Baurecht

Erfolgloser einstweiliger Rechtsschutz gegen eine Nutzungsuntersagung für Wettbüro in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet

Aktenzeichen  AN 9 S 18.01337

Datum:
30.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 18298
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 114 S. 1
BauGB § 1 Abs. 5
BayBO Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 4, Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2, Nr. 3, Art. 75 Abs. 1, Art. 76 S. 2, Art. 81 Abs. 1 Nr. 4
BayVwVfG Art. 40
VwZVG Art. 31 Abs. 2, Art. 36 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Für eine Nutzungsuntersagung kommt es nicht darauf an, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Allerdings darf eine wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Genehmigungspflicht formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Wettbüro ist dem Grunde nach geeignet, in Bezug auf die in § 1 Abs. 5 BauGB genannten Ziele der Bauleitplanung bodenrechtliche Spannungen auszulösen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 10.000 EUR
festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Ordnungsverfügung, mit der die Nutzung von Räumen als Wettbüro untersagt wird.
Am 29. Januar 2018 stellte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin einen Bauantrag zur Nutzungsänderung von Laden (Metzgerei) in Wettbüro auf dem Anwesen …straße… …(FlNr. … Gemarkung …) in … Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 4. Mai 2018 teilte diese der Antragstellerin mit, dass eine Genehmigung nicht erteilt werden könne.
Am 21. Juni 2018 stellten Mitarbeiter der Antragsgegnerin bei einer Ortseinsicht fest, dass im streitgegenständlichen Anwesen bereits mit entsprechenden Umbauarbeiten und mit der Einrichtung eines Wettbüros begonnen wurde. So wurden in den Räumlichkeiten insbesondere Sitzmöglichkeiten geschaffen und Computer installiert. An der Fensterfront wurde Werbung für Sportwetten angebracht. Aus den Akten geht hervor, dass ein Mitarbeiter der Antragstellerin am selben Tag telefonisch seitens der Antragsgegnerin darüber informiert wurde, dass eine Öffnung und der Betrieb des Wettbüros ohne eine entsprechende Genehmigung nicht zulässig seien. Bei einer erneuten Ortseinsicht der Antragsgegnerin am 27. Juni 2018 stellte diese fest, dass das Wettbüro zwischenzeitlich eröffnet und die Nutzung insofern aufgenommen worden war.
Mit Bescheid vom 29. Juni 2018 versagte die Antragsgegnerin die Erteilung der beantragten Baugenehmigung (Ziffer 1), untersagte der Antragstellerin die Nutzung der Räume im Erdgeschoss des Anwesens …straße … als Wettbüro und bestimmte, dass die Nutzung spätestens innerhalb einer Frist von drei Tagen ab Zustellung des Bescheides einzustellen ist (Ziffer 2). Ferner wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer 2 angeordnet (Ziffer 3). Für den Fall der Nichteinhaltung der gesetzten Frist wurde ein Zwangsgeld von 20.000,00 EUR angedroht (Ziffer 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Genehmigung der Nutzungsänderung von Laden zu Wettbüro versagt werden müsse, da dem Vorhaben andere öffentlich-rechtliche Anforderungen i.S.v. Art. 59 Abs. 1 Nr. 3 BayBO entgegenstünden. So liege das Vorhaben in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet und bedürfe daher nach § 144 Abs. 1 BauGB einer sanierungsrechtlichen Genehmigung. Da das Vorhaben jedoch den zur Fortentwicklung des Gebietes dienenden Sanierungszielen widerspreche, könne eine sanierungsrechtliche Genehmigung nicht erteilt werden, so dass das Vorhaben unzulässig und damit abzulehnen sei. Da eine Baugenehmigung weder vorliege, noch erteilt werden könne, sei insofern auch die bereits seitens der Antragstellerin aufgenommene Nutzung formell und materiell illegal und könne damit ihr gegenüber als Handlungsstörerin nach Art. 76 Satz 2 BayBO untersagt werden. Andere, mildere Mittel zur Schaffung rechtmäßiger Zustände seien nicht ersichtlich. Auch bestehe an der Beendigung der Nutzung ein öffentliches Interesse. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei erforderlich, da die Nutzung entgegen öffentlich-rechtlicher Vorschriften erfolge. Das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der Nutzung sei nicht höher zu gewichten als das öffentliche Interesse an der Einhaltung bzw. Schaffung rechtmäßiger Zustände. Auch würde die notwendige Ordnung im Bauwesen untergraben, wenn bei Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Anordnung eine der Bauordnung widersprechende Nutzung zunächst weitergeführt werden könnte. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit der Untersagungsanordnung hätte zudem zur Folge, dass der Betrieb als Wettbüro als Bezugsfall für vergleichbare Betriebe dienen würde. Im Übrigen liege es auch im öffentlichen Interesse, dass aus rechtswidrigen Handlungen kein wirtschaftlicher Nutzen in beträchtlichem Umfang gezogen werden könne. Dies wäre mit den Grundzügen der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren. Vielmehr sei ein Einschreiten hier erforderlich, da sich ansonsten ein rechtswidrig Handelnder gegenüber einem rechtstreuen Bürger in erheblichem Umfang wirtschaftliche Vorteile verschaffen könnte.
