Baurecht

Erdwall als Einfriedung und Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans durch festsetzungswidrig hohe Grünpflanzen

Aktenzeichen  AN 17 K 18.00793

Datum:
19.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30321
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 31 Abs. 2
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 7a, Nr. 9, Art. 63 Abs. 2, Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

1. Eine Einfriedung im Sinne des Art. 57 Abs. 1 Nr. 7a BayBO ist eine Anlage, die ein Grundstück ganz oder teilweise nach außen abschirmt, sei es zur Sicherung gegen unbefugtes Betreten, sei es zum Zwecke der Abwehr von Witterungs- oder Immissionseinflüssen oder sei es zur Verhinderung der Einsicht. Daher ist als Einfriedung alles anzusehen, was ein Grundstück oder Teile eines Grundstücks gegenüber der Außenwelt schützt und ein Hindernis für alles sein soll, was von außen her den Frieden des Grundstücks stören oder dessen Nutzung beeinträchtigen könnte (hier bejaht für einen Erdwall). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans genügt es nicht schon, dass über längere Zeit von dem Plan abgewichen worden ist und inzwischen Verhältnisse entstanden sind, die den Festsetzungen des Planes nicht entsprechen. Vielmehr kann ursächlich für das Außer-Kraft-Treten eines Bebauungsplanes wegen Funktionslosigkeit nur ein in der tatsächlichen Entwicklung eingetretener Zustand sein, der es auf unabsehbare Zeit ausschließt, die planerische Gesamtkonzeption oder das mit einer Festsetzung verfolgte Planungsziel zu verwirklichen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Verstöße gegen die Festsetzungen zur Einfriedungs- und Grüngewächshöhe durch zu hoch gewachsene Grünpflanzen, vor allem  Hecken und einzeln stehende Büschen, führen daher nicht zur Funktionslosigkeit des Bebauungsplans,  da plankonforme Zustände bereits dadurch wiederhergestellt werden, dass gegen die Höhe desjenigen Bewuchses an Pflanzen vorgegangen wird. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Über die Klage konnte ohne erneute mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten diesbezüglich auf eine weitere Durchführung verzichtet haben (101 Abs. 2 VwGO).
2. Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet, da sich der angegriffene Bescheid als rechtmäßig erweist, somit den Kläger nicht in dessen Rechten verletzt und dem Kläger auch kein Anspruch auf Erteilung der beantragten isolierten Befreiung zusteht (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
a) Die Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid des Beklagten hinsichtlich der Erteilung einer isolierten Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans ist statthaft und auch sonst zulässig erhoben worden. Ob daneben der kumulativ (§ 44 VwGO) erhobene Feststellungsantrag betreffend die Funktionslosigkeit der Festsetzung Ziffer 5) des hier maßgeblichen Bebauungsplans zulässig ist oder mangels Feststellungsinteresses unzulässig, kann dahinstehen. Denn jedenfalls erweist sich die Klage sowohl im Hauptantrag der Anfechtungsklage, bei der die gerügte Funktionslosigkeit mitgeprüft wird, als auch im Hilfsantrag als unbegründet und war daher insgesamt abzuweisen. Folgerichtig wäre auch die Feststellungsklage unbegründet.
b) Für die Errichtung des vom Kläger hergestellten Erdwalls entlang der … Straße ist die Erteilung einer isolierten Befreiung nach Art. 63 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 BayBO i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB erforderlich. Zuständig ist hierfür gemäß Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayBO (in Abweichung von Art. 53 Abs. 1 Satz 2 BayBO) nicht die untere Bauaufsichtsbehörde, sondern die Gemeinde, hier der Markt … selbst (§ 1 Nr. 1 der Verordnung über Aufgaben der Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften vom 30. April 1995, GVBl. S. 259).
