Baurecht

Erfolgloser Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan

Aktenzeichen  2 N 16.2249

Datum:
8.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27352
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 3, § 2a, § 8 Abs. 2, § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Eine mögliche Beeinträchtigung des Grundstücks der Antragstellerin durch abfließendes Oberflächenwasser gebietet nicht zwingend die Einbeziehung dieses Grundstücks in das Plangebiet, wenn ein möglicher Konflikt durch Festsetzungen anderer Art als der Einbeziehung gelöst werden kann. (Rn. 36) (red. LS Alexander Tauchert)
2. Es ist in der Rechtsprechung (vgl. BVerwG BeckRS 2001, 30154347) anerkannt, dass die Auswertung von Daten von Dauerzählstellen in Kombination mit Erfahrungswissen des Gutachters gegebenenfalls unter Verwertung von örtlichen Besonderheiten solche projektbezogenen Untersuchungsergebnisse darstellen können. (Rn. 48) (red. LS Alexander Tauchert)
3. Lärmberechnungen haben von einem Verhalten der Verkehrsteilnehmer auszugehen, das regelgerecht ist, also die zulässigen Geschwindigkeiten eingehalten werden. (Rn. 51) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsgegner zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der zulässige Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO ist nicht begründet.
1. Die Antragstellerin verfügt als Wohnungseigentümergemeinschaft über die erforderliche Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO aufgrund möglicher Eingriffe in ihre Eigentümerposition.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet, weil der Bebauungsplan Nr. 138 „I.-M.“ 1. Bauabschnitt der Antragsgegnerin nicht an zur seiner Ungültigkeit führenden Fehlern leidet.
a) Der angegriffene Bebauungsplan ist nicht bereits wegen formeller Fehler unwirksam.
aa) Der Antragsgegner hat den Bebauungsplan um einen Hinweis auf die Einsichtnahmemöglichkeit in die der Planung zugrunde liegenden Vorschriften (Gesetze, Verordnungen, Erlasse, DIN-Vorschriften und Richtlinien) im Bauamt des Rathauses ergänzt und am 25. Juli 2019 erneut bekannt gemacht. Die Antragstellerin hat erklärt, dass sie die Rüge insoweit nicht aufrechterhalte.
bb) Ebenso wenig liegt ein nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 2a BauGB beachtlicher formeller Fehler vor, weil der Umweltbericht zum angegriffenen Bebauungsplan nicht in wesentlichen Punkten unvollständig ist.
Die Antragstellerin rügt insoweit, dass ein erhaltenswerter Baumbestand auf ihrem Grundstück nicht berücksichtigt worden sei. Der Umweltbericht beschäftigt sich unter Ziffer 3.5 Naturhaushalt – Arten und Lebensräume auch mit zu erhaltendem Baumbestand. Dort wird ein solcher auf dem Grundstück FlNr. 3918 diskutiert, welches selbst jedoch erst Gegenstand des 3. Bauabschnitts wäre. Auf dem Grundstück der Antragstellerin befindet sich ein hochgewachsener Fichtenbestand entlang der Ostgrenze des Grundstücks. Ein solcher findet sich auch auf dem Grundstück FlNr. 3918. Für erhaltenswert betrachtet wurden jedoch lediglich Birken, Lärchen, Eichen, Buchen, Esche, Hartriegel, Hasel, Liguster und Weide. Auch beim Grundstück FlNr. 3918 wurde der dortige Fichtenbestand nicht als erhaltenswert betrachtet. Die zuständige Fachstelle – Untere Naturschutzbehörde des Landratsamts M. – hat in ihrer Stellungnahme vom 15. Juni 2015 insoweit keine Einwände erhoben. In der Stellungnahme vom 17. Juli 2014, die sich noch auf alle drei Bauabschnitte bezog, wurde lediglich gebeten zu prüfen, inwieweit Teile des bestehenden Baumbestands auf dem Grundstück FlNr. 3918 als „zu erhaltender Gehölzbestand“ in den Plan aufzunehmen wären. Entsprechend hat die Fachstelle bereits damals den Baumbestand auf dem Grundstück der Antragstellerin nicht als erhaltenswert betrachtet. Warum der Fichtenbestand erhaltenswert sein sollte, wird von der Antragstellerin nicht ausgeführt.