Mit bei Gericht am 11. Juli 2018 eingegangenem Schreiben ihres Bevollmächtigten hat die Antragstellerin gegen den Bescheid Klage erhoben (AN 9 K 18.01338) und zugleich einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Die Antragstellerin führt im Wesentlichen aus, ihr Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sei begründet. Die Ausführungen im Bescheid zur streitgegenständlichen Nutzungsuntersagung und zur Anordnung der sofortigen Vollziehung seien lediglich pauschaliert. Auch erweise sich die Nutzungsuntersagung als rechtswidrig. Hier habe die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung gerade nicht nur auf das formelle Fehlen einer Baugenehmigung gestützt, sondern gerade auch auf die vermeintlich fehlende Genehmigungsfähigkeit. Vor diesem Hintergrund sei für die Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung und auch für die vorzunehmende Interessenabwägung im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VWGO ausschlaggebend, ob das Vorhaben auch tatsächlich nicht genehmigungsfähig sei, insbesondere ob die seitens der Antragsgegnerin vorgetragen sanierungsrechtlichen Gesichtspunkte die Versagung der Baugenehmigung tragen würden. Davon sei jedoch nicht auszugehen, da der von der Antragsgegnerin vorgebrachte Widerspruch zu den Sanierungszielen schon nicht vorliege, die Sanierungssatzung aber auch mangels zügiger Durchführung von Sanierungsmaßnahmen dem Vorhaben nicht entgegengehalten werden könne. Auch habe das Gericht zu beachten, dass es vorliegend nicht um die Errichtung eines Bauwerks gehe, bei dem eventuell geschaffene Tatsachen bei einem Unterliegen im Klageverfahren nur schwer rückgängig zu machen wären. Vielmehr könne hier die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung unproblematisch auch erst zu einem späteren Zeitpunkt, bei einem Unterliegen im Klageverfahren, ohne weiteres vollzogen werden. Ein Abwarten des Klageverfahrens wäre für die Antragstellerin mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden (Mietverpflichtungen), ohne dass diesen Kosten entsprechende Einnahmen gegenüberstünden. Dieser Schaden sei bei einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren nur schwer auszugleichen, so dass die Abwägung zugunsten der Antragstellerin ausfallen müsse.
Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2018 beantragt die Antragstellerin:
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen Ziffer 2 und Ziffer 4 des Bescheides vom 29. Juni 2018 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.
Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen und beantragt mit Schriftsatz vom 16. Juli 2018, den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei unbegründet. Die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung wie auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung seien rechtmäßig. Die Begründung entspricht im Wesentlichen den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes, wie hier in Ziffer 3, angeordnet ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes (wie hier nach Art. 21 a VwZVG hinsichtlich Ziffer 4) entfällt, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen.
Das Gericht prüft bei ersterem, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind (dazu 1.) und trifft im Übrigen jeweils eine eigene Abwägungsentscheidung (dazu 2.). Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Bleibt das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen.
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist mit einer hinreichenden Begründung versehen, mithin also formell rechtmäßig. Die Antragsgegnerin bewertet die konkrete Situation und begründet den Sofortvollzug fallbezogen und nicht lediglich floskelhaft. Mit Blick darauf, dass an den Inhalt der schriftlichen Begründung des Sofortvollzugs keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43) genügen die Ausführung dazu, dass der Sofortvollzug zur Abwendung von Gefahren für die öffentliche Ordnung im Bauwesen geboten sei und ohne diesen insbesondere eine Schlechterstellung rechtstreuer Bauantragsteller erfolge, die Antragstellerin einen unangemessenen Wettbewerbsvorteil erhalte und die Schaffung eines Bezugsfalls für vergleichbare Betriebe zu vermeiden sei, den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Eine Aufhebung der Anordnung des Sofortvollzuges aus formellen Gründen war daher nicht veranlasst.