aa) Das von dem Kläger realisierte Vorhaben ist zwar nicht baugenehmigungspflichtig, sondern gemäß Art. 57 Abs. 1 BayBO verfahrensfrei. Die Errichtung des streitgegenständlichen Erdwalls ist gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a und Nr. 9 BayBO verfahrensfrei, da das Vorhaben als Einfriedung bzw. Aufschüttung eine Höhe von 2 m sowie eine Fläche von 500 m² nicht überschreitet. Das hat die Beweisaufnahme vor Ort ergeben. Der Erdwall stellt dabei nach Überzeugung des Gerichts aufgrund des im Rahmen des Augenscheintermins gewonnenen Eindrucks auch eine Einfriedung im Sinne des Bauordnungsrechts dar. Nach der hier maßgeblich zugrunde zu legenden Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist eine Einfriedung eine Anlage, die ein Grundstück ganz oder teilweise nach außen abschirmt, sei es zur Sicherung gegen unbefugtes Betreten, sei es zum Zwecke der Abwehr von Witterungs- oder Immissionseinflüssen oder sei es zur Verhinderung der Einsicht. Demzufolge ist als Einfriedung alles anzusehen, was ein Grundstück oder Teile eines Grundstücks gegenüber der Außenwelt schützt und ein Hindernis für alles sein soll, was von außen her den Frieden des Grundstücks stören oder dessen Nutzung beeinträchtigen könnte (BayVGH, U.v. 28.12.2015 – 1 B 15.2094 – BeckRS 2016, 42655). Unzweifelhaft erfüllt der an der westlichen und süd-westlichen Grundstücksgrenze zur öffentlichen Straße und zum südlichen Nachbargrundstück hin errichtete Erdwall diese Funktion, denn er schützt das klägerische Grundstück vor Einsichtnahme und vor Lärmimmissionen insbesondere in dem Bereich, der vom Kläger als Terrasse und Aufenthaltsbereich im Freien (Garten/Rasenfläche) genutzt wird. Dass der Kläger dem Erdwall diese Schutzfunktion auch zugedacht hat, ergibt sich für das Gericht zudem auch aus der Tatsache, dass der Kläger ursprünglich mit seinem Bauvorhaben über die Errichtung eines Einfamilienhauses im Jahr 2015 an eben dieser Stelle eine 2 m hohe Sichtschutzmauer errichten wollte, was ihm durch das Landratsamt indes versagt worden war. Stattdessen errichtete der Kläger in zeitlicher Nähe zur Fertigstellung seines Wohnhausbaus den klagegegenständlichen Erdwall.
bb) Das Vorhaben „Erdwall“ ist auch nicht als Teil eines Gesamtvorhabens – nämlich im Zusammenhang mit der Errichtung des klägerischen Einfamilienhauses im Jahr 2015 – insgesamt baugenehmigungspflichtig. Der Erdwall ist kein Teil des Gesamtvorhabens zur Errichtung des Wohnhauses, obgleich er die in diesem Baugenehmigungsverfahren nicht genehmigte Sichtschutzmauer entlang der … Straße praktisch ersetzt. Denn Voraussetzung für ein Gesamtvorhaben ist unter anderem, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Ausführung des anderen Vorhabens besteht, mithin die Bauarbeiten des anderen Vorhabens noch nicht abgeschlossen sind (Lechner/Busse in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 133. EL April 2019, Art. 57 Rn. 13). Da die Errichtung des klägerischen Wohnhauses nach dem von der Kammer im Augenscheinstermin gewonnenen Eindruck bereits abgeschlossen ist und der Kläger die Nutzung wohl am 26. September 2016 aufgenommen hat, liegt mit der Errichtung des Erdwalls im Laufe des Monats Oktober 2016, wobei ein konkreterer Zeitrahmen nicht festgestellt werden konnte, kein derart enger zeitlicher Zusammenhang zwischen diesen Vorhaben vor, weshalb es sich um zwei selbständige Einzelvorhaben handelt.
cc) Die Verfahrens- bzw. Genehmigungsfreiheit entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden (Art. 55 Abs. 2 BayBO). Wenn bei baulichen Anlagen, die nicht baugenehmigungspflichtig sind, von den Festsetzungen eines Bebauungsplans abgewichen werden soll, ist dies gemäß Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO gesondert schriftlich zu beantragen. Dem hat sich auch der Kläger letztlich nicht verschlossen, wenngleich er wohl der Auffassung zuneigt, für die Errichtung seines Erdwalls überhaupt keiner behördlichen Genehmigung zu bedürfen.
