Baurecht

Erfolgloser Eilrechtsschutz von Nachbarn gegen Baugenehmigung für Einfamilienhaus

Aktenzeichen  1 CS 20.1440

Datum:
10.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20502
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3
BayDSchG Art. 6 Abs. 2 S. 2, Art. 15 Abs. 2
BayBO Art. 59 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Ein Nachbar kann sich grundsätzlich auf die Verletzung von denkmalschutzrechtlichen Normen berufen, soweit sie drittschützend sind, weil auch der Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals durch die Errichtung eines benachbarten Vorhabens in der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verletzt sein kann (BVerwG BeckRS 2009, 34652; VGH München BeckRS 2013, 46979 m.w.N.). (Rn. 3 – 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Betrieb landwirtschaftlicher Maschinen ist wegen der besonderen Privilegierung der Landwirtschaft ausdrücklich vom Anwendungsbereich der TA Lärm ausgenommen mit der Folge, dass die mit landwirtschaftlichen Betrieben im (faktischen) Dorfgebiet einhergehenden spezifischen Immissionen  gerade auch unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots von benachbarten Nutzungen grundsätzlich hinzunehmen sind. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 9 SN 20.2141 2020-06-09 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro fest-gesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe geben keine Veranlassung, die angegriffene Entscheidung zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klage des Antragstellers im Hauptsacheverfahren gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Caport aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird und das Vollzugsinteresse demnach das gegenläufige Interesse des Antragstellers überwiegt. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 5. September 2019 verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
1. Die Baugenehmigung verstößt nicht gegen drittschützende denkmalschutz-rechtliche Normen. Die Feststellungswirkung der Baugenehmigung umfasst die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. Art. 6 Abs. 3 DSchG. Der Antragsteller kann sich deshalb grundsätzlich auch auf die Verletzung von denkmalschutzrechtlichen Normen berufen, soweit sie drittschützend sind. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG vermittelt grundsätzlich drittschützende Wirkung, weil auch der Eigentümer eines geschützten Kulturdenkmals durch die Errichtung eines benachbarten Vorhabens in der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verletzt sein kann (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 4 C 3.08 – BVerwGE 133, 347; BayVGH, U.v. 24.1.2013 – 2 BV 11.1631 – BayVBl 2013, 470 m.w.N.). Dies ist aber nur dann der Fall, wenn das genehmigte Vorhaben die Denkmalwürdigkeit des Anwesens des Nachbarn erheblich beeinträchtigt. Dabei ist maßgeblich, für welche geschichtlichen Umstände und Entwicklungen das Baudenkmal Zeugnis ablegt und inwieweit dabei die Beziehung des Baudenkmals zu seiner Umgebung eine Rolle spielt. In diesem Zusammenhang kann selbstverständlich auch der gegebenenfalls vielgestaltige bauzeitliche Kontext bedeutsam sein, in dem das Baudenkmal bei seiner Errichtung stand, und zu dem unter Umständen auch die damals vorhandene bauliche oder sonstige Situation der engeren oder weiteren Umgebung oder deren zu erwartende Entwicklung gehört hat. Welche konkreten Gesichtspunkte aber letztlich das Erscheinungsbild eines Baudenkmals beeinflussen und welche sich darauf auswirkenden Veränderungen in der Umgebung dieses Erscheinungsbild gegebenenfalls beeinträchtigen, hängt ausschließlich von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. zur Beeinträchtigung am Maßstab von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG BayVGH, U.v. 24.1.2013 a.a.O.