Baurecht

Erfolglose Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung des Nachbarn

Aktenzeichen  M 9 K 17.1157

Datum:
24.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14521
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 4, § 15 Abs. 1 S. 2
BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

Wer eine Photovoltaikanlage auf einem Nebengebäude an der Grenze zum Nachbarn errichtet, hat kein aus dem Gebot der Rücksichtnahme resultierendes Abwehrrecht dagegen, dass der Nachbar die Photovoltaikanlage von Verschattung freihält und auf eine bauliche Nutzung seines Grundstücks verzichtet. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. zu tragen.
Die Beigeladene zu 2. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kostenschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Die den beigeladenen Bauherrn erteilte Baugenehmigung verletzt die Klägerin nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend beschränkt sich im vorliegenden gerichtlichen Verfahren die Prüfung darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln und die im Baugenehmigungsverfahren auch Prüfungsgegenstand sind, verletzt sind (VG München, B.v. 26.10.2017, M 9 S 17.3585 m.w.N.).
Eine solche Verletzung drittschützender Vorschriften liegt nicht vor, insbesondere verstößt die Befreiung von den Baugrenzen nicht gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme. Verstöße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz und den Gebietswahrungsanspruch sind nicht erkennbar.
Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme, § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO liegt nicht vor. Unstrittig sind die Abstandsflächen zum Grundstück der Klägerin eingehalten, so dass eine entsprechende Indizwirkung dafür spricht, dass ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ausscheidet. Die Klägerin trägt diesbezüglich im Übrigen ausschließlich vor, dass durch die Befreiung und das Bauvorhaben als solches die Photovoltaikanlage auf ihrer Garage verschattet werde. Ungeachtet dessen, auch nach dem Gebot der Rücksichtnahme, dass es Nachbarn in einem bebauten Wohngebiet grundsätzlich hinnehmen müssen, dass Grundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht vorgegebenen Rahmens baulich genutzt werden und es dadurch zu einer gewissen Verschattung ihres Grundstücks kommt, handelt es sich im vorliegenden Fall um eine grenzständige Garage. Wer (baurechtlich zulässig) für sich in Anspruch nimmt, an der Grenze zu bauen, muss hinnehmen, dass das Grenzgebäude durch die Bebauung auf dem Nachbargrundstück verschattet wird. Wer eine Photovoltaikanlage auf einem Nebengebäude an der Grenze zum Nachbarn errichtet, hat kein aus dem Gebot der Rücksichtnahme resultierendes Abwehrrecht dagegen, dass der Nachbar die Photovoltaikanlage von Verschattung freihält und auf eine bauliche Nutzung seines Grundstücks verzichtet.
Sonstige Beeinträchtigungen von Nachbarbelangen sind nicht ansatzweise erkennbar. Insbesondere ist die Größenordnung der Befreiung hinreichend bestimmt, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, da maßgeblich der genehmigte Plan und die darin vorgenommene exakte Vermaßung ist. Daraus ergibt sich die Baugrenzenüberschreitung und die genaue Lage im Grundstück, so dass ohne weiteres für Dritte erkennbar ist, ob dadurch eine mögliche Verletzung eigener Rechte erfolgt.
Soweit geltend gemacht wird, der vorliegend aus § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. der Festsetzung eines WA, § 4 Abs. 1, Abs. 2 BauNVO folgende Gebietswahrungsanspruch sei verletzt, wird darauf hingewiesen, dass hier nach der Art der baulichen Nutzung jeweils eine Wohnnutzung vorliegt, so dass nach langjähriger und ständiger Rechtsprechung ein Gebietswahrungsanspruch ausscheidet. Die Zahl der zulässigen Wohneinheiten im Bauvorhaben des beigeladenen Bauherrn entspricht darüber hinaus den Festsetzungen des Bebauungsplans.
Anhaltspunkte dafür, dass durch die Festsetzung von Baugrenzen in Bebauungsplan Drittschutz und damit ein Abwehrrecht des Nachbarn gegen Befreiungen geschaffen wurde, liegen nicht vor. Damit verbleibt es beim Regelfall, dass Baugrenzen ausschließlich städtebauliche Regelungen sind. Anhaltspunkte dafür, dass die vorgenommene Befreiung unter Verletzung einer ordnungsgemäßen Würdigung der nachbarlichen Interessen, § 31 Abs. 2 BauGB, vorgenommen wurde, sind im Hinblick auf das geringe Ausmaß der Befreiung und die Bezugsfälle, zu den unter anderem das Doppelhaus der Klägerin gehört, nicht erkennbar.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Die Kosten des Beigeladenen zu 1. waren aus Billigkeitserwägungen der Klägerin aufzuerlegen, da sich Ersterer durch eigene Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Beigeladene zu 2. hat keinen Antrag gestellt, so dass es der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selber trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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