Die isolierte Befreiung ist aber nach § 31 Abs. 2 BauGB für das streitgegenständliche Vorhaben erforderlich, da es den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3 „An der … Straße“ unter Ziffer 5) widerspricht, weil dieser entlang öffentlicher Straßen ausschließlich Einfriedungen und Bepflanzungen bis zu einer Höhe von 1,00 m zulässt, was der streitbefangene Erdwall im Ergebnis der Beweisaufnahme an keiner Stelle, die zur … Straße gerichtet ist, einhält.
Die Festsetzung unter Ziffer 5) des Bebauungsplans Nr. 3 „An der … Straße“ ist dabei auch nicht funktionslos geworden. An das Außerkraftsetzen (Funktionslosigkeit eines Bebauungsplanes) sind strenge Anforderungen zu stellen. Dafür genügt es nicht schon, dass über längere Zeit von dem Plan abgewichen worden ist und inzwischen Verhältnisse entstanden sind, die den Festsetzungen des Planes nicht entsprechen. Vielmehr kann nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, ursächlich für das Außer-Kraft-Treten eines Bebauungsplanes wegen Funktionslosigkeit nur ein in der tatsächlichen Entwicklung eingetretener Zustand sein, der es auf unabsehbare Zeit ausschließt, die planerische Gesamtkonzeption oder das mit einer Festsetzung verfolgte Planungsziel zu verwirklichen. Ob nachträglich tatsächliche Veränderungen eingetreten sind, die der Planverwirklichung objektiv entgegenstehen, hängt jeweils von Gegebenheiten im Einzelfall ab (BVerwG, B.v. 7.2.1997 – 4 B 6/97 – NVwZ-RR 1997, 513; B.v. 9.10.2003 – 4 B 85/03 – BauR 2004, 1128; BayVGH, B.v. 24.5.2018 – 9 ZB 16.321 – BeckRS 2018, 10029). Funktionslos kann danach eine bauplanerische Festsetzung erst dann sein, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offenkundig ist, dass ein in ihre (Fort-) Geltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zu Grunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann (BVerwG, B.v. 17.2.1997 – 4 B 16/97 – NVwZ-RR 1997, 512). Die Kammer hat dabei in ihrer bisherigen Rechtsprechung zur Funktionslosigkeit von Bebauungsplanfestsetzungen nicht auf reine Quoten oder die bloße Anzahl von Verstößen im überplanten Gebiet abgestellt, um eine Funktionslosigkeit zu begründen. Vielmehr nimmt die Kammer eine umfassende Einzelfallbetrachtung vor, bei der es u.a. mit darauf ankommt, inwieweit sich Verstöße auch durch das Handeln bzw. Unterlassen des Plangebers und/oder der Bauaufsichtsbehörde hinsichtlich eines bauaufsichtlichen Einschreitens verfestigt haben oder bereits sogar Umplanungsüberlegungen angestellt wurden (VG Ansbach, U.v. 26.9.2019 – AN 17 K 17.02367 – BeckRS 2019, 24414). Die Grundprämisse bleibt jedoch in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass die Annahme einer Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans oder einzelner Festsetzungen aufgrund der den Gemeinden zukommenden Planungshoheit, die in bestandskräftigen Bebauungsplänen verbindlich Ausdruck gefunden hat, nur ausnahmsweise in Betracht kommt.
