Baurecht

Erfolgloser Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage bzgl. dem Neubau einer Doppelhaushälfte

Aktenzeichen  M 9 SN 21.3656

Datum:
17.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31841
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 22 Abs. 2 S 1
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 3 S. 2
BauGB § 212a Abs. 1

 

Leitsatz

1. Befinden sich sowohl die Doppelhaushälfte der Antragstellerin als auch der abgerissene Bestand und ebenso der gesamte Neubau sich ausweislich der entsprechenden Pläne innerhalb des im Bebauungsplan festgesetzten Baufensters, ist es in einem Verfahren nach § 80a Abs. 3 S. 2 VwGO iVm § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO zur Anordnung der aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO iVm § 212a Abs. 1 BauGB unerheblich, ob ein wirksamer Bebauungsplan vorliegt. (Rn. 24 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für den Charakter als Doppelhaus iSv § 22 Abs. 2 S. 1 BauNVO ist unerheblich, dass in der neuen Doppelhaushälfte zwei getrennte Wohneinheiten entstehen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dass durch den Abriss der einen Doppelhaushälfte die Haushälfte der Antragstellerin beschädigt worden ist, betrifft dies Zivilrecht und spricht dafür, dass der Neubau so schnell wie möglich errichtet wird. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2.
Die Beigeladene zu 3 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich als Eigentümerin einer Doppelhaushälfte gegen die ihren Nachbarn, den Eigentümern der anderen Doppelhaushälfte, zum Abbruch einer Fertigteildoppelhaushälfte und dem Neubau eines barrierefreien Zweifamilienhauses mit Doppelgarage und Komfortlift erteilte Baugenehmigung.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. 926/8, bebaut mit einer Fertigteildoppelhaushälfte. Die beigeladenen Bauherren sind Eigentümer der nördlich angrenzenden Fl.Nr. 926/6, ursprünglich bebaut mit einer Fertigteildoppelhaushälfte und freistehenden Garagen. Das Doppelhaus hat einen gemeinsamen Keller mit gemeinsamer weißer Wanne. Ausweislich der vorgelegten Bilder und Schriftsätze ist die Doppelhaushälfte der Beigeladenen bereits abgerissen und mit dem Neubau begonnen worden.
Beide Grundstücke sind im Gebiet des geänderten Bebauungsplans Nr. 38 „…NORDWEST“, zuletzt geändert mit Datum vom 6. Oktober 2020 nach § 13a BauGB. Anlass für die Änderung war, dass beide Grundstücke außerhalb der Baugrenzen des ursprünglichen Bebauungsplanes errichtet worden waren und die Baugrenzen durch eine Anpassung unter Berücksichtigung von Erweiterungswünschen erfolgte.
Mit Bauantrag vom 8. Februar 2021 beantragten die beigeladenen Bauherren den Abriss ihrer Bestandsdoppelhaushälfte und den Neubau eines Zweifamilienhauses als Doppelhaushälfte mit im Norden angebauter Doppelgarage, barrierefrei mit Komfortlift zur behindertengerechten Erreichbarkeit der zweiten Wohneinheit im Obergeschoss. Mitbeantragt wurde eine Befreiung für einen zweiten Zwerchgiebel sowie eine Dachterrasse über der Doppelgarage und Teilöffnung des Satteldachs zur Belichtung der barrierefreien Wohneinheit. Der Neubau hat ausweislich der Pläne eine Länge von 12 m und eine Breite von 11,50 m und ist damit an der gemeinsamen Grenze 50 cm breiter als das Bestandsgebäude der Antragstellerin. Die Firstrichtung verläuft wie im Bestand von Nord nach Süd. Die Doppelgarage mit Terrasse und Lift erfolgt mit den Maßen 6,50 m x 9 m als Anbau im Norden. Das Kellergeschoss bleibt unverändert mit der gemeinsamen weißen Wanne. Von den Maßen her ist der wesentliche Unterschied, dass der Neubau der Beigeladenen nicht mehr ca. 7 m, sondern 12 m lang ist. Das gesamte Gebäude befindet sich ausweislich der Pläne im Baufenster des geänderten Bebauungsplanes.