Weiterhin rügt die Antragstellerin, dass die Einordnung des Regenabsetzbeckens als Grünfläche nicht zutreffend sei. Bei Nichtberücksichtigung des Regenabsetzbeckens sei der Anteil von Grünflächen aber unterrepräsentiert. Unter Ziffer 4.3 Wasser wird im Umweltbericht ausdrücklich ausgeführt, dass das Sicker- und Absetzbecken durch unterschiedliche Böschungsneigungen und eine Magerwiesenansaat im Böschungsbereich relativ naturnah ausgebildet wird. Auch der Begründung zum Bebauungsplan (Ziffer 3., S. 5 unten) lässt sich entnehmen, dass ein naturnahes Regenabsetzbecken festgesetzt ist, dessen Herstellung aktuell nicht geplant ist. Bei einem Ausbau ist lediglich die Entfernung der wasserundurchlässigen Schluffschichten mit Einbau sickerfähiger Kiesschichten beabsichtigt. Hier ist davon auszugehen, dass sich diese Fläche durch natürlichen Aufwuchs überwiegend als begrünt darstellen wird, so dass eine Zurechnung zu den Grünflächen nicht ausgeschlossen ist. Zudem hat sich der Antragsgegner im Umweltbericht mit dem Thema Regenabsetzbecken befasst, so dass bereits aus diesem Grund der Umweltbericht nicht in wesentlichen Punkten unvollständig ist.
Hinsichtlich der Frage der Bodenversiegelung führt die Antragstellerin diesen zwar im Rahmen des Umweltberichts an, verweist aber selbst darauf, dass ein Fehler in der Abwägung vorliege, da die Bodenversiegelung zu einer Verschärfung der Hochwassersituation führe, deren Auswirkungen auf ihr Anwesen nicht berücksichtigt worden seien. Sowohl das Schutzgut Wasser als auch die Bodenversiegelung sind jedoch im Rahmen des Umweltberichts behandelt worden, so dass nicht von einer Unvollständigkeit auszugehen ist. Im Übrigen dient gerade das Regenabsetzbecken der Sammlung von wild abfließendem Oberflächenwasser und damit dem Schutz des Grundstücks der Antragstellerin. Grundsätzlich wird Regenwasser auf den Baugrundstücken versickert bzw. durch die Straßenentwässerung gesammelt.
b) Die Antragstellerin rügt ferner die fehlende Erforderlichkeit des Regenabsetzbeckens (§ 1 Abs. 3 BauGB).
Das Regenabsetzbecken befinde sich westlich des Grundstücks der Antragstellerin und sei nicht unmittelbar mit dem 1. Bauabschnitt verbunden. Der Umweltbericht lege nahe, dass es mehr dem Abfangen des Hangwassers des unbebauten Bereichs diene. Auch ergebe sich die fehlende Erforderlichkeit daraus, dass die Errichtung eines richtigen Regenabsetzbeckens derzeit gar nicht geplant sei.
Das Regenabsetzbecken soll zunächst naturnah errichtet werden. Die Bebauungsplanung lässt jedoch vorsorglich auch die Errichtung eines Beckens zu. Da eine Planung nicht sofort vollständig umgesetzt werden muss und mit der Begründung, im Fall von steigenden Wassermengen aufgrund von Starkregenereignissen solle die Errichtung eines richtigen Regenabsetzbeckens ermöglicht werden, hält sich nach Auffassung des Senats die Planung noch im Rahmen der planerischen Erforderlichkeit. Durch die zunehmende Versiegelung bereits durch den 1. Bauabschnitt ist nicht gänzlich auszuschließen, dass vermehrt Wasser in Richtung des Grundstücks der Antragstellerin, welches sich zusammen mit dem Grundstück für das Regenabsetzbecken an der tiefsten Stelle im Gelände befindet, abfließt. Daher ist auch die Planung des zunächst nur naturnah auszubildenden Regenabsetzbeckens bereits zu diesem Zeitpunkt ohne Verwirklichung der weiteren Bauabschnitte planerisch vertretbar.
c) Die Antragstellerin rügt im Zusammenhang mit dem Regenabsetzbecken zudem eine Verletzung des Entwicklungsgebots aus § 8 Abs. 2 BauGB.
Das Regenabsetzbecken kommt überwiegend in einem Bereich zu liegen, der im Flächennutzungsplan als Fläche für Landwirtschaft dargestellt ist, zum geringeren Teil in einem Bereich, der als Wohnen dargestellt ist.
