Baurecht

Endgültiger Beitragsbescheid, Erschließungseinheit bei mehreren funktional abhängigen Straßen, natürliche Betrachtungsweise, Verjährung

Aktenzeichen  AN 3 K 21/00676

Datum:
2.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40604
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Art. 5a Abs. 7 KAG – § 127 Abs. 1 BauGB
BauGB § 130 Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 17.03.2021 für das Grundstück … wird insoweit aufgehoben, als ein Erschließungsbeitrag von mehr als 21.623,80 EUR festgesetzt wird. Das Leistungsgebot in Form einer Nachzahlung von 2.239,88 EUR wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kläger tragen 5/6 und die Beklagte 1/6 der Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Bei der Niederlegung des am 2. Dezember 2021 unterschriebenen Entscheidungstenors wurden in Ziffer 3 nach dem Wort „Kosten“ versehentlich die Worte „vorläufig vollsteckbar. Die Klage ist“ hinzugefügt. Hierbei handelt es sich um ein offensichtliches Versehen im Sinne von § 118 Abs. 1 VwGO, welches vom Gericht mit der Zustellung des Urteils und der hier erfolgten Begründung von Amts wegen berichtigt wird. Ein gesonderter Berichtigungsbeschluss ist entbehrlich, da der Urteilstenor nicht verkündet wurde und somit das Urteil ohnehin erst mit der Zustellung der Urteilsausfertigung mit dem hierin enthaltenen Urteilstenor wirksam wird (vgl. VG Bayreuth, U.v. 13. Dezember 2005 – B 1 K 04.1349 – juris).
Die erhobene Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber nur teilweise begründet, da der Beitragsbescheid der Beklagten vom 17. März 2021 rechtmäßig ist, soweit ein Erschließungsbeitrag von 21.623,80 EUR festgesetzt wird und die Kläger insoweit nicht in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid allerdings rechtswidrig und wird insofern aufgehoben.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Erschließungsbeitragsbescheids ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, U. v. 31.1.1992 – 8 C 31/90 – juris Rn. 11 = BVerwGE 89, 362). Abzustellen ist mithin auf den 17. März 2021.
1. Rechtsgrundlage des inmitten stehenden endgültigen Beitragsbescheids für die erstmalige Herstellung des … sind Art. 5a KAG i.V.m. §§ 127 ff. BauGB i.V.m. der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Stadt … vom 15. Dezember 1999 in der Fassung der 10. Satzung zur Änderung der Satzung vom 1. August 2018 (EBS).
Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit der Erschließungsbeitragssatzung sind weder klägerseits vorgetragen noch sonst ersichtlich, so dass von ihrer Gültigkeit auszugehen ist (in ständiger Rechtsprechung vgl. etwa BayVGH, B.v. 4.6.1997 – 6 ZS 97.1305 – juris).
2. Nach § 127 Abs. 1 BauGB erheben Gemeinden einen Erschließungsbeitrag für Erschließungsanlagen, soweit ihr Finanzbedarf nicht anderweitig gedeckt ist. Die Beitragspflicht als solche entsteht nach § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Eine Erschließungsanlage ist dann endgültig hergestellt, wenn sie den Herstellungsmerkmalen einer gültigen Satzung entspricht und sich der entstandene Erschließungsaufwand dem Grunde und der Höhe nach ermitteln lässt. Von einer endgültigen Herstellung kann damit regelmäßig erst dann gesprochen werden, wenn die letzte (prüffähige) Unternehmerrechnung für die Herstellung der Erschließungsanlage eingegangen ist (BVerwG, B. v. 21.8.1990 – 8 B 81/90 – juris Rn. 4, BayVGH, B. v. 28.8.2014 – 6 ZB 14.481 – juris Rn. 7). Aufgrund der Bindung der Herstellung von Erschließungsanlagen an den Bebauungsplan nach § 125 Abs. 1 BauGB ist entweder ein solcher oder alternativ für bebaubare Gebiete außerhalb eines Bebauungsplans ein planersetzender Beschluss nach § 125 Abs. 2 BauGB notwendig. Dieser kann nach der Rechtsprechung selbst noch bis zum Abschluss der ersten Tatsacheninstanz mit heilender Wirkung nachgeholt werden (BayVGH, B. v. 27.11.2014 – 6 ZB 12.2446 – juris Rn. 6).
Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Erschließungsanlage „…“ grundsätzlich vor. Ein planersetzender Beschluss wurde vom Stadtrat der Beklagten am 25. September 2020 gefasst. Die letzte Unternehmerrechnung ging am 14. Dezember 2020 bei der Beklagten ein. Die plangemäße technische Herstellung der Anlage, welche von der Beklagten ebenfalls mit Beschluss vom 25. September 2020 gebilligt wurde, erfolgte im Herbst 2020.
Der … ist damit erstmalig als voll funktionsfähige Erschließungsanlage hergestellt.
a) Wie weit eine einzelne A. straße im Sinne von Art. 5a Abs. 1 KAG i.V.m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Straße als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Mithin hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen, Grundstücksgrenzen oder dem zeitlichen Ablauf von Planung und Bauausführung auszurichten, sondern, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Straßenausstattung (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BVerwG, U.v. 10.6.2009 – 9 C 2.08 – NVwZ 2009, 1369/1370; BayVGH, U.v. 30.11.2009 – 6 B 08.2294 – juris Rn. 16; U.v. 30.6.2011 – 6 B 08.369 – juris Rn. 18 m.w.N.).
Gemessen an diesem Maßstab ist davon auszugehen, dass es sich bei der von der Beklagten abgerechneten Erschließungsanlage …auf einer Länge von rund einem Kilometer von der Einmündung von der H1. Straße im Süden in Richtung Norden bis zu der Einmündung in das … um eine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB handelt. Insbesondere stellt der Beginn der Engstelle ca. 60 m nördlich des klägerischen Grundstückes trotz der unterschiedlichen Straßenbreite und -ausstattung keine augenfällige Zäsur dar, welche den von Süd nach Norden durchgehenden Straßenzug in zwei Anlagen zerteilt. Das ergibt sich aus dem Gesamteindruck, den die Kammer aufgrund der vorliegenden Luftbildaufnahmen erhalten hat, ohne dass es diesbezüglich überhaupt auf den in den parallelen Streitverfahren durchgeführten Augenschein ankäme.
Soweit die Klägerseite vorliegend auf ein „falsch gebildetes“ Abrechnungsgebiet abstellen will, sind ihre Einwände – jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der natürlichen Betrachtungsweise – unbegründet. Soweit man den Vortrag der Klägerseite über das „falsch gebildete Abrechnungsgebiet“ so interpretieren will, kann das Gericht jedenfalls nicht erkennen, inwiefern eine oder gar alle der von der Klägerseite im Schriftsatz vom 11. August 2020 genannten Straßen mit der Anlage* …eine einzige Erschließungsanlage bilden sollte. Dies gilt auch im Hinblick auf die mit Schriftsatz vom 26. November 2021 nachgereichten Straßen.
Der … bildet nach der hier maßgeblichen natürlichen Betrachtungsweise mit keiner der genannten Straßen eine (einheitliche) Erschließungsanlage. Was die von der Beklagten richtigerweise als selbstständig bewerteten Erschließungsanlagen „…“ und „… angeht, ergibt sich dies schon aufgrund deren Länge, aber auch der Gesamtausstattung, wie sie sich aus den Luftbildaufnahmen entnehmen lässt. Die Straßen haben eigenständige Erschließungsfunktion.
Gleiches gilt aber auch für die von der Beklagten jeweils als eigenständige Erschließungsanlagen bewertete „Verbindungsstraße zwischen … und …“, „nördliche Verbindungsstraße zwischen …und …“ sowie „südliche Verbindungsstraße zwischen … und …“. Die geringe Länge dieser Anlagen (teilweise unter 60 m) spräche zwar tendenziell gegen eine Eigenständigkeit (vgl. BayVGH, B. v. 14.12.2020 – 6 B 20.1619 – juris Rn. 20 m.w.N.), worauf es aber vorliegend nicht ankommt, da für die Kammer entscheidend ist, dass diese Anlagen eine verkehrliche Verbindungsfunktion zwischen …und … sowie …erfüllen. Eine solche rechtfertigt die Annahme einer eigenständigen Erschließungsanlage (BayVGH, B. v. 1.8.2005 – 6 CS 04.950 – juris Rn. 13). Insofern gehen die von der Klägerseite vorgebrachten Einwände vom 11. August 2020 und 26. November 2021 über die nicht abgerechneten Grundstücke ins Leere, da sie – wie die Beklagte richtig ausführt – an eigenen Erschließungsanlagen liegen.