2. Die Nutzungsuntersagung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids ist nach der im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu beanstanden und vermag daher die Antragstellerin nicht in ihren subjektiven Rechten zu verletzen (dazu 2.1). Selbiges gilt für die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids (dazu 2.2). Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage wird daher nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keinen Erfolg haben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dem von der Antragsgegnerin verfolgten öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Vollziehung der angegriffenen Maßnahme kommt vor diesem Hintergrund – auch unter Einschluss der im Übrigen vorzunehmenden Interessenabwägung – der Vorrang zu (dazu 2.3).
2.1 Rechtsgrundlage für die in Ziffer 2 getroffene Nutzungsuntersagung ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Danach kann die Nutzung einer Anlage untersagt werden, wenn sie öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Ein Rechtsverstoß im Sinne dieser Bestimmung, der den Erlass einer Nutzungsuntersagung rechtfertigt, liegt bei einem genehmigungspflichtigen Vorhaben schon dann vor, wenn dieses ohne Baugenehmigung ausgeführt wird. Da die Nutzungsuntersagung – insofern der Baueinstellung (Art. 75 Abs. 1 BayBO) vergleichbar – in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, kommt es insoweit nicht darauf an, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Allerdings darf eine wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Genehmigungspflicht formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 15 CS 16.2253 – juris Rn. 33; B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 21 m.w.N.).
Die Untersagungsanordnung genügt nach gebotener summarischer Prüfung den hieran zu stellenden Voraussetzungen. Auch die Ermessensausübung ist nicht zu beanstanden.
Die Antragstellerin nutzt die Räume im Erdgeschoss des Anwesens …straße … in … formell baurechtswidrig und damit im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, weil sie dort ein Wettbüro ohne die dafür erforderliche Baugenehmigung betreibt (vgl. Art. 55 Abs. 1 BayBO). Das klägerische Vorhaben ist als Nutzungsänderung eines Ladens zu einem Wettbüro nämlich baugenehmigungspflichtig. Die Voraussetzungen für eine Genehmigungsfreiheit der Nutzungsänderung von Laden (Metzgerei) in Wettbüro nach Art. 57 Abs. 4 BayBO liegen nicht vor. Insofern stellt sich die Nutzung als Wettbüro gegenüber der bisher genehmigten Ladennutzung als eine andersartige Nutzung dar, da es möglich erscheint – was insoweit ausreichend ist –, dass an die neue Nutzung andere öffentlich-rechtliche Anforderungen zu stellen sind als an die bisherige Nutzung. Andere öffentlich-rechtliche Anforderungen dürften sich hier schon deshalb ergeben, weil die Annahme von Sportwetten und die zum Nutzungskonzept gehörende Möglichkeit, „in gesellschaftlicher Atmosphäre“ zu verweilen und die Sportereignisse Live an Bildschirmen mitzuverfolgen, die Variationsbreite eines typischen Ladengeschäfts überschreitet und auch auf ein gänzlich anderes Publikum (gerade keine Familien mit Kindern) abzielt wie ein Ladengeschäft, in dem Lebensmittel verkauft werden. Daraus folgt zugleich, dass ein Wettbüro dem Grunde nach gerade geeignet ist, in Bezug auf die in § 1 Abs. 5 BauGB genannten Ziele der Bauleitplanung bodenrechtliche Spannungen auszulösen (vgl. VGH BW, B.v. 1.2.2007 – 8 S 2606/06 – juris Rn. 6). Überdies ergeben sich auch andere bauordnungsrechtlichen Anforderungen, vor allem im Hinblick auf die unterschiedliche Stellplatzanzahl für eine Ladennutzung und ein Wettbüro.
Auch die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin erweist sich nach summarischer Prüfung als nicht rechtsfehlerhaft. Ist die Behörde – wie hier durch Art. 76 Satz 2 BayBO – ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so hat sie das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Ermessensentscheidungen unterliegen dabei nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO). Dem Gericht ist es deshalb versagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen; es kann die Entscheidung nur auf Ermessensfehler hin überprüfen. Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind vorliegend Ermessensfehler der Antragsgegnerin nicht ersichtlich.
Es liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor. Eine Nutzungsuntersagung wäre nämlich dann nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich und damit nicht verhältnismäßig, wenn die formell illegale Tätigkeit die bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften offensichtlich erfüllt und sich eine nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung damit als bloße Formalie darstellen würde. Ein solcher Fall einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit liegt jedoch nicht vor.