Zum einen ist ein Flächennutzungsplan lediglich eine Grobplanung und keine Detailplanung. Zum anderen kann der Senat insoweit keinen Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans sehen. Auch im Übrigen wird eine Fläche, die im Flächennutzungsplan als Fläche für Landwirtschaft dargestellt ist, nicht ausschließlich landwirtschaftlich z.B. als Grünland oder Ackerland genutzt. Es gibt Feldgehölze oder andere begrünte Randstreifen, die im Detail im Flächennutzungsplan nicht dargestellt sind und auch nicht dargestellt werden müssen. Das Regenabsetzbecken ist naturnah ausgestaltet und von einem 5 m breiten mit Sträuchern und Bäumen bepflanzten Randstreifen umgeben. Es handelt sich nicht um eine versiegelte Fläche und ebenso wenig um eine Fläche für Wohnen. Insoweit ist dies jedoch nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB unbeachtlich. Es ist nicht erkennbar, dass sich hierbei die aus dem Flächennutzungsplan sich ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt würde.
d) Es liegen keine Fehler in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB vor.
aa) Insoweit rügt die Antragstellerin erneut das Regenabsetzbecken und eine fehlende Konfliktbewältigung. Das Grundstück der Antragstellerin liege noch etwas tiefer als das, auf dem das Regenabsetzbecken zu liegen komme. Der Antragsgegner gehe davon aus, dass es zu Starkregenereignissen kommen könne, die auch das Grundstück der Antragstellerin betreffen könnten.
Hier verkennt die Antragstellerin, dass das Regenabsetzbecken gerade auch dem Schutz ihres Grundstücks dient und die Gemeinde die Problematik gesehen hat. Insoweit hat der Antragsgegner den Konflikt erkannt und ihn einer Lösung zugeführt. Das Regenabsetzbecken ist natürlich auch in seiner naturnahen Form bei seiner Errichtung so auszugestalten, dass ein Weiterfließen des Wassers auf das Grundstück der Antragstellerin ausgeschlossen wird. Dazu soll ausweislich der Begründung (Ziffer 3., S. 6) eine flache Mulde mit Kies ausgebildet werden. Dabei ist davon auszugehen, dass die Mulde tiefer sein wird als das Grundstück der Antragstellerin. Im Übrigen wäre dies nicht eine Frage der abstrakten Festsetzung sondern der konkreten Bauausführung des Regenabsetzbeckens.
Eine mögliche Beeinträchtigung des Grundstücks der Antragstellerin durch abfließendes Oberflächenwasser gebietet nicht zwingend die Einbeziehung dieses Grundstücks in das Plangebiet, wenn ein möglicher Konflikt durch Festsetzungen anderer Art als der Einbeziehung gelöst werden kann. Dies ist hier durch das Regenabsetzbecken als Vorsorgeplanung gerade der Fall.
bb) Weiterhin rügt die Antragstellerin die Festsetzungen hinsichtlich des Verkehrslärms. Hier sei sowohl die Lärmbelastung der künftigen Wohnungen als auch der bestehenden Wohnungen, darunter das Anwesen der Antragstellerin, durch die Erschließungsstraße sowie die Lärmbelastung sowohl der künftigen Wohnungen als auch der bestehenden Wohnungen durch die Staats straße zu betrachten. Insoweit seien die vom Antragsgegner eingeholten Gutachten fehlerhaft und damit auch die Abwägung.
(1) Das Anwesen der Antragstellerin ist vorliegend planungsrechtlich für die Frage der heranzuziehenden Immissionsgrenzwerte entgegen der Auffassung der Antragstellerin allenfalls als Mischgebiet einzustufen. Abzustellen für die Einstufung ist auf den Zeitpunkt der Abwägung und damit des Satzungsbeschlusses vom 28. Januar 2016 (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Anwesen der Antragstellerin planungsrechtlich im Außenbereich. Unmittelbar nördlich davon befindet sich eine Tankstelle, die jedoch durch den vorhabensbezogenen Bebauungsplan Nr. 93 als Sondergebiet festgesetzt ist. Südöstlich liegt das Anwesen M. 2. Die übrigen Flächen waren unbebaut. Bei einer Gesamtbetrachtung aller drei bebauten Grundstücke mit zwei Wohnanwesen und einer Tankstelle kann allenfalls von der Schutzwürdigkeit eines Mischgebiets ausgegangen werden. Ob dies nach Verwirklichung des 1. Bauabschnitts für die weiteren Bauabschnitte anders zu beurteilen sein wird, ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht relevant.
