Baurecht

Erfolgreiche Klage einer Nachbargemeinde gegen ein „gewachsenes“ Einkaufszentrum

Aktenzeichen  M 1 K 18.1276

Datum:
22.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 39394
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 68
BauNVO § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 11 Abs. 3
BauGB § 2 Abs. 2, § 30 Abs. 1
BayVwVfG Art. 24 Abs. 1 S. 1
VwGO § 74 Abs. 1 S. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
BGB § 242
GG Art. 28 Abs. 2
ZPO § 100 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der Schutzzweck des § 2 Abs. 2 BauGB würde verfehlt, wenn sich eine Nachbargemeinde nur bei der Aufstellung von Bauleitplänen, nicht dagegen auf der Ebene der Genehmigung von Einzelvorhaben gegen ein möglicherweise nicht abgestimmtes Vorhaben wehren könnte. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das „Zusammenwachsen“ mehrerer Betriebe zu einem Einkaufszentrum i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO setzt außer der erforderlichen räumlichen Konzentration voraus, dass die einzelnen Betriebe aus Sicht der Kunden als aufeinander bezogen, etwa als durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten. Diese Zusammenfassung kann sich in organisatorischen oder betrieblichen Gemeinsamkeiten, wie etwa in gemeinsamer Werbung unter einer verbindenden Sammelbezeichnung, zeigen. Nur durch solche äußerlich erkennbaren Merkmale ergibt sich die für die Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO notwendige planvolle Zusammenfassung mehrerer Betriebe zu einem „Zentrum“ und zugleich die erforderliche Abgrenzung zu einer beliebigen Häufung von jeweils für sich planungsrechtlich zulässigen Läden auf mehr oder weniger engem Raum. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Baunutzungsverordnung geht davon aus, dass ein Einkaufszentrum stets die maßgeblichen städtebaulichen Auswirkungen zeitigt, wohingegen diese für großflächige Einzelhandelsbetriebe nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 BauNVO positiv festgestellt werden müssen oder in der Regel anzunehmen sind, wenn deren Geschossfläche 1.200 m2 überschreitet. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Vorschrift des § 11 Abs. 3 BauNVO zeigt, dass Einkaufszentren und sonstige großflächige Einzelhandelsbetriebe unter den dort genannten Voraussetzungen regelmäßig geeignet sind, Nachbargemeinden in so gewichtiger Weise zu beeinträchtigen, dass sie ohne eine förmliche Planung, die dem Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB gerecht wird, nicht zugelassen werden dürfen.  Es reicht im Fall eines Einkaufszentrums also bereits der Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans, weil das Vorhaben nur in einem Kern- oder Sondergebiet zulässig ist. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Baugenehmigung des Landratsamts Rosenheim vom 28. März 2017 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte und der Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens zu je 1/2 zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klage hat Erfolg, weil sie zulässig und begründet ist.
a) Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt und die Klage nicht verfristet.
aa) Der Kläger ist gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil er sich zulässigerweise darauf berufen kann, dass ihn die Baugenehmigung möglicherweise in seiner gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten gemeindlichen Planungshoheit verletzt.
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungsklage, soweit gesetzlich nichts anders bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Bejahung der Klagebefugnis setzt voraus, dass es auf der Grundlage des Tatsachenvorbringens des Betroffenen zumindest möglich erscheint, dass dieser durch den angefochtenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt wird (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1993 – 4 B 206/92 – juris Ls.).
Der Kläger trägt vor, dass er als benachbarte Gemeinde durch das Vorhaben u.a. deshalb in seinen Rechten verletzt sei, weil es sich um ein Vorhaben i.S.v. § 11 Abs. 3 BauNVO handle und dieses in dem durch den Bebauungsplan Nr. 38 „Gewerbegebiet T…-Str. Nordwest“ festgesetzten Gewerbegebiet bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Damit bringt der Kläger Tatsachen vor, die eine Verletzung in einem subjektiven Recht, nämlich das interkommunale Abstimmungsgebot gem. § 2 Abs. 2 BauGB als Ausfluss der in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Planungshoheit, möglich erscheinen lassen.