Schließlich sind auch die Grundstücke an der „…“, dem „… und dem … nicht Teil der Erschließungsanlage … Für sie gilt das oben Gesagte gleichfalls. Sofern die Klägerseite auf eine vorgebliche Einbahnstraßenregelung an der H1. Straße abstellen will, ist festzuhalten, dass Verkehrsschilder grundsätzlich keine Bedeutung im Rahmen der natürlichen Betrachtungsweise haben (BayVGH, B. v. 20.7.2007 – 6 ZB 04.465 – juris Rn. 6 m.w.N.)
b) Im Hinblick auf eventuell auch in den hiesigen Schriftsätzen anklingenden Aspekte der „bereits in der Vergangenheit vollständig hergestellten Erschließungsanlage“ darf das Gericht auf seine den Beteiligten aus den Parallelverfahren (u.a. AN 3 K 20.01110) bekannten Feststellungen Bezug nehmen:
„Beim … handelt es sich auch nicht um eine bereits vorhandene (historische) Straße im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts, so dass Art. 5a Abs. 7 KAG (früher § 242 Abs. 1 BauGB) die Entstehung der Beitragspflicht nicht hindert.
(1) Dahinstehen kann die Frage, ob der … wegen teilweiser Bebauung seit den 1960er-Jahren Erschließungsfunktion hatte, da er nach dem bis zum 29. Juni 1961 geltenden Recht nicht erstmals endgültig hergestellt war.
Aus dem Blickwinkel des Erschließungsbeitragsrechts liegt eine nicht nach den §§ 127 ff.
BauGB abrechenbare „historische Straße“ vor, wenn diese zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes (BBauG) am 30. Juni 1961 Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck endgültig hergestellt war (vgl. u.a. BayVGH, U.v. 10.4.2001 – 6 B 96.2239 – juris). Das heißt, dass neben der Erschließungsfunktion für die Annahme einer historischen Straße ferner deren „endgültige Herstellung“ erforderlich ist (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 10.8.2000 – 6 B 96.2367 – juris).
Welche Merkmale eine Straße aufweisen musste, um nach dem bis zum 29. Juni 1961 anzuwendenden Recht als endgültig hergestellt zu gelten, bestimmt sich nach den landesrechtlichen und örtlichen straßenbaurechtlichen Vorschriften sowie nach städtebaulichen Regeln, nach etwaigen Richtlinien für den Abschluss von Straßenkostensicherungsverträgen, nach der erkennbar gewordenen Straßenplanung der Gemeinde und, falls es an dahingehenden Unterlagen fehlt, nach den örtlichen Verkehrsbedürfnissen.
(a) Jedenfalls durfte eine Gemeinde wegen der erforderlichen Eignung einer Verkehrsanlage, den anliegenden Grundstücken eine ausreichende wegemäßige Erschließung zu vermitteln, gewisse objektive Mindeststandards, welche z.B. ihren Niederschlag in der Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern (IME) vom 6. August 1936 (MABl. 1998, S. 627) gefunden haben, nicht unterschreiten (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 7.3.2002 – 6 B 97.3735 – juris).
Diese Ministerialentschließung unterscheidet auf der einen Seite zwischen städtischen und vorstädtischen Wohnstraßen, bei welchen eine Gesamtbreite von 8,5 m, d.h. 6 m Fahrbahnbreite und beiderseits 1,25 m Gehsteigbreite oder 5,5 m Fahrbahnbreite und beiderseits 1,5 m Gehsteigbreite angemessen sind, und Straßen in ländlichen Gegenden andererseits, bei denen regelmäßig eine Gesamtbreite von 6 m genügt und bei denen im Allgemeinen auf Gehsteige verzichtet werden kann.
Letztlich kann vorliegend die Einordnung in die Kategorie „vorstädtisch“ oder „ländliche Gegend“ zum damaligen Zeitpunkt dahinstehen. Denn die Mindestbreite des Straßenkörpers, der zur unmittelbaren Abwicklung des Straßenverkehrs benutzt wird, sollte nach der Ministerialentschließung auch in ländlichen Gegenden, ob mit oder ohne Gehweg, eine Gesamtbreite von 6 m nicht unterschreiten. Darüber hinaus sollten die Fahrbahnen auch in ländlichen Baugebieten auf ihrer ganzen Breite befestigt werden. Vorliegend war der … ausweislich der damaligen Flurkarten sowie der Erhebungsniederschrift über die Ersterfassung des …aus dem Jahr 1962 zum damaligen Zeitpunkt eine noch nicht ausgebaute O. straße mit einem leicht gefestigten Sandweg sowie einer Breite von lediglich 2,50 m – 3,00 m. Mithin waren die oben erwähnten Mindestanforderungen nicht erfüllt.