Die beigeladene Gemeinde hat ihr Einvernehmen und die beantragten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 38 in der Fassung vom 19. Januar 2021 erteilt.
Das Vorhaben wurde mit Baugenehmigung vom 15. Juni 2021 mit der Nebenbestimmung genehmigt, dass 4 Stellplätze – soweit noch nicht vorhanden – herzustellen seien und mit Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB für die Nutzung des Obergeschosses der Garage als Terrasse und Speicher sowie der Errichtung eines Aufzugs im Bereich des Bauraums für Nebenanlagen, der Errichtung von zwei Zwerchgiebeln an der Westseite anstelle eines Giebels pro Wandseite mit einer Überschreitung des festgesetzten Drittels der Wandlänge um 1,40 m, Errichtung eines Dacheinschnitts im Bereich der Dachterrasse oberhalb der Garage anstelle eines symmetrischen Satteldachs und Absenken des Geländes im Bereich der Westfassade der Terrasse auf 0,12 m anstelle einer Oberkante Rohfußboden von mindestens 25 cm über der Geländoberkante. Die Gemeinde habe den Befreiungen zugestimmt. Die Einwände der Eigentümerin des Nachbargrundstücks seien geprüft worden. Da nur der augenscheinliche Gesamteindruck zähle, spiele ein flächenmäßiges Ungleichgewicht zwischen den beiden Haushälften keine Rolle. Die Gesamtlänge von 17 m entspräche den umliegenden Wohngebäuden mit einer Gesamtlänge von 15 m – 27 m. Offensichtliche Mängel am Bebauungsplan seien nicht erkennbar und nachbarliche Belange nicht verletzt.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin erhob mit Schriftsatz vom 9. Juli 2021 Klage und beantragte,
1. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage am 9. Juli 2021 gegen den Bescheid des Landratsamtes E. vom 15. Juni 2021 erhobenen Klage.
2. Hilfsweise:
Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Bescheides des Landratsamtes.
3. Erlass einer Zwischenverfügung bis zur Entscheidung des Gerichts.
Zur Begründung wird ausgeführt:
Eine Zwischenverfügung mit dem Ziel eines Baustopps sei geboten, da gebaut werde und der Rohbau fast fertig sei. Als Folge des Abrisses der Doppelhaushälfte bestehe eine Einsturzgefahr und ein Wasserschaden an der Haushälfte der Antragstellerin.
Die Baugenehmigung verstoße gegen Bauplanungsrecht, da der Bebauungsplan in der Fassung der ersten Änderung vom 27. Januar 2021 rechtswidrig sei. Er verstoße gegen das städtebauliche Erforderlichkeits- und Abwägungsgebot und enthalte unzulässige Festsetzungen. Die massive Erweiterung des Baurechts sei als reine Gefälligkeitsplanung zugunsten der Bauherren erfolgt. Die Festsetzung eines gemeinsamen Baufensters mit insgesamt 3 Wohneinheiten ermögliche eine weitere Wohneinheit nur für den, der zuerst baue. Es liege ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot durch Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme in Bezug auf die Bauweise vor, da kein Doppelhaus im Sinne der Rechtsprechung mehr vorläge und Grenzabstände deshalb nicht mehr eingehalten würden. Dies verstoße auch gegen das Gebot der Konfliktbewältigung, da das wechselseitige Austauschverhältnis durch den Bebauungsplan beseitigt wurde. Wegen der Aufhebung des bestehenden Doppelhaus-Charakters müssten zwingend die Abstandsflächen eingehalten werden. Ungeachtet dessen verstoße das Vorhaben gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans, der lediglich die Erweitung des bestehenden Gebäudes nach Norden ermögliche; darunter falle nicht der Neubau eines barrierefreien Zweifamilienhauses. Die Befreiung für 3 statt 2 Zwerchgiebel würdige die nachbarlichen Interessen der Anragstellerin nicht ausreichend. Wiederum ungeachtet dessen sei das Vorhaben auch nicht als Vorhaben im unbeplanten Innenbereich bauplanungsrechtlich zulässig, da das Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf die Bauweise nicht gewahrt sei. Die neugenehmigte Haushälfte sei 4,50 m breiter, 1 m tiefer und deutlich höher als die bestehende Haushälfte der Antragstellerin und habe 3 Zwerchgiebel und zahlreiche außenliegende Kellerschächte und werde als Massivhaus errichtet und nicht wie im Bestand als Fertighaus. Die Doppelgarage sei 56 m² groß mit Dachterrasse und Speicher, was baurechtswidrig eine Wohnflächenerweiterung durch die Hintertür darstelle. Eine Geländeabsenkung im Terrassenbereich sei ebenfalls genehmigt worden. Die Abweichungen seien so massiv, dass ein wechselseitiges „Abgestimmtsein“ nicht mehr angenommen werden könne. Die Besonnungs- und Belichtungssituation – vor allem auf der Terrasse der Antragstellerin – werde massiv verschlechtert.
