Aktenzeichen AN 17 K 17.02145
Leitsatz
1. Ein allgemeiner Schutzanspruch des Nachbarn auf die Bewahrung des Außenbereichs und damit ein Abwehranspruch gegen Vorhaben, die im Außenbereich objektiv nicht genehmigungsfähig sind, besteht – unabhängig davon, ob das Grundstück des Nachbarn im Außenbereich oder Innenbereich liegt – nicht. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gebot der Rücksichtnahme gilt auch „gebietsübergreifend“ im Verhältnis zwischen einem im Innenbereich gelegenen Grundstück und einem im Außenbereich gelegenen Grundstück. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die durch Stellplätze und Garagen verursachten Belästigungen können nur ausnahmsweise zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Umgebung führen, wenn sie, wie üblich und in der Regel durch die Konzeption der Bebauung vorgegeben, straßennah untergebracht werden und die Anzahl der Garagen und Stellplätze sich im Rahmen des verursachten Bedarfs hält. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Erfordernis einer gesicherten Erschließung dient grundsätzlich nur öffentlichen Interessen und hat keine nachbarschützende Funktion. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt ausnahmsweise dann ein Angriffsrecht, wenn durch die unzureichende Erschließung unmittelbar Nachbargrundstücke gravierend betroffen sind, etwa wenn das Niederschlagswasser auf das Grundstück des Nachbarn abgeleitet wird und es dadurch zu Überschwemmungen auf dem Nachbargrundstück kommt. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaften Klagen auf Aufhebung der Baugenehmigung vom 19. September 2017 und des dieser vorausgegangenen Vorbescheides des Beklagten vom 27. Dezember 2016 sind zulässig, aber in der Sache unbegründet. Die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung und der dieser Baugenehmigung vorangegangene Vorbescheid verletzen den Kläger nicht in ihn nachbarschützenden subjektiv-öffentlichen Rechten.
I.
Die Klagen sind zulässig.
Da der Vorbescheid des Beklagten vom 27. Dezember 2016 – insoweit von dem Beklagten unwidersprochen – dem Kläger als betroffenen Nachbarn nicht zugestellt worden war und eine anderweitige Bekanntgabe vor der Akteneinsicht der Bevollmächtigten des Klägers in die Behördenakten des Beklagten am 17. November 2017 (Bl. 27 d. Gerichtsakte AN 17 K 17.02440) auch sonst nicht ersichtlich ist, war die Klagefrist von einem Monat gemäß § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO mit Erhebung der Klage gegen den Bauvorbescheid am 24. November 2017 noch nicht abgelaufen. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob mit der Kenntnisnahme des Klägers vom Vorbescheid durch die Akteneinsicht seiner Bevollmächtigten überhaupt ein Zustellungsmangel geheilt und dadurch die Klagefrist gegen den Vorbescheid ausgelöst wurde (vgl. OVG Magdeburg, B.v. 19.6.2018 – 3 M 227/18 – NVwZ-RR 2018, 714).
Das für die Klageerhebung gegen den Vorbescheid notwendige Rechtschutzbedürfnis ist mit Erlass der sachgleichen Baugenehmigung nicht entfallen bzw. trotzdem gegeben. Das rechtliche Interesse des Klägers, den Bauvorbescheid an die Beigeladenen ihm gegenüber nicht bestandskräftig werden zu lassen, ergibt sich insoweit aus dem bestehenden Rechtschutzbedürfnis einer Klage gegen die nachfolgende bauaufsichtliche Genehmigung selbst. Der Vorbescheid entfaltet nämlich Bindungswirkung für die Erteilung der Baugenehmigung. Die in einer Baugenehmigung enthaltene Feststellung der baurechtlichen Zulässigkeit eines Bauvorhabens vermag einen dadurch betroffenen Dritten von vornherein dann nicht in seinen Rechten verletzen, wenn diese Feststellung ihm gegenüber aufgrund eines Bauvorbescheids bestandskräftig ist (OVG Koblenz, B.v. 26.7.2017 – 8 B 11235/17.OVG – BeckRS 2017, 118595; BayVGH, U.v. 14.7.2006 – 1 BV 03.2179 u.a. – juris). Die Bauvorbescheidsanfrage war inhaltlich durch die Beigeladenen nicht auf bestimmte baurechtliche Fragen beschränkt worden, sondern umfasste das später zur Baugenehmigung gestellte Bauvorhaben in seinen wesentlichen Grundzügen, etwa der Geschossanzahl des Hauptbaukörpers und der Art, Lage und Maße der einzelnen baulichen Anlagen.