Das Gericht hat zwar Zweifel, ob – unabhängig davon, ob die Sanierungssatzung dem Vorhaben vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B.v. 27.5.1997 – 4 B 98.96; U.v. 4.3.1999 – 4 C 8.98; U.v. 7.9.1984 – 4 C 20.81 – jeweils juris) entgegengehalten werden könnte – dem Baugenehmigungsverfahren überhaupt die seitens der Antragsgegnerin angenommene Konzentrationswirkung zukommt und damit Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO anwendbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2013 – 15 ZB 11.128). Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass hier davon ausgegangen werden kann, dass das Vorhaben als offensichtlich genehmigungsfähig einzustufen wäre und zweifelsfrei im Einklang mit allen im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Vorschriften stünde. Denn unabhängig davon, ob der Sanierungssatzung hier eine Sperrwirkung für das Bauvorhaben zukommen kann oder das Vorhaben im Übrigen mit Vorschriften des BauGB vereinbar wäre, dürfte hier jedenfalls einer Genehmigungsfähigkeit entgegenstehen, dass die Antragstellerin bislang den erforderlichen Stellplatznachweis nicht geführt hat. Da das Vorhaben der Antragstellerin dem Anwendungsbereich des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO unterfällt, ist vorliegend auch die Erfüllung der Anforderungen der Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2007, bei der es sich um eine örtliche Bauvorschrift i.S.v. Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO handelt, zu prüfen (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayBO). Für das nun beantragte Wettbüro sind gegenüber der bisherigen Ladennutzung – dies ist zwischen den Beteiligten insofern unstreitig – sieben zusätzliche Kfz-Stellplätze notwendig, von denen die Antragstellerin ihren Angaben im Bauantrag zufolge sechs bei der Antragsgegnerin ablösen möchte. Eine Erfüllung der Stellplatzpflicht dürfte damit vorliegend nur dann in Betracht kommen, wenn die Antragsgegnerin auch tatsächlich bereit oder verpflichtet wäre, der Antragstellerin die Stellplätze abzulösen. Dass dies hier der Fall wäre, ist nicht offensichtlich. Den Behördenakten lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass zwischen den Beteiligten ein hierfür aufgrund von § 3 der Stellplatzsatzung notwendiger Ablösevertrag bereits geschlossen worden wäre. Auch dürfte der Gemeinde hinsichtlich des „Ob“ der Schließung eines solchen Ablösevertrages ein weites Vertragsabschlussermessen zustehen. In diesem Rahmen wird man den Gemeinden regelmäßig wohl zuzugestehen haben, dass sie das ihr eingeräumte Ermessen auch zur Verfolgung solcher städtebaulicher Zwecke einsetzen können, die allein mit dem Instrumentarium des BauGB und der BauNVO ggf. nicht erreichbar wären und dass eine Gemeinde das Instrumentarium der Stellplatzablöse letztlich auch mit der Intention handhabt, dadurch eine nach ihrer städtebaulichen Zielvorstellungen vorzugswürdige bauliche Entwicklung zu fördern. Gemeinden sind nämlich bundesrechtlich nicht gehindert, die Ablösung für ein Vorhaben zu verweigern, obwohl es baurechtlich zulässig wäre (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 27.9.1983 – 4 B 122/83 – juris Rn. 6).
Das Rekurrieren auf den zur Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens erforderlichen Stellplatznachweis ist auch nicht wegen eines unzulässigen Eingriffs in das Ermessen der Antragsgegnerin gesperrt. Hierbei handelt es sich eben nicht um ein – nur in bestimmten Grenzen zulässiges – Auswechseln von Ermessensgründen. Maßgeblicher Grund, der mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit in zutreffender Weise durch die Antragsgegnerin im Rahmen des Ermessens eingestellt wurde, ist nämlich vorliegend die Frage der offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit. Aus welchem Grund die offensichtliche Genehmigungsfähigkeit vorliegend abgelehnt wurde, war hingegen kein eigenständiger Ermessensgrund. Anders wäre dies ggf. nur dann zu beurteilen, wenn die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen die Sanierungssatzung als einzigen und ausschließlichen Grund für die Ermessensentscheidung verstanden wissen wollte, was hier aber nicht er Fall war.