Im Übrigen sei die Baugenehmigung im Hinblick auf die Nachbarauswirkungen unbestimmt, da im Eingabeplan die „Südansicht“ fehle und deshalb nicht erkennbar sei, inwieweit das genehmigte Vorhaben durch den westlichen Anbau und die Erhöhung der Firsthöhe die Antragstellerin beeinträchtige. Gegen das Abstandsflächenrecht werde verstoßen, da der Abstand zwischen der Ostfassade und der Verkehrsfläche lediglich 2 m betrage.
Das Landratsamt beantragte für den Antragsgegner:
Antragsablehnung.
Zur Begründung wird ausgeführt:
Das gesamte Gebäude befinde sich innerhalb des Baufensters. Die Abstandsflächen seien – entsprechend der gemeindlichen Satzung – eingehalten, da das gesamte Vorhaben innerhalb des Baufensters stehe. Es läge nach wie vor ein Anbau als Doppelhaushälfte vor, da der an der Nordseite der Doppelhaushälfte der Antragstellerin angebaute Neubau lediglich 50 cm breiter sei. Firsthöhe und Firstrichtung sowie Wandhöhe seien gleich. Der Neubau sei lediglich 4 m länger als der Bestand. Die Garage im Norden des Neubaus sei nachbarrechtlich irrelevant und keine Erweiterung der Wohnfläche, da dort lediglich ein Speicher, eine Terrasse und der Lift seien. Insgesamt bleibe der Doppelhaus-Charakter gewahrt.
Der Bevollmächtigte der beigeladenen Bauherren beantragte,
Antragsablehnung.
Der erwachsene Sohn der Bauherren benötige wegen einer erheblichen Erkrankung mit körperlicher Einschränkung eine behindertengerechte Wohnung und ein Umbau im Bestand sei nicht möglich gewesen. Durch die Änderung des Bebauungsplans seien ua die Bauräume für die Bauherren und für die Antragstellerin sowie weitere Nachbarn vergrößert worden. Der Neubau schließe an der Ostseite bündig und an der Westseite mit einem Versatz von 50 cm an die Doppelhaushälfte der Antragstellerin an. Die geringen Höhenunterschiede des Daches beruhten auf der unterschiedlichen Dacheindeckung. Die fehlende Südansicht sei nicht erforderlich, da wegen der fehlenden Größenunterschiede nur die Haushälfte der Antragstellerin zu sehen gewesen wäre. die durch den Abriß angeblich entstandenen Schäden durch Näße würden bestritten, da die weiße Wanne lediglich im Norden erweitert worden wurde. Abstandsflächenrecht sei nicht verletzt. Das Vorhaben sei nicht bauplanungsrechtlich rücksichtslos. Die Änderung des Bebauungsplans sei rechtsfehlerfrei und sehe weiterhin die Anbaumöglichkeit an der Grundstücksgrenze an bestehende Doppelhaushälften vor.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB ganz oder teilweise anordnen. Es trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, ob das öffentliche und das private Vollzugsinteresse des Bauherrn oder das Aussetzungsinteresse des Nachbarn als Antragsteller überwiegt. Die vorzunehmende Interessenabwägung orientiert sich maßgeblich an den summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens.