Ob die Frage des Rechtschutzbedürfnisses für den vorliegenden Fall u.U. anders zu beurteilen ist, weil dem Kläger aufgrund der im Bauvorbescheidverfahren des Beklagten erfolgten Nachbarbeteiligung hätte klar sein müssen, dass ein solcher Bauvorbescheid ergehen wird, der geeignet ist, ihn in seinen Nachbarrechten zu berühren, so dass er ggf. gehalten gewesen wäre, sich bei dem Beklagten über den Stand des Bauvorbescheidverfahrens zu erkundigen, kann dahingestellt bleiben. Die Klage gegen den Bauvorbescheid ist nämlich in der Sache ebenso wie die Klage gegen die Baugenehmigung unbegründet.
II.
Die Klagen führen in der Sache nicht zum Erfolg, denn die angefochtene Baugenehmigung vom 19. September 2017 und der dieser vorausgegangene Vorbescheid des Beklagten vom 27. Dezember 2016 verstoßen nicht gegen solche öffentlich-rechtliche Bestimmungen, die dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt sind, also subjektiv-rechtlichen Charakter aufweisen, so dass der Kläger nicht in eigenen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO verletzt wird.
Eine Baunachbarklage kann ohne Rücksicht auf die etwaige objektive Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nur dann Erfolg haben, wenn die erteilte Genehmigung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die gerade auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind und dieser dadurch in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist. Eine Verletzung von Nachbarrechten kann darüber hinaus wirksam geltend gemacht werden, wenn durch das Vorhaben das objektiv-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird, dem drittschützende Wirkung zukommt.
Diese Grundsätze gelten sowohl für einen einer Baugenehmigung vorausgegangenen Bauvorbescheid im Sinne von Art. 71 BayBO als auch für die das Bauvorhaben umfassend beurteilende Baugenehmigung im Sinne des Art. 68 Abs. 1 BayBO.
1.
Das Vorhaben verstößt nicht gegen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 S. 1 Nr. 1 BayBO zu prüfende bauplanungsrechtliche Vorschriften, die zu einer Verletzung von Nachbarrechten des Klägers führen. Dabei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob sich das Baugrundstück der Beigeladenen und der in Aussicht genommene konkrete Standort des Mehrfamilienhauses nebst Garagen und Stellplätze noch im Innenbereich (§ 34 BauGB) befindet oder ob das gesamte Grundstück bereits dem Außenbereich (§ 35 BauGB) zuzurechnen ist. In beiden Fällen ist keine Verletzung drittschützender Normen erkennbar.
Einschlägig ist im vorliegenden Fall das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO, da es sich bei dem Bauvorhaben nicht um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt. Prüfungsmaßstab sind daher nur die in Art. 59 BayBO in der zum Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Bescheide maßgeblichen Fassung genannten Vorschriften.
Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung steht dem Kläger unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt ein Abwehranspruch gegen das angegriffene Bauvorhaben zur Seite. Geht man – wofür einiges spricht – von einer Außenbereichslage des Grundstücks der Beigeladenen nach § 35 BauGB aus, so scheidet ein Gebietserhaltungsanspruch von vornherein aus. Auch einen Anspruch auf Erhaltung der Außenbereichsqualität gibt es nicht (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1999 – 4 B 38.99 – juris). Ein Gebietserhaltungsanspruch würde aber auch ausscheiden, wenn sich beide Grundstücke im Innenbereich nach § 34 BauGB und dort im gleichen Baugebiet bzw. faktischen Baugebiet befinden würden, da auf dem Grundstück der Beigeladenen nach den angegriffenen Bescheiden nur Wohnnutzung zulässig ist und daher eine Veränderung des Gebietscharakters zum Nachteil des Klägers, der sein Grundstück ebenfalls zu Wohnzwecken nutzt, ausgeschlossen ist.
