Baurecht

Erfolglose Klage auf Verlängerung einer Baugenehmigung: Tätigkeiten in Form von Behördengängen oder die Aufstellung eines Baucontainers reichen nicht für einen Baubeginn

Aktenzeichen  RN 6 K 19.1053

Datum:
21.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9553
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 3
BayBO Art. 68, Art. 69 Abs. 2
BayVwVfG Art. 32
VwGO § 43 Abs. 2, § 117 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Unter Baubeginn ist die Aufnahme der Bauarbeiten zu verstehen, die – im Unterschied zu bloßen Vorbereitungshandlungen – der Ausführung des Bauvorhabens objektiv unmittelbar dienen. Zusätzlich ist zu fordern, dass der Bauherr die Bauarbeiten ernsthaft mit dem Ziel aufnimmt, das genehmigte Vorhaben – wenn auch möglicherweise zeitlich gegliedert in Bauabschnitte – fertig zu stellen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Antragsfrist für den Verlängerungsantrag für eine Baugenehmigung sieht das Bauaufsichtsrecht nicht vor. Die Wiedereinsetzung scheidet aus, weil die einzuhaltende Frist keine gesetzliche, sondern eine von einer Behörde gesetzte Frist darstellt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. In materiell-rechtlicher Hinsicht gilt für die Verlängerung der Geltungsdauer der Genehmigung nichts anderes als für die erstmalige Erteilung. Eine Verlängerung ist nur möglich, wenn das Vorhaben zu dem Zeitpunkt, zu dem über den Antrag entschieden wird, noch den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
In Ziffer I. verfolgt der Kläger zulässigerweise im Wege einer Feststellungsklage nach § 43 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sein Begehren, dass die ihm erteilte Baugenehmigung vom 20. September 2006 nicht erloschen ist (zur Zulässigkeit der Feststellungsklage in einem solchen Fall auch VG Augsburg U.v. 8.7.2015 – Au 4 K 14.1246, Au 4 K 14.1479, BeckRS 2015, 50098, Rn. 75; VG München, U.v. 29.6.2000 – M 11 K 98.1596 – juris, Rn. 32; VG Saarland, U.v. 30.1.2013 – 5 K 252/12 – juris, Rn. 29). Insbesondere steht die Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO nicht entgegen, weil der Beklagte bisher keinen Bescheid erlassen hat wie etwa eine bauaufsichtliche Verfügung oder einen feststellender Verwaltungsakt, dass die Baugenehmigung erloschen ist, den der Kläger im Wege der Anfechtungsklage hätte angreifen können.
Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Die dem Kläger erteilte und dreimal verlängerte Baugenehmigung vom 20. September 2006 ist gemäß Art. 69 Abs. 2 BayBO erloschen. Mit der Ausführung des Bauvorhabens wurde im Rechtssinne nicht innerhalb der letztmalig durch die Behörde festgelegten, maßgeblichen Zwei-Jahres-Frist begonnen (Art. 69 Abs. 2 BayBO).
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, er habe neben den unbestrittenen Behördengängen auch vor Ablauf der verlängerten Baugenehmigung einen Baucontainer auf dem Baugrundstück aufgestellt. Denn auch wenn in tatsächlicher Hinsicht das Vorbringen des Klägers zugrunde gelegt wird, ist die Baugenehmigung erloschen. Bis zum Zeitpunkt des Erlöschens der Baugenehmigung hatte der Kläger nicht im Rechtssinne mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen.
Art. 68, 69 BayBO legen nicht ausdrücklich fest, was unter Beginn der Ausführung des Vorhabens zu verstehen ist. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist unter Baubeginn die Aufnahme der Bauarbeiten zu verstehen, die – im Unterschied zu bloßen Vorbereitungshandlungen – der Ausführung des Bauvorhabens objektiv unmittelbar dienen. Hierbei ist allerdings eine Einschränkung angezeigt. Eine übermäßig lange Geltungsdauer widerspricht der Rechtsnatur der Baugenehmigung, mit der festgestellt wird, dass der Ausführung des beabsichtigten Vorhabens nach dem derzeit geltenden öffentlichen Recht keine Hindernisse entgegenstehen. Zur Abwehr einer Gesetzesumgehung ist deshalb insoweit zusätzlich zu fordern, dass der Bauherr die Bauarbeiten ernsthaft mit dem Ziel aufnimmt, das genehmigte Vorhaben – wenn auch möglicherweise zeitlich gegliedert in Bauabschnitte – fertig zu stellen (VG Augsburg, U.v. 8.7.2015 – Au 4 K 14.1246, Au 4 K 14.1479, BeckRS 2015, 50098, Rn. 80; BayVGH, U.v. 29.6.1987 – 14 B 86.02133 – BayVBl 1988, BayVBl 1988 S. 149 f.; BayVGH, B.v. 12.1.2000 – 2 ZB 97.1021 – juris, Rn. 9).