(2) Es ist festzuhalten, dass laut Mitteilung des Staatlichen Bauamts Rosenheim vom 12. November 2015 die Bundesstraße B 13 mit Wirkung zum 1. Januar 2016 zur Staats straße St 2573 herabgestuft worden ist. Im Zeitpunkt der Abwägung handelte es sich somit bereits um eine Staats straße.
(3) Der zu erwartende Erschließungsverkehr wird die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV am Anwesen der Antragstellerin nicht überschreiten.
Durch den zu erwartenden Erschließungsverkehr zum künftigen Wohngebiet kommt es nach dem Gutachten des Ingenieurbüros G. (Bericht Nr. 211152 / 5 vom 10.08.2015) am Anwesen der Antragstellerin (IP 1) zu Geräuschimmissionen von 53,8 dB(A) tags und 43,8 dB(A) nachts. Der Berechnung wurden Pkw-Bewegungen ermittelt nach der Parkplatzlärmstudie zugrunde gelegt. Dazu kam ein Zuschlag von 25%, um auf der sicheren Seite zu sein (Gutachten des Ingenieurbüros G., Bericht Nr. 211152 / 5 vom 10.08.2015 S. 11). Das Gutachten geht von 1.552 Kfz-Bewegungen tags und 98 Kfz-Bewegungen nachts aus bei einem Lkw-Anteil von 5% (tags) bzw. 3% (nachts). Das Gutachten nimmt dabei insgesamt 194 Stellplätze im Plangebiet an. Die Antragstellerin kritisiert insoweit, dass es sich um mindestens 258 Stellplätze handle und die Parkplatzlärmstudie für die Berechnung der Zahl der Pkw-Bewegungen nicht zur Anwendung hätte kommen dürfen. Nach ihren Berechnungen (Stellungnahme von Dr. S., Bericht 29 b vom 14.07.2016) mit 2.064 Kfz tags und 129 Kfz nachts sei daher von einem Emissionspegel von 56 dB(A) tags und 47,6 dB(A) nachts auszugehen (nach der Stellungnahme Dr. S., Bericht 29 c vom 14.07.2019 sogar 2.520 Kfz tags und 158 Kfz nachts). Der Immissionspegel am Anwesen der Antragstellerin betrage daher am lautesten Immissionspunkt (Süd 1. OG) 58,6 dB(A) tags und 50,2 dB(A) nachts. Ausgehend von einem Wohngebiet seien daher die Immissionsrichtwerte der 16. BImSchV von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts jedenfalls nachts überschritten. Nach der nunmehr vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. K. vom 13. März 2019 ist hingegen von einem Verkehrsaufkommen von lediglich 800 Kfz tags und 40 Kfz nachts auszugehen. Dabei verteilt sich der Verkehr auf die beiden Erschließungsstraßen und zwar mit bis zu 540 Kfz auf die Erschließungsstraße Süd sowie bis zu 300 Kfz auf die Erschließungsstraße Nord. Basis für diese Berechnung sind 125 Wohneinheiten im gesamten Baugebiet, wovon sich 84 Wohneinheiten auf den 1. Bauabschnitt und 41 Wohneinheiten auf den 2. und 3. Bauabschnitt verteilen. Ferner ist Basis für diese Berechnung eine von Prof. Dr. K. erstellte Verkehrsuntersuchung H. aus dem Jahr 2003, bei der rund 4.000 schriftliche Befragungen von Haushalten durchgeführt wurden.