Soweit vorgetragen wird, das Bauvorhaben überschreite hinsichtlich der überbauten Grundstücksfläche und der Größe des Baukörpers den in der Nachbarschaft vorgefundenen Rahmen, so sind damit die Genehmigungsvoraussetzungen des § 34 BauGB angesprochen. Sie sind nur zu prüfen, wenn man von einer Innenbereichslage ausgeht. Nachbarschutz wird durch sie indes nur im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme vermittelt (dazu unter 2.).
Im Übrigen kann sich der Kläger – wenn man eine Außenbereichslage annimmt – auch auf das objektive Vorliegen der Voraussetzungen für eine Baugenehmigung im Außenbereich nicht berufen. Der von der Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragene öffentliche Belang der Entstehung bzw. Verfestigung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) und auch die im Genehmigungsverfahren vom Beklagten thematisierten Anforderungen, die natürliche Eigenart der Landschaft nicht zu beeinträchtigen, sowie die Belange des Naturschutzes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) sind Ausfluss der gesetzgeberischen Intention, den Außenbereich bestmöglich zu schonen und von Bebauung grundsätzlich freizuhalten. Sie bestehen damit im öffentlichen Interesse und vermitteln dem Kläger keinen Drittschutz. Ein allgemeiner Schutzanspruch des Nachbarn auf die Bewahrung des Außenbereichs und damit ein Abwehranspruch gegen Vorhaben, die im Außenbereich objektiv nicht genehmigungsfähig sind, besteht – unabhängig davon, ob das Grundstück des Nachbarn im Außenbereich oder Innenbereich liegt – nicht (vgl. z.B.: BayVGH, B.v. 14.5.2012 – 15 ZB 10.1047 – juris Rn. 6; B.v. 1.6.2016 – 15 CS 16.789 – Rn. 24; B.v. 3.1.2018 – 15 ZB 16.2309).
2.
Der den Beigeladenen erteilte Bauvorbescheid und die Baugenehmigung verstoßen nicht gegen das nachbarschützende bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.
Das Rücksichtnahmegebot ist unabhängig davon zu beachten, nach welcher Vorschrift das Bauvorhaben der Beigeladenen bauplanungsrechtlich zu beurteilen ist. Findet § 34 Abs. 1 BauGB Anwendung, weil das Baugrundstück innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt und in der Umgebung die Wohnnutzung prägend ist, ist das Gebot der Rücksichtnahme Teil des nach Satz 1 dieser Vorschrift maßgebenden Einfügungsgebots. Richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 Abs. 2 BauGB, weil die vorhandenen Nutzungsarten einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO) oder gar einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO) entsprechen, ergibt sich die Verpflichtung zur Rücksichtnahme aus § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (BVerwG, U.v. 12.12.1991 – NJW 1992, 1779). Ist das Bauvorhaben der Beigeladenen dagegen nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB zu beurteilen, weil deren Grundstück (noch) im Außenbereich liegt, ist das Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf schädliche Umwelteinwirkungen als öffentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB (BVerwG, U.v. 5.9.2000 – BauR 2001, 83; U.v. 25.2.1977 – BVerwGE 52, 122) und für nicht von § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB erfasste unzumutbare Auswirkungen als weiterer, in dem nicht abschließenden Katalog des § 35 Abs. 3 BauGB nicht aufgeführter öffentlicher Belang zu beachten (BVerwG, U.v. 28.10.1993 – NVwZ 1994, 686). Das Gebot der Rücksichtnahme gilt indes auch „gebietsübergreifend“ im Verhältnis zwischen einem Grundstück im Innenbereich und einem Grundstück im Außenbereich (BayVGH, B.v. 13.1.2014 – 2 ZB 12.2242 – juris Rn. 16), so dass der Kläger sich hierauf grundsätzlich unabhängig von der bauplanungsrechtlichen Einordnung des Grundstücks der Beigeladenen berufen kann.
Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es deshalb wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, U.v. 14.7.2006 – 1 BV 03.2179 u.a., juris Rn. 41).
Der Kläger meint, das Gebot der Rücksichtnahme werde ihm gegenüber einerseits durch die zu erwartenden Immissionen, die aus dem Pkw-Verkehr der Beigeladenen, der an seinem Grundstück vorbeigeführt wird, verletzt (dazu nachfolgend 2.1). Das Gebot werde aber auch durch die Größe und Massivität des Hauptbaukörpers der Beigeladenen in Relation zu seinem Ferienhaus verletzt (dazu nachfolgend 2.2). Schließlich sei auch die Erschließung des Baugrundstücks im Hinblick auf die Entwässerung nicht gesichert, was ebenfalls unter dem Aspekt der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme zu prüfen ist (dazu nachfolgend 2.3).
