Baurecht

Erfolglose Klage gegen Straßenausbaubeitrag – Erneuerung einer Straße mit Kopfsteinpflaster

Aktenzeichen  AN 3 K 16.00103

Datum:
23.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 106826
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, S. 3, Abs. 3 S. 1, Art. 5a, Art. 19 Abs. 2
AO § 169 Abs. 2 S. 1, § 170 Abs. 1
BauGB § 129 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 38
BGB § 134, § 242
GG Art. 20 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Eine beitragsfähige Erneuerung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 KAG ist eine Maßnahme, durch die eine erneuerungsbedürftige Straße oder Teileinrichtung nach Ablauf der für sie üblichen Nutzungsdauer (20 bis 25 Jahre) in einen Zustand versetzt wird, der mit ihrem ursprünglichen Zustand im Wesentlichen vergleichbar ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Von einem “besonderen Vorteil” (Art. 5 Abs. 1 S. 1 KAG) im Rechtssinne ist auszugehen, wenn eine Pflasterung mit Kopfsteinpflaster unter Berücksichtigung stadtgestalterischer Denkmalschutzbelange gleichzeitig zu einer Verkehrsberuhigung und damit auch zu einer Wertsteigerung der anliegenden Grundstücke führt. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Angemessenheit entstandener Kosten kann nur dann ausnahmsweise verneint werden, wenn sich die Gemeinde bei der Vergabe der Aufträge oder der Durchführung einer Baumaßnahme offensichtlich nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes … vom 14. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Grundlage für die Erhebung des streitgegenständlichen Straßenausbaubeitrags ist Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 KAG in Verbindung mit der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 30. März 2010.
Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit der Straßenausbaubeitragssatzung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so dass von ihrer Gültigkeit auszugehen ist (ständige Rechtsprechung des BayVGH, z.B. B.v. 4.6.1997 – 6 ZS 97.1305 -, juris).
2. Die vorgenommenen und abgerechneten Ausbauarbeiten der … stellen sich als beitragsfähige Erneuerung der … dar.
Unter einer beitragsfähigen Erneuerung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG ist die – über eine bloße Instandsetzung hinausgehende – Ersetzung einer in Folge bestimmungsgemäßer Nutzung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit abgenutzten Orts Straße durch eine gleichsam „neue“ Orts Straße von gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung der Fläche und gleichwertiger Befestigungsart zu verstehen, also eine Maßnahme, durch die eine erneuerungsbedürftige Straße oder Teileinrichtung nach Ablauf der für sie üblichen Nutzungsdauer in einen Zustand versetzt wird, der mit ihrem ursprünglichen Zustand im Wesentlichen vergleichbar ist (ständige Rechtsprechung des BayVGH, z.B. U.v.14.7.2010 – 6 B 08.2254 – juris Rn. 28). Die übliche Nutzungsdauer von Straßen beträgt nach ständiger Rechtsprechung 20 bis 25 Jahre (vgl. BayVGH, U.v.14.7.2010, a.a.O. Rn. 29). Die Verschlissenheit der Anlage, zu deren Beurteilung auf den Zustand unmittelbar vor Beginn der abzurechnenden Baumaßnahme abzustellen ist, muss dabei auf einer bestimmungsgemäßen Benutzung der Straße beruhen, zu der ebenso wie Schwerlastverkehr und Verkehr von Baufahrzeugen oder der Verlegung von Versorgungsleitungen auch die Inanspruchnahme als Umleitungsstrecke für Bundesfernstraßenverkehr gehört (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 30, 31).
Diese Voraussetzungen für die Erhebung des Straßenausbaubeitrages liegen unproblematisch vor.
Die Beteiligten erklärten hierzu übereinstimmend, das die … seit den 1960er Jahren nicht mehr erneuert worden und dass sie insbesondere als Umleitungsstrecke während des Autobahnbaus Anfang der 1960er Jahre auf der Achse … und durch die Verlegung der Bundesstraße … in die … (wohl in den 1970er Jahren) stark belastet und abgenutzt worden war.
Die … wurde im Zuge der Altstadtsanierung von … anstelle einer Asphaltierung mit Großkopfsteinpflaster gepflastert.
Der Einwand, durch die Verwendung des Großkopfsteinpflasters sei es nicht zu einer Verbesserung, sondern vielmehr zu einer Verschlechterung durch höhere Lärmimmissionen gekommen, hindert die Annahme des Eintritts einer Vorteilslage für die beitragspflichtigen Anlieger schon deshalb nicht, weil die Anlage – wie oben dargelegt – nach Ablauf der Lebensdauer der Straße erneuert wurde. Darüber hinaus ist auch von einer (wenn auch subjektiv nicht so erlebten) Verbesserung und damit von einem „besonderen Vorteil“ im Rechtssinne auszugehen, wenn eine Pflasterung mit Kopfsteinpflaster unter Berücksichtigung stadtgestalterischer Denkmalschutzbelange gleichzeitig zu einer Verkehrsberuhigung und damit auch zu einer Wertsteigerung der anliegenden Grundstücke führt (BayVGH, U.v. 29.4.1986 – 6 CS 86.00668 -, juris).