Es kann im Ergebnis dahinstehen, wie die Zahl der Kfz-Bewegungen vorliegend zu berechnen ist. Festzuhalten ist zunächst, dass das Gutachten des Ingenieurbüros G. (Bericht Nr. 211152 / 5 vom 10.08.2015) ebenso wie die Stellungnahme von Dr. S. (Bericht 29 b vom 14.07.2016 bzw. Bericht 29 c vom 14.07.2019) den Verkehr des gesamten Plangebiets, also aller drei Bauabschnitte berücksichtigen. Vorliegend ist jedoch Verfahrensgegenstand lediglich der 1. Bauabschnitt. Die Planung und Verwirklichung der weiteren Bauabschnitte erfolgt nicht zwingend. Unabhängig davon, welche Zahl an Kfz-Bewegungen zugrunde gelegt würde, verursacht der 1. Bauabschnitt ca. zwei Drittel des gesamten Verkehrs. Insbesondere ist die Erschließungsstraße Nord noch nicht Gegenstand der Planung. Auch bei Zugrundlegung der Zahlen der Antragstellerin wäre daher von einer geringeren Lärmbelastung an ihrem Grundstück auszugehen. Bei einem Vergleich der Kfz-Bewegungen bei allen drei Gutachten liegt das vom Antragsgegner im Rahmen der Abwägung zugrunde gelegte Gutachten des Ingenieurbüros G. (Bericht Nr. 211152 / 5 vom 10.08.2015) jedenfalls auf der sicheren Seite. Danach würden am Anwesen der Antragstellerin bei Berücksichtigung des gesamten Verkehrs aus dem Gebiet auch die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV für ein Wohngebiet eingehalten und sogar deutlich unterschritten. Die Zahlen der Antragstellerin hingegen erscheinen deutlich überhöht. In der Nachtzeit würde nach diesen Zahlen auf jeden Haushalt mindestens eine Kfz-Bewegung fallen. Dies erscheint unrealistisch. Im Übrigen kann die Frage deshalb dahinstehen, weil auch nach den Berechnungen in der Stellungnahme von Dr. S. (Bericht 29 b vom 14.07.2016 und Bericht 29 c vom 14.07.2019) am Anwesen der Antragstellerin die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV für ein Mischgebiet von 64 dB(A) tags und 54 dB(A) nachts bei Berücksichtigung des Erschließungsverkehrs des Gesamtgebiets jedenfalls eingehalten wären.
Zudem ist zwischenzeitlich beabsichtigt, die Geschwindigkeit innerhalb des Baugebiets auf 30 km/h zu beschränken. Die Berechnungen des Ingenieurbüros G. (Bericht Nr. 211152 / 5 vom 10.08.2015) gehen aber insoweit noch von einer zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h aus. Bei „Tempo 30“ würden sich die Immissionspegel auf maximal 46 dB(A) tags und 36 dB(A) nachts reduzieren.
(4) Der zu erwartende Erschließungsverkehr wird auch im Baugebiet die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV einhalten. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass diese am Anwesen der Antragstellerin eingehalten werden. Denn am Anwesen der Antragstellerin führt der gesamte Erschließungsverkehr aus dem Plangebiet und auch seinen möglichen Erweiterungen vorbei. Innerhalb des Plangebiets samt seiner Erweiterungen ist daher ein höherer Lärmpegel faktisch nicht denkbar. Insoweit erfolgten zudem keine hinreichenden Darlegungen seitens der Antragstellerin.
(5) Hinsichtlich der Lärmbelastung des neuen Wohngebiets durch die vorhandene Staats straße St 2573 fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden Darlegung seitens der Antragstellerin. Es wird lediglich ausgeführt, dass das Gutachten des Ingenieurbüros G. (Bericht Nr. 211152 / 5 vom 10.08.2015) eine 130 m lange Schallschutzwand sowie passiven Schallschutz empfiehlt. Beide Empfehlungen wurden in den Bebauungsplan übernommen.
(6) Auch die Lärmbelastung der bestehenden Anwesen, insbesondere des der Antragstellerin, durch die vorhandene Staats straße St 2573 führt jedenfalls nicht zu einer Überschreitung der nach der Rechtsprechung maßgeblichen Werte, ab welchen mit einer Gesundheitsgefährdung zu rechnen ist. Nach der Rechtsprechung beginnt der aus grundrechtlicher Sicht kritische Wert jedenfalls in Wohngebieten bei einer Gesamtbelastung (summierte Lärmbelastung/Dauerschallpegel) oberhalb von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts (vgl. BVerwG, 10.11.2004 – 9 A 67.03 -NVwZ 2005, 591; U.v. 23.2.2005 – 4 A 5.04 – BVerwGE 123, 23; U.v. 7.3.2007 – 9 C 2.06 – BVerwGE 128, 177; U.v. 13.5.2009 – 9 A 72.07 – BVerwGE 134, 45; U.v. 15.12.2011 – 7 A 11.10 – NVwZ 2012, 1120; B.v. 30.7.2013 – 7 B 40.12 – juris; BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 15 B 14.1623 – juris; B.v. 19.2.2014 – 8 A 11.40040 – BayVBl 2016, 155; OVG NW, B.v. 10.2.2015 – 2 B 1323/14.NE – juris).
