Baurecht

Entfernung von Stahlpfosten von gemeindeeigenem Grundstück zur Verbreiterung einer Zufahrt

Aktenzeichen  AN 10 K 17.01338

Datum:
19.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26950
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 6 Abs. 1, Art. 17, Art. 53
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Der Anliegergebrauch (Art. 17 BayStrWG) begründet nur dann ein Abwehrrecht gegen die Beeinträchtigung der Zufahrt eines Anliegergrundstücks, wenn es sich bei dem Grundstück, über das die Zufahrt erfolgen soll, um eine öffentliche Straße handelt. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Anliegergebrauch (Art. 17 BayStrWG) gewährleistet lediglich die Zugänglichkeit des Grundstücks vom öffentlichen Straßenraum. Dem Anlieger ist es daher zuzumuten, die Nutzung des Grundstücks gegebenenfalls umzuorganisieren, um sich veränderten Zufahrstmöglichkeiten anzupassen (ebenso BayVGH BeckRS 2009, 39815). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, weil der Klägerin der begehrte Anspruch auf Entfernung der Stahlpfosten auf dem Grundstück Fl.Nr. … zum Zwecke der Zufahrtnehmung zum klägerischen Grundstück Fl.Nr. … über dieses Grundstück und den anschließenden Gehweg auf die Staatsstraße … nicht zukommt.
1. a.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 113 Abs. 4 VwGO) zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist gem. § 40 Abs. 1 VwGO gegeben, da der begehrte Anspruch sich im Schwerpunkt nach öffentlichem Recht, dem öffentlichen Straßenrecht ergeben kann. Die Entscheidungskompetenz des Gerichts erstreckt sich nach § 17 GVG i.V.m. § 173 VwGO hinsichtlich des begehrten Anspruchs auf alle in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte.
b. Die Beklagte ist als Rechtsträgerin der in Anspruch genommenen Körperschaft auch passiv legitimiert, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.
c. Die Klage ist unbegründet, da der Klägerin der begehrte Anspruch auf Entfernung der Stahlpfosten vom Grundstück nicht zukommt.
aa. Einschlägig ist insoweit der öffentlichrechtliche Folgenbeseitigungsanspruch (zu dessen Fundierung in den Grundrechten und zu den Voraussetzungen allgemein Maunz/Dürig/Papier, 81. EL September 2017, Art. 34 GG, Rn. 62 ff.) Der Folgenbeseitigungsanspruch setzt einen hoheitlichen Eingriff voraus, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Für den Betroffenen muss dadurch ein rechtswidriger Zustand entstanden sein, der andauert (grundlegend BVerwG, U.v. 19.7.1984, 3 C 81/82). Der Klägerin kommt jedoch kein subjektives öffentliches Recht darauf, dass das Grundstück der Beklagten Fl.Nr. … nicht versperrt wird und sie dieses überfahren darf, um auf die Staatsstraße … zu gelangen, zu.
aaa. In Betracht kommt ein derartiges Nutzungsrecht und damit ein mögliches Abwehrrecht gegen Versperrungen aus dem straßenrechtlichen, einfachrechtlichen Institut des Anliegergebrauchs gem. Art. 17 BayStrWG, dem gesteigerten Gemeingebrauch des Anliegers. Der Anliegergebrauch liefert ein Recht, auch ein Abwehrrecht gegen Beeinträchtigungen auf Zufahrt bzw. Zugänglichkeit des Anliegergrundstücks zum öffentlichen Straßennetz insoweit, dass die angemessene Nutzung des Grundstücks gewährleistet ist (grundlegend BayVGH, U.v. 15.3.2006, 8 B 05.1356).