Die Kosten der Ausbaumaßnahme stellen sich auch nicht als unangemessen hoch dar.
Zur Beurteilung der Frage, ob die angefallenen Kosten für die Erneuerung einer Straße angemessen sind, steht der Gemeinde – wie im Erschließungsbeitragsrecht, vgl. Art. 5 a KAG i.V.m. § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB – ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Die Gemeinde ist weder gehalten, die kostengünstigste Ausbaumöglichkeit zu wählen, noch alle – in etwa vergleichbaren – Ortsstraßen in gleicher Weise auszubauen. Die Angemessenheit entstandener Kosten kann nur dann ausnahmsweise verneint werden, wenn sich die Gemeinde bei der Vergabe der Aufträge oder der Durchführung einer Baumaßnahme offensichtlich nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, d.h. wenn die Kosten in für die Gemeinde erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreichen, also sachlich schlechthin unvertretbar sind (vgl. BayVGH, B.v. 1.9.2016 – 6 ZB 16.798 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Anhaltspunkte für eine derartige „Luxussanierung“ bestehen nicht. Nachdem die Maßnahme im Rahmen der Altstadtsanierung erfolgte, konnte auch sanierungsbedingter Mehraufwand nach den oben dargestellten Grundsätzen in die beitragspflichtigen Maßnahmekosten einfließen. Ein Korrektiv hierfür stellt die Satzungsbestimmungen nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 KAG i.V.m. § 7 Abs. 2 der ABS der Beklagten dar: im Bereich der Altstadt beträgt der Eigenanteil der Gemeinde im Durchschnitt 75 bis 80%, mit der Folge, dass die Maßnahmekosten von 993.148,48 EUR nur zu einem Betrag von 300.944,12 EUR, also zu weniger als einem Drittel, über Beiträge finanziert wurden.
3. Es bestehen auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die unter 2. dargestellte Beitragsforderung durch Verjährung, Verzicht, eine Zusicherung oder einen Vertrauenstatbestand nach § 242 BGB erloschen bzw. in ihrer Durchsetzbarkeit gehindert wäre.
a) Die Festsetzungsverjährung einer Straßenausbaubeitragsforderung beginnt gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) cc), Abs. 2 KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO vier Jahre. Die Beitragspflicht entsteht erst dann, wenn alle Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten vorliegen. Hierzu gehört auch, dass der Aufwand für die Maßnahme ermittelt werden kann, was erst nach Eingang der letzten Unternehmerrechnung der Fall ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2016 – 6 ZB 14.1871 – juris; U.v. 1.6.2011 – 6 BV 10.2467 – juris). Maßgeblich abzustellen ist hier auf den Grunderwerb, der für die streitgegenständliche Maßnahme mit Erwerb der Fl.Nrn. … und … erst im Jahr 2009 abgeschlossen wurde (Rechnung des Vermessungsamtes … vom 5. März 2009). Damit begann der Lauf der Frist am 1. Januar 2010 und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2013, so dass der streitgegenständliche Beitragsbescheid am 15. Oktober 2013 noch vor dem Eintritt der Festsetzungsverjährung erlassen wurde.
b) Ein wirksam erklärter Verzicht auf die Beitragserhebung bzw. eine entsprechende Zusicherung nach Art. 38 BayVwVfG liegt nicht vor.
Zum einen wird auch von Seiten der Klägerin nicht vorgetragen, dass ein solcher Verzicht bzw. eine entsprechende Zusicherung seitens der Beklagten erklärt worden sei. In der mündlichen Verhandlung stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nochmals dar, von einem Gemeinderatsbeschluss der Beklagten aus dem Jahr 1999, in welchem das Absehen von der Beitragserhebung beschlossen worden sei, wisse er lediglich aus damaligen Presseberichten. Der Beschluss selbst liege ihm nicht vor. Die Beklagte erklärte, einen derartigen Beschluss gebe es nicht, so dass diese Unaufklärbarkeit nach allgemeinen Grundsätzen der Beweislast die Klägerin gegen sich gelten lassen muss, der die materielle Beweislast obliegt, nachdem sie sich auf die Existenz eines entsprechenden Dokuments beruft.
Jedoch kann dies letztlich dahin stehen, da dieser Beschluss des Gemeinderates – der neben mündlichen Äußerungen des Bürgermeisters der Beklagten in Bürgerversammlungen, in welchen er die Unsicherheit der Gemeinde über das Ob der Beitragserhebungspflicht zum Ausdruck brachte – in keinerlei Hinsicht die Erfordernisse für eine wirksame Zusicherung oder einen wirksamen Verzicht auf die Beitragsforderung erfüllt.