Richtig ist, dass sich das Gutachten des Ingenieurbüros G. (Bericht Nr. 211152 / 5 vom 10.08.2015) nicht mehr zur Frage verhält, mit welchen Immissionen am Anwesen der Antragstellerin durch die vorhandene Staats straße (früher Bundesstraße) zu rechnen ist. Diese Berechnung findet sich jedoch im früheren Gutachten des Ingenieurbüros G. (Bericht Nr. 211152 / 2 vom 27.11.2011). Nach den dortigen Rasterlärmkarten ist im 1. OG an der Nordostfassade des Anwesens der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Lärmschutzwand für das Neubaugebiet mit 60 – 65 dB(A) tags und 55 – 60 dB(A) nachts zu rechnen. Mit der Stellungnahme vom 22. März 2019 (Nr. 211152 / 11) wurden diese Werte auf 63 dB(A) tags und 53 dB(A) nachts präzisiert. Dies betrifft jedoch nur die der Staats straße zugewandte Ostfassade. An allen anderen Immissionspunkten liegen die Werte darunter. Ausgehend von einem Mischgebiet würden insoweit die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV von 64 dB(A) tags und 54 dB(A) nachts sogar unterschritten. Bei Annahme eines Wohngebiets ergäbe sich eine Überschreitung von 4 dB(A). Der zusätzliche Erschließungsverkehr hingegen führt am Anwesen der Antragstellerin maximal zu einer Erhöhung um 1 dB(A) und zwar im westlichen Bereich der Südfassade sowie an der Westfassade, nicht aber an der durch die Staats straße stärker belasteten Ostfassade. Die Erhöhung führt jedoch insgesamt lediglich zu Werten von 47 dB(A) nachts bzw. 56 dB(A) tags und liegt damit unter den Immissionsgrenzwerten der 16. BImSchV sowohl für Mischgebiete als auch für Wohngebiete. Im Ergebnis kommt auch die von der Antragstellerin vorgelegte gutachterliche Stellungnahme von Dr. S. (Bericht 29 b vom 14.07.2016, S. 17, aber auch Bericht 29 c vom 14.07.2019, S. 13) dazu, dass die kritischen Schwellenwerte von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts jedenfalls nicht überschritten werden.
In diesem Zusammenhang kritisiert die Antragstellerin, dass die zugrundeliegenden Verkehrszahlen zu niedrig seien. Das Gutachten des Ingenieurbüros G. (Bericht Nr. 211152 / 5 vom 10.08.2015) geht von einer Verkehrsmenge von 12.375 Kfz/24h aus. Richtigerweise seien jedoch 15.000 Kfz/24h anzusetzen. Die Verkehrsuntersuchung von Prof. Dr. K. vom 13. März 2019 geht einschließlich des gesamten Verkehrs aus dem Baugebiet von einer Prognosebelastung von 11.400 bis 11.700 Kfz/24h aus. Insoweit kritisiert die Antragstellerin (Stellungnahme Dr. S., Bericht 29 c vom 14.07.2019), dass es sich bei den Zahlen von Prof. Dr. K. nicht um projektbezogene Zahlen im Sinn der Anlage 1 der 16. BImSchV handle. Die Berechnung müsse daher nach der Tabelle 3 der Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90) erfolgen. Die herangezogene Zählstelle nördlich von O. sei zu weit entfernt. Zudem seien hier Einfahrten in die Staats straße (früher Bundess straße) vorhanden, welche die hier relevante Verkehrsmenge beeinflussen könnten. Für die weitere Zählstelle nördlich H. gebe es nur einen Wert aus dem Jahr 2015, da es sich um eine neu eingerichtete Zählstelle handle.