Bezogen auf den vorliegenden Fall wäre es somit erforderlich, dass die Festsetzung unter Ziffer 5) dermaßen oft und ständig durchbrochen worden ist und der Plangeber sich damit gleichsam abgefunden hat oder den Eindruck für die Planbetroffenen dazu erweckt, dass die Festsetzung keine Geltung mehr beanspruchen kann. Hiervon kann indes nicht die Rede sein. Die Festsetzung unter Ziffer 5) erweist sich nicht als funktionslos. Vielmehr ergibt sich nach dem seitens der Kammer durchgeführten Augenschein und unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren, dass das mit der Festsetzung verfolgte Planungsziel der Sicherstellung einer offenen Bauweise sowie der Herstellung verkehrssicherer Zustände (dazu siehe nachfolgend auch die Ausführungen unter c)) auch auf absehbare Zeit verwirklicht werden können. Die seitens der Klägerbevollmächtigten mittels Fotodokumentation vorgetragenen Bezugsfälle für Abweichungen von der Festsetzung des Bebauungsplanes unter Ziffer 5) erfüllen jedenfalls die Voraussetzungen für eine Funktionslosigkeit insoweit nicht.
Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass das Ergebnis der Beweisaufnahme auch für das Gericht dargelegt hat, dass im Plangebiet zahlreiche Verstöße gegen Ziffer 5) der Festsetzungen des hier maßgeblichen Bebauungsplans festzustellen waren. Der Beklagte stellt dies nicht in Abrede. Bisweilen sind die festgestellten Verstöße offenkundig, wie etwa auf den planzugehörigen Grundstücken, die sich auf der dem klägerischen Grundstück gegenüberliegenden Seite der … Straße in unmittelbarer Nachbarschaft des Klägers befinden (hohe Koniferengewächse), bisweilen ergeben sie sich erst aufgrund vorgenommener Messungen der Höhen der Einfriedungen, etwa bei dem unmittelbar südlich des Klägergrundstücks benachbarten Anwesen (Maschendrahtzaun mit 1,18 m Höhe). Die überwiegende Anzahl der hier relevanten Verstöße gegen die Festsetzungen zur Einfriedungs- und Grüngewächshöhe bestehen nach Auffassung der Kammer dabei vornehmlich aus zu hoch gewachsenen Grünpflanzen, v.a. Hecken und einzeln stehenden Büschen. In einigen Fällen lagen dagegen auch (offenkundige) Verstöße gegen die Höhe von Einfriedungsbauwerken selbst vor, etwa im Falle der in Augenschein genommenen Gabionenwand in der … Unberücksichtigt bleiben müssen allerdings solche Einfriedungen und Gewächse, die nicht entlang einer öffentlichen Verkehrsfläche führen, sondern ausschließlich entlang Wegen errichtet sind bzw. stehen, die nicht geeignet sind, mit Kraftfahrzeugen befahren zu werden. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Festsetzung Ziffer 5). Die vom Kläger beispielhaft mittels Fotodokumentation aufgeführten Fälle möglicher Verstöße gegen die Bebauungsplanfestsetzung erfassen indes offenbar auch solche Einfriedungen und Gewächse. Unberücksichtigt bleiben müssen ferner Baumbepflanzungen und Strauchbepflanzungen an öffentlichen Verkehrsflächen, soweit diese im zeichnerischen Planteil als zu erhaltende oder zu pflanzende Bäume bzw. Sträucher festgesetzt sind. Dies ergibt sich aus den Regelungen des Grünordnungsplanes zum Bebauungsplan, die insoweit entgegenstehenden Festsetzungen baulicher Art vorgehen (Ziffer 1) des Grünordnungsplans). Gleichwohl steht für die Kammer fest, dass im Plangebiet eine nicht unerhebliche Anzahl von Verstößen gegen Ziffer 5) der Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3 „An der … Straße“ zu verzeichnen ist, ohne, dass es im Einzelnen auf die Festlegung einer genauen Quote von planwidrigen zu plankonformen Grundstücken ankommt. Die Verstöße sind auch flächendeckend im Plangebiet festzustellen.