Es besteht in Rechtsprechung und Literatur inzwischen Einigkeit darüber, dass sich eine Nachbargemeinde unter Berufung auf § 2 Abs. 2 BauGB auch gegen eine Einzelgenehmigung für ein Bauvorhaben wehren kann (vgl. BVerwG, U.v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 – BVerwGE 117, 25; U.v. 11.2.1993 – 4 C 15.92 – NVwZ 1994, 285; U.v. 15.12.1989 – 4 C 36.86 – BVerwGE 84, 209; BayVGH, B.v. 21.12.2001 – 9 CS 11.1547 – juris Rn. 27; Uechtritz, NVwZ 2003, 176). Im vorliegenden Fall kommt deshalb als möglicherweise verletztes subjektiv-öffentliches Recht des Klägers das auch in den Vorschriften über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Einzelvorhaben enthaltene interkommunale Rücksichtnahmegebot in Betracht, dessen Verletzung hier nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise unmöglich erscheint. Denn es besteht hier konkret die Möglichkeit der (sukzessiven) Errichtung eines Einkaufszentrums im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO. Weist eine Gemeinde ein Sondergebiet „Einkaufszentrum“ im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO aus, muss sie diese Planung nach § 2 Abs. 2 BauGB mit denjenigen Nachbargemeinden abstimmen, für die das Vorhaben mit unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art verbunden ist. Lässt die planende Gemeinde es bei ihrer Bauleitplanung an der gebotenen Abstimmung fehlen, so kann sich die Nachbargemeinde nach § 2 Abs. 2 BauGB dagegen wehren, dass auf der Grundlage eines solchen nicht abgestimmten Bebauungsplans ein Einzelvorhaben zugelassen wird. Das gleiche muss auch für den Fall gelten, dass die Planung eines Sondergebiets unterbleibt und dennoch ein möglicherweise interkommunal bedeutsamer großflächiger Einzelhandelsbetrieb bzw. ein Einkaufszentrum zugelassen wird. Der Schutzzweck des § 2 Abs. 2 BauGB würde nämlich verfehlt, wenn sich eine Nachbargemeinde nur bei der Aufstellung von Bauleitplänen, nicht dagegen auf der Ebene der Genehmigung von Einzelvorhaben gegen ein möglicherweise nicht abgestimmtes Vorhaben wehren könnte. Denn es liegt auf der Hand, dass ein sich aus § 2 Abs. 2 BauGB ergebendes Bedürfnis nach Abstimmung und planerischer Koordinierung zwischen den betreffenden Gemeinden nicht nur dann einer Genehmigung entgegensteht, wenn überhaupt nicht geplant worden ist, sondern auch dann, wenn etwas anderes als das abstimmungsbedürftige Vorhaben geplant worden ist und deshalb dessen Auswirkungen weder mit den benachbarten Gemeinden abgestimmt noch abgewogen worden sind (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.2009 – 4 B 25.09 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 21.12.2011 – 9 CS 11.1547 – juris Rn. 27).
bb) Die am 15. März 2018 bei Gericht eingegangene Klage ist fristgerecht erhoben worden.
Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO muss die Anfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung – für die kein Vorverfahren erforderlich ist – innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden. Entscheidend für den Beginn der Klagefrist ist, dass der Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger i.S.v. Art. 41 BayVwVfG bekannt gegeben wird. Eine Bekanntgabe der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist zunächst gegenüber dem Kläger nicht erfolgt. Die Monatsfrist für die Klage begann daher nicht gem. § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu laufen. Dies führt allerdings nicht zu einer zeitlich unbegrenzten Klagemöglichkeit, weil das Klagerecht auch ohne Fristlauf gleichwohl verwirkt werden kann (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 74 Rn. 7). Nach dem auch im Verwaltungsrecht geltenden, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ableitbaren Rechtsgedanken der Verwirkung kann ein Kläger sein Recht zur Erhebung der Klage nicht mehr ausüben, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten (Umstandsmoment), die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Letzteres ist anzunehmen, wenn ein Kläger unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des geltend gemachten Rechts unternommen zu werden pflegt (vgl. BayVGH, B.v. 9.10.2014 – 8 B 12.1546 – NVwZ-RR 2015, 277). Dem Kläger wurde die Baugenehmigung des Beigeladenen am 9. März 2018 zugestellt. Der Kläger hat somit erst am 9. März 2018 Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt und sodann innerhalb von sechs Tagen, am 15. März 2018, Klage gegen den Bescheid vom 28. März 2017 erhoben. Da er auch nicht zuvor auf andere Weise Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt hat, bestand weder für eine längere Zeit die Möglichkeit der Klageerhebung, noch liegen besondere Umstände vor, die eine Klageerhebung als Verstoß gegen Treu und Glauben i.S.v. § 242 BGB erscheinen lassen. Mangels Zeit- und Umstandsmoment hatte der Kläger deshalb im Zeitpunkt der Klageerhebung sein Klagerecht noch nicht verwirkt.
b) Die Klage ist begründet, weil die Baugenehmigung vom 28. März 2017 den Kläger in einem ihn drittschützenden Recht verletzt und sie somit aufzuheben ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Ein Dritter kann sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20; B.v. 2.9.2013 – 14 ZB 13.1193 – juris Rn. 11). Eine solche Verletzung des Klägers in einer drittschützenden Norm liegt hier mit § 2 Abs. 2 BauGB als Ausfluss der gemeindlichen Planungshoheit gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vor.
aa) Die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 28. März 2017 erteilte Baugenehmigung ist rechtswidrig, weil sie nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 38 entspricht und der Kläger dadurch in seinem Recht aus § 2 Abs. 2 BauGB verletzt ist.
Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO prüft die Bauaufsichtsbehörde dabei u.a. die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit beurteilt sich hier nach § 30 Abs. 1 BauGB, weil das Vorhaben im Geltungsbereich des am 6. Oktober 2009 in Kraft getretenen Bebauungsplan Nr. 38 „Gewerbegebiet T…-Str. Nordwest“ der Gemeinde … … … liegt. Nach § 30 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, nur zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Der Bebauungsplan Nr. 38 „Gewerbegebiet T…-Str. Nordwest“ setzt für die Vorhabengrundstücke FlNr. 627, 627/4 als Art der baulichen Nutzung ein Gewerbegebiet i.S.v. § 8 BauNVO fest, in welchem gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Gewerbebetriebe aller Art zulässig sind. Nicht zulässig sind jedoch Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe. Für diese enthält § 11 Abs. 3 BauNVO eine Sonderregel hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit, wonach die dort bezeichneten großflächigen Betriebe nur in Kerngebieten oder in für solche Betriebe ausdrücklich ausgewiesenen Sondergebieten zulässig sind.
Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben des Beigeladenen handelt es sich um einen Bestandteil eines Einkaufszentrums i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO. Bei der Begriffsbestimmung des Einkaufszentrums ist als Ausgangspunkt die Wertung des Verordnungsgebers zu berücksichtigen, der in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO nicht zusätzlich auf das Vorhandensein nachteiliger städtebaulicher Auswirkungen wie bei den in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO genannten großflächigen (Einzel-)Handelsbetrieben abstellt. Die Annahme von Einkaufszentren erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn bei ihnen davon auszugehen ist, dass sie vom Anlagentyp her ebenfalls mit den in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO genannten nachteiligen städtebaulichen Auswirkungen verbunden sind (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2011 – 9 CS 11.1547 – juris Rn. 18). Dies erfordert insbesondere eine deutliche Abgrenzung des Einkaufszentrums von einer bloßen Ansammlung von Läden, die sich in Ausübung jeweils zulässiger baulicher Nutzungen in einem Gebiet entwickelt haben und welche der Verordnungsgeber in § 11 Abs. 3 BauNVO nicht erfassen will. Daher wird ein Einkaufszentrum i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO nur dann angenommen, wenn eine räumliche Konzentration von Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe – zumeist in Kombination mit verschiedenartigen Dienstleistungsbetrieben – vorliegt, die entweder einheitlich geplant ist oder sich doch in anderer Weise als „gewachsen“ darstellt (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.1990 – 4 C 16.87 – NVwZ 1990, 1074).
Im Regelfall handelt es sich bei einem Einkaufszentrum um einen einheitlich geplanten, finanzierten und verwalteten Gebäudekomplex. Aus der für die Anwendung des § 11 Abs. 3 BauNVO maßgeblichen raumordnerischen und städtebaulichen Sicht – insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Versorgungsstruktur der Gemeinde – kann aber auch eine nicht von vornherein als solche geplante und organisierte Zusammenfassung von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben ein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO darstellen. Ein solches „Zusammenwachsen“ mehrerer Betriebe zu einem Einkaufszentrum setzt jedoch außer der erforderlichen räumlichen Konzentration weitergehend voraus, dass sich die einzelnen Betriebe aus der Sicht der Kunden aufeinander beziehen und durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten. Diese Zusammenfassung kann sich aus organisatorischen oder betrieblichen Gemeinsamkeiten, wie etwa in gemeinsamer Werbung unter einer verbindenden Sammelbezeichnung ergeben. Nur durch solche äußerlich erkennbaren Merkmale ergibt sich die für die Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO notwendige planvolle Zusammenfassung mehrerer Betriebe zu einem „Zentrum“ und zugleich die erforderliche Abgrenzung zu einer beliebigen Häufung von jeweils für sich planungsrechtlich zulässigen Läden auf mehr oder weniger engem Raum (vgl. BVerwG, B.v. 12.7.2007 – 4 B 29.07 – BauR 2007, 2023; B.v. 15.2.1995 – 4 B 84.94 – juris Rn. 2; U.v. 27.4.1990 – 4 C 16.87 – NVwZ 1990, 1074; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, 135. EL September 2019, § 11 Rn. 49 ff.).