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist hier eine solche Beeinträchtigung des Denkmals des Antragstellers, welche im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten hätte berücksichtigt werden müssen, nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass das vorliegende Verfahren keine gerichtliche Aussage darüber erfordert, ob das Bauvorhaben das Wesen, das überlieferte Erscheinungsbild oder die künstlerische Wirkung des Bauernhauses des Antragstellers in jeder Hinsicht unbeeinträchtigt lässt. Denn die hier erforderliche erhebliche Beeinträchtigung des Bauernhauses ist nicht ersichtlich. Bei dem geplanten Bauvorhaben handelt es sich um ein kleines Einfamilienhaus, das nordöstlich im weiteren Verlauf der S* …straße in einem Abstand von rd. 25 m von dem Bauernhaus errichtet werden soll. Nach den vorliegenden Unterlagen und der Darstellung in „BayernAtlas Plus“ können die Blickbeziehungen zum denkmalgeschützten Bauernhaus des Antragstellers allenfalls von dem östlich des Denkmals gelegenen freien Feld (Grundstücke FlNr. … und …*) beeinträchtig werden. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass der am Feldrand verlaufende Weg in einer Entfernung von rd. 450 m von dem Denkmal verläuft. Der Blick von dem freien Feld wird daher allenfalls am Rande beeinträchtigt. Dass das geplante Bauvorhaben von Osten her in der unmittelbaren Blickachse stehen und das Bauernhaus erheblich beeinträchtigen soll, erschließt sich dem Senat daher nicht. Allein der Umstand, dass das geplante Bauvorhaben in der Nähe des Bauernhauses errichtet werden soll, reicht nicht für eine erhebliche Beeinträchtigung der Denkmalwürdigkeit aus. Nach der Eintragung in der Denkmalschutzliste ist nicht nur die vom Antragsteller in den Vordergrund gerückte „Ostung“ des Gebäudes geschützt, sondern vielmehr das Bauernhaus in seiner Gesamtform als breit gelagerter Flachsatteldachbau aufgrund seiner geschichtlichen Bedeutung als im Verlauf des 19. Jahrhunderts neu in N* … hinzugekommene Hofstelle (s. Stellungnahme des LfD vom 25. Januar 2018 im Zusammenhang mit dem Normaufstellungsverfahren für die Ergänzungssatzung „N* … Südost“). Dass die Ansicht auf das Bauernhaus von den übrigen Himmelsrichtungen nicht erheblich beeinträchtigt wird, vermag der Antragsteller mit seinen Ausführungen nicht zu entkräften. Vielmehr führt er selbst aus, dass der Blick von dem bestandsgeschützten Bauernhaus (nur) abgelenkt wird. Die vorhandene Situation wird daher in denkmalschutzrechtlicher Hinsicht nicht erheblich verschlechtert. Soweit der Antragsteller eine fehlende Ortseinsicht rügt, übersieht er, dass das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend darauf abgestellt hat, dass sich ein solcher Anspruch hier nicht aus Art. 14 Abs. 1 GG ergibt und die Situation der unteren Denkmalschutzbehörde aufgrund der Besichtigung aus dem Jahr 2017 bekannt war. Darauf, ob im Hauptsacheverfahren eine Ortseinsicht durch das Verwaltungsgericht durchgeführt wird, kommt es im einstweiligen Rechtsschutz nicht entscheidend an. Angesichts der hier maßgebenden Umstände des Einzelfalls zeigt der Antragsteller auch keine gewichtigen Gründe dafür auf, dass für die denkmalschutzrechtliche Beurteilung die Vorlage einer Simulation, die in der Regel komplexeren Fällen vorbehalten ist, erforderlich sein sollte. Im Übrigen hat die untere Denkmalschutzbehörde zur Gewährleistung eines harmonischen Einfügens des Bauvorhabens im Kontext zu dem denkmalgeschützten Bauernhaus und seiner ländlichen Umgebung die Verwendung von naturroten Dachziegeln und die Vermeidung grellwirkender Farben bei der äußeren Gestaltung beauflagt.
Auch die pauschalen Ausführungen des Antragstellers zur fehlenden Anhörung des Landesamts für Denkmalpflege und die darin geäußerte Kritik an der tatrichterlichen Einzelfallprüfung können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Dass Art. 15 Abs. 2 DSchG nicht drittschützend ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2010 – 2 CS 10.492 – n.v.; B.v. 3.11.2011 – 14 ZB 11.2206 – juris zum fehlenden Drittschutz der Verfahrensvorschriften), stellt auch der Antragsteller nicht substantiiert in Frage. Soweit mit der Beschwerdebegründung vorgetragen wird, dass der unterlassenen Beteiligung des Landesamts für Denkmalpflege als die zur fachlichen Einschätzung des Denkmalwerts eines Baudenkmals und seiner Beeinträchtigung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 DSchG berufene Fachbehörde hier ein besonderes Gewicht zukomme und es nicht ausgeschlossen sei, dass ohne diese Beteiligung ein denkmalschutzrechtlicher Sachverhalt fehlerhaft oder unvollständig bewertet worden sei, hat der Senat ausweislich der vorstehenden Ausführungen darauf abgestellt, dass weder nach Aktenlage ersichtlich noch substantiiert ausgeführt wurde, inwiefern das geplante Bauvorhaben die Denkmalwürdigkeit des Bauernhauses erheblich beeinträchtigen könnte.
