Baurecht

Erfolglose Nachbarklage gegen Windenergieanlagen

Aktenzeichen  22 ZB 17.2160, 22 ZB 17.2161, 22 ZB 17.2162

Datum:
7.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 8664
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BNatSchG § 44 Abs. 1
BauGB § 35
UVPG § 2 Abs. 5 S. 1, § 3a S. 1, S. 4, § 3c S. 1, S. 2, § 5 Abs. 1
UmwRG § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 1a, Abs. 3 S. 1 Nr. 1
VwGO § 108 Abs. 1, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1. Im Rahmen einer immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungsklage kommt es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung an, wozu auch der in diesem Entscheidungszeitpunkt gegebene Stand von Wissenschaft und Technik gehört. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass zur (weiteren) Begründung eines Urteils auf einen (im Verfahren des Eilrechtsschutzes ergangenen) gerichtlichen Beschluss Bezug genommen werden kann. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 14.1336 2017-08-08 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Verfahren 22 ZB 17.2160, 22 ZB 17.2161 und 22 ZB 17.2162 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
III. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten der Zulassungsverfahren einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
IV. Für die Zulassungsverfahren wird der Streitwert auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen.
Am 28. März 2013 beantragte die Beigeladene beim Landratsamt Rhön-Grabfeld eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von folgenden drei Windenergieanlagen des Typs Nordex N117 mit einer Nennleistung von jeweils 2,4 MW und einer Gesamthöhe von jeweils 199 m (sogenannter „Windpark W…“):
– WEA 1, Fl.Nr. 673, Gemarkung J…
– WEA 2, Fl.Nr. 465, Gemarkung W…
– WEA 3, Fl.Nr. 4791, Gemarkung W…
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 2395/1, Gemarkung W…, das mit einem Wohngebäude bebaut ist. Das Grundstück befindet sich am südlichen Ortsrand von W… Der Abstand des Wohnhauses zur nächstgelegenen Windenergieanlage WEA 2 beträgt ca. 1.400 m.
In einem Aktenvermerk des Landratsamtes vom 2. April 2014 wurde u.a. ausgeführt, für den Bau von drei Windkraftanlagen bei W… sei aufgrund der Ergebnisse der hier durchgeführten standortbezogenen Vorprüfung nach den Kriterien der Anlage 2 zum UVPG keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich. Besonders empfindliche Gebiete gemäß Anlage 2 Ziffer 2.3 UVPG seien nicht betroffen.
Mit Bescheid vom 17. November 2014 erteilte das Landratsamt Rhön-Grabfeld der Beigeladenen unter Anordnung des Sofortvollzugs die am 28. März 2013 beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung.
Die Beigeladene erhielt mit weiterem Bescheid des Landratsamtes vom 17. November 2014 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von weiteren zehn Windkraftanlagen des gleichen Typs (sogenannter „Windpark Wülfershausen“). Deren Standorte liegen südlich von W… und erstrecken sich in Ost-West-Richtung.
Am 17. Dezember 2014 erhoben die Kläger Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 17. November 2014. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2014 trennte das Verwaltungsgericht Würzburg das Klageverfahren in drei Verfahren auf (Az.: W 4 K 14.1336 bezüglich WEA 1, W 4 K 14.1337 bezüglich WEA 2, W 4 K 14.1338 bezüglich WEA 3).
Das Verwaltungsgericht lehnte einen Antrag der Kläger gemäß § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3 VwGO mit Beschlüssen vom 11. Februar 2016 (Az. W 4 S 15.1272 betreffend WEA 1, Az. W 4 S 15.1273 betreffend WEA 2, Az. W 4 S 15.174 betreffend WEA 3) ab.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2017 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen eine Genehmigung nach § 16 BImSchG für eine zwischenzeitlich angezeigte Änderung des Anlagentyps der drei Windenergieanlagen des „Windparks W…“. Es handelt sich nunmehr um Anlagen des Typs Enercon E115 mit einer Leistung von jeweils 3 MW und einer Gesamthöhe von jeweils 193,34 m. Die Anlagenstandorte blieben unverändert. Eine Anfechtungsklage der Kläger gegen diese Änderungsgenehmigung ist beim Verwaltungsgericht noch anhängig.