Im vorliegenden Fall wird die Drittanfechtungsklage nach summarischer Prüfung erfolglos bleiben, sodass das Vollzugsinteresse der Bauherren überwiegt. Die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Eine Anfechtungsklage des Nachbarn gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im vorliegenden Verfahren nur eine Prüfung beschränkt darauf statt, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die der Antragstellerin als Nachbarin einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (st. Rspr. VG München, B.v. 9.6.2020 – M 9 SN 20.2141).
Vorliegend ist nicht erkennbar, dass durch das geplante Bauvorhaben Nachbarrechte verletzt werden.
Für das vorliegende Verfahren ist es unerheblich, ob ein wirksamer Bebauungsplan vorliegt. Sowohl die Doppelhaushälfte der Antragstellerin als auch der abgerissene Bestand und ebenso der gesamte Neubau befinden sich ausweislich der vorgelegten Pläne innerhalb des im Bebauungsplan festgesetzten Baufensters. Die von der Antragstellerseite vorgetragene Unwirksamkeit des geänderten Bebauungsplans hat allenfalls zur Folge, dass sowohl die Doppelhaushälfte der Antragstellerin als auch der Neubau nicht mehr innerhalb der Baugrenzen zu liegen kommen. Unter Berücksichtigung dessen ist nicht erkennbar, inwieweit die Änderung der Baugrenzen im Bebauungsplan Nachbarrechte der Antragstellerin berührt.
Der rechtliche Ansatz für einen Nachbarschutz bei Doppelhäusern ist im unbeplanten Innenbereich das Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB mit dem darin enthaltenen Rücksichtnahmegebot und im beplanten Innenbereich, § 30 BauGB, das in § 15 BauNVO geregelten Rücksichtnahmegebot. Besteht eine Bebauung in „offener Bauweise“, weil nur Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen im Sinne des § 22 Abs. 2 BauNVO den maßgeblichen Rahmen für das Bauvorhaben bilden, fügt sich ein grenzständiges Vorhaben nach der Bauweise ein, wenn es unter Beseitigung eines bestehenden Doppelhauses grenzständig errichtet wird und mit dem verbleibenden Gebäudeteil auf dem Nachbargrundstück ein Doppelhaus bildet (BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 4 C 12.14 zum unbeplanten Innenbereich). Ein Doppelhaus im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist anzunehmen, wenn zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden und beide Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (BVerwG, a.a.O.). Ob dies der Fall ist, lässt sich weder abstrakt generell noch mathematisch prozentual bestimmen. Es bedarf einer Würdigung des Einzelfalls unter Betrachtung quantitativer und qualitativer Gesichtspunkte.
Vorliegend ist weiterhin ein Doppelhaus im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO anzunehmen. Nach den genehmigten Bauvorlagen schließt die entstehende neue Doppelhaushälfte bündig mit einem Versatz in der Breite von 50 cm an den Bestand der Doppelhaushälfte an. Die Firsthöhe des in nordsüdlicher Richtung verlaufenden Satteldachs des Neubaus ist nur minimal höher als die des Gebäudes der Antragstellerin, sodass der optische Eindruck von Westen und Osten weiterhin dem eines Doppelhauses entspricht. Der Vorsprung des Neubaus im Westen ist mit 50 cm nicht so wesentlich, dass keine wechselseitige und verträgliche Anbauweise mehr vorliegt. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass ein solch geringfügiger Anbau nicht auffällt und bereits deshalb nicht geeignet ist, den Charakter eines Doppelhauses zu beeinträchtigen. Die neue Doppelhaushälfte ist lediglich 4 m länger als die Bestandshälfte. Dadurch ändert sich nichts an dem optischen Eindruck, dass nach quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten ein einheitliches Doppelhaus vorliegt. Der Eindruck eines Gesamtbaukörpers durch Aufhebung des Verzichts auf ein gegenseitiges Abstandsgebot auf der Grundlage der Gegenseitigkeit bleibt. Dies gilt umso mehr, da die Längendifferenz zum abgerissenen Bestandsgebäude lediglich 4 m beträgt und nach den vorliegenden Plänen die Gesamtlänge Vorbilder in der Nachbarschaft hat.