2.1
Die vom Kläger behaupteten Lärm- und Abgasimmissionen der Pkws der Beigeladenen führen im konkreten Fall nicht zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme.
Die Frage, wann die Benutzung von Garagen oder Stellplätzen die Umgebung unzumutbar stört, lässt sich nicht abstrakt und generell nach festen Merkmalen beurteilen. Vielmehr kommt es entscheidend auf die konkrete Situation an, in der sich die Belästigungen auswirken. Dementsprechend ist von Bedeutung, an welchem Standort die Garagen oder Stellplätze angeordnet werden sollen und in welcher Lage sich dieser Standort zu dem Grundstück, dem Wohnhaus und gegebenenfalls gegenüber den Wohn- und Aufenthaltsbereichen der betroffenen Nachbarn befindet. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die durch Stellplätze und Garagen verursachten Belästigungen nur ausnahmsweise zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Umgebung führen können, wenn sie, wie üblich und in der Regel durch die Konzeption der Bebauung vorgegeben, straßennah untergebracht werden und die Anzahl der Garagen und Stellplätze sich im Rahmen des verursachten Bedarfs hält (vgl. § 12 Abs. 2 BauNVO). Andererseits können Lärm- und Geruchsbelästigungen von Stellplätzen oder Garagen in rückwärtigen Grundstücksbereichen eher die Grenze des Zumutbaren überschreiten. Technischrechnerisch ermittelte Immissionswerte sind dabei für die Beurteilung von Belastungen durch Stellplätze und Garagen im Zusammenhang mit einer reinen Wohnnutzung für die Kammer nicht ausschlaggebend, da der Verordnungsgeber über § 12 BauNVO eine Zulässigkeit von Garagen und Stellplätzen grundsätzlich statuiert und somit insoweit eine Sozialverträglichkeit der Pkw-Nutzung besteht. Von dieser Grundwertung ist auch auszugehen, wenn sich das Baugrundstück der Beigeladenen im bauplanungsrechtlichen Außenbereich befinden sollte, da diese Tatsache allein keinen drittschützenden Charakter vermittelt und für die Beurteilung, ob das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist, außer Betracht bleiben kann.
Unter Anlegung dieses Maßstabes steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger durch die vier Pkw-Stellplätze der Beigeladenen nicht unzumutbar gestört wird, so dass eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme weder aus der Einzelbetrachtung der Anzahl und Anordnung der Stellplätze auf dem Baugrundstück noch aus einer Gesamtbetrachtung hergeleitet werden kann.
Dabei brauchte die Kammer dem insoweit wenig substantiierten Vortrag des Klägers, der auch in der mündlichen Verhandlung erstmals vortragen ließ, der Lärm vom Nachbargrundstück äußere sich in einem Halleffekt, nicht durch einen Ortsaugenschein nachgehen. Ungeachtet des Umstandes, dass diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung kein Beweisantrag gestellt wurde, gewinnt die Kammer ihre Überzeugung aus den in der mündlichen Verhandlung präsenten Beweis- und Erkenntnismitteln einschließlich der Einlassung der Beteiligten.
Danach ist es zwar unstreitig, dass der Pkw-Verkehr vom und zum Grundstück der Beigeladenen an der gemeinsamen Grenze über einen Stichweg am klägerischen Grundstück vorbeiführen wird und insbesondere auch grenznah zum Grundstück des Klägers Ein- und Ausparkbewegungen stattfinden werden. Zumindest die im nord-westlichen Bereich des Baugrundstücks liegende Doppelgarage, die zwar als Baukörper keine Grenzberührung zum Grundstück des Klägers hat, kann nur erreicht werden, wenn in voller Länge an der südlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks vorbeigefahren wird, was den Bauvorlagen zu entnehmen ist.
Ausgehend vom Maßstab, dass das Gebot der Rücksichtnahme hinsichtlich der Garagennutzung im Rahmen einer Wohnbebauung nur ausnahmsweise verletzt ist, genügen die vorgenannten Aspekte für sich nicht.