Der Regelfall eines von vornherein einheitlich geplanten, finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplexes liegt nicht vor. Die Einzelhandelsgeschäfte im Geltungsbereich der Bebauungspläne Nr. 25 „Gewerbegebiet T…-Str. Teil A“ und Nr. 38 „Gewerbegebiet T…-Str. Nordwest“ sind nicht gleichzeitig geplant oder errichtet worden. Im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 25 wurde etwa zunächst nur ein Einzelhandelsgeschäft im Gebäude auf dem Grundstück FlNr. 70 betrieben. Erst später erfolgte der Betrieb von vier weiteren Einzelhandelsbetrieben in dem angrenzenden und früher als Lagerhalle genutzten „…-Hofs“, der überwiegend auf dem Grundstück FlNr. 69/1 liegt. Im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 38 verliefen die Planung und der Bau der Gebäudekomplexe ebenfalls nicht einheitlich. Dort wurden zunächst vier Einzelhandelsbetriebe im Gebäude auf dem Grundstück FlNr. 627/4 genehmigt (Änderung zum Genehmigungsfreistellungsverfahren 53/2013). Erst nach deren Nutzungsaufnahme wurde das streitgegenständliche Vorhaben geplant, das den Betrieb von vier weiteren Einzelhandelsbetrieben auf dem Grundstück FlNr. 627, 627/4 vorsieht. Die einzelnen Gebäude und Einzelhandelsbetriebe sind somit erst nacheinander entstanden. Der typische Fall eines einheitlich geplanten, finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplexes kann weder in Bezug auf alle Einzelhandelsbetriebe in beiden Plangebieten noch in Bezug auf das Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 38 angenommen werden.
Durch die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens würde jedoch ein nachträglich „gewachsenes“ Einkaufszentrum i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO entstehen, und zwar sowohl in Zusammenschau mit den bestehenden Geschäften im Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 38 (vgl. hierzu unter (1)) als auch mit den bestehenden Einzelhandelsbetriebenen im Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 25 und den genehmigten und errichteten Gebäuden im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 38 (vgl. hierzu unter (2)).
(1) Bereits im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 38 würde mit der Umsetzung des genehmigten Vorhabens ein „gewachsenes“ Einkaufszentrum i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO entstehen. Die Ladeneinheiten stehen in räumlicher Konzentration und sind aus Sicht der Kunden als aufeinander bezogen anzusehen. Zudem würde die Geschossfläche bei einer Umsetzung des Vorhabens deutlich über 1.200 m2 liegen.
Die erforderliche räumliche Konzentration zwischen dem genehmigten sowie dem bereits auf dem Grundstück FlNr. 627/4 vorhandenen Einzelhandelsgebäude ist zu bejahen. Gemäß dem Bauantrag soll das Vorhaben des Beigeladenen in unmittelbarer Nähe auf den Grundstücken FlNr. 627 und 627/4 errichtet werden, und zwar so, dass ein Teil des Gebäudes und der Parkplätze auf dem Grundstück FlNr. 627 und der übrige Teil auf dem Grundstück FlNr. 627/4 liegen soll. Das heißt, das Vorhaben soll bei seiner Umsetzung teilweise auf demselben und teilweise auf dem direkt an das vorhandene Einzelhandelsgebäude angrenzenden Grundstück liegen. Die Entfernung zwischen den Gebäuden soll laut den Eingabeplänen nur etwa 35,6 m betragen. Somit liegt das Vorhaben in unmittelbarer Nähe zum bereits errichteten Einzelhandelsgebäude auf dem Grundstück FlNr. 627/4 und damit in räumlicher Konzentration.
Das „Zusammenwachsen“ mehrerer Betriebe zu einem Einkaufszentrum i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO setzt außer der erforderlichen räumlichen Konzentration voraus, dass die einzelnen Betriebe aus Sicht der Kunden als aufeinander bezogen, etwa als durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten. Diese Zusammenfassung kann sich in organisatorischen oder betrieblichen Gemeinsamkeiten, wie etwa in gemeinsamer Werbung unter einer verbindenden Sammelbezeichnung, zeigen. Nur durch solche äußerlich erkennbaren Merkmale ergibt sich die für die Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO notwendige planvolle Zusammenfassung mehrerer Betriebe zu einem „Zentrum“ und zugleich die erforderliche Abgrenzung zu einer beliebigen Häufung von jeweils für sich planungsrechtlich zulässigen Läden auf mehr oder weniger engem Raum. Zwischen dem Vorhaben und dem bereits betriebenen Einzelhandelsgebäudes ist eine solche Beziehung aus Kundensicht gegeben. Dafür spricht zunächst die Lage der Gebäude. Beide sollen westlich der T.-S.-Straße direkt an der Ausfahrt … der Autobahn A… und am Beginn der Bundesstraße … noch vor dem Ortseingang der Gemeinde … … … liegen. Es liegt eine Art „Insellage im Außenbereich“ vor, die dazu führt