Für den Charakter als Doppelhaus ist unerheblich, dass in der neuen Doppelhaushälfte zwei getrennte Wohneinheiten entstehen. Maßgeblich ist nicht die Zahl der Wohneinheiten, sondern unter Berücksichtigung der „Doppelhaus-Rechtsprechung“ des Bundesverwaltungsgerichts die bauliche Einheit im Sinne eines Gesamtbaukörpers (BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 2 CS 20.1547 – nicht veröffentlicht u. Bestätigung v. VG München, B.v. 26.6.2020 – M 9 SN 20.1396 – veröffentlicht). Ebenfalls unerheblich ist es unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung für den Charakter als Doppelhaus und damit auch nachbarrechtlich irrelevant, ob und welche Befreiungen für einen weiteren Zwerchgiebel an der Ost- und Westseite des Dachgeschosses erteilt wurden.
Soweit die Antragstellerin sich gegen die Garage mit Speicher, Dachterrasse und Komfortlift wendet, sind Nachbarrechte, die verletzt sein könnten, nicht erkennbar.
Die Garage wird an der Nordseite des Neubauvorhabens errichtet und ausweislich der Genehmigungsunterlagen auch für den Lift und die Dachterrasse im Zuge des barrierefreien und behindertengerechten Baus des Obergeschosses genutzt. Die bloße Vermutung, eine zukünftige Nutzung könne zu Wohnzwecken sein, betrifft nicht das vorliegende Verfahren. Gestaltung und Ausbau sind an der von der Antragstellerin abgewandten Hausseite des Neubaus, sodass nicht erkennbar ist, inwiefern eine Dachterrasse und ein behindertengerechter Lift sie beeinträchtigen könnte. Ein Garagenanbau nimmt einem Doppelhaus nicht den optischen Eindruck eines gemeinsamen Baukörpers des Wohnhauses.
Sonstige nachbarrechtliche Belange sind nicht erkennbar. Nach den vorgelegten Plänen entspricht der Grundriss des gesamten Doppelhauses der Länge und Breite nach der Umgebungsbebauung. Abstandsflächen an der gemeinsamen Grenze entfallen, da weiterhin von einem Doppelhaus im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO auszugehen ist. Sonstige Abstandsflächen sind vorliegend ohne Belang für den Nachbarschutz und unabhängig von den Festsetzungen der Baugrenzen nach Norden, Osten und Westen nach den Plänen eingehalten.
Soweit die Antragstellerin vorträgt, durch den Abriss sei ihre Haushälfte beschädigt worden, betrifft dies Zivilrecht und spricht dafür, dass der Neubau so schnell wie möglich errichtet wird, da beide Haushälften einen gemeinsamen Keller haben und sich in einer gemeinsamen weißen Wanne befinden.
Der hilfsweise Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig, da auch im Dreiecksverhältnis der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO der statthafte Rechtsbehelf ist.
Der Antrag auf Erlass eines Hänge- bzw. Schiebebeschlusses ist ebenfalls unzulässig, da kein Rechtsschutzbedürfnis für eine derartige „Zwischenentscheidung“ erkennbar ist. Dies folgt bereits ohne weiteres daraus, dass die Entscheidungsreife für die „reguläre“ Entscheidung nach § 80 f. VwGO gegeben ist (insbesondere wurden die Behördenakten bereits vorgelegt). Es bedarf deswegen einer derartigen Zwischenentscheidung von vorn herein nicht (vgl. OVG MV, B.v. 4.4.2017 – 3 M 195/17 – juris; VG München, B.v. 2.7.2018 – M 9 SN 18.2593 -, Rn. 43 juris). Jedenfalls hat sich durch die Entscheidung über den Eilantrag der Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (sog. „Hängebeschluss“) aber erledigt (BayVGH, B.v. 9.12.2016 – 15 CS 16.1417 – juris Rn. 23, VG München, B.v. 18.12.2020 – M 9 SN 20.1913 – juris Rn. 26).
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Es entspricht der Billigkeit, dass die Antragstellerin die Kosten der Beigeladenen zu1 und 2 trägt, da diese einen Antrag gestellt haben.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V.m. dem Streitwertkatalog.


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