Mit weiterem Bescheid des Landratsamtes vom 28. Juli 2017 wurden in Bezug auf die drei Windenergieanlagen des „Windparks W…“ Maßnahmen zum Schutz kollisionsgefährdeter Vogelarten (u.a. Abschaltungen und Monitoring) auf Grundlage von § 3 Abs. 2, § 44 Abs. 1 BNatSchG angeordnet.
Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage der Kläger gegen den Bescheid vom 17. November 2014 mit drei Urteilen vom 8. August 2017 abgewiesen.
Die Kläger haben jeweils die Zulassung der Berufung gegen die Urteile beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.
II.
Die Anträge auf Zulassung der Berufung bleiben ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in den Antragsbegründungen (vgl. zu deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 VwGO erfüllt sind.
1. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
a) Solche ernstlichen Zweifel bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – NVwZ-RR 2004, 542). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B.v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f. m.w.N.).
b) Die Kläger meinen, maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Hinblick auf naturschutzfachliche Belange sei entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts (Abdruck des jeweiligen Urteils – UA S. 11) nicht die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung; vielmehr seien nachträgliche Änderungen zu berücksichtigen (vgl. Schriftsatz vom 17.11.2017, Nr. I, S. 3 f.). Das Verwaltungsgericht hat dagegen den Beurteilungszeitpunkt zugrunde gelegt, auf den es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. B.v. 11.1.1991 – 7 B 102/90 – juris Rn. 3) bei immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungsklagen grundsätzlich ankommt.
Die Kläger haben nicht dargelegt, inwieweit sich aus dem insoweit maßgeblichen materiellen Recht (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.1989 – 7 B 21/89 – Rn. 4) in Bezug auf die Beurteilung naturschutzfachlicher Belange etwas anderes ergeben könnte. Die von den Klägern für ihre Rechtsauffassung herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 17.3.2016 – 22 B 14.1875 u.a. – juris) betrifft Verpflichtungsklagen jeweils auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, bei denen es nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 23.7.2015 – 7 C 10/13 – juris Rn. 34) entscheidend auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt.
Es ergibt sich nicht aus den Darlegungen der Kläger und ist auch sonst nicht ersichtlich, inwieweit es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit z.B. einer durchgeführten Vorprüfung oder UVP-Prüfung auf eine Änderung der naturschutzrechtlich relevanten Sachlage nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ankommen könnte. Ob ein Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1 und 1a UmwRG vorliegt, richtet sich nach den einschlägigen Vorschriften des UVPG. Die zuständige Behörde soll die Feststellung zur UVP-Pflicht unverzüglich nach Beginn des Genehmigungsverfahrens „auf der Grundlage geeigneter Angaben zum Vorhaben sowie eigener Informationen“ treffen (vgl. § 3a Satz 1 UVPG i.d.F. vom 24.2.2010 bzw. inhaltsgleich § 5 Abs. 1 UVPG i.d.F. vom 20.7.2017). Bei dieser Feststellung handelt es sich um eine auf die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls folgende verfahrenslenkende Entscheidung. Gegen die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen nach Bescheidserlass spricht z.B. im Falle der Beurteilung einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls, dass es für die Bewertung erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen im Sinne von § 3c Satz 1 UVPG auf die bei der Vorprüfung absehbaren Belastungen ankommt (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2013 – 4 A 1/13 – juris Rn. 35 und 39). Die Behörde muss die Bewertung anhand einer Prognose aufgrund summarischer Ermittlungen und Bewertungen anstellen (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2006 – 4 C 16/04 – juris Rn. 48).
c) Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich auch nicht aus der Darlegung der Kläger, dem Landratsamt seien zum Zeitpunkt des Erlasses der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 17. November 2014 naturschutzfachliche Erkenntnisse und naturschutzrechtliche Belange in Bezug auf die Gefährdung von geschützten Vogelarten bekannt gewesen, die dem Vorhaben der Beigeladenen entgegenstehen würden (vgl. Schriftsatz vom 17.11.2017, Nr. I, S. 4 bis 17). Die Kläger haben bereits nicht konkret geltend gemacht, dass die durchgeführte standortbezogene Vorprüfung (vgl. Aktenvermerk des Landratsamtes vom 2.4.2014) im Hinblick auf derartige Erkenntnisse und Belange fehlerhaft ist. Sie haben erst recht nicht dargelegt, inwieweit die durchgeführte Vorprüfung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG in der Fassung vom 24. Februar 2010 genügt.
