Baurecht

Erfolgloser Eilantrag gegen ein Fünf-Familienhaus im faktischen reinen Wohngebiet

Aktenzeichen  AN 9 S 17.01871

Datum:
22.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133087
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 3 S. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
BauGB § 31 Abs. 2, § 34 Abs. 1, Abs. 2, § 212a Abs. 1
BauNVO § 3, § 12, § 15 Abs. 1 S. 2, § 16 Abs. 2, § 23
BayBO Art. 2 Abs. 4, Art. 47, Art. 59

 

Leitsatz

1 Regelungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen im Sinne des § 23 BauNVO kommt eine nachbarschützende Wirkung nur dann zu, wenn ihnen der Satzungsgeber bei Erlass der Satzung eine solche Wirkung zumessen wollte. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Fahren und Parken auf einer öffentlichen Straße durch die Grundstücksnachbarn ist von jedem Anwohner hinzunehmen. Der Befürchtung eines Anwohners, Probleme bei der Zufahrt zu seinem Grundstück durch Falschparker zu bekommen, ist im Rahmen der Prüfung einer Baugenehmigung nicht nachzugehen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Baugenehmigung für ein Fünf-Familienwohnhaus auf dem Nachbargrundstück.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung …, … in … Das Grundstück grenzt im Südwesten an die … an und steigt wie die benachbarten Grundstücke nach Nordosten hin deutlich an. Es ist mit einem ca. 9 m breiten und ca. 15 m tiefen Wohnhaus bebaut, das von der Straße aus gesehen zweigeschossig mit ausgebautem Satteldach, wegen des ansteigenden Geländes nach Nordosten hin eingeschossig mit ausgebautem Satteldach erscheint. Die Firstrichtung von Südwest nach Nordost wird durch zwei große Zwerchhäuser auf beiden Seiten durchbrochen. Die nordwestliche Außenwand weist eine Wandhöhe von ca. 6,40 m zur Straße hin und ca. 3,40 m an der nordwestlichen Gebäudeecke auf, im Bereich des Zwerchhauses beträgt die Wandhöhe zwischen ca. 7,70 m und ca. 5,20 m. Die Firsthöhe des Hauptkörpers beträgt zur Straße hin ca. 9,80 m, ca. 6,80 m im rückwärtigen Bereich, die Firsthöhe des Zwerchhauses beträgt ca. 6,40 m. Die nordwestliche Außenwand des Gebäudes ist ca. 8 m von der nordwestlichen Grundstücksgrenze entfernt. Für das Wohngebäude des Antragstellers wurde zuletzt mit Baugenehmigung vom 31. August 2006 der Ausbau eines Dachgeschosses zu einer Wohnung genehmigt, auf die zu diesem Bauantrag vorgelegten Bauvorlagen und Pläne wird verwiesen. An die zur Straße hin gerichtete Giebelwand ist ein Balkon auf Stützen angebaut, dessen Höhe einschließlich Geländer ca. 6,80 m beträgt.
Nordwestlich an dieses Grundstück angrenzend liegt das Baugrundstück, bestehend aus den Grundstücken FlNrn. … und … Das Grundstück FlNr. … war bisher mit einem Wohngebäude bebaut, für das die Baugenehmigung mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. März 1986 erteilt worden war, auf dem Grundstück FlNr. … befand sich bisher eine Doppelgarage mit begrüntem Dach, die in den Hang integriert errichtet wurde. Zwischen dem Grundstück FlNr. … und der … liegt noch das Grundstück FlNr. …, das sich im Eigentum der Beklagten befindet und als Verkehrsfläche dient.
Das Baugrundstück wie das Grundstück des Antragstellers liegen im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. …, der Baugrenzen auf den Grundstücken festsetzt. Nördlich angrenzend an das Baugrundstück wie das Grundstück des Antragstellers liegt der Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. …, der allgemeines Wohngebiet als Art der Nutzung festsetzt. In der näheren Umgebung des Baugrundstücks ist, soweit ersichtlich, nur Wohnnutzung vorhanden.