Zum einen fehlt es bereits an dem für beide Rechtsinstitute erforderlichen Verzichtswillen, welcher beinhaltet, dass die Gemeinde in Kenntnis der Pflicht zur Erhebung eines Straßenausbaubeitrags bewusst auf die Erhebung eines solchen verzichten will. Denn nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ging die Gemeinde ursprünglich rechtsirrtümlich davon aus, dass es sich bei den Ausbaukosten für die … um die Kosten einer Sanierungsmaßnahme handelte, für die nach § 154 BauGB keine Beitragspflicht bestanden hätte. Erst im Rahmen der umfangreichen Korrespondenz mit dem Bayerischen Gemeindetag und dem Kommunalen Prüfungsverband ergab sich die rechtliche Gewissheit für die Beklagte, dass sie die Maßnahmekosten nicht über Mittel der Städtebauförderung, sondern über Anliegerbeiträge finanzieren musste. Weitergehende Auswirkungen auf das Entstehen der Beitragspflicht kommen diesem Rechtsirrtum nicht zu.
Darüber hinaus würde sowohl ein Verzicht auf die Beitragserhebung als auch die Zusicherung (deren Existenz im Bereich des Beitragsrechts wegen Anwendbarkeit der Vorschriften der Abgabenordnung teilweise in Frage gestellt wird (so VG Greifswald, U.v. 4.8.2016 – 3 A 249/15 HGW; a.A. BayVGH B.v. 21.1.2010 – 6 CS 09.3051 – juris Rn. 13)), keinen Beitrag zu erheben, gegen zwingendes Recht verstoßen und wäre damit nichtig.
Denn nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG, § 134 BGB und Art. 20 Abs. 3 GG ist die Gemeinde zur Beitragserhebung verpflichtet. Ein eventuell denkbarer Ausnahmefall (etwa in entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 135 Abs. 5 BauGB, der in engen Grenzen für das Erschließungsbeitragsrecht Anforderungen für einen Verzicht in Form von Vereinbarungen mit den Beitragspflichtigen regelt, vgl. dazu VG Ansbach, U.v. 23.2.2006 – AN 18 K 04.02806 – juris Rn. 70 ff.) liegt offensichtlich nicht vor.
c) Auch der Einwand der Klägerin, aufgrund Zeitablaufs und der entsprechenden Äußerungen der Beklagten, von einer Beitragserhebung abzustehen, sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, der die Beklagte dem Rechtsgedanken des § 242 BGB entsprechend an der Beitragserhebung hindere, trägt nicht. Es ist schon nicht erkennbar, durch welche Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin geschaffen worden sein sollte, welches nun dazu führen könnte, dass die Beitragserhebung unzulässig ist. Denn seit Fertigstellung der Baumaßnahme im Jahr 1985 war die Frage der Beitragserhebung immer wieder Gegenstand von Bürgerversammlungen und Presseberichten. Die bloße Hoffnung, es werde nicht zu einem Erlass entsprechender Bescheide kommen, begründet mangels äußerer Umstände noch nicht entsprechendes Vertrauen. Darüber hinaus fehlt es jedoch auch an der Schutzwürdigkeit der Klägerin. Denn davon könnte nur ausgegangen werden, wenn sie im Vertrauen auf das Ausbleiben der Beitragserhebung entsprechende andere Vermögensdispositionen getroffen, etwas „ins Werk gesetzt“ hätte (BVerwG vom 18.3.1988 BVerwGE 79, 163/169; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 10 RdNrn. 19 und 20; BayVGH, B.v. 24.5.2012 – 6 CS 12.593 – juris). Derartiges wurde weder vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Inwiefern eine rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung zu einem früheren Zeitpunkt (etwa noch in den 80er Jahren) zu dem Ergebnis hätte führen sollen, dass eine Beitragspflicht nicht bestehe – so die Behauptung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung -, ist aus Sicht der Kammer nicht nachvollziehbar.
Anhaltspunkte für eine bewusste Täuschung der Beklagten über das Entstehen der Beitragspflicht für die Pflasterung mit Großkopfsteinpflaster lassen sich – unabhängig von der Frage rechtlicher Folgen – den behördlichen Unterlagen nicht entnehmen. Vielmehr befand sich die Beklagte noch im Jahr 1988 zum Zeitpunkt der Gewährleistungsabnahme in der rechtsirrtümlichen Annahme, die Maßnahme aus Mitteln der Städtebauförderung finanzieren zu können.
4. Nachdem nach Eintritt der Vorteilsage mit Fertigstellung der Baumaßnahme am 2. August 1985 die vorliegend maßgebliche Höchstfrist für die Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich, 19 Abs. 2 KAG erst am 31. Dezember 2015 ablief, war die Erhebung des Beitrags zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Beitragsbescheides noch möglich.
Demnach war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 abzuweisen.


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