2. Das Vorbringen des Antragstellers lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass das geplante Bauvorhaben der Beigeladenen keinen schädlichen Umwelteinwirkungen durch das benachbarte landwirtschaftliche Anwesen in Form von Gerüchen oder Lärm ausgesetzt ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass nach der schlüssigen Einschätzung der unteren Immisionsschutzbehörde vom 22. November 2019 im Zusammenhang mit der Genehmigungserteilung für die Nutzungsänderung der Maschinenhalle des Antragstellers in einen Laufstall keine unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen für das Bauvorhaben entstünden und der Beigeladenen höhere Werte zumutbar seien. Entgegen der Auffassung des Antragstellers wurde dabei nicht die Belastung durch die nördlich an das Bauvorhaben angrenzende Landwirtschaft (S* …hof) im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ausgeblendet. Denn die Einwirkungsmöglichkeiten landwirtschaftlicher Immissionen durch die genehmigten Stallgebäude auf das geplante Bauvorhaben sowohl aus dem landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers als auch des S* …hofs wurden bereits im Zusammenhang mit der Aufstellung der Ergänzungssatzung „N* … Südost“ unter Zugrundelegung des Abstandsdiagramms für Rinderhaltungen für Dorfgebiete des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ von Februar 2016 eingehend untersucht. Danach hält das Wohnhaus zu beiden Stallungen einen Abstand ein, der im sogenannten grünen Bereich liegt und damit unproblematisch ist. In der Einschätzung der unteren Immisionsschutzbehörde vom 22. November 2019 wurde zudem berücksichtigt, dass das geplante Bauvorhaben aufgrund der Hauptwindrichtung aus Westsüdwest zwar unmittelbar betroffen ist und es daher bei einer Nutzungsänderung der Maschinenhalle des Antragstellers in einen Laufstall zu einer geringfügig höheren Geruchsbelastung komme. Angesichts der Ausrichtung des Stalles nach Süden, der Errichtung des geplanten Wohngebäudes in einem Abstand von rd. 26 m zu dem Laufstall und damit nahezu der Einhaltung des sogenannten grünen Bereichs kam die untere Immissionsschutzbehörde im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu dem Ergebnis, dass die Belastung im ortsüblichen Bereich liege und daher hinzunehmen sei. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend auch in den Blick genommen, dass Wohngebäude in einem (faktischen) Dorfgebiet auf die Belange der landwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen haben (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Die von landwirtschaftlichen Betrieben (Tierproduktion, Geruchsentwicklung, Maschinenlärm, Staubbildung usw.) ausgehenden Emissionen sind gebietstypisch und daher von den übrigen Nutzungen, insbesondere dem Wohnen, grundsätzlich hinzunehmen. Die Einholung eines Gutachtens mit dem Ziel des Nachweises, dass das Bauvorhaben keinen schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt ist, war somit weder erforderlich noch geboten.
Das Wohnbauvorhaben der Beigeladenen setzt sich voraussichtlich auch nicht unzumutbaren Lärmbelastungen aus. Denn die Zumutbarkeit der von dem Betrieb des Antragstellers ausgehenden Lärmimmissionen ist nicht notwendig anhand der Immissionsrichtwerte der TA Lärm zu beurteilen. Der Betrieb landwirtschaftlicher Maschinen ist wegen der besonderen Privilegierung der Landwirtschaft nach Nummer 1 Abs. 2 Buchst. c der TA Lärm ausdrücklich vom Anwendungsbereich der TA Lärm ausgenommen (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2016 – 22 ZB 15.2329 – juris Rn. 22). Die mit landwirtschaftlichen Betrieben im (faktischen) Dorfgebiet (§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) einhergehenden spezifischen Immissionen sind gerade auch unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots von benachbarten Nutzungen grundsätzlich hinzunehmen. Es muss daher nicht entschieden werden, ob die nördliche Zufahrt zum Hof des Antragstellers, die entgegen seiner Behauptung nicht direkt gegenüber dem geplanten Bauvorhaben liegt, die Hauptzufahrt darstellt. Soweit der Antragsteller rügt, dass die Lärmimmissionen des nördlich liegenden S* …hofs, der über eine eigene Käserei, einen Hofladen und ein Hofcafé verfüge, mit den entsprechenden zusätzlichen Fahrbewegungen unberücksichtigt geblieben seien, übersieht er, dass in einem Dorfgebiet gemäß § 5 BauNVO Schank- und Speisewirtschaften zulässig sind.
Im Erweiterungsverfahren für das Café und die Käserei wurde für die maßgeblichen Immissionsorte der Wohnhäuser S* …straße … und * ein Beurteilungspegel von maximal 53 dB(A) tagsüber abgeschätzt, sodass für das in einem Abstand von mehr als 20 m liegende Bauvorhaben eine Überschreitung des zulässigen Immissonsrichtwerts nicht zu erwarten ist. Ein Betrieb zur Nachtzeit wurde ausgeschlossen (s. Stellungnahme der unteren Immissionsschutzbehörde vom 27. Juli 2020).
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil sie sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und orientiert sich an Nummern 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013).


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