Zur Funktionslosigkeit der Ziffer 5) der Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans würden die festgestellten Verstöße jedoch nur führen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse eine Verwirklichung der Planziele und -festsetzungen auf unabsehbare Zeit ausschließen würden und diese Tatsache für die Planbetroffenen offenkundig ist. Gerade das ist nach Auffassung der Kammer nicht der Fall. Überwiegend plankonforme Zustände können angesichts der festgestellten Art der Verstöße nach Überzeugung des Gerichts bereits dadurch wiederhergestellt werden, dass in erster Linie gegen die Höhe desjenigen Bewuchses an Pflanzen vorgegangen wird, die unter die Festsetzungswirkung in Ziffer 5) des maßgeblichen Bebauungsplanes fallen. Wie dies im Einzelnen zu erfolgen hat, bedarf an dieser Stelle keiner Erörterung. Es genügt der Umstand, dass eine Beseitigung des „Wildwuchses“ mit deutlich geringerem Aufwand realisiert werden kann als dies beispielsweise bei Verstößen gegen Festsetzungen über Baugrenzen, Geschosszahlen o.ä. der Fall wäre, weil insoweit ein tiefergehender Eingriff in die tatsächlichen Verhältnisse vorgenommen werden müsste, um noch plankonforme Zustände wiederherstellen zu können. Soweit darüber hinaus Verstöße durch massivere Einfriedungen feststellbar waren, etwa durch zu hohe Holzzäune oder eine Gabionenwand, kann auch hiergegen nach Auffassung des Gerichts mit verhältnismäßigen Mitteln der Bauaufsicht vorgegangen werden, ohne, dass die Betroffenen größere Einbußen in vorhandene Bausubstanz zu befürchten hätten. Entscheidend tritt der Umstand hinzu, dass jedenfalls der Beklagte durchaus nicht gewillt ist, die vorhandenen Zustände für die Zukunft hinzunehmen, sondern die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu ergreifen, an die Planbetroffenen heranzutreten, deren Bebauungen und Bepflanzungen Planfestsetzungen unter Ziffer 5) überschreiten. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung dazu bekundet, dass der Gemeinderat entsprechende Schritte diskutiert hat und jedenfalls bezüglich der Gabionenwand auch ergreifen will. Durch den Beklagten wurde im angegriffenen Bescheid auch – klägerseits unwidersprochen – angeführt, dass die Gemeinde bereits in der Vergangenheit Gespräche mit planbetroffenen Bürgern gesucht und ihre Auffassung über die unrechtmäßigen Zustände diesen gegenüber dargelegt hat (Ziffer II. 2. der Gründe des angefochtenen Bescheides). Ob der Beklagte u.U. bereit ist, Änderungsbedarf hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Bebauungsplanfestsetzung in der Zukunft aufzugreifen und ggf. auch höhere Einfriedungen bzw. Bepflanzungen zuzulassen, ist für den durch das Gericht zu entscheidenden Sachverhalt irrelevant. Denn jedenfalls gehen die Überlegungen des Beklagten allein dahin, die maximal zulässige Höhe von Einfriedungen nur geringfügig um 30 cm anzuheben, im Übrigen aber den Charakter eines Gebietes mit offener Bauweise auch an den öffentlichen Verkehrsflächen zu erhalten. Der Erdwall des Klägers würde demnach auch weiterhin in Gänze, bezogen auf seine festgestellte Höhe, gegen die Umplanungsüberlegungen des Beklagten verstoßen.
Ist somit die Festsetzung in Ziffer 5) des Bebauungsplans Nr. 3 „An der … Straße“ weiterhin gültig, kann der Kläger sein Ziel (ungeachtet eines außergerichtlichen Vergleichs) nur erreichen, indem ihm eine isolierte Befreiung von dieser Festsetzung erteilt wird. Darauf hat er, wie nachfolgend dargelegt wird, indes keinen Anspruch. Auch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) steht dem Kläger nicht zu.
c) Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB liegen nicht vor. Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
aa) Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab (vgl. BVerwG, B.v. 30.3.2005 – 9 B 3/05 – juris). Dabei ist entscheidend, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft (BVerwG, B.v. 19.5.2004 – 4 B 35/04 – BRS 67 Nr. 83). Befreit werden kann daher von Festsetzungen, die das jeweilige Planungskonzept nicht tragen. Solche Festsetzungen liegen dann vor, wenn sie das Plangebiet oder maßgebliche Teile dieses Gebiets nicht wie ein roter Faden durchziehen, sondern gewissermaßen „zufällig“ erfolgt sind (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.1998 – 25 B 05.3055 – BayVBl 2008, 307). Dagegen kann von Festsetzungen, die die Grundzüge der Planung tragen, nur dann befreit werden, wenn die jeweilige Befreiung für das Plangefüge von untergeordneter Bedeutung ist. Die Frage der untergeordneten Bedeutung ist mit Rücksicht auf die Vorbildwirkung einer Befreiung und dem Gleichheitssatz nicht nur nach den Auswirkungen der einzelnen Befreiung zu beurteilen, sondern auch danach, welche Auswirkungen Befreiungen in gleichgelagerten Fällen zur Folge haben (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2008 – 9 ZB 05.1476 – juris).
Nachdem weder der Beklagte noch das Landratsamt … dem Gericht hinsichtlich der Planaufstellungsunterlagen zum Bebauungsplan Nr. 3 „An der … Straße“ einen Begründungstext zu den Bebauungsplanfestsetzungen vorlegen konnten, obgleich sich aus den übrigen Unterlagen ergibt, dass eine solche Begründung aufgestellt worden sein muss, kann sich das Gericht hinsichtlich der Beurteilung der Grundzüge der Planung nur auf den Text des Bebauungsplans selbst beziehen. Insoweit hat das Gericht die üblichen Methoden der Auslegung anzuwenden, um zu einem sachgerechten Ergebnis zu kommen. Danach ergibt sich Folgendes.
Der Plangeber bringt mit der Festsetzung in Ziffer 5) dem Wortlaut nach zum Ausdruck, dass Einfriedungen und ihnen gleichgestellte Bepflanzungen bzw. Gegenstände aller Art entlang den Einfriedungen an öffentlichen Verkehrsflächen den Fahrbahnrand um nicht mehr als einen Meter überragen dürfen. Das Gericht entnimmt diesem Text zunächst eine primär auf Verkehrssicherheit durch Verhinderung von Sichthindernissen zielende Regelung. Solch einer Regelung kommt in erster Linie dort eine herausgehobene Bedeutung zu, wo Straßenverkehrsbewegungen mit erhöhtem Gefahrenpotential stattfinden, etwa an abgesenkten Bordsteinen bzw. Ein- und Ausfahrten an Grundstücken sowie in Kreuzungsbereichen. Das Plangebiet ist nun wiederum dadurch gekennzeichnet, dass Einfamilienhäuser auf kleinteiligem Raum in Gruppen durch Straßen mit Breiten von höchstens 5,5 m, zumeist geringeren Breiten, verkehrlich erschlossen werden. Teilweise sind die Straßenbreiten verengt auf 4,5 m und enden als Stich straße in Wendekreisen. Fahrstreifen sind nicht markiert. Es finden sich zahlreiche Kurven- und Kreuzungsbereiche, wobei Fußwege entlang den öffentlichen Verkehrsflächen nur im mittleren Plangebiet in der … und in der … in von der Fahrbahn abgesetzter Form angelegt sind. Garagen sind in grenzständiger Bauweise zulässig bzw. festgesetzt. Bei dem Plangebiet handelt es sich um ein allgemeines Wohngebiet. Aus dieser Zusammenschau der Planfestsetzungen entnimmt das Gericht, dass es dem Plangeber mit seinen Festsetzungen auch darauf ankam, ein geordnetes und sicheres Nebeneinander von Wohnbebauung und -nutzung einerseits und Abstell- und Bewegungsflächen für den motorisierten Individualverkehr der Bewohner andererseits zu ermöglichen. Hinsichtlich der baulichen Gegebenheiten, die es insbesondere auch erlauben, Wohngebäude in engen Abständen zu öffentlichen Verkehrsflächen zu errichten und Garagen möglichst unmittelbar an diesen Flächen zu positionieren, nimmt die Herstellung von Verkehrssicherheit jedenfalls keinen untergeordneten Planungszweck ein.