Insoweit führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 7. März 2002 – 6 B 97.3735 (juris) aus, dass es im Anschluss an die Ministerialentschließung vom 6. August 1936 der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entspricht, dass Straßen mit einer Breite von unter 6 m auch in ländlichen Gegenden zur reibungslosen Abwicklung des Begegnungsverkehrs nicht den Anforderungen an eine ausreichende Erschließung gerecht werden. Ähnlich hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 23. Dezember 1982 – 6 B 80 A 2226 (juris) geäußert, wonach 1964 eine Straßenbreite von 4,75 m nicht den Verkehrserfordernissen jener Zeit entsprach. Auch im Urteil vom 12. Januar 1993 – 6 B 90.2391 (juris) stellt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof darauf ab, dass bei einer Ausbaubreite von nur 5 m die dortige Erschließungsstraße nicht erstmalig hergestellt war, da sie bis 1978 nicht die für Erschließungsstraßen seit 1936 erforderliche Breite von 6 m aufgewiesen hat.
Somit war die streitgegenständliche Anlage bereits aus diesem Grund nicht erstmals endgültig hergestellt, sondern lediglich ein Provisorium.
Auf die weitere Frage, ob zum damaligen Zeitpunkt darüber hinaus auch eine ausreichende Straßenbeleuchtung vorlag, welche nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, U.v. 9.10.1980 – 6 B 2245/79) vor dem Inkrafttreten des BBauG am 30. Juni 1961 eine erforderliche Teileinrichtung einer endgültig hergestellten Straße war, kommt es daher nicht an.
(b) Als ortsrechtliche Regelungen zur Beurteilung der Frage, ob von einer endgültig hergestellten Straße auszugehen war, waren auch die vom Stadtrat der Beklagten erlassenen Straßenbaustatute vom 15. Mai 1950 sowie vom 27. Mai 1960 zu würdigen.
Diesen Statuten ist insbesondere unter Ziffer 5 Buchst. b bzw. § 2 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c zu entnehmen, dass die Herstellung des Straßenkörpers in der Regel eine beidseitige, etwa 50 cm breite Straßenrinne aus Großpflastersteinen und Randsteinen umfasst.
Dabei ist der in den Straßenbaustatuten verwendeten Formulierung „in der Regel“ nicht zu entnehmen, dass es sich nur um eine Kann- und nicht um eine Mussvorschrift handelt. Die dort niedergelegten Anforderungen beschreiben vielmehr die „R. straße“ mit entsprechenden Abweichungen im Hinblick auf die Straßendecke bzw. den Oberflächenbelag für Straßen mit geringem Verkehr (Ziffer 6) sowie für Straßen mit stärkerer Verkehrsbeanspruchung und für Straßen mit größerem Längsgefälle (Ziffer 7) bzw. aus wichtigem Grund mittels Stadtratsbeschluss (§ 2 Abs. 3). Das Erfordernis einer beidseitigen, etwa 50 cm breiten Straßenrinne aus Großpflastersteinen und Randsteinen hingegen wurde in den genannten Straßenbaustatuten für sämtliche Straßen unabhängig von deren Verkehrsbeanspruchung oder Verkehrsbedeutung vorgesehen.
Ausweislich der den vorliegenden Behördenakten zu entnehmenden umfangreichen Fotodokumentation vom Zustand des …vor der streitgegenständlichen Straßenbaumaßnahme war eine solche beidseitige Straßenrinne bislang weder auf beiden Seiten, geschweige denn lückenlos vorhanden. Es ist davon auszugehen, dass der … diese durch die Straßenbaustatute der Beklagten aufgestellte Anforderung auch vor Aufnahme dieser Bilder noch nie erfüllt hat. Der Kläger hat diese Vermutung auch nicht durch seinen Vortrag entkräftet.
(c) Dass vor dem Inkrafttreten des BBauG keine erstmalige endgültige Herstellung des … vorgelegen hat, lässt sich ferner der im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens erfolgten Sicherstellung von Straßenherstellungskosten gemäß § 62 BayBO (1901) entnehmen.
