspäne gestattet, sind diese insoweit als ungefährliche Abfälle anzusehen. Soweit der Kläger in der Folge bezweifelt, dass sich eine praktische Tropffreiheit überhaupt umsetzen ließe, mit der Folge, dass die Späne – entgegen der Genehmigung – tatsächlich nicht tropffrei und demnach als gefährliche Abfälle einzustufen seien, führt auch dies nicht zu einer Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Genehmigung. Wie bereits ausgeführt, gestattet die erteilte Genehmigung lediglich die Annahme tropffreier Späne. Zudem ist von der Genehmigung lediglich eine Gesamtlagerlagerkapazität für gefährliche Abfälle (Bleibatterien) von maximal 10 t umfasst. Sollte die Beigeladene demgegenüber tatsächlich nicht tropffreie Späne annehmen, welche noch dazu den Umfang von 10 t für gefährliche Abfälle überschreiten würden, so verstieße sie damit zwar in mehrfacher Hinsicht gegen die ihr erteilte Genehmigung. Der Inhalt und Umfang der Genehmigung würde hierdurch jedoch nicht berührt werden, sodass hieraus auch nicht die Pflicht zur Durchführung eines Genehmigungsverfahrens gemäß § 10 BImSchG i.V.m. der 9. BImSchV unter Beteiligung der Öffentlichkeit hergeleitet werden kann. Eine Rechtsverletzung des Klägers unter diesem Gesichtspunkt scheidet daher aus.
2.2. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Rechtsverletzung infolge schädlicher Umwelteinwirkungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 BImSchG durch den streitgegenständlichen Betrieb der Beigeladenen berufen.
Schädliche Umwelteinwirkungen stehen mit Blick auf etwaige Lärmimmissionen durch den Betrieb der Beigeladenen nicht zu befürchten. Ausweislich der „Lärmtechnischen Untersuchung“ des Betriebs durch die „… … Immissionsschutz GmbH … …“ vom 27. Juni 2018 werden die einschlägigen Immissionsrichtwerte der TA-Lärm eingehalten. Diesem Ergebnis ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.
Auch kann der Kläger keine subjektive Rechtsverletzung damit begründen, dass dem Beklagten hinsichtlich der Bewertung von Staubemissionen ein kompletter Prüfungsausfall anzulasten sei, indem dieser auf die Einholung eines Gutachtens zur Luftreinhaltung verzichtet habe. Denn ein Prüfungsausfall hinsichtlich dieser Thematik kann nach Ansicht des Gerichts nicht angenommen werden. So enthält der Bescheid zum einen zahlreiche Nebenbestimmungen zur Sicherstellung der Luftreinhaltung (Ziffer III. 2.2.1.). Demnach ist unter anderem die Annahme staubförmiger Abfälle unzulässig. Auch ist angeordnet, dass Güter, die durch Anhaftungen stauben können, windgeschützt in der Halle oder in dreiseitig geschlossenen Boxen zu lagern sind. Zudem setzt sich das Landratsamt auch in den Gründen des Bescheids unter Ziffer II. 5.3.2 mit der entsprechenden Thematik auseinander. Einer darüberhinausgehenden Einholung eines Gutachtens zur Luftreinhaltung bedurfte es aus Sicht des Gerichts dagegen nicht, da insbesondere aufgrund der genannten Nebenbestimmungen nicht mit erheblichen Staubemissionen zu rechnen ist, welche die Notwendigkeit einer Begutachtung rechtfertigen würden. Diese Annahme bestätigte sich auch im Rahmen des gerichtlichen Augenscheintermins. Wie auf den Lichtbildern zu erkennen, befanden sich auf dem Betriebsgelände für einen Schrottplatz lediglich geringfügige Staubverunreinigungen, sodass davon auszugehen ist, dass die entsprechenden Nebenbestimmungen ausreichend sind, um schädliche Umwelteinwirkungen durch etwaige Staubbelastungen – insbesondere auch zu Lasten des 170 m vom Betriebsgrundstück entfernt gelegenen Klägergrundstücks – auszuschließen.
Schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsbelästigungen liegen ebenfalls nicht vor. Inwieweit die Lagerung und Sortierung überwiegend von Eisen- und Nichteisenschrotten zu einer erheblichen Geruchsbelästigung führen sollte, ist für das Gericht nicht erkennbar. Wahrnehmbare belästigende Gerüche konnte das Gericht vor Ort dementsprechend auch nicht feststellen.
2.3. Ein Verstoß der streitgegenständlichen Genehmigung gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts gemäß §§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, 29 ff. BauGB ist ebenfalls nicht gegeben. Gemäß § 13 BImSchG schließt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung die erforderliche Baugenehmigung ein, weshalb das Vorhaben den bauplanungsrechtlichen Vorgaben (vgl. Art. 56 Satz 2, 59 f. BayBO, § 29 ff. BauGB) genügen muss.
2.3.1.
Das mit dem streitgegenständlichen Bescheid genehmigte Vorhaben verletzt den Kläger nicht in dessen bauplanungsrechtlichem Gebietserhaltungsanspruch.
Der Gebietserhaltungsanspruch wurde in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes begründet (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151). Er gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung den Nachbarn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht (vgl. Stühler, BauR 2011, 1576/1577; Decker, JA 2007, 55/56). Denn die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 a.a.O.).
Sowohl das Betriebsgrundstück, als auch das Klägergrundstück befinden sich in einem durch den Bebauungsplan „S …“ festgesetzten Gewerbegebiet gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 1 Abs. 2 Nr. 9, Abs. 3 Satz 1 und 2, § 8 BauNVO.
Unter Berücksichtigung der beim gerichtlichen Augenschein gewonnenen Eindrücke und Erkenntnisse kommt das Gericht zu der Auffassung, dass der mit dem angefochtenen Bescheid genehmigte Betrieb der Beigeladenen in einem Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO als zulässig anzusehen ist und somit der entsprechenden Festsetzung des Bebauungsplans zur Gebietsart nach § 30 Abs. 1 BauGB entspricht. Ein Abwehranspruch des Klägers gegen den streitgegenständlichen Betrieb gerichtet auf die Erhaltung der Gebietsart scheidet damit aus. Die darüber hinaus zwischen den Parteien umstrittene Frage hinsichtlich einer etwaigen Funktionslosigkeit der entsprechenden Festsetzung des Bebauungsplans aufgrund einer intensiv-gewerblichen bis industriellen Prägung des Baugebiets bedarf daher keiner abschließenden Entscheidung und kann vorliegend offengelassen werden.
In einem Gewerbegebiet sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe zulässig, nach § 8 Abs. 1 BauNVO jedoch nur, soweit es sich um „nicht erheblich belästigende“ Gewerbebetriebe handelt.
Ob der genehmigte Betrieb der Beigeladenen im vorliegenden Gewerbegebiet zulässig ist, richtet sich dementsprechend danach, ob er das Merkmal eines „nicht erheblich belästigenden Gewerbebetriebes“ im Sinne der Gebietscharakteristik des § 8 Abs. 1 BauNVO erfüllt. Für die Beurteilung dieser Frage ist grundsätzlich von einer typisierenden Betrachtungsweise auszugehen. Zu fragen ist danach, ob das zur Genehmigung gestellte Vorhaben einem bestimmten Anlagentyp zugeordnet werden kann, der dem Gebietscharakter des Gewerbegebiets entspricht, oder ob Vorhaben dieser Art aufgrund der typischerweise mit ihnen verbundenen Störungen generell geeignet sind, die Umgebung erheblich zu belästigen und daher grundsätzlich als gebietsunverträglich einzustufen sind. Ein bei typisierender Betrachtungsweise grundsätzlich gebietsunverträglicher Betrieb ist nur dann zulassungsfähig, wenn er in der Weise atypisch ist, dass er nach seiner Art und Betriebsweise von vornherein keine Störungen befürchten lässt und damit seine Gebietsverträglichkeit dauerhaft und zuverlässig sichergestellt ist (vgl. etwa OVG Bremen, B.v. 22.5.2017 – 1 LA 308/15 – juris Rn. 13 m.w.N.).