Zudem können die Kläger keinen Verstoß gegen artenschutzrechtliche Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 BNatSchG geltend machen, da diese keinen Drittschutz vermitteln (BayVGH, z.B. U.v. 14.3.2017 – 22 B 17.12 – juris Rn. 40; B.v. 25.8.2016 – 22 ZB 15.1334 – juris Rn. 64). Aus den klägerischen Darlegungen ergibt sich hierzu kein konkretes Gegenargument. Insbesondere ist den Ausführungen der Kläger nicht zu entnehmen, weshalb sich das Rügerecht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG über den klaren Wortlaut hinaus nicht auf Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1 bis 2 UmwRG beschränken, sondern sich z.B. auf das Artenschutzrecht erstrecken sollte.
d) Weiter rügen die Kläger, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht keine Windfarm im Sinne von Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG angenommen habe, die aus den streitgegenständlichen Windenergieanlagen des „Windparks W…“ und den Anlagen des „Windparks Wülfershausen“ bestehe (vgl. Schriftsatz vom 17.11.2017, Nr. II, S. 17 f.). Für diese Beurteilung komme es auf die optische Wahrnehmbarkeit eines unabhängigen Betrachters an. „UVPrelevante“ überschneidende oder sich berührende Wirkungsüberlagerungen würden die Annahme einer Windfarm begründen. Die beiden genannten Windparks würden gemeinsam ein besonderes Risiko für das Schutzgut Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt bilden.
Das Verwaltungsgericht hat in den angefochtenen Urteilen (UA S. 15) näher ausgeführt, dass eine optische Trennwirkung zwischen den beiden Windparks schon deshalb anzunehmen sei, weil der Ort W… dazwischen liege. Weiter hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass „UVPrelevante“ überschneidende oder sich berührende Wirkungsüberlagerungen voraussetzen würden, dass gerade die Häufung der Anlagen unter artenschutzrechtlichen Gesichtspunkten zu besonderen Risiken führen müsse, d.h. die zwei Windparks gemeinsam ein besonderes Risiko für das Schutzgut „Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt“ (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG a.F.) mit sich brächten. Das sei aber nach Auffassung der Kammer nicht der Fall und von der Klägerseite auch nicht plausibel dargelegt, sondern lediglich unsubstantiiert behauptet worden.
Aus den klägerischen Darlegungen in der Antragsbegründung vom 17. November 2017 ergibt sich nicht konkret, weshalb diese Bewertung zur Frage einer einheitlichen Windfarm unrichtig sein sollte. Zum einen ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit sich die von den Klägern genannten abstrakten Bewertungskriterien (optische Wahrnehmbarkeit, Wirkungsüberlagerungen) von den Kriterien unterscheiden, wie sie das Verwaltungsgericht zugrunde gelegt hat. Zum anderen haben die Kläger nicht dargelegt, inwieweit das Verwaltungsgericht bei der diesbezüglichen Bewertung des Sachverhalts die Grenzen richterlicher Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) überschritten hätte. Sie haben (auch) im vorliegenden Verfahren keine Argumente für eine risikoerhöhende Gesamtwirkung der beiden Windparks vorgetragen. Auf eine solche Wirkung deutet nicht schon hin, dass die Windenergieanlagen der zwei Windparks jeweils – für sich genommen – artenschutzrechtliche Belange berühren, wie in der Antragsbegründung vom 17. November 2017 dargestellt wird.
Erstmals im Schriftsatz der Kläger vom 26. Januar 2018 und damit nach Ablauf der Frist nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO wurde geltend gemacht, dass sich im Hinblick auf Geräuschimmissionen die Einwirkungsbereiche der Windkraftanlagen beider Windparks nach Nr. 2.2 a) der TA Lärm überschneiden. Dieses verspätet vorgebrachte Argument kann bei der Prüfung, ob Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegen, nicht berücksichtigt werden.