In die Bewertung stellt die Kammer nämlich auch ein, dass sich die Anzahl der Garagen bzw. Stellplätze im Rahmen des für eine Wohnbebauung für zwei Familien Üblichen hält und insbesondere nicht ersichtlich ist, dass eine weitergehende Verkehrsbelastung des Baugrundstücks (z.B. durch die Schaffung weiterer Parkmöglichkeiten für Familienangehörige) zutage treten wird.
Auch ist in die vorzunehmende Gesamtbetrachtung zu Gunsten der Beigeladenen einzustellen, dass der Kläger entlang seiner östlichen und südlichen Grenze, mithin also zum Grundstück der Beigeladenen, die Grundstücksgrenze mit Grünpflanzen bepflanzt und so eine natürliche Barriere zur Lärmminderung geschaffen hat. Zwar konnte die Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung zu Art und Umfang der Bepflanzung nichts vortragen. Die Beigeladenen gaben aber an, die Pflanzen seien knapp zwei Meter hoch gewachsen, es handle sich um Büsche und das Grundstück des Klägers sei aus ihrer Sicht ziemlich eingewachsen. Diese Einlassung der Beigeladenen wird untermauert durch das in der Vorbescheidsakte vorhandene Luftbild, das im Sommer aufgenommen zu sein scheint, die Grünbepflanzung und eine sich dadurch abzeichnende Schattenbildung auf das klägerische Grundstück deutlich zeigt. Einen weiteren Eindruck von der vorhandenen Bepflanzung an der Grundstücksgrenze in der Jahreszeit ohne Laub konnte das Gericht durch die von der Klägervertreterin eingereichten Fotos zur Bausituation im April 2018 (Bl. 154 – 156 d. Gerichtsakte AN 9 S 17.02291/AN 17 K 17.02145) gewinnen, so dass es schon von daher zu diesem Aspekt keines Ortsaugenscheins bedurfte.
In diesem Zusammenhang ist weiter zu Gunsten der Beigeladenen in die Gesamtbetrachtung einzustellen, dass der Kläger sein Grundstück nicht als dauerhaften Wohnsitz, sondern als Feriendomizil nutzt. Daraus ergibt sich, unabhängig vom konkreten Umfang und von der Häufigkeit der Nutzung, dass er der Gefahr einer dauerhaften Belastung durch Immissionen auf sein Grundstück als Person nicht ausgesetzt ist und folglich kein gesteigertes Maß an Rücksichtnahme von den Beigeladenen in dieser Hinsicht verlangen kann. Dass der Kläger sein Feriengrundstück vermietet, ist nicht ersichtlich und auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen worden.
Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme aufgrund der Anordnung und Nutzung der Pkw-Stellplätze auf dem Baugrundstück und damit zusammenhängender Immissionen kann der Kläger im Ergebnis nicht erfolgreich geltend machen.
2.2
Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme kann der Kläger im Weiteren nicht aufgrund der Ausführung und Maße des Hauptbaukörpers des Vorhabens der Beigeladenen erfolgreich rügen.
Die Klägervertreterin betont in den vorbereitenden Schriftsätzen und auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes stets, das Wohnhaus der Beigeladenen wirke auf das klägerische Grundstück nicht erdrückend oder einmauernd, was für eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung aber notwendig wäre. Indem der Kläger vortragen lässt, der Hauptbaukörper überrage sein Ferienhaus der Höhe nach deutlich, wirke letztlich dreigeschossig und werde nur in geringem Abstand zum Grundstück des Klägers errichtet, was zu Verschattung und der Beeinträchtigung der Belüftung seines Grundstücks führe, rügt er faktisch doch eine „erdrückende“ Wirkung des Bauvorhabens.
Wann von einer „erdrückenden“ Wirkung im Sinne des Gebots der Rücksichtnahme auszugehen ist, unterliegt der Einzelfallbewertung. Für die Annahme einer „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist dabei im Regelfall kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als das betroffene Gebäude (BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – BeckRS 2010, 31298).