Hinsichtlich der typisierenden Betrachtungsweise im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass es zwar eine große Bandbreite von Betriebsformen von Schrottplätzen gibt. Jedoch kann – so auch der erkennende Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – schon die Betriebsform des Lagerns bei insoweit begrenzt typisierender Betrachtung für die Annahme einer erheblichen Belästigung zugrunde gelegt werden, weil wegen der Notwendigkeit des Auf-, Ab- oder Umlagerns erheblicher Lärm erzeugt wird (vgl. auch BayVGH, B.v. 11.7.2013 – 22 ZB 13.331 – juris Rn. 18 f.). Allerdings stellt sich der Betrieb der Beigeladenen nach Auffassung des Gerichts nach seiner Art und Betriebsweise als atypisch dar, mit der Folge, dass von diesem keine erheblichen Belästigungen zu erwarten sind.
Soweit das Gericht in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2018 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az. W 4 S 18.803) von einem industrietypischen Störpotential der Anlage und daher von einem erheblich belästigenden Betrieb ausgegangen ist, hält die erkennende Kammer an diesen Ausführungen nicht mehr fest. Im Rahmen des gerichtlichen Augenscheins auf dem Betriebsgrundstück der Beigeladenen stellte sich die Situation grundlegend anders dar, sodass das Gericht – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – nunmehr zu der Überzeugung gelangt ist, dass es sich bei dem Betrieb der Beigeladenen um einen in atypischer Weise nicht erheblich störenden und damit in einem Gewerbegebiet gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässigen Gewerbebetrieb handelt.
Zwar bleibt es dabei, dass sich die genehmigte Gesamtlagerkapazität mit 1.495 t als erheblich erweist und an der Grenze dessen ist, was gem. Ziffer 8.12.3.2. des Anhangs 1 der 4. BImSchV im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG zugelassen werden kann. Auch finden Teile der Arbeiten insbesondere bezüglich des Lagerns, aber auch bezüglich des Behandelns in der Form des Sortierens von Fe-Abfällen und Schrotten unter freiem Himmel statt. Dennoch erweist sich der streitgegenständliche Betrieb der Beigeladenen aus Sicht der erkennenden Kammer nach den Eindrücken und Erkenntnissen des Ortstermins als in atypischer Weise nicht erheblich störend. Hierfür sprechen zunächst die im Rahmen des Augenscheins vorgefundenen baulichen Anlagen zur Minimierung der von dem Betrieb ausgehenden Emissionen. So ist das Betriebsgelände zu einem erheblichen Teil (1.535 m2) mit einer dreiseitig umschlossenen Halle eingehaust, sodass jedenfalls für die darin verrichteten Arbeiten, insbesondere das Lagern und Sortieren von NE-Metallen, von einer deutlichen Lärmminderung auszugehen ist. Dem diesbezüglichen Einwand der Klägerseite, eine Einhausung könne lediglich dann zur Begründung einer Atypik herangezogen werden, wenn diese in alle Richtungen umschlossen sei, kann vorliegend nicht gefolgt werden. Denn die Tatsache, dass die Halle an einer Seite nicht geschlossen ist, ändert an der lärmmindernden Wirkung im Vergleich zu einem typischen Schrottplatz unter „freiem Himmel“ nichts (vgl. auch BayVGH, B.v. 22.5.2019 – 22 CS 18.2247 – juris). Nichts Anderes gilt für die vonseiten des Klägers angeführte Öffnung in der südwestlichen Wand der Halle. Diese dient der Einfahrt der Fahrzeuge der Anlieferer in die Halle und beschränkt sich in ihren Ausmaßen auf das hierfür