Die textlichen Festsetzungen zu Ziffer 5) dienen nach Auffassung der Kammer unter teleologischer und systematischer Einordnung zu den übrigen textlichen und zeichnerischen Festsetzungen im Weiteren – wenn auch nicht primär – dazu, das Orts- und Landschaftsbild durch unauffällige Einfriedungen so wenig wie möglich durch Einmauerungseffekte zu stören und die offene Bauweise des durch Einfamilienhäuser geprägten Wohngebietes als Grundfestsetzung zum Plangebiet zu unterstreichen. Die künstliche Schaffung auffälliger, den vor Ort vorzufindenden natürlichen Hangverlauf unterbrechender Geländestufen durch die Errichtung höherer, u.U. auch blickdichter Mauern, die dann die Geländestufe noch zusätzlich unterstreichen, soll vermieden werden. Dies würde anderenfalls zu Einmauerungseffekten und im Hinblick auf die nicht sehr breiten Straßen im Plangebiet zu einer Schluchtenbildung führen, was der Plangeber aus Gründen des Wohnklimas und der Ästhetik verhindern wollte.
bb) Die vom Kläger errichtete Aufschüttung verstößt im Hinblick auf ihre Höhe und Länge sowie des Umstandes, dass es sich um eine blickdichte Einfriedung handelt, gegen die vorgenannten Grundzüge der Planung. Unerheblich ist dabei unter Beachtung des Maßstabes der Bewertung, inwieweit die erstrebte Befreiung nicht nur für das konkrete Grundstück selbst, sondern vor allem für die anderen planbetroffenen Grundstücke bedeutsam ist, dass die streitgegenständliche Aufschüttung nicht unmittelbar eine die Verkehrssicherheit gefährdende Einfriedung darstellt, da an der Stelle ihrer Errichtung weder vom Grundstück des Klägers noch von den benachbarten Grundstücken eine Grundstückseinfahrt abgeht bzw. sich dort auch kein unübersichtlicher Kreuzungs- oder Kurvenbereich befindet. Im Hinblick auf die Vorbildwirkung, die eine isolierte Befreiung der Aufschüttung mit sich brächte, gewinnen die Umstände der Verkehrssicherheit und der Wahrung der Ästhetik und des Erscheinungsbildes der im Plangebiet vorherrschenden offenen Bauweise gleichwohl an Bedeutung, zumal der Beklagte hinsichtlich seiner Umplanungsüberlegungen zu der streitgegenständlichen Festsetzung Ziffer 5) jedenfalls auch zukünftig keine Einfriedungen in einer Höhe zulassen will, wie sie die klägerische Aufschüttung bereits heute erreicht. Eine Befreiung würde daher zu weit reichenden Folgen für die anderen im Plangebiet liegenden Grundstücke führen, insbesondere, soweit dort Einfriedungen nur aus Bepflanzungen ohne weitere Einzäunung hergestellt wurden. Wegen der Vorbildwirkung für gleich gelagerte Fälle und auch vor dem Hintergrund, dass der Beklagte sich vorbehält, gegen (blickdichte) Mauern, die gegen Ziffer 5) der Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans verstoßen, einzuschreiten, kommt eine Befreiung nicht in Betracht. Würde gerade auf dem klägerischen Grundstück eine Befreiung zur Errichtung der Aufschüttung erteilt, so gäbe es kaum einen Grund, entsprechende Anträge anderer Bauherren abzulehnen bzw. gegen ähnlich bestehende, materiell illegale Einfriedungen vorzugehen.