Da Art. 69 Abs. 1 BayBO das Erlöschen der konkret erteilten Baugenehmigung regelt, müssen die Bauarbeiten auf die Ausführung des genehmigten Vorhabens zielen, also unter Ausnutzung gerade der erteilten Baugenehmigung erfolgen (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 135. EL Dezember 2019, Art. 68 Rn. 583 ff., Art. 69 Rn. 46). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Die vom Kläger vorgebrachten Tätigkeiten in Form von Behördengängen oder einer behaupteten Aufstellung eines Baucontainers reichen für einen Baubeginn, wie ihn die Rechtsprechung definiert hat, nicht aus. Insoweit kommt es, wie ausgeführt, nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Klägers, sondern auf die objektive Erkennbarkeit an. Es mag zwar zulässig sein, im Sinne eines „Minus“ von einer vollständigen Ausnutzung einer erteilten Baugenehmigung abzusehen. Wenn allerdings – wie hier – keinerlei Maßnahmen umgesetzt werden, die gerade dem genehmigten Vorhaben sein wesentliches Gepräge geben, ist objektiv gesehen weder erkennbar, dass die Maßnahmen der Ausführung der Baugenehmigung gedient haben, noch, dass die Bauarbeiten mit der nötigen Ernsthaftigkeit mit dem Ziel aufgenommen wurden, das genehmigte Vorhaben fertig zu stellen. Diese notwendige Ernsthaftigkeit scheint nach der gegebenen Aktenlage im Hinblick auf den Kläger nahezu ausgeschlossen. Der Prozesskostenhilfe beantragende Kläger verfügt als Empfänger von Arbeitslosengeld II gemäß seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 12. Juni 2019 nicht über finanzielle Mittel, um realistisch das Bauvorhaben beginnen oder sogar beenden zu können. Vielmehr verliefen nachweislich in den vergangenen Jahren mehrfach Pfändungsversuche gegen ihn erfolglos. Die ihm gehörigen überschaubaren landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Grundstücke sind mit zahlreichen Zwangssicherungshypotheken belastet. Nach eigenen Angaben ist eine Versteigerung anberaumt. Aufgrund der Höhe der Belastungen ist ein überschießender Versteigerungserlös zugunsten des Klägers fernliegend. Demzufolge ist eine Bauverwirklichung durch Beauftragte kaum denkbar. Entsprechendes wurde seitens des Klägers auch nicht vorgetragen. Ebenso erscheint eine Bauausführung in Eigenleistung des nach eigenen Angaben arbeitsunfähigen Klägers nicht vorstellbar. Aufgrund des im Rahmen der Baukontrollen gefertigten Bildmaterials ist sogar erkennbar, dass der Kläger den Verkauf des Baugrundstücks beabsichtigt. Eine behauptete eigenständige Verwirklichung des Vorhabens ist daher als bloße Schutzbehauptung zurückzuweisen. Dem Vorhalt durch den Beklagten ist die Klägerseite auch nicht entgegengetreten.
Die Klage war daher im Hauptantrag abzuweisen.
II.
Dem Kläger steht nach auch kein hilfsweise geltend gemachter Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Verlängerung der Baugenehmigung vom 20. September 2006 zu.
1. Der Verlängerungsantrag ist unstrittig mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 nicht fristgerecht vor Ablauf der Geltungsdauer der Baugenehmigung beim Beklagten eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Antragsfrist für den Verlängerungsantrag für eine Baugenehmigung sieht das Bauaufsichtsrecht nicht vor (Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Rn. 87 ff. zu Art. 69). Die Wiedereinsetzung nach Art. 32 BayVwVfG scheidet aus, weil die vom Kläger einzuhaltende Frist keine gesetzliche, sondern eine von einer Behörde gesetzte Frist darstellt (VG Würzburg, B.v. 6.8.2007 – 5 S 07.851 – BeckRS 2009, 30306; BayVGH, B.v. 19.5.1999 – B 97.1548 – BayVBl. 2000, 20). Nach Art. 69 Abs. 2 BayBO muss der Verlängerungsantrag vor Ablauf der Geltungsdauer der Baugenehmigung gestellt werden. Die Frist für den Verlängerungsantrag fällt mit der Geltungsdauer der (verlängerten) Baugenehmigung zusammen. Der Beklagte hatte die Geltungsdauer der Baugenehmigung jeweils um zwei Jahre verlängert. Aufgrund der im Rahmen der erstmaligen Verlängerung zweideutig ausgesprochenen Regelung einer Verlängerung um zwei Jahre (jedoch „bis 20.9.2012“), ist im Zweifelsfall von der für den Kläger günstigeren Auslegung einer vollumfassenden zweijährigen Verlängerung beginnend ab dem maßgeblichen Ende der vierjährigen Wirksamkeit der mit Zustellungsfiktion gem. Art. 4 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) am 23. September 2006 zugestellten Baugenehmigung auszugehen. Insoweit ist zwischen den Beteiligten auch nicht strittig, dass die letztmalige Verlängerung der Baugenehmigung mit Ablauf des 23. September 2016 endete. Dabei handelt es sich um eine Fristverlängerung, die zwar auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruht, die aber von der Behörde unter Ausschöpfung eines Gestaltungsspielraums gesetzt worden ist, also um eine behördliche Frist (BayVGH, a.a.O.). Bereits deshalb scheidet die Verlängerung der Baugenehmigung dem Grunde nach aus.
2. Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig.
In materiell-rechtlicher Hinsicht gilt für die Verlängerung der Geltungsdauer der Genehmigung nichts anderes als für die erstmalige Erteilung. Eine Verlängerung ist nur möglich, wenn das Vorhaben zu dem Zeitpunkt, zu dem über den Antrag entschieden wird, noch den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht (VG München, U.v. 19.6.2013 – 1 K 13.1293 – BeckRS 2013, 54829; BayVGH, B.v. 12.8.2012 -14 ZB 10.1005 – juris; U.v. 17.10.2003 – 2 B 99.2667 – BayVBl 2004, 216). Ist das der Fall, muss die Behörde dem Antrag entsprechen, ansonsten muss sie ihn ablehnen. Die Bedeutung der Verlängerungsmöglichkeit liegt in einer verfahrensmäßigen Erleichterung für den Bauherrn. Das bedeutet aber keine Einschränkung des materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstabes. Ein schutzwürdiges Vertrauen eines Bauherrn, dass die Baugenehmigung verlängert wird, kann regelmäßig nicht anerkannt werden, da die Bauaufsichtsbehörde bei der Verlängerung der Geltungsdauer ebenso „frei“ in ihrer Entscheidung sein muss wie bei der erstmaligen Erteilung der Genehmigung. Eine Bindung an die ursprüngliche Entscheidung würde im Falle einer rechtswidrigen Genehmigung eine sachlich ungerechtfertigte Begünstigung des Bauherrn darstellen, die vom Schutzzweck der Verlängerung nicht mehr gedeckt ist. Folglich können die Grundsätze der Selbstbindung der Verwaltung und des Vertrauensschutzes nicht zu einem anderen Ergebnis führen (Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Rn. 103 zu Art. 69 mit Verweis u.a. auf BayVGH, U.v. 17.10.2003 – 2 B 99.2667 – BayVBl 2004, 216).
Nach § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB kann der alsbaldigen Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, die Beeinträchtigung bestimmter öffentlicher Belange zwar nicht entgegengehalten werden. Voraussetzung ist aber gerade die alsbaldige Neuerrichtung des zerstörten Gebäudes. Damit wird berücksichtigt, dass der Außenbereich an der Stelle des zerstörten Gebäudes bebaut war und die dadurch entstandene (gewisse) Prägung des Außenbereichs durch Bebauung einige Zeit nachwirkt (EZBK/Söfker, 135. EL September 2019, BauGB § 35 Rn. 153). Grundvoraussetzung ist daher für die „alsbaldige Absicht“ des Wiederaufbaus, dass der Betroffene seine Absicht des Wiederaufbaus mit einem entsprechenden Genehmigungsantrag oder durch eine gleichwertige Erklärung in einem Zeitpunkt zu erkennen gegeben hat, in dem die bodenrechtliche Situation des Grundstücks infolge nachwirkender Prägung durch das zerstörte Gebäude für den Wiederaufbau noch gegeben war (BVerwG, U.v. 8.6.1979 – 4 C 23.77 – NJW 1980, 1010). Ob ein Grundstück für den Wiederaufbau noch aufnahmefähig ist, beurteilt sich dabei nach der Verkehrsauffassung. Diese rechnet nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts innerhalb eines Jahres nach Zerstörung eines Bauwerks durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse stets mit dem Wiederaufbau, in der Regel aber auch noch im folgenden Jahr (BVerwG, U.v. 21.8.1981 – 4 C 65.80 – BayVBl 82, 86).
Dass eine entsprechende Prägung des Außenbereichs durch die ursprünglich vorhandene Bebauung nach 25 Jahren entfallen ist, bedarf keiner näheren Erläuterung. Es wird insoweit und hinsichtlich der Beeinträchtigung öffentlicher Belange des als sonstiges Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB zu wertenden Vorhabens auf die Ausführungen des Bescheids vom 14. Mai 2019 verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO), denen das Gericht ausdrücklich folgt.
Eine Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB scheidet ebenfalls aus, da mangels „Vorhandenseins“ eines Gebäudes bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt sind. (vgl. EZBK/Söfker, 135. EL September 2019, BauGB § 35 Rn. 147).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.


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