Auch zu diesem Aspekt musste die Kammer keinen Beweis in Form eines Ortsaugenscheins erheben, obgleich das Vorhaben der Beigeladenen nun schon im Wesentlichen errichtet ist und die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung keine weiteren Angaben zur Höhe des Ferienhauses des Klägers machen konnten. Ausgehend von den Angaben der Beteiligten, dass das Ferienhaus des Klägers nur ein kleines Anwesen (wohl eingeschossig mit Satteldach) ist, jedoch aufgrund der Hanglage gegenüber dem Bauvorhaben der Beigeladenen eine höhere Geländeoberkante aufweist sowie aufgrund des von der Klägervertreterin vorgelegten und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Farbfotos zur Bausituation im Januar 2018 (Bl. 126 d. Gerichtsakte AN 9 S 17.02291/AN 17 K 17.02145), das neben dem im Rohbau nebst Dachaufbau fertiggestellten Hauptbaukörper der Beigeladenen auch das Ferienhaus des Klägers zeigt, schließt die Kammer aus, dass von dem Bauvorhaben der Beigeladenen eine „erdrückende“ Wirkung auf das Grundstück des Klägers ausgeht. Eine „erdrückende“ Wirkung nimmt die Kammer insbesondere auch dann noch nicht an, wenn die Firsthöhe des Wohnhauses der Beigeladenen die Firsthöhe des Ferienhauses des Klägers überragen sollte, da aufgrund der Situation, wie sie sich aus dem in Augenschein genommenen Farbfoto zur Bausituation vermittelt, die Kammer jedenfalls kein deutliches Überragen feststellen kann. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs führt das Überragen eines Gebäudes gegenüber dem Nachbargebäude um ca. 2,50 Meter noch nicht zur Annahme einer „erdrückenden“ Wirkung (BayVGH, B.v. 11.5.2010, a.a.O.). Dass ein solcher Höhenunterschied in den Firsthöhen vorliegend überhaupt erreicht wird, schließt die Kammer unter Bewertung eines weiteren von der Klägervertreterin zur Bausituation im Januar 2018 vorgelegten Farbfotos aus (Bl. 127 d. Gerichtsakte AN 9 S 17.02291/AN 17 K 17.02145). Dagegen spricht insbesondere auch die Bausituation in nach südlicher Richtung bestehender Hanglage unter Berücksichtigung des Abstandes des Hauptbaukörpers der Beigeladenen zum Ferienhaus des Klägers, wie er sich auf den vorgelegten Farbfotos gut vermittelt.
Das weitere Vorbringen des Klägers, das Bauvorhaben der Beigeladenen verschatte sein Grundstück und führe zu einer Einschränkung der Belüftung seines Grundstücks bleibt unsubstantiiert. Der Kläger kann in dieser Hinsicht von den Beigeladenen kein gesteigertes Maß an Rücksichtnahme verlangen, da das Bauvorhaben die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen wahrt, was indiziert, dass ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht vorliegt (BVerwG, B.v. 6.12.1996 – NVwZ-RR 1997, 516).
Im Ergebnis scheidet eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme im Hinblick auf Höhe und Volumen des Bauvorhabens der Beigeladenen aus.
2.3
Auch auf eine vermeintlich nicht gesicherte Erschließung des Baugrundstücks im Hinblick auf die Entwässerung kann sich der Kläger unter dem Aspekt des Gebots der Rücksichtnahme nicht mit Erfolg berufen.
Das Erfordernis einer gesicherten Erschließung des Bauvorhabens dient grundsätzlich nur öffentlichen Interessen und hat keine nachbarschützende Funktion. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt ausnahmsweise dann ein Angriffsrecht, wenn durch die unzureichende Erschließung unmittelbar Nachbargrundstücke gravierend betroffen sind, etwa wenn das Niederschlagswasser auf das Grundstück des Nachbarn abgeleitet wird und es dadurch zu Überschwemmungen auf dem Nachbargrundstück kommt (VG München, U.v. 25.1.2017 – M 9 K 16.925 – BeckRS 2017, 101547).
Einen derartig gravierenden Eingriff in das klägerische Grundstück durch das Bauvorhaben der Beigeladenen hat der Kläger nicht behauptet und er ist auch nicht ersichtlich. Im Übrigen nimmt die Kammer auf die diesbezüglichen Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 2. März 2018 (S. 7 f. d. Beschlussausfertigung) Bezug und macht sich diese zu Eigen.
Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ist im vorliegenden Fall somit nicht aus Erschließungsfragen des Baugrundstücks gegeben.
Die Klagen waren insgesamt abzuweisen.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, wobei die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, nachdem sie auf die Stellung von Anträgen in der mündlichen Verhandlung verzichtet und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 u. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).