Nach § 62 BayBO (1901), der in Bayern vor Inkrafttreten des BBauG bzw. BauGB Regelungen über die Straßenherstellung enthalten hat, konnten die Gemeinden von den Grundstückseigentümern Straßensicherungskosten im Rahmen der Baugenehmigung erheben, um die spätere Herstellung der Straße zu sichern. Dies erfolgte – wie vorliegend – häufig durch Eintragung einer Sicherungshypothek auf dem Grundstück. Hat die Gemeinde im Rahmen der Baugenehmigung Straßensicherungskosten verlangt, so ist dies ein Indiz dafür, dass die Gemeinde bei der Erhebung der Straßensicherungskosten davon ausging, dass die Straße nicht erstmals hergestellt war. Wäre die Straße erstmals hergestellt gewesen, wäre kein Raum mehr für Straßensicherungskosten gewesen.
Ausweislich der zwischen der Beklagten sowie einem Bauwerber (damals Anwesen Kappelberg 54a, heute Kappelbergsteig 5) geschlossenen Vereinbarung vom 6. März 1956 über die Sicherstellung der Straßenherstellungskosten bestand zugunsten der Beklagten eine Hypothek zur Sicherung von Straßenkosten. Auf dem hierzu von der Beklagten vorgelegten Dokument wurde auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Straße noch nicht ausgebaut ist.
Nach alldem war der …nach dem bis zum 29. Juni 1961 geltenden Recht nicht erstmals endgültig hergestellt.
(2) Dies gilt gleichermaßen für die Zeit ab Inkrafttreten des BBauG am 30. Juni 1961 bis zur Durchführung der streitgegenständlichen Baumaßnahmen.
(a) Selbst wenn der … – wie nicht – bereits alle in § 13 EBS entsprechend § 132
Nr. 4 BauGB von der Beklagten festgelegten Herstellungsmerkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage aufgewiesen hätte, so war jedenfalls bislang die Erfüllung des sich aus § 125 BBauG/BauGB ergebenden Planerfordernisses bzw. die damals anstelle eines Bebauungsplans nötige Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde unbestritten nicht gegeben.
Hinsichtlich des nördlichen Teiles der inmitten stehenden Erschließungsanlage liegt ein Bebauungsplan gemäß § 125 Abs. 1 BauGB nicht vor. Ein nach § 125 Abs. 2 BauGB planersetzender Beschluss dahingehend, dass die endgültig herzustellende Erschließungsanlage den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entspricht, lag ebenfalls nicht vor.
(b) Darüber hinaus ist eine A. straße erst dann endgültig hergestellt im Sinne des § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB, wenn sie erstmals die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm und dem dieses bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen ergänzenden (formlosen) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und diese dem jeweils für sie aufgestellten technischen Standard entsprechen (BayVGH, B.v. 12.6.2014 – 6 CS 14.1077 – juris unter Verweisung auf BVerwG, U.v. 10.10.1995 – 8 C 13.94 – juris).
Derartige Baumaßnahmen, geschweige denn ein erforderliches Bauprogramm der Beklagten hinsichtlich des …lagen bis zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Baumaßnahmen nicht vor. Ein Beschluss über das Bauprogramm wurde erstmals am 17. Januar 2012 gefasst.
(3) Im Übrigen war die Beklagte bislang auch noch nicht Eigentümerin aller für den Straßenbau notwendigen Flächen. Der Grunderwerb ist jedoch Merkmal der endgültigen Herstellung nach § 13 Abs. 5 EBS.“
Somit wurde der …im Rechtssinne erst durch die 2020 abgeschlossenen Baumaßnahmen und die eingangs (2.) genannten Voraussetzungen erstmalig hergestellt.
3. Die Beitragserhebung stellt sich jedoch im Hinblick auf den Umfang des Abrechnungsgebiets unter dem Gesichtspunkt einer Erschließungseinheit als fehlerhaft dar.