Im Übrigen wäre auch zweifelhaft, ob bereits wegen einer solchen Überschneidung der Einwirkungsbereiche nach Nr. 2.2 a) der TA Lärm eine allgemeine Vorprüfung nach § 3c Satz 1 UVPG in der Fassung vom 24. Februar 2010 i.V.m. Nr. 1.6.2 der Anlage 1 zum UVPG und in einem weiteren Schritt ggf. eine UVP-Prüfung auch für die Windenergieanlagen des „Windparks W…“ durchzuführen gewesen wäre. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Definition des Windparks in § 2 Abs. 5 Satz 1 UVPG in der Fassung vom 20. Juli 2017. Danach setzt die Annahme eines Windparks im Sinne des UVPG nicht nur voraus, dass sich die Einwirkungsbereiche der betreffenden Windkraftanlagen überschneiden, sondern erfordert darüber hinaus einen funktionalen Zusammenhang zwischen den Windkraftanlagen. Gegen die Annahme eines funktionalen Zusammenhangs spräche hier, dass sich nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten die Windkraftanlagen des Windparks W… in einem anderen im Regionalplan dargestellten Vorranggebiet befinden als die Anlagen des Windparks Wülfershausen (vgl. § 2 Abs. 5 Satz 2 UVPG). Ob die gesetzliche Definition des Windparks in § 2 Abs. 5 Satz 1 UVPG im vorliegenden Verfahren anzuwenden wäre, bedarf vorliegend jedoch keiner Klärung.
e) Die Kläger wenden sich gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts (UA S. 17), wonach sie auch im Lichte der Klagemöglichkeiten nach dem UmwRG jedenfalls im Rahmen des § 35 BauGB lediglich eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots geltend machen könnten (vgl. Schriftsatz vom 17.11.2017, Nr. III, S. 18 bis 20). Den Darlegungen der Kläger ist allerdings nicht zu entnehmen, was für eine solche extensive Auslegung sprechen könnte. Aus § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG ergibt sich lediglich, dass ein Individualkläger bestimmte Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem UVPG nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 bis 2 UmwRG geltend machen kann. Dies steht auch nicht im Widerspruch mit der von den Klägern zitierten Aussage im Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.10.2017 – 8 B 705/17 – juris Rn. 7, wonach „aus § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 bzw. Abs. 1a Satz 1 UmwRG und dem Sinn und Zweck der zugrunde liegenden unionsrechtlichen Vorschriften [folgt], dass Fehler bei der Ermittlung der Auswirkungen einer Windfarm als einer Gesamtheit gemäß § 2 Abs. 2 UVPG und Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG auf jedwedes Schutzgut im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG relevant sein können, unabhängig davon, ob der Antragsteller davon selbst betroffen ist.“ Dem ist nicht die Aussage zu entnehmen, dass Individualkläger auf der Grundlage des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG rügen könnten, dass das Vorhaben der Beigeladenen nach § 35 BauGB – aus anderen Gründen als einer etwaigen Verletzung des Rücksichtnahmegebots – bauplanungsrechtlich unzulässig wäre oder dass Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllt wären.
f) Die Kläger rügen weiter, das Verwaltungsgericht habe eine konkrete Prüfung der entgegenstehenden naturschutzrechtlichen Belange mit dem Hinweis auf die Einschätzungsprärogative des Beklagten verneint (vgl. Schriftsatz vom 17.11.2017, Nr. IV, S. 20 f.). Das Gericht habe zu prüfen, ob im Gesamtergebnis die artenschutzrechtlichen Untersuchungen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichten, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu prüfen. Allein durch die nachträglichen naturschutzfachlichen Anordnungen des Beklagten sei offensichtlich, dass die Erkenntnisse im Zuge des Genehmigungsverfahrens weder dem methodischen Standard bzw. dem Stand der Wissenschaft entsprächen, noch die gezogenen Schlussfolgerungen zutreffend seien.
Dem kann nicht gefolgt werden. Den angefochtenen Entscheidungen ist bereits nicht zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht angenommen hätte, wegen der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative seien artenschutzfachliche Sachverhalte der gerichtlichen Überprüfung vollständig entzogen. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht (UA S. 20) ausgeführt, dass im Hinblick auf den naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraum im Bereich des Artenschutzes die Umweltverträglichkeits(vor) prüfung nur daraufhin zu überprüfen sei, ob der Sachverhalt vollständig und zutreffend erfasst worden sei, ob Verfahrensregeln und rechtliche Bewertungsgrundsätze eingehalten worden seien, ob das anzuwendende Recht verkannt worden sei und ob sachfremde Erwägungen angestellt worden seien. Im Übrigen ist die von den Klägern angemahnte gerichtliche Kontrolle der Prüfung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände hier nicht entscheidungserheblich. Weder ist diese Prüfung Gegenstand der standortbezogenen Vorprüfung nach § 3c Satz 2 UVPG in der Fassung vom 24. Februar 2010, noch können die Kläger mit ihrer Anfechtungsklage einen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BNatSchG geltend machen (vgl. oben, Nr. 1. c).