Der Anliegergebrauch kann jedoch im Hinblick auf das Grundstück der Beklagten … nicht in Ansatz gebracht werden, da es sich insoweit nicht um eine öffentliche Straße handelt. Der Klägerin kommt daher keine Rechtsposition aus dem Anliegergebrauch als Anliegerin an dem Grundstück … zu. Dieses Grundstück wurde nicht als Straße gewidmet gem. Art. 6 Abs. 1 BayStrWG. Das Grundstück ist auch nicht als gemeindliche Straße im vorgelegten Bestandsverzeichnis eingetragen. Die zeitlich früher erfolgte Widmung der räumlich in unmittelbarer Nähe liegenden Staatsstraße entfaltet für das Grundstück … keine Wirkung, zumal insoweit gem. Art. 58 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 42 Abs. 1 BayStrWG nicht die Beklagte, sondern das Staatliche Bauamt Straßenbaubehörde ist. Dem Grundstück Fl.Nr. … kommt auch nicht deswegen, weil es im Bebauungsplan Nr. … vom 8. Juli 1999 als Verkehrsfläche besonderer Zweckbestimmung festgesetzt ist, die Eigenschaft als öffentliche Straße zu. Nach Art. 6 Abs. 7 BayStrWG kann bei Straßen, deren Bau in einem Bebauungsplan geregelt wird und für die die Gemeinde Träger der Straßenbaulast ist, die Widmung mit der Maßgabe verfügt werden, dass sie mit der Verkehrsübergabe wirksam wird. Diese Vorschrift kommt jedoch vorliegend nicht zur Anwendung. Weder wurde der Bau des Grundstückes als Straße, wie vorausgesetzt, im Bebauungsplan geregelt, noch wurde die Widmung im Bebauungsplan textlich verfügt. Dies ist jedoch erforderlich, weil Art. 6 Abs. 7 BayStrWG lediglich eine Verfahrenskonzentration bezweckt, die Notwendigkeit einer Widmungsverfügung – eine konkludente Widmung sieht Art. 6 BayStrWG nicht mehr vor – neben den städtebaulichen Festsetzungen jedoch unberührt lässt (vgl. Zeitler, Art. 6 BayStrWG, Rn. 72 ff.). Die Festsetzung im Bebauungsplan ist zudem auch zu unbestimmt, um als Widmung fungieren zu können, da der Straßentyp nicht festgelegt wird. Weiterhin stellt eine Verkehrsfläche besonderer Zweckbestimmung meist keine Straße im Sinne des Art. 2 BayStrWG dar, da es sich insoweit um Flächen handelt, die nicht dem Verkehr selbst, sondern einem Nebenzweck wie Parken dienen, vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB.
Die Klägerin kann auch nichts daraus herleiten, dass es sich bei dem Grundstück möglicherweise um eine Straße im Sinne eines tatsächlich öffentlichen Weges handelt. Diese Wegekategorie ist im Bayerischen Straßen- und Wegegesetz nicht mehr vorgesehen, vgl. Art. 53 BayStrWG. Dabei handelt es sich um Wege, die der Eigentümer einer privaten Wegfläche ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln dem Verkehr eröffnet hat (Zeitler, Art. 53 BayStrWG, Rn. 35). Erfolgte dies unwiderruflich, spricht man nunmehr von Eigentümerwegen nach Art. 53 Nr. 3 BayStrWG (Zeitler, a.a.O.). Ein derartiger Verzicht auf Widerruf, der auch konkludent erfolgen kann, liegt hier jedoch nach den Umständen des Falles nicht vor, da die Beklagte bei Herauslösung des Grundstücks davon ausging, dass auf dem Grundstück eine Bushaltestelle errichtet werden sollte und das Grundstück dann nicht mehr dem Verkehr zur Verfügung gestellt werden kann. Diese Zweckbestimmung musste der Klägerin bei Erwerb des Grundstücks Fl.Nr. … bekannt sein. Es ist zudem auch für die Allgemeinheit durch entsprechende Markierung erkennbar, dass das Grundstück … vom klägerischen Grundstück getrennt ist und eine andere Zweckbestimmung haben kann (zur Unwiderruflichkeit Zeitler, Art. 53 BayStrWG, Rn. 37). Zudem erfolgte eben auch keine Widmung, was für einen Eigentümerweg als öffentliche Straße gem. Art. 6, 53 BayStrWG erforderlich ist. Selbst wenn es sich bei dem Grundstück dann um einen widerruflichen tatsächlichöffentlichen Weg handelt, kann die Klägerin hieraus nichts herleiten. Bei einem solchen Weg, der, auch durch schlüssiges Handeln, für die Benutzung durch die Allgemeinheit zugelassen ist und daher dem Straßenverkehrsrecht unterliegt, darf der Eigentümer nicht ohne weiteres Verkehrshindernisse errichten. Allerdings kann die Zustimmung der Nutzung der Fläche durch die Allgemeinheit widerrufen werden. Hierzu besteht eine Berechtigung allerdings nicht ohne weiteres, da dies eine unzulässige Selbsthilfe darstellen würde. Daher bedarf der Widerruf der Zustimmung bzw. die Sperrung für den allgemeinen Verkehr der Einschaltung behördlicher und gerichtlicher Mittel (zum Ganzen BayVGH, U.v. 26.2.2013, 8 B 11.1708). Da die Beklagte jedoch selbst örtliche Straßenverkehrsbehörde ist, durfte sie selbst die Benutzung des Grundstückes … als Verkehrsfläche für die Allgemeinheit unterbinden, sollte es sich dabei um einen tatsächlichöffentlichen Weg gehandelt haben.