Der Erschließungsaufwand kann nach § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB (nur dann) für mehrere (eigentlich selbständige) Erschließungsanlagen insgesamt ermittelt (und verteilt) werden, wenn diese Anlagen „für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden“. Die Gemeinde darf also nicht etwa beliebig eine Erschließungseinheit bilden. Sie kann nach ihrem Ermessen vielmehr (nur) entscheiden, dass sie eine tatsächlich vorhandene Erschließungseinheit in Ausnahme von der allgemeinen Regel einer Einzelabrechnung insgesamt abrechnen will. Zur Annahme einer solchen Erschließungseinheit reicht es nicht aus, dass mehrere selbstständige Anlagen miteinander verbunden sind und ein siedlungsmäßig oder sonst sichtbar abgrenzbares System etwa innerhalb eines Baugebiets darstellen. Erforderlich ist nach dem Gesetzeszweck vielmehr ein besonderer funktionaler Zusammenhang (BVerwG, U. v. 12.5.2016 – 9 C 11/15 – juris Rn. 20 m.w.N. = BVerwGE 155, 171). Den tragenden Grund für die Erschließungseinheit bildet nämlich das gemeinsame Angewiesensein aller Anlieger auf die Benutzung der H. straße. Er bewirkt, dass die durch die H2. straße erschlossenen Grundstücke keinen höheren Sondervorteil genießen als die durch die N. straße erschlossenen Grundstücke. Diese durch die H.straße vermittelte Vorteilsgemeinschaft rechtfertigt eine gemeinsame Ermittlung und Verteilung des Erschließungsaufwands mit dem Ziel, die Beitragsbelastung zugunsten der Anlieger der regelmäßig aufwändigeren H. straße zu nivellieren. Die Bildung einer Erschließungseinheit darf jedoch nicht zu einer Mehrbelastung der Anlieger der H. straße führen, denn diese erhalten durch die N. straße keinerlei Sondervorteil (BVerwG, U. v. 12.5.2016 – 9 C 11/15 – juris Rn. 20 m.w.N. = BVerwGE 155, 171).
Ein besonderer funktionaler Zusammenhang liegt nur vor, wenn mehrere Anbaustraßen derart in Beziehung zueinander stehen, dass eine abhängige (N.)Straße ihre Funktion lediglich im Zusammenwirken mit einer bestimmten anderen (H.)Straße in vollem Umfang zu erfüllen geeignet ist, wenn also ausschließlich die letztere der ersteren die Anbindung an das übrige Straßennetz der Gemeinde vermittelt (BayVGH, B.v. 2.3.2017 – 6 ZB 16.1888 -, Rn. 14, juris Rn. 14 m.w.N).
Grundsätzlich steht die Bildung einer Erschließungseinheit nach § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB im Ermessen der Gemeinde. Dieses Ermessen kann sich jedoch im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null zu einer Rechtspflicht der Gemeinde verdichten. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn der Beitragssatz der H. straße größer als 4/3 des Beitragssatzes der funktional abhängigen Straße ist (BVerwG U. v. 12.5.2016 – 9 C 11/15 – juris Rn. 20 m.w.N. = BVerwGE 155, 171; U. v. 10.6.2009 – 9 C 2/08 – juris Rn. 30 ff.).
a) Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null zur Bildung einer Erschließungseinheit zwischen … und … gegeben. Die Gegenüberstellung der endgültigen Beitragssätze ergibt für den … 24,8318 €/m² und für den …16,3542 EUR/m², was weit mehr als 1/3 Überschreitung bedeutet.
Die Anwohner des … sind auch auf die Benutzung (eines Teils) des …angewiesen, da sie schon ausweislich der existierenden Luftbilder nur durch den …Anschluss an das weitere Straßennetz erlangen können. Eine notwendige funktionale Abhängigkeit des … vom … liegt damit vor. Sie führt ausweislich der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 17. November 2021 vorgelegten Vergleichsberechnung zu einer Reduzierung der Beitragslast der Kläger auf nur noch 21.623,80 EUR.
b) In die Erschließungseinheit, die auch mit mehreren selbständigen Anlagen gebildet werden kann (BVerwG, U. v. 30.1.2013 – 9 C 1/12 – juris Rn. 14 ff. = BVerwGE 146, 1), müssen bzw. (teilweise) dürfen auch nicht die sonstigen im Raum stehenden Erschließungsanlagen einbezogen werden, wie dies die Klägerseite in ihren Schriftsätzen anregt.
Im Hinblick auf die Erschließungsanlagen „…“ und „Verbindungsstraße zwischen …und …“ ergibt sich dies schon aus obigem Verschlechterungsverbot. Die Anlagen sind aufgrund der mit Schriftsatz vom 24. November 2021 vorgelegten Vergleichswerte teurer als der … und würden zu einer Erhöhung des Beitragssatzes für dessen Anlieger führen. Sie durften von der Beklagten gar nicht zu einer Erschließungseinheit zusammengefasst werden.