Ein Verweisen der Antragstellerin auf die Einhaltung des Genehmigungsvorbehalts ist für diese auch in keiner Hinsicht unzumutbar. Der Gesetzgeber hat durch das Erfordernis der Baugenehmigung dem öffentlichen Interesse an einer vor Aufnahme der geänderten baulichen Nutzung erfolgten Überprüfung des Vorhabens den Vorrang vor dem Interesse des Bauherrn an der sofortigen Aufnahme einer genehmigungsbedürftigen Nutzung eingeräumt. Durch die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung wird insofern lediglich dieser Wertung des Gesetzgebers Rechnung getragen. Sollte sich das Handeln der Antragsgegnerin letztlich als rechtswidrig erweisen, gibt dies der Antragstellerin keine Befugnis, sich selbst zu ihrem Recht zu verhelfen. Vielmehr ist die Antragstellerin auf Grundlage des rechtsstaatlichen Systems auf die Möglichkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes zu verweisen, der in jeder Hinsicht gegen rechtswidriges Verwaltungshandeln gewährleistet wird (Art. 19 Abs. 4 GG).
Die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Störerin ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden, da sie unbestritten Betreiberin des Wettbüros und damit Handlungsstörerin ist.
Die Untersagungsanordnung ist auch im Übrigen ermessensfehlerfrei. Insbesondere durfte die Antragsgegnerin mit Blick darauf, dass die Nutzungsaufnahme hier nicht nur lediglich unmittelbar bevorstand, sondern sogar bereits aufgenommen wurde, wohl zu Recht von der Gewährung einer vorherigen Akteneinsicht absehen. Jedenfalls wäre eine eventuell rechtswidrig verweigerte Akteneinsicht aber durch die Möglichkeit zur Akteneinsicht im Rahmen des gerichtlichen (Eil-)Verfahrens hier unbeachtlich.
2.2 Auch das in Ziffer 4 des Bescheids zur Durchsetzung der in Rede stehenden Untersagungsanordnung angedrohte Zwangsgeld unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere genügt die Zwangsgeldandrohung den rechtlichen Anforderungen der Art. 31 und 36 VwZVG. Sie ist hinreichend bestimmt formuliert. Auch hält sich die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes in dem in Art. 31 Abs. 2 VwZVG eröffneten Rahmen. Die Höhe ist bezogen auf das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin am Betrieb des Wettbüros angemessen.
Auch die für die Nutzungsaufgabe gesetzte Frist von drei Tagen, die rechtlich nach Art. 36 Abs. 1 VwZVG Bestandteil der Zwangsgeldandrohung ist, ist trotz ihrer Kürze hier noch verhältnismäßig. Denn bei Unterlassungs- und Duldungspflichten bedarf es regelmäßig keiner Fristsetzung (vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG); es wird lediglich eine gewisse Reaktionszeit zuzubilligen sein. Ausgehend davon ist die hier gesetzte Frist ausreichend, um den Betrieb des Wettbüros einzustellen. So dürfte die Nutzungsaufgabe technisch unproblematisch allein durch das Einstellen der Annahme von Wettannahmen durchzuführen sein. Im Übrigen hat die Antragstellerin die Nutzung aufgenommen, obwohl sie wusste, dass diese genehmigungspflichtig ist und die Antragsgegnerin die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens verneine. Dieser Umstand ist ebenfalls im Rahmen der Angemessenheit der Frist zu Lasten der Antragstellerin zur berücksichtigen.
2.3 Bei dieser Rechtslage fällt die vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Antragstellerin ein erhebliches wirtschaftliches Interesse daran hat, das Wettbüro bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache weiter betreiben zu können. Gleichwohl kann dies hier zu keiner anderen Beurteilung führen. Die Antragstellerin hat sich nämlich bewusst dafür entschieden, die Nutzung ohne die notwendige Baugenehmigung aufzunehmen, so dass sie daraus kein schützenswertes rechtliches Interesse herleiten kann. Eine andere Beurteilung liefe gerade darauf hinaus, dass derjenige, der sich wie die Antragstellerin eigenmächtig über die Baugenehmigungspflicht und damit über geltendes Recht hinwegsetzt, Vorteile gegenüber dem rechtstreuen Bürger erlangen würde, der vor der Aufnahme einer Nutzung die Erteilung einer Baugenehmigung abwartet.
3. Nach alledem ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Da die Höhe des hinsichtlich der Nutzungsuntersagung angedrohten Zwangsgeldes vorliegend 20.000 EUR beträgt und für die Grundverfügung selbst ein Streitwert von bis zu höchstens 20.000 EUR angemessen erscheint, ist hier in Anlehnung an Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit der höhere Wert festzusetzen, der für das Eilverfahren halbiert wurde (vgl. Nr. 1.5 Streitwertkatalog).


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