g) In der Antragsbegründung vom 17. November 2017 (Nr. V., S. 21 bis 31) wird geltend gemacht, dass sich das Verwaltungsgericht unzureichend mit den von den strittigen Windenergieanlagen ausgehenden Schallimmissionen auseinandergesetzt habe. Nicht ausreichend zur Urteilsbegründung sei die erfolgte Bezugnahme auf die Entscheidungen nach § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3 VwGO. Zur Beurteilung der betreffenden Schallimmissionen wäre eine Schallausbreitungsberechnung entsprechend dem sogenannten Interimsverfahren erforderlich gewesen. Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) habe zwischenzeitlich das bisher favorisierte und von der Rechtsprechung angewandte „alternative Verfahren“ nach der DIN ISO 9613-2 als nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entsprechend bezeichnet.
Wie vorstehend bereits ausgeführt (vgl. Nr. 1.b) kommt es im Rahmen einer immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungsklage maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung an, wozu auch der in diesem Entscheidungszeitpunkt gegebene Stand von Wissenschaft und Technik gehört (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.1989 – 7 B 188.88 – juris Rn. 11). Aus den Darlegungen der Kläger ergibt sich bereits nicht, dass sich mit dem sogenannten Interimsverfahren schon zum Zeitpunkt der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 17. November 2014 ein neuer Stand der Wissenschaft ergeben hätte. Dagegen spricht bereits, dass die von den Klägern genannte Dokumentation zum Interimsverfahren den Zusatz „Fassung 2015-05.1“ trägt, deren Stand also nach dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheids liegt. Auch in dem von den Klägern zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 25.9.2017 – 28 L 3809/17 – (juris Rn. 49) heißt es lediglich, dass mit dem Beschluss der LAI vom 5./6. September 2017 davon auszugehen sei, dass die in der DIN ISO 9613-2 enthaltenen Aussagen durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt seien und die DIN ISO 9613-2 deshalb keine Bindungswirkung mehr entfalte. Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass sich die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf in der obergerichtlichen Rechtsprechung (bislang) nicht durchgesetzt hat. Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Mai 2018 – 22 ZB 17.2134 u.a. – (dort unter Nr. 1.5.) Bezug genommen, welcher dieselben Beteiligten betrifft.
Die Kläger haben auch nicht dargelegt, inwieweit die Bewertung des Verwaltungsgerichts auf der Grundlage der Schallimmissionsprognose vom 29. Oktober 2014, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm durch die streitgegenständlichen Windenergieanlagen eingehalten werden, aus anderen Gründen fehlerhaft ist. Mit den betreffenden Ausführungen (vgl. unter Nr. 2 b) dd) des jeweiligen Beschlusses) in den Beschlüssen vom 11. Februar 2016 (Az. W 4 S 15.1272, W 4 S 15.1273 und Az. W 4 S 15.1274), auf die in den angefochtenen Urteilen Bezug genommen wurde (UA S. 22), haben sie sich nicht auseinander gesetzt.
Die Kläger haben auch nicht substantiiert vorgetragen, dass das Verwaltungsgericht – entgegen der von ihnen vorgenommenen Gebietseinstufung – bei seiner Bewertung zu Grunde gelegt hätte, dass das Grundstück der Kläger nicht in einem allgemeinen Wohngebiet liegen würde. Im Übrigen wurde in der Schallimmissionsprognose vom 29. Oktober 2014, auf die das Verwaltungsgericht Bezug genommen hat, der nördlich des klägerischen Grundstücks liegende Immissionsort 8 mit folgendem Zusatz bezeichnet (vgl. Text zu Abbildung 16, S. 26): „Nördliche Wohngebietsgrenze des allgemeinen Wohngebiets W… Süd (G…str.)“. Entsprechend wurde für diesen Immissionsort der Immissionsrichtwert von 40 dB(A) angesetzt, der gemäß Nr. 6.1 d) der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete für die Nachtzeit gilt (vgl. Tabellen auf S. 19 bis 21 der Unterlage).
Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch anerkannt, dass zur (weiteren) Begründung eines Urteils auf einen Beschluss Bezug genommen werden kann (vgl. Nachweise bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 117 Rn. 11), wie dies betreffend den jeweiligen Beschluss des Verwaltungsgerichts gemäß § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3 VwGO geschehen ist (UA S. 22). Den Darlegungen der Kläger ist insoweit kein konkretes Gegenargument zu entnehmen.
h) Die Kläger machen geltend, ebenso unzureichend und fehlerhaft sei die Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit der Frage der optischen Bedrängung der Kläger durch die strittigen Windenergieanlagen (vgl. Schriftsatz vom 17.11.2017, Nr. V, S. 30). Die vom Verwaltungsgericht angewandte Faustformel aus dem Jahr 2004, wonach regelmäßig von einer Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zulasten der Wohnnutzung ausgehe, wenn der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windenergieanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe der geplanten Anlage betrage (UA S. 22), müsse angesichts der heutigen, erheblich angestiegenen Höhe von Windenergieanlagen als überholt gelten. Auch sei der Vortrag der Kläger unberücksichtigt geblieben, wonach durch die Zahl von insgesamt 13 Windkraftanlagen eine nicht mehr zumutbare gesamträumliche Horizontbelastung bestehe.
Das vermag nicht zu überzeugen. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, weshalb das vom Verwaltungsgericht – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 – juris Rn. 28; B.v. 1.12.2014 – 22 ZB 14.1594 – juris Rn. 15) angewandte Beurteilungskriterium, das gerade auf die Anlagenhöhe abstellt, angesichts einer gegenüber 2004 wohl angestiegenen durchschnittlichen Gesamthöhe von neuerrichteten Windenergieanlagen untauglich sein sollte (vgl. auch OVG NRW, B.v. 21.11.2017 – 8 B 935/17 – juris Rn. 52). Zum anderen haben die Kläger nicht dargelegt, inwieweit das Verwaltungsgericht bei der Bewertung (UA S. 23), dass Gründe dafür, dass in diesem Fall eine Ausnahme von der genannten Regel gelten sollte, nicht substantiiert vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich seien, die Grenzen richterlicher Beweiswürdigung überschritten hätte. Der bloße Hinweis der Kläger auf eine Gesamtbelastung durch 13 Windkraftanlagen genügt hierzu nicht. Nähere Ausführungen wären insbesondere auch angesichts der Entfernungen zu den betreffenden Windkraftanlagen veranlasst gewesen. Selbst der Standort der nächstgelegenen Windenergieanlage liegt mit ca. 1.400 m (vgl. UA S. 3) in einer Entfernung vom Wohnhaus der Kläger, die etwa dem Siebenfachen der Anlagenhöhe entspricht. Unabhängig davon kommt hinzu, dass sich vom klägerischen Anwesen aus betrachtet die Windenergieanlagen des „Windparks W…“ im Norden bzw. Nordwesten, die Anlagen des „Windparks Wülfershausen“ dagegen in entgegengesetzter Richtung – südöstlich bis südwestlich der Ortschaft W… – befinden. Inwieweit sich ein besonders belastender Gesamteindruck ergeben könnte, obwohl die Anlagen nicht insgesamt in den Blick geraten können, ist nicht ersichtlich.
2. Die Kläger haben nicht dargelegt, dass die weiter behaupteten Zulassungsgründe einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder einer Abweichung von einer obergerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) vorliegen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat einen Antrag gestellt und sich damit am Kostenrisiko beteiligt (§ 154 Abs. 3 VwGO) sowie das Verfahren durch eigenen Sach- und Rechtsvortrag gefördert. Es entspricht deshalb der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten gleichfalls den Klägern aufzuerlegen.
4. Der Streitwert bemisst sich nach § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 3 GKG i.V.m. Nrn. 19.2 und Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Grundsätzlich ist es für die Streitwerthöhe bei Drittanfechtungsklagen in Immissionsschutzsachen von 15.000 Euro unerheblich, auf wie viele Windkraftanlagen sich die von einem Dritten angefochtene Genehmigung erstreckt bzw. wie viele dieser Anlagen der Dritte zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemacht hat (BayVGH, B.v. 6.5.2015 – 22 C 15.984 – juris Rn. 2). Bei der Bemessung des Streitwerts für die vorliegenden Zulassungsverfahren ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzgesuch der Kläger in drei selbständige Verfahren aufgespalten hat. Die Kläger wenden sich nicht spezifisch gegen von einzelnen Anlagen ausgehende Belastungen, sondern machen unzumutbare Beeinträchtigungen durch deren Gesamtheit geltend. In einem solchen Fall ist es geboten, für jedes Verfahren betreffend eine der drei Windenergieanlagen einen Streitwert in Höhe von nur 5.000 Euro festzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 25.4.2016 – 22 C 16.600 u.a. – juris Rn. 12 f.).


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