Da die Klägerin dem Grunde nach keine Rechtsposition aus dem Anliegergebrauch herleiten kann, da sie an der Grenze zum Grundstück Fl. Nr. … nicht an einer öffentlichen Straße anliegt, kommt es nicht darauf an, inwieweit der Klägerin aus dem Anliegergebrauch im konkreten Fall ein Abwehrrecht gegen die Aufstellung der streitgegenständlichen Pfosten zukommt. Im Grundsatz soll der Anliegergebrauch durch die gewährleistete Anbindung an den öffentlichen Straßenraum die angemessene Nutzung des Grundstücks sichern (BayVGH, U.v. 15.3.2006, 8 B 05.1356). Die Klägerin stellt gerade in Rede, dass ihr Grundstück noch angemessen nutzbar ist, wenn über das Grundstück Fl. Nr. … nicht (mehr) Zufahrt genommen werden kann; dies hätte angesichts der örtlichen Verhältnisse bereits für die bisherige gewerbliche Nutzung gegolten und gelte bei der, baurechtlich zulässigen, Erweiterung der letzten gewerblichen Nutzung als PKW-Waschbetrieb noch mehr. Diese Argumentation greift jedoch nicht durch. Nach der konkretisierenden Rechtsprechung des BayVGH gewährleistet das Institut des Anliegergebrauchs lediglich die Zugänglichkeit des Grundstücks vom öffentlichen Straßenraum als solchem, also nur die Erreichbarkeit über eine Zufahrt (BayVGH, B.v. 28.10.2014, 8 ZB 12.1938). Dem Anlieger ist es daher zuzumuten, die Nutzung des Grundstücks gegebenenfalls umzuorganisieren, um sich veränderten Zufahrtsmöglichkeiten anzupassen (BayVGH, B.v. 19.8.2009, 8 ZB 09.1065).
bbb. Die Klägerin kann sich auch nicht aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgebotes aus Art. 3 Abs. 1 GG gegen die streitgegenständliche Aufstellung der Pfosten wehren. Das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet die Beklagte als Teil der öffentlichen Verwaltung, wesentlich gleiches gleich zu behandeln und von einer bisherigen Praxis nicht ohne sachlichen Grund abzuweichen (BayVGH, U.v. 15.3.2006, 8 B 05.1356). Der Gleichheitssatz bedeutet zudem auch ein Verbot willkürlichen Handelns durch Behörden, also eines Handelns ohne vernünftigen, sachlichen Grund (hierzu Kischel, Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, Art. 3, Rn. 24 ff.)
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bei dem Aufstellen der streitgegenständlichen Pfosten nicht gegen diese Gebote verstoßen. Eine Aufstellung von Pfosten erfolgte zwar nicht auf dem gemeindlichen Grundstück Fl.Nr. … gegenüber dem klägerischen Grundstück, das von dem Grundstück Fl.Nr. … („…“) ebenfalls zum Zwecke der möglichen Errichtung einer Bushaltestelle für die nun nicht verwirklichte Stadtumlandbahn herausgelöst wurde. Darin liegt jedoch keine Ungleichbehandlung, da das Grundstück Fl.Nr. … schon aus baulichen Gründen nicht überfahren werden kann, wie aus den vorgelegten Unterlagen ersehen werden kann (Bl. 32 der Gerichtsakten). Das Vergleichsgrundstück Fl.Nr. … genießt daher ebenfalls nur eine Zufahrt. Die Beklagte handelte zudem auch nicht willkürlich, indem sie die Zufahrt über das Grundstück Fl.Nr. … versperrte. Sie legte hierzu, auch im Rahmen von Ausführungen in der mündlichen Verhandlung plausibel dar, dass die Fläche zum einen als Rangierfläche bzw. Ausfahrfläche für Busse benötigt wird, die vom westlich gelegenen Wendehammer in Richtung Osten auf die Staatsstraße … ausfahren. Um Gefährdungen durch eine Konfliktsituation zu verhüten, wenn das Grundstück Fl.Nr. … als Ausfahrt aus dem klägerischen Grundstück genutzt wird, ist es nachvollziehbar, die Benutzung des Grundstücks Fl.Nr. … als Ausfahrt zu unterbinden. Zudem legte die Beklagte dar, dass die Fläche des Grundstücks Fl.Nr. … für einen möglichen Radweg an der Staatsstraße – insofern wurde 2015 eine neue Vorkaufssatzung beschlossen -oder mögliche neue Buslinien benötigt wird. Auch wenn die Planungen insoweit noch nicht konkretisiert sind, ist es sachlich nachvollziehbar, dass die Beklagte bereits im Oktober 2015 die streitgegenständlichen Pfosten aufstellte, bevor auf dem klägerischen Grundstück Nutzungsänderungen bzw. Erweiterungen des Baubestands für zusätzliche Nutzungen stattfanden. Denn so signalisierte die Beklagte frühzeitig, dass eine Zufahrt künftig nicht mehr über ihr Grundstück … zum klägerischen Grundstück stattfinden kann.
bb. Die Klägerin kann den begehrten Anspruch auch nicht aus Privatrecht herleiten. Die Beklagte hat eine Zufahrt über ihr Grundstück … nicht privatrechtlich gestattet. Weder existiert ein entsprechender Vertrag noch eine dingliche Rechtsposition, die im Grundbuch hätte eingetragen werden müssen. Auch ein Notwegerecht nach § 917 BGB existiert nicht, weil das klägerische Grundstück immerhin über eine Zufahrt zum öffentlichen Straßennetz verfügt und daher keines Notwegs bedarf.
2. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.


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