Mit am 9. September 2015 bei der Antragsgegnerin eingegangenem Bauantrag begehrte der Beigeladene die Erteilung der Baugenehmigung für die Errichtung eines Fünf-Familienwohnhauses mit Tiefgarage und Kinderspiel Platz auf dem Baugrundstück. Das zweigeschossige Gebäude mit ausgebautem Satteldach und Firstrichtung von Nordwest nach Südost soll dabei in einem Abstand von ca. 5 m von der Grenze zum Grundstück des Antragstellers errichtet werden. Die südöstliche Außenwand weist bei einer Länge von ca. 13 m eine Höhe von ca. 7,80 m zur Straße hin sowie ca. 5,80 m an der nordöstlichen Ecke des Hauptbaukörpers auf, nach Nordosten hin soll ein eingeschossiger Anbau mit einer Länge von ca. 3 m und einer Wandhöhe zwischen 2 m und 2,40 m anschließen. Südwestlich zur Straße hin soll ein zweigeschossiger Balkon mit Überdachung errichtet werden, der auf der Tiefgarage bzw. Tiefgaragenzufahrt, die in der westlichen Gebäudeecke geplant ist, aufsteht. In der Tiefgarage sind insgesamt elf Stellplätze vorgesehen, zwei weitere Besucherstellplätze sollen zur Straße hin östlich der Tiefgarageneinfahrt entstehen und nach Osten hin mit einer Wand abgeschirmt werden.
Mit Bescheid vom 8. August 2017 erteilte die Antragsgegnerin die Baugenehmigung für das Vorhaben des Beigeladenen und gewährte in Nr. 3 Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans Nr. … wegen Überschreitung der Baugrenzen
– nach Südwesten mit dem Balkon
– nach Nordosten mit dem erdgeschossigen Anbau
– nach Nordwesten mit dem Hauptbaukörper sowie der Terrasse und dem Balkon
– nach Südwesten, Nordosten und Nordwesten mit der Tiefgarage bzw. dem Kellergeschoss.
In der Begründung wurde ausgeführt, das Bauvorhaben sei im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 BayBO geprüft worden. Das Bauvorhaben sei planungsrechtlich nach § 34 Abs. 2 BauGB zulässig, die Umgebung werde hier als reines Wohngebiet eingestuft, in dem die geplante Wohnnutzung zulässig sei. Die erforderlichen Befreiungen könnten zugelassen werden, die Festsetzung Grünfläche im Nordwesten des Baugrundstücks sei durch die tatsächliche bauliche Entwicklung als überholt anzusehen. Die Bebauung bewege sich im Wesentlichen innerhalb des mit einer Breite von ca. 15 m festgesetzten Bauraums, die Überschreitung mit dem erdgeschossigen Anbau im Nordosten sei durch die Hanglage als der Baumasse untergeordnet anzusehen. Das Vorhaben sei auch unter Würdigung der schützenswerten nachbarlichen Belange mit öffentlichen Belangen (Schaffung von Wohnraum) vereinbar. Die Abstandsflächen seien nicht geprüft worden, aber vom Bauherrn einzuhalten.
In Auflage Nr. 12 zur Baugenehmigung wurde festgestellt, dass nach Art. 47 BayBO zehn Stellplätze für Kraftfahrzeuge notwendig sind, diese seien auf dem Baugrundstück, wie in den Bauzeichnungen festgelegt, unterzubringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genehmigten Bauvorlagen Bezug genommen.
Mit am 7. September 2017 beim Gericht eingegangenem Schriftsatz ließ der Antragsteller Klage gegen die von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 8. August 2017 erheben und zugleich beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Mit Schriftsatz vom 20. September 2017 wurde zur Begründung der Klage und des Eilantrags im Wesentlichen ausgeführt, die nähere Umgebung des Baugrundstücks sei mit Einfamilienhäusern sowie dem Zweifamilienhaus des Antragstellers bebaut. Die … sei eine Sackgasse mit fünf Meter Breite ohne Gehweg. Es herrsche in der Gegend ein Mangel an Stellplätzen, auch hätten größere Fahrzeuge Schwierigkeiten, die Straße zu befahren. Das Bauamt der Antragsgegnerin habe sich zu einem früheren Vorhaben auf dem Baugrundstück ablehnend geäußert mit Stellungnahme vom 12. November 2015, nunmehr aber mit Stellungnahme vom 22. Dezember 2015 der Bebauung zugestimmt. Die Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil sich das Vorhaben nicht in die Bebauung in der näheren Umgebung einfüge. Zwar sei die Art der Nutzung hier zulässig, allerdings falle das Vorhaben hinsichtlich der Zahl der Wohneinheiten deutlich aus dem Rahmen, auch die Größe der geplanten Wohneinheiten liege erheblich über dem Durchschnitt. Der Gebietscharakter der näheren Umgebung sei als Einfamilien- bzw. Zweifamilienhaussiedlung anzusehen, dazu passe das Bauvorhaben nicht. Im Hinblick auf die überbaute Grundstücksfläche und das Maß der baulichen Nutzung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB falle das Vorhaben hier aus dem Rahmen, daran änderten auch die überdachte Terrasse und die überdachten Balkone nichts. Die Bebauung sei gegenüber dem Antragsteller als Nachbar rücksichtslos, der Gebietscharakter in Gestalt einer Zweifamilienhaussiedlung „im Grünen“ drohe verloren zu gehen. Durch die Hanglage werde die Massivität und Wuchtigkeit des Baukörpers von der Straßenseite her noch verstärkt. Auch sei die … als Sack Straße dem vom Vorhaben ausgelösten Verkehr nicht mehr gewachsen. Der Antragsteller müsse befürchten, dass die Zufahrt zu seinem Grundstück des Öfteren zugestellt werde, da der Parkdruck sich erhöhe. Als Arzt sei der Antragsteller auf eine ungehinderte Ausfahrt aus der Garage im Fall des Bereitschaftsdienstes angewiesen. Schließlich werde hier zwar Wohnraum geschaffen, aber nur für eine sehr kleine und zahlungskräftige Klientel.
Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2017 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen und beantragten,
den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
Mit Schriftsatz vom 21. November 2017 beantragte der Beigeladenenvertreter auch Klageabweisung im Klageverfahren und verwies zur Begründung auf die Klageerwiderung der Beklagten. Das Vorhaben verletze keine nachbarschützenden Vorschriften, die im Genehmigungsverfahren zu prüfen gewesen seien. Es füge sich im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB in jeder Hinsicht ein, zudem sei die Anzahl der Wohnungen kein taugliches Beurteilungskriterium unter Hinweis auf § 16 Abs. 2 BauNVO und § 22 BauNVO. Eine vergleichbar dichte Bebauung wie im Fall des Bauvorhabens des Beigeladenen finde sich in der näheren Umgebung z.B. mit dem Mehrfamilienwohnhaus im Anwesen … (FlNr. …*) oder im Gebäude … (FlNr. …).
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 26. Oktober 2017,
die Klage abzuweisen und den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, das Bauvorhaben habe laut genehmigtem Übersichtsplan eine Länge von 26,45 m und eine Tiefe von 15,83 m. Die Abstandsflächen der südöstlichen Gebäudeaußenwand lägen nach dem Abstandsflächenplan auf dem Baugrundstück, nach diesem Plan betrage der Abstand zwischen Gebäudeaußenkante und der südöstlichen Grundstücksgrenze 5,05 m. Der Antragsteller habe keinen Gebietserhaltungsanspruch, ein Wohngebäude mit fünf Wohnungen weise gegenüber Ein- oder Zweifamilienhäusern keine andersartige Nutzung auf (OVG Lüneburg, B.v. 28.5.2014 – 1 ME 47/14). Das Baugrundstück werde durch das Fünf-Parteienhaus intensiver genutzt, die Nutzung halte sich aber innerhalb der gegenwärtigen Prägung des faktischen Baugebiets. Die vom Antragsteller angeführten Kriterien des Umfangs, der überbauten Grundstücksfläche oder der Lage des Baukörpers seien nicht nachbarschützend wie allgemein Bestimmungen zum Maß der baulichen Nutzung. Der vorhandene einfache Bebauungsplan setze blaue und violette Baugrenzen sowie im Nordwesten eine grüne Straßenbegrenzungslinie fest, dabei handele es sich nicht um nachbarschützende Festsetzungen. Die deutliche Überschreitung der violetten rückwärtigen Baugrenze des Baulinienplans Nr. … und der sich daran anschließenden grünen Straßenbegrenzungslinie berühre die Grundzüge der Planung nicht, die im Baulinienplan vorgesehene Verkehrsfläche zwischen dem Baugrundstück und dem Anwesen … werde nämlich nicht mehr realisiert werden, die Baugrenze sei insoweit obsolet. Der Antragsteller könne sich im Hinblick auf die erteilten Befreiungen nur auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen, dieses werde aber nicht verletzt. Es könne von einer erdrückenden Wirkung keine Rede sein, auch könne die … den zusätzlichen Verkehr für die fünf Wohneinheiten aufnehmen. Es könne zwar ein erhöhter Parkdruck entstehen, allerdings weise das Vorhaben elf Stellplätze in der Tiefgarage auf. Ein Zuparken der Grundstückszufahrt des Antragstellers müsse sich der Beigeladene nicht zurechnen lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, insbesondere auf die dort vorhandenen Schriftsätze und Pläne, verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Die Kammer sieht nach einer einem Eilverfahren – wie hier – nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO angemessenen summarischen Prüfung, die umso eingehender sein muss, als die angegriffene Maßnahme Unabänderliches bewirkt, im Rahmen der von ihr eigenständig zu treffenden Ermessensentscheidung keine Notwendigkeit für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers.
Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Erhebt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte Baugenehmigung Anfechtungsklage, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung nach summarischer Prüfung also als rechtswidrig im Hinblick auf nachbarschützende Vorschriften, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen. Hat dagegen die Anfechtungsklage des Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der Interessenabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18). Bei offenen Erfolgsaussichten verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Der Antragsteller kann die Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch dem nachbarlichen Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach summarischer Prüfung wird die Klage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die angefochtene Baugenehmigung keine nachbarschützenden Rechte des Antragstellers verletzt.
Prüfungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Baugenehmigung vom 8. August 2017, Prüfungsmaßstab sind nach Art. 59 Abs. 1 BayBO die dort aufgeführten Normen. Das Vorhaben wurde zu recht im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren behandelt, da es sich nicht um einen Sonderbau gemäß Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt.
Soweit aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich, liegen sowohl das Baugrundstück als auch das Grundstück des Antragstellers in einem faktischen reinen Wohngebiet, wie dies auch die Antragsgegnerin bei der planungsrechtlichen Beurteilung angenommen hat. Auch nach den Angaben des Antragstellervertreters befinden sich in der Umgebung ausschließlich Ein- und Zweifamilienhäuser, bei denen eine andere als Wohnnutzung weder vorgetragen noch ersichtlich ist. In einem faktischen reinen Wohngebiet im Sinn des § 3 BauNVO i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB ist die hier geplante Wohnnutzung allgemein zulässig. Selbst wenn man aber nicht vom Vorliegen eines faktischen Baugebiets im Sinne der §§ 2 ff. BauNVO ausginge, würde sich die hier geplante Wohnnutzung im Hinblick auf die in der Umgebung vorhandene Wohnnutzung, wie sie auch auf dem Anwesen des Antragstellers vorhanden ist, einfügen, ein Abwehranspruch hinsichtlich der geplanten Art der Nutzung ist in keinem Fall gegeben.
Soweit der Antragsteller vortragen lässt, das Vorhaben sprenge im Hinblick auf die Zahl der geplanten Wohnungen den vorhandenen Rahmen, so kann sich dies ersichtlich nicht auf eine bestimmte Art der Nutzung beziehen, da hier lediglich Wohnnutzung in fünf Wohneinheiten genehmigt ist und sich diese Nutzung nicht von der Wohnnutzung in einem Ein- oder Zweifamilienhaus, wie dem des Antragstellers, nach der Art der Nutzung unterscheidet.
Soweit der Antragsteller sich darauf beruft, das genehmigte Bauvorhaben sprenge im Hinblick auf die überbaute Grundstücksfläche, die Kubatur, die Lage, die Anzahl und die Größe der Wohnungen den vorhandenen Rahmen, so betrifft dies Kriterien, die im Rahmen des Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB zur bauplanungsrechtlichen Prüfung gehören, aber als Regelungen im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung regelmäßig keinen Nachbarschutz vermitteln. Insoweit ist der Antragsteller auf das bauplanungsrechtliche Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme beschränkt, welches sich im hier vorliegenden faktischen reinen Wohngebiet aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, im Fall, dass kein Baugebiet vorliegen sollte, aus dem Begriff des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB ergibt.
Soweit der für das Baugrundstück geltende einfache Bebauungsplan Nr. … Baugrenzen festsetzt, so weist diese Festsetzung nach Auffassung der Kammer keinen nachbarschützenden Charakter auf. Regelungen zu überbaubaren Grundstücksflächen im Sinne des § 23 BauNVO kommt eine solche nachbarschützende Wirkung nur dann zu, wenn ihnen der Satzungsgeber bei Erlass der Satzung eine solche Wirkung zumessen wollte, dafür ist hier aber nichts ersichtlich. Auch spricht die konkrete Regelung bezüglich des Baufensters, welches das Baugrundstück wie das Grundstück des Antragstellers umfasst, ersichtlich gegen einen Nachbarschutz der entsprechenden Festsetzung, da das Baufenster in einer Breite von ca. 15 m sich über die gesamte Breite des Grundstücks des Antragstellers und von dort weiter auf das benachbarte Baugrundstück erstreckt. Damit ist der Antragsteller auch im Hinblick auf die hier erteilten Befreiungen von den Baugrenzen ebenfalls auf das Gebot der Rücksichtnahme beschränkt.
Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme zu Lasten des Antragstellers ist im Hinblick auf das Bauvorhaben für die Kammer nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellervertreter auf den genehmigten Baukörper selbst abstellen, so entfaltet dieser nach Auffassung der Kammer weder eine erdrückende Wirkung noch eine Riegelwirkung zu Lasten des Grundstücks des Antragstellers. Wenn man die auf dem Grundstück des Antragstellers vorhandene und genehmigte Bebauung aus Sicht des Baugrundstücks und das jetzt genehmigte Bauvorhaben aus Sicht des Grundstücks des Antragstellers betrachtet, so hält sich die Bebauung noch im Rahmen des nachbarlichen Austauschverhältnisses und ist jeweils für den Nachbarn im Hinblick auf die Höhe und Breite der sich gegenüberliegenden Außenwände zumutbar. Was die Beeinträchtigung im Hinblick auf Belichtung und Besonnung angeht, ist darauf zu verweisen, dass sich das Wohngebäude des Antragstellers südöstlich des geplanten Wohngebäudes auf dem Baugrundstück befindet und somit eine Verschattungswirkung allenfalls in den Nachmittagstunden in überschaubarem Umfang durch dieses beim Grundstück des Antragstellers bewirkt wird, während das Gebäude des Antragstellers in größerem Umfang Schatten auf das Baugrundstück wirft.
Auch sonst ist keine unzumutbare oder gar rücksichtslose Beeinträchtigung des Anwesens des Antragstellers durch das geplante Bauvorhaben ersichtlich. Soweit der Antragsteller auf den vom Bauvorhaben ausgelösten Verkehr abstellt, kann dieser im Hinblick auf die genehmigten fünf Wohneinheiten nicht zu einer unzumutbaren Belastung für den Antragsteller werden, zumal der von ihm wahrnehmbare Verkehr sich ausschließlich auf der … und damit auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abspielt. Denn der Verkehr auf dem Baugrundstück ist durch die Lage und die teilweise Überbauung der Tiefgarageneinfahrt vom Grundstück des Antragstellers aus wohl nicht wahrnehmbar, ebenso wie der Park- und Ein- und Ausfahrtverkehr zu den Stellplätzen in der Tiefgarage selbst. Soweit der Antragsteller auf den in der … vorhandenen Parkdruck verweist, der durch das Bauvorhaben deutlich zunehmen würde, so sind mit der angefochtenen Baugenehmigung elf Tiefgaragenstellplätze sowie zwei weitere Besucherstellplätze genehmigt und in der Auflage 12 zur Baugenehmigung die Herstellung von zehn Stellplätzen auf dem Baugrundstück wie geplant und genehmigt angeordnet. Damit ist nicht von einer Erhöhung des Parkdrucks auf der … durch das Bauvorhaben auszugehen. Außerdem ist das Fahren und Parken auf einer öffentlichen Straße durch die Grundstücksnachbarn von jedem Anwohner hinzunehmen. Wenn der Antragsteller Probleme bei der Zufahrt zu seinem Grundstück durch Falschparker befürchtet, so wäre dies weder dem Bauvorhaben zuzurechnen noch im Rahmen der Prüfung der Baugenehmigung zu berücksichtigen. Zudem besteht im Hinblick auf die mit dem Bauvorhaben geplanten Parkmöglichkeiten noch nicht einmal ein Anhaltspunkt dafür, dass es zu einem erhöhten Parkdruck kommen wird. Durch die Situierung und die konkrete Ausgestaltung der Tiefgarage und der Tiefgaragenzufahrt wird das Grundstück des Antragstellers in bestmöglicher Weise vor Lärm und sonstigen Immissionen abgeschirmt. Im Übrigen ist nach § 12 BauNVO die von der genehmigten Nutzung ausgelöste Zahl notwendiger Stellplätze vom Nachbarn hinzunehmen.
Bauordnungsrecht und damit auch die Einhaltung der Abstandsflächen gehören hier nicht zum Prüfungsumfang.
Damit war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen auf den Antragsteller war hier recht und billig, da der Beigeladene durch ausdrückliche Antragstellung selbst ein Kostenrisiko übernommen hat und es um die ihm erteilte Baugenehmigung geht.


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