Die Anlage 1 der 16. BImSchV erlaubt ausdrücklich das Heranziehen projektbezogener Untersuchungsergebnisse für die Berechnung der Beurteilungspegel nach § 3 der 16. BImSchV. Es ist insoweit sachgerecht, Vorhabensträger oder Planungsbehörden nicht an Werte zu binden, die auf bundesweiten Erfahrungen und Berechnungen beruhen, sondern ihnen eine Auswertung von Untersuchungen zu ermöglichen, die den örtlichen Besonderheiten, der zu erwartenden Verkehrsstruktur und anderen Faktoren Rechnung tragen. Ein Anspruch auf Heranziehen der höheren Werte, die insoweit als Ersatzwerte anzusehen sind, besteht in diesem Fall nicht (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.1996 – 4 A 10.95 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13; U.v. 11.01.2001 – 4 A 13.99 – NVwZ 2001, 1154). Es ist in der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 11.01.2001 – 4 A 13.99 – NVwZ 2001, 1154) anerkannt, dass die Auswertung von Daten von Dauerzählstellen in Kombination mit Erfahrungswissen des Gutachters gegebenenfalls unter Verwertung von örtlichen Besonderheiten solche projektbezogenen Untersuchungsergebnisse darstellen können. In seiner Verkehrsuntersuchung weist Prof. Dr. K. die Daten der Zählstelle nördlich von O. aus, die eindeutig seit dem DTV 2000 einen kontinuierlichen Rückgang der Verkehrsbelastung aufzeigen (DTV 2015 7.284 Kfz). Für die Zählstelle nördlich H., die sich näher am Plangebiet befindet, liegt lediglich ein Zählwert DTV 2015 vor, da diese Zählstelle neu eingerichtet wurde. Dieser DTV 2015 weist eine Belastung von 10.115 Kfz auf. Als Grund für den Rückgang ist der Ausbau der Bundesautobahn A 8 genannt, der auch weiter erfolgen soll. Prof. Dr. K. verfügt über jahrelange Erfahrungen in diesem Bereich auch im Zusammenhang mit dem Ausbau der Bundesautobahn A 8 und hat bereits im Jahr 2003 die Verkehrsuntersuchung H. durchgeführt. Im Hinblick auf den weiteren Ausbau der Bundesautobahn A 8 (8-streifig bis H.) ist nachvollziehbar, dass ein Anstieg der Verkehrsbelastung auf der inzwischen zur Staats straße abgestuften ehemaligen Bundesstraße für eine Prognose 2030 geringer als auf anderen Strecken ausfallen wird, zumal im weiteren Umfeld (Zählstelle O.) die DTV-Werte seit fast 20 Jahren rückläufig sind. Die Verkehrsprognose von Prof. Dr. K. geht von einer Verkehrsbelastung von 11.130 Kfz/24h aus. Das für die Abwägung maßgebliche Gutachten des Ingenieurbüros G. (Bericht Nr. 211152 / 5 vom 10.08.2015) legte eine Verkehrsmenge von 12.375 Kfz/24h zugrunde und liegt damit auf der sicheren Seite.
(7) Hinsichtlich der Forderung nach einer Lärmschutzwand für das Anwesen der Antragstellerin ist bereits fraglich, ob der hier verfahrensgegenständliche 1. Bauabschnitt der richtige Ansatzpunkt ist. Unabhängig davon ist aus Sicht des Senats der Lärmkonflikt derzeit jedenfalls gelöst ist und damit eine Einbeziehung des Grundstücks der Antragstellerin in das Plangebiet nicht zwingend zur Konfliktlösung erforderlich. Ob eine Einbeziehung des Grundstücks bei der Planung des 3. Bauabschnitts erforderlich wäre, ist hier nicht zu entscheiden.
(8) Hinsichtlich des Vortrags der Antragstellerin zum Abbrems- und Beschleunigungsverhalten auf der Staats straße im Bereich ihres Grundstücks kann nur darauf hingewiesen werden, dass Lärmberechnungen von einem Verhalten der Verkehrsteilnehmer auszugehen haben, das regelgerecht ist, also die zulässigen Geschwindigkeiten eingehalten werden. Bis zum Ortsschild ist lediglich eine Geschwindigkeit von 50 km/h zulässig für stadtauswärts fahrende Fahrzeuge sowie umgekehrt ab dem Ortsschild für ortseinwärts fahrende Fahrzeuge.
cc) Die für die Erschließungsstraße notwendigen Sichtdreiecke sind im Bebauungsplan als Festsetzung eingezeichnet. Sie fallen zu einem geringen Teil auf das Grundstück der Antragstellerin. Insoweit liegt das Grundstück der Antragstellerin allerdings geringfügig im Geltungsbereich des Bebauungsplans. Ein Fehler wird von der Antragstellerin nicht näher dargelegt.
dd) Die Antragstellerin rügt ferner, dass die von ihr vorgeschlagenen Alternativen für die Erschließung des Baugebiets fehlerhaft abgewogen worden seien. Dies ist nicht der Fall. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Erschließungsvarianten wurden im Rahmen der Abwägung behandelt. Es fehlt aber daran, dass sich eine der Alternativen geradezu aufdrängt.