Gleiches gilt auch für die selbstständige Erschließungsanlage „südliche Verbindungsstraße zwischen …und … Im Hinblick auf die „nördliche Verbindungsstraße zwischen … und* …liegt zwar kein Fall des Verschlechterungsverbots für die Anlieger des …vor. Andererseits liegt der Unterschied in den Beitragssätzen für die Verbindungsstraße (22,5622 €/m²) und den … (24,8318 €/m²) aber auch nicht außerhalb der Grenze von einem Drittel, die für eine Ermessensreduzierung auf Null notwendig wäre. Die Einbeziehung dieser Verbindungsstraße stand also im Ermessen der Beklagten. Einen Rechtsfehler, die nördliche Verbindungsstraße nicht mit einzubeziehen, kann das Gericht allerdings nicht erkennen. Im Übrigen würde dies (in Summe) – ebenso wie die Einbeziehung aller sonstigen von der Klägerseite vorgeschlagenen Straßen – eine Schlechterstellung der Kläger gegenüber der hier von Seiten des Gerichts vorgenommenen „isolierten“ Einbeziehung des …bedeuten.
4. Die Beitragserhebung ist auch nicht wegen Zeitablaufs ausgeschlossen.
a) Die vierjährige Festsetzungsverjährung gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 3 KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 AO ist eindeutig noch nicht abgelaufen.
Die Festsetzung von Erschließungsbeiträgen knüpft an den Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht an. Die Beitragspflicht ist – wie oben unter 2. bereits dargelegt – nach § 133 Abs. 2 BauGB an die endgültige Herstellung der Anlage gekoppelt. Diese lag erst im Jahr 2020 vor.
b) Der Erhebung des streitgegenständlichen Erschließungsbeitrages steht des Weiteren auch nicht die Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 Halbs. 1 KAG i.V.m. Art. 19 Abs. 1 KAG entgegen.
Nach dieser Vorschrift ist die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig.
Die in diesem Zusammenhang relevante „Vorteilslage“ tritt grundsätzlich dann ein, wenn die Erschließungsanlage insgesamt betriebsfertig ist, mithin technisch endgültig fertiggestellt ist (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.2013 – 6 B 12.704 – juris). Die Anlage muss unter Berücksichtigung der Vorgaben des konkreten Bauprogramms (vorliegend aus dem Jahre 2014), der in der Satzung genannten baulichen Merkmale der endgültigen Herstellung sowie der Erwartungen eines objektiven Betrachters den Eindruck der Abrechenbarkeit erwecken. Nicht ausreichend ist, dass die Straße zuvor schon „gebrauchsfertig“ und „benutzbar“ war (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 30.3.2016 – 6 ZB 15.2426 – juris Rn. 9).
Für die vorliegend streitgegenständliche Anlage lag die endgültige technische Fertigstellung nach dem zu Grunde liegenden Bauprogramm und den Satzungsbestimmungen der Beklagten ausweislich der Akten, insbesondere den in den Parallelverfahren vorgelegten und hier eingeführten Lichtbildaufnahmen, nicht vor dem Jahr 2020 vor. Vielmehr wirkte die Erschließungsanlage … zuvor erkennbar wie ein Provisorium. So fehlten unter anderem eine Abgrenzung von der Fahrbahn durch Randsteine, Pflasterzeilen oder ähnliche zweckdienliche Einrichtungen sowie an mehreren Stellen die Asphaltdecke.
Soweit die Klägerseite in ihren Schriftsätzen auf den Zulassungsbescheid zur Entwässerung vom 18. Mai 1982 sowie den Kostenvoranschlag zur Wiederherstellung des Straßenkörpers abstellt, ist der Vortrag ungeeignet, obige Wertung zu beeinflussen. Es ist unbestritten, dass „irgendein“ wohl auch „benutzbarer“ Straßenkörper bereits seit Jahrzehnten vor dem Grundstück der Kläger vorhanden war. Dies stellt aber keine „Vorteilslage“ im Sinne des Gesetzes dar, selbst wenn der damals vorhandene Straßenkörper den subjektiven Ansprüchen der Kläger genügt haben mag. Vielmehr ist auf die Satzungsbestimmungen der Beklagten abzustellen.
c) Auch die am 1. April 2021 und damit erst nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides in Kraft getretene Regelung in Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG führt nicht zum Klageerfolg.
Danach kann für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht noch nicht entstanden ist, kein Beitrag mehr erhoben werden, wenn seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen sind.
Diese Regelung führt jedoch nicht dazu, dass vor ihrem Inkrafttreten bereits durch Beitragsbescheid festgesetzte Beiträge nicht mehr einziehbar sind. Vorliegend war die Regelung in Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch nicht in Kraft getreten und damit nicht anwendbar, da – wie eingangs in der Urteilsbegründung dargelegt – auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist.