erforderliche Maß. Abseits dieses zur Durchfahrt notwendigen Tores ist die entsprechende Hallenseite jedoch ebenfalls geschlossen und trägt somit zur Lärmminderung bei. Die Tatsache, dass auch auf der Fläche vor der Halle Arbeiten unter „freiem Himmel“ durchgeführt werden, insbesondere das Lagern und Sortieren von FE-Abfällen und Schrotten, vermag den sich der Kammer aufdrängenden Gesamteindruck der Atypik dagegen nicht zu entkräften. So findet eine Lagerung von Gütern bereits nicht auf der gesamten der Halle vorgelagerten Freifläche statt. Vielmehr befindet sich dort – entsprechend der in den Behördenakten befindlichen Pläne – der Einfahrtsbereich für Anlieferer, eine Büro-Containeranlage, die Lkw-Waage sowie ein Waschplatz. Darüber hinaus muss auch eine ausreichende Rangierfläche für Fahrzeuge freigehalten werden. Damit ist die (potentiell) zur Lagerung nutzbare Fläche im Freibereich auf eine südöstliche Teilfläche begrenzt, welche von einer ca. 3 m hohen Betonblockwand umgeben ist. Diese aus den Planunterlagen ersichtlichen Rahmenbedingungen haben sich auch im Rahmen des durchgeführten Ortstermins bestätigt, im Zuge dessen eine Lagerung lediglich in geringem Umfang auf dem genannten Teilbereich der Außenfläche festgestellt werden konnte. Die Lagerfläche „unter freiem Himmel“ stellt sich demnach im Vergleich zu der in der Halle befindlichen Lagerfläche als deutlich untergeordnet dar. Zudem ist auch in diesem Bereich mit der ca. 3 m hohen Betonblockwand entlang der dortigen Grundstücksgrenzen eine bauliche Anlage vorhanden, die zu einer Abmilderung der Lärmemissionen beiträgt. Darüber hinaus spricht für eine Atypik der Anlage, dass – entgegen dem anderslautenden Vorbringen der Klägerseite – kein beachtlicher An- und Abfahrtsverkehr betreffend den Betrieb der Beigeladenen gegeben ist (vgl. auch BayVGH, B.v. 22.5.2019 – 22 CS 18.2247 – juris Rn. 41). Ausweislich der Betriebsbeschreibung (Behördenakte Register 3 „Betriebsbeschreibung“, Seite 7) beläuft sich der An- und Abfahrtsverkehr auf täglich ca. 15 Pkw beziehungsweise Kleintransporter sowie 6 Lkw. Dies deckt sich insoweit mit den vonseiten der Beigeladenen im Rahmen des gerichtlichen Augenscheins vorgebrachten Daten, wonach täglich zwischen 15 und 20 Anlieferungen vorgesehen seien. Mit Blick auf die umliegenden Gewerbebetriebe (insb. die Speditionsbetriebe „… … …“ und „… … …“) sowie auch im Vergleich mit entsprechenden Fallgestaltungen aus der Rechtsprechung (20 Lkwsowie 25 Pkw-Anfahrten bzgl. einer Anlage zur Lagerung und Sortierung von Metallabfällen, vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2013 – 22 ZB 13.331 – juris Rn. 3; 50 Anlieferungen pro Tag bzgl. eines Altmetallhandels, vgl. OVG Bremen, B.v. 22.5.2017 – 1 LA 308/15 – juris Rn. 14) stellt sich der hier zugrunde zu legende An- und Abfahrtsverkehr als untergeordnet dar (vgl. auch BayVGH, B.v. 22.5.2019 – 22 CS 18.2247 – juris Rn. 41). Letztlich muss mit dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof auch berücksichtigt werden, dass vorliegend keine verhaltensbezogenen Auflagen erforderlich waren, um eine Genehmigungsfähigkeit insbesondere mit Blick auf Lärmimmissionen herzustellen (vgl. insoweit auch die vorgelegte Lärmtechnische Untersuchung vom 2. Mai 2018 in der Fassung vom 27. Juni 2018 sowie die diese bestätigende Fachtechnische Stellungnahme des Landratsamts Aschaffenburg vom 7. Mai 2018).