Zunächst besteht kein Konflikt im Hinblick auf den von der geplanten Erschließungsstraße ausgehenden Lärm. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2. d) bb) (3) verwiesen.
Die Variante, die Erschließungsstraße nördlich der Tankstelle über das offene Feld zu führen, scheidet bereits deshalb aus, weil diese Variante zu einem deutlich höheren Flächenverbrauch führen würde. Weiterhin stellt ein Teil der Fläche eine Ausgleichsfläche für den Bau der Tankstelle dar. Im Übrigen würde diese Variante einen deutlich höheren Eingriff in die Natur und Landschaft bewirken.
Der Variante, eine Erschließung über das südlich bestehende Wohngebiet zu führen, steht die damit verbundene höhere Belastung dieses Wohngebiets entgegen. Zudem wäre hier nur eine kurvenreiche Zuwegung über den vorhandenen Straßenbestand möglich.
Eine weitere Erschließungsstraße mittig in das Gebiet zu führen, würde eine Durchbrechung der Schallschutzwand erfordern und den Schallschutz für das Gebiet deutlich beeinträchtigen.
Auch die Variante einer Erschließung über den bestehenden Feldweg im Süden würde die Schallschutzsituation verschlechtern.
Dass sich eine der Erschließungsalternativen aufdrängen würde, wurde von der Antragstellerin nicht substantiiert dargetan.
ee) Die Antragstellerin führt weiter an, dass im Bereich des Beginns der Erschließungsstraße Nord an der Süd-Ost-Ecke ihres Grundstücks eine Engstelle bestehe. Hier betrage der Abstand zum Grundstück M. 2 lediglich 5,98 m. Der Bebauungsplan sehe jedoch eine Regelbreite von 7 m bei einer Fahrbahnbreite von 5 m und einem Seitenstreifen von 2 m vor. Insoweit ist festzuhalten, dass sich eine solche Engstelle aus den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht ergibt. Ob beim Bau der Erschließungsstraße zur Vermeidung einer tatsächlichen Engstelle das Grundstück M. 2 in Anspruch genommen werden müsste, ist eine Frage des Vollzugs des Bebauungsplans und nicht von dessen Festsetzungen. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass der Bau der Erschließungsstraße Nord ohne Engstelle ausgeschlossen wäre.
ff) Abschließend rügt die Antragstellerin eine Erhöhung der Gefährdungslage auf der nunmehrigen Staats straße durch die Zufahrt der Erschließungsstraße. Es seien bereits eine Zufahrt zu ihrem Grundstück sowie zwei Zufahrten zu der nördlich liegenden Tankstelle vorhanden. Somit käme es auf einer relativ kurzen Strecke zu insgesamt vier Zufahrten.
Insoweit ist zu festzustellen, dass hinsichtlich der ortsauswärts fahrenden Fahrzeuge sowohl für die Erschließungsstraße als auch für die Tankstelle Linksabbiegespuren bereits hergestellt worden sind. Eine erhöhte Gefährdung kann hier nicht erkannt werden. Zumal in diesem Bereich die Geschwindigkeit auch der ortseinwärts fahrenden Fahrzeuge bereits auf 50 km/h reduziert ist.
Zwischen den Tankstellenzufahrten und der Erschließungsstraße besteht ein ausreichender Abstand. Zudem ist ein entsprechend großes Sichtdreieck vorgesehen, um ein gefahrloses Einfädeln in den Verkehr der nunmehrigen Staats straße zu ermöglichen. Weiterhin wurde der Radweg im Bereich der Erschließungsstraße hinter die Pkw-Aufstellfläche verschwenkt.
Für die Zufahrt zum Grundstück der Antragstellerin kann auch die verlängerte Linksabbiegespur zur Tankstelle genutzt werden, so dass sich die Zufahrtssituation insoweit verbessert.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.


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