cc) Ob anderenfalls die weiteren Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB erfüllt sind, brauchte die Kammer aufgrund dieses Ergebnisses nicht zu entscheiden. Es wird jedoch angemerkt, dass die Einzelfallumstände auch bezüglich der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift gegen das klägerische Begehren sprechen. Der Kläger hat nicht behauptet, dass die Durchführung des Bebauungsplans zu einer für ihn unzumutbaren, vom Plangeber nicht bedachten und offenbar nicht gewollten (grundstücksbezogenen) Härte führt. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Im Übrigen findet der Kläger mit seiner Aufschüttung im Plangebiet keinen vergleichbaren Bezugsfall, der es zumindest nahelegt, dass die beantragte Abweichung städtebaulich vertretbar erscheint. Hierauf verweist der Beklagte zutreffend und unwidersprochen. Dies entspricht auch dem Ergebnis des vom Augenschein gewonnenen Eindrucks über die vorhandenen Einfriedungen und Bepflanzungen entlang öffentlicher Verkehrsflächen im Plangebiet. Soweit das Gericht im Augenscheintermin zu Beginn der … eine kleine Anhügelung auf einem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück wahrgenommen hat, ist diese Aufschüttung von ihren Ausmaßen her nicht vergleichbar mit der klägerischen Aufschüttung. Dass dieser Anhügelung nach dem äußeren Erscheinungsbild auch subjektiv von dem Bauherrn dieses Grundstücks Einfriedungscharakter beigemessen wird, ist überdies nicht ohne weiteres anzunehmen. Es liegt nahe, dass die Aufschüttung noch aus dem Bauprozess des dortigen Einfamilienhauses resultiert und die Erde dieser Aufhügelung bislang lediglich keiner anderweitigen Verwendung zugeführt wurde. Auch der Kläger stellt mit seinem Vortrag keinen Bezugsfall zu seiner Aufschüttung her. Einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Merkmal der städtebaulichen Vertretbarkeit bedarf es vor diesem Hintergrund nicht. Schließlich kann sich der Kläger nicht auf Gründe des Wohls der Allgemeinheit, die eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans erfordern, berufen. Ob letztlich die erstrebte Befreiung darüber hinaus auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist, lässt die Kammer ebenfalls dahingestellt sein.
d) Soweit der Kläger rügt, über seinen Antrag auf Erteilung einer isolierten Befreiung sei von dem Beklagten ermessensfehlerhaft entschieden worden, insbesondere sei ein Ermessensausfall zu verzeichnen, kann dem nicht gefolgt werden. Entscheidend ist dabei auf die Gründe des angefochtenen Bescheids abzustellen. Ihnen entnimmt das Gericht unter Ziffer II. 2. die Tatsache, dass sich der Beklagte bewusst war, hinsichtlich der Erteilung oder Versagung der beantragten Befreiung Ermessen ausüben zu müssen. Ein Ermessensausfall liegt folglich nicht vor. Aber auch ein anderweitiges Ermessensdefizit erkennt die Kammer nicht. Da auf der Tatbestandsseite des § 31 Abs. 2 BauGB bereits die meisten rechtlich relevanten Gesichtspunkte geprüft werden müssen – so etwa die Frage, ob die Grundzüge der Planung berührt werden und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist -, bleibt im Allgemeinen für eine Ausübung des Ermessens nur wenig Raum. Das bedeutet jedoch nicht, dass das der Behörde zustehende Ermessen regelmäßig auf Null reduziert wäre. Das Bundesverwaltungsgericht verlangt für eine negative Ermessensentscheidung nur, dass der Befreiung gewichtige Interessen entgegenstehen (Schrödter, Baugesetzbuch, 9. Aufl. 2019, BauGB § 31 Rn. 39; BVerwG, U.v. 19.9.2002 – 4 C 13/01 – NVwZ 2003, 478). Solche gewichtigen Interessen hat der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in die Gründe seines Bescheids eingestellt und dabei auch in Bezug genommen, dass bereits in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen keine Genehmigungen erteilt worden seien bzw. nicht in Aussicht gestellt worden waren. Der Bescheid erweist sich folglich nicht als ermessensfehlerhaft.
Ob das klagegegenständliche Bauvorhaben auch gegen das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot verstößt, wie der Beklagte annimmt, bedarf nach alledem keiner Erörterung.
Da der Klage insgesamt kein Erfolg beschieden war, war sie mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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