Hinsichtlich der Argumentation der Klägerseite, wonach die Pflicht zur Durchführung eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz gegen eine Zulässigkeit des Betriebs im vorliegenden Gewerbegebiet spreche, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 22. Mai 2019 bereits ausgeführt:
„Die Tatsache, dass das Vorhaben der Beigeladenen im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG zu genehmigen ist, liefert für die Einschätzung einer erheblichen Belästigung im Sinne von § 8 Abs. 1 BauNVO keinen hinreichenden Anhaltspunkt. Die Genehmigungsart gibt zwar Anlass, der Anlage ein konkretes, die Gebietsprägung beeinträchtigendes Störpotential zu unterstellen (BVerwG, B.v. 2.2.2000 – 4 B 87/99 – juris Rn. 10), darf aber gemäß § 15 Abs. 3 BauNVO nicht allein ausschlaggebendes Kriterium für die Zulässigkeit der Anlage im vorliegenden Gewerbegebiet sein. In der Kommentarliteratur zur Baunutzungsverordnung wird zu dieser Frage in Bezug auf § 8 BauNVO kein einheitliches Bild gezeichnet (vgl. schon BayVGH, B.v. 8.10.2013 – 22 ZB 13.1601 – juris Rn. 23 m.w.N.). Teilweise wird davon ausgegangen, dass Betriebe, die unter das vereinfachte Genehmigungsverfahren fallen, „in der Regel“ gewerbegebietsverträglich sind (vgl. etwa Schiller in Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, § 8 BauNVO Rn. 1734; Boeddinghaus, BauNVO, 6. Aufl. 2014, § 8 Rn. 6), während andere immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Betriebe grundsätzlich auf das Industriegebiet verweisen wollen (vgl. Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 6 Rn. 35), es sei denn, es läge ein atypischer Fall vor.“
Entsprechend dieser Ausführungen, welchen sich das erkennende Gericht anschließt, lässt damit die Durchführung eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz entgegen der klägerischen Ansicht ebenso keinen Rückschluss auf einen für ein Gewerbegebiet unzulässigen Störgrad zu.
Nach alledem ist das Gericht aufgrund der im Rahmen des Augenscheins gewonnenen Erkenntnisse sowie unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes zu der Überzeugung gelangt, dass sich der streitgegenständliche Betrieb der Beigeladenen in einer Gesamtschau als atypisch erweist, sodass dieser als ein nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb im vorliegenden Gewerbegebiet gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 BauNVO als zulässig anzusehen ist. Die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung verletzt den Kläger somit nicht in dessen Gebietserhaltungsanspruch.
2.3.2.
Hinsichtlich der unter Ziffer I. 4.2. der streitgegenständlichen Genehmigung enthaltenen Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB bezüglich der Baugrenzüberschreitung sowie der Höhe der Einfriedungsmauer liegt eine Verletzung des Klägers in dessen subjektiven Rechten ebenfalls nicht vor. Derartige Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung beziehungsweise zu den überbaubaren Grundstücksflächen sind grundsätzlich nicht drittschützend (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2019 – 9 CS 19.1595 – juris Rn. 23). Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem Bebauungsplan, dessen Begründung oder den sonstigen Umständen. Eine Verletzung des drittschützenden Gebots der Rücksichtnahme ist hinsichtlich der erteilten Befreiungen zulasten des Klägers ebenso nicht erkennbar. Der Kläger hat eine entsprechende Unzumutbarkeit auch nicht substantiiert dargetan.
2.4. Auch die weiteren vonseiten des Klägers vorgebrachten Missachtungen anderer öffentlich-rechtlicher Rechtsvorschriften gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG führen nicht zu einer Begründetheit der Klage.
Die in diesem Zusammenhang angesprochenen Vorschriften zum Arbeitsschutz vermitteln jedenfalls zugunsten des Klägers keine subjektiven Rechtspositionen, sodass eine Verletzung des Klägers in dessen Rechten schon aus diesem Grund ausscheiden muss.
Gleiches gilt für die Rüge des Klägers hinsichtlich der Missachtung von Vorschriften zum Gewässerschutz, insbesondere der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV). Denn die genannte Verordnung dient allein den Interessen der Allgemeinheit und vermittelt daher ebenso keinen Drittschutz (vgl. Breuer/Gärditz in dieselb., Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Auflage 2017, 1. Kapitel: Einleitung und Überblick Rn. 73).
Ferner ist eine subjektive Rechtsverletzung infolge einer vonseiten des Klägers behaupteten insuffizienten Betriebsbeschreibung für das Gericht ebenso wenig erkennbar.
2.5. Nach alledem kann sich der Kläger hinsichtlich des in Streit stehenden Genehmigungsbescheids des Landratsamts Aschaffenburg vom 19. April 2018 nicht mit Erfolg auf eine Verletzung subjektiver Rechte berufen. Die Klage erweist sich somit als unbegründet.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, da diese einen Antrag gestellt und sich damit am Prozessrisiko beteiligt hat, § 154 Abs. 3 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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