Im Übrigen geht es bei dieser Fristenregelung im Kern um den Vertrauensschutz des Beitragspflichtigen, der nach vielen Jahren nicht mehr damit rechnen müssen soll, doch noch mit einer Beitragsforderung „überrascht“ zu werden. Hat der Beitragspflichtige aber bereits vor Inkrafttreten dieser Regelung am 1. April 2021 einen Beitragsbescheid erhalten, so ist kein Platz mehr für ein schutzwürdiges Vertrauen, keinen Beitrag mehr bezahlen zu müssen (vgl. Matloch/Wiens, a.a.O. Rn. 1101a).
Wieso der Klägerseite – wie in ihrem Schriftsatz vom 26. November 2021 ausgeführt – nunmehr aufgrund der vorgelegten Vergleichsberechnung die obige Regelung zu Gute kommen soll, weil nunmehr ein „ganz anderer Aufwand“ geltend gemacht werde, erschließt sich dem Gericht nicht.
Soweit die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung dazu auf den „zivilrechtlichen Hintergrund“ des Klägerbevollmächtigten hingewiesen hat, kann das Gericht nicht nachvollziehen, was damit konkret gemeint sein sollte. Jedenfalls unterscheidet sich womöglich der Ansatzpunkt schon rein formal dadurch, dass hier kein neuer Streitgegenstand im Sinne einer neuen Forderung geltend gemacht wird. Streitgegenständlich ist hier der Beitragsbescheid der Beklagten im Wege der Anfechtungsklage und nicht unterschiedliche Forderungen im Wegen einer zivilrechtlichen Leistungsklage. Dieser Streitgegenstand bleibt auch nach Vorlage der Vergleichsberechnung gleich.
Die Klägerseite wehrt sich mit ihren Argumenten im Kern gegen die Heranziehung von § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB, denn dieser führt – wie oben ausgeführt – zu einer Verklammerung von Aufwand und Grundstücksfläche für beide Erschließungsanlagen. Diese Regelung ist günstig für die Kläger. Wieso die Klägerseite nunmehr berechtigt sein soll, nur noch die erweiterte Grundstücksfläche für sich in Anspruch zu nehmen, den damit verbundenen Aufwand des …jedoch abzuwehren, erklärt sich für das Gericht nicht. Die Annahme findet keinerlei Stütze in § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB Selbst wenn man eine solche Trennung von den Klägern günstigen Tatsachen (Grundstücksfläche) zu den Klägern ungünstigen Tatsachen (Aufwand) annehmen wollen würde, wäre deren „Nachschieben“ im Verwaltungsprozess unproblematisch möglich. Art. 45 Abs. 2 und Art. 47 BayVwVfG sowie § 114 Satz 2 VwGO zeugen von der Möglichkeit auch für die Kläger regelmäßig ungünstige Tatsachen nachträglich und mit „heilender Wirkung“ einzuführen. Zuzugestehen ist der Klägerseite jedoch, dass dieses Nachschieben dort stets seine Grenze findet, wo der Bescheid eine wesensmäßige Änderung erfährt (z.B. Art. 47 Abs. 3 BayVwVfG). Dass die nachträgliche Bildung einer (rechtswidrig unterlassenen) Erschließungseinheit im Verwaltungsprozess keine solche wesensmäßige Änderung ist, ist nach Meinung des Gerichts spätestens seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 10.6.2009 – 9 C 2/08 – juris Rn 38 ff. = BVerwGE 134, 139) höchstrichterlich geklärt.
5. Schließlich ist die Beitragsforderung im Übrigen auch der Höhe nach (nach Bildung der Erschließungseinheit) gerechtfertigt. Substantiierte Einwendungen wurden diesbezüglich nicht erhoben. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerseite bestenfalls angerissene Höhe des anzurechnenden Betrags des vorherigen Provisoriums.
Nach alledem war der Beitragsbescheid in Höhe von 4201,29 € aufzuheben, da er insoweit rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gleiches gilt für die Nachzahlungspflicht, da eine solche nunmehr nicht mehr besteht.
Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf*§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO sind nicht gegeben. Soweit die Klägerseite auf die Frage des „Nachschiebens“ gänzlich „neuen Aufwands“ abzielt und dies auch in der mündlichen Verhandlung im Sinne einer Berufungszulassung anregte, ist auf die obigen (4.c) Ausführungen zu verweisen. Die Rechtssache hat aufgrund Klärung durch das BVerwG weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht das Gericht von entsprechender Rechtsprechung ab.


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