Baurecht

Erfolglose Nachbarklage gegen immissionsschutzrechtlichen Änderungsbescheid für Windenergieanlagen

Aktenzeichen  B 2 K 16.5

Datum:
12.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 122954
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG § 15 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2, § 16 Abs. 1
BayBO Art. 82

 

Leitsatz

Der Regelungsinhalt einer Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 S. 2 BImSchG beschränkt sich auf eine Aussage zur formellen Legalität des Änderungsvorhabens. Insofern entfaltet § 15 Abs. 2 S. 2 BImSchG keine drittschützende Wirkung. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beigeladene durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg, da die Klägerin durch den streitgegenständlichen Änderungsbescheid nach § 15 Abs. 2 BImSchG nicht in ihren Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Das Gericht schließt sich der vom Beklagten in der Klageerwiderung genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.08.2012 (Az. 7 C 7.11) an, wonach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG keine drittschützende Wirkung entfaltet. Der Regelungsinhalt der Freistellungserklärung beschränkt sich nämlich auf eine Aussage zur formellen Legalität des Änderungsvorhabens. Die Freistellungserklärung stellt mit Bindungswirkung ausschließlich fest, dass die geplante Änderung der Anlage keiner förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf. Sinn und Zweck des § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG beschränkt sich darauf, den Anlagenbetreiber vor Maßnahmen zu schützen, die an die formelle Illegalität anknüpfen. Eine Art Genehmigung bzw. Genehmigungsfiktion ist mit dieser Vorschrift nicht verbunden.
Auf die umstrittene Frage, ob eine drittschützende Wirkung dieser Vorschrift etwa dann angenommen werden könnte, wenn die Behörden fälschlicherweise diese Freistellungserklärung abgegeben hat, weil es sich um eine wesentliche Änderung im Sinn des § 16 Abs. 1 BImSchG handelt, die ihrerseits genehmigungspflichtig wäre (zum Streitstand vergleiche Bundesverwaltungsgericht a.a.O.), braucht nicht eingegangen zu werden, da die Änderung hier nicht genehmigungspflichtig nach § 16 Abs. 1 BImSchG ist. Durch die Änderung werden nämlich keine nachteiligen Auswirkungen hervorgerufen, die für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können.
Dies ergibt sich bereits aus den von der Beigeladenen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zusammen mit der Änderungsanzeige vom 27.10.2015 vorgelegten Erläuterungen. Nachbarrechtlich relevant ist insoweit nur die Technische Dokumentation Windenergieanlagen 2.5-120 und 2.75-120 50 Hz und 60 Hz „Schallleistung“ aus dem Jahr 2015. Sonstige bei Windkraftanlagen potenziell drittschützende Belange wie Beschattung oder städtebauliches Gebot der Rücksichtnahme stehen hier nicht im Raum, da sich Standort und Ausmaße (Nabenhöhe und Rotordurchmesser) der Windenergieanlagen laut Anzeigeschreiben vom 27.10.2015 gegenüber der bestandskräftigen Genehmigung nicht geändert haben.
Aus dieser Technischen Dokumentation zur Schallleistung, die unter I.1 („Nr. 4.1.1“) zum Gegenstand des Änderungsbescheides gemacht wurde, ergibt sich, dass eine Erhöhung des Gesamtschallleistungspegels mit der Änderung nicht verbunden ist (vgl. Tabelle auf Seite 6 dieser Erläuterungen).
Dies wird im Übrigen von der zuständigen Umweltschutzingenieurin des Landratsamtes Coburg in ihrem Vermerk vom 11.11.2015 bestätigt.
Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten in seinem Schriftsatz vom 15.11.2016, wonach bei Messungen nach Inbetriebnahme Grenzwertüberschreitungen festgestellt worden seien, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die im Genehmigungsverfahren bzw. in einer Änderungsanzeige vorgelegten Erläuterungen und sonstigen Unterlagen stellen naturgemäß Prognosen dar. Indizien dafür, dass diese Prognosen „geschönt“ sein könnten, sind hier nicht erkennbar. Das Landratsamt Coburg hat im bestandskräftigen ursprünglichen Genehmigungsbescheid des Windparks vom 30.01.2015 unter Nr. 3.2.10 der Nebenbestimmungen zusätzlich angeordnet, dass spätestens ein Jahr nach Inbetriebnahme der Windenergieanlagen durch Messung einer zugelassenen Messstelle nach § 26 BImSchG die Einhaltung der Schallleistungspegel bei Betrieb mit Nennleistung (106,0 dB(A)) nachzuweisen ist. Es ist auch nachzuweisen, dass die Geräusche der Windenergieanlage nicht ton- oder impulshaltig sind. Das Landratsamt hat in diesem Bescheid unter Nr. 3.2.3 den Beurteilungspegel an zahlreichen Immissionssorten (unter anderem auch in der Nachbarschaft der Klägerin) verbindlich festgelegt. Dies bedeutet, dass dann, wenn die im Bescheid festgelegten Beurteilungspegel im tatsächlichen Betrieb nicht eingehalten werden können, der Betreiber durch nachträgliche Anordnung bzw. Vollstreckung der entsprechenden Auflagen zu einem geräuschärmeren Betrieb angehalten werden kann.
Anders als z.B. bei Anlagen mit unterschiedlichen Geräuschen bzw. mit verhaltensbezogenen Auflagen ist das bei einer Windenergieanlage mit nur einer Schallquelle zum einen leicht feststellbar, es ist im Übrigen auch leicht vollstreckbar, weil bei allen Windenergieanlagentypen unter anderem durch Reduzierung der Drehgeschwindigkeit bzw. Abschaltung ab einer bestimmten Windstärke unzumutbarer Lärm unterbunden werden kann.
Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, dass aufgrund der Änderung die sogenannte 10-H-Regelung des Art. 82 BayBO einschlägig sei, kann der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, wieso aufgrund der streitgegenständlichen Änderungsanzeige, im Wesentlichen nur die Maschinentechnik betrifft, jedoch keine relevanten optischen Änderungen beinhaltet, die 10-H-Regelung überhaupt einschlägig sein sollte. Zum anderen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Bayreuth diese Regelung nicht drittschützend, was auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in dem zwischen den gleichen Beteiligten ergangenen Beschluss vom 07.10.2016 (Az. 22 ZB 15.2662) bestätigt wurde.
Als unterlegene Beteiligte hat die Klägerin nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, dass die Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen übernimmt, da diese sich durch eine Antragstellung selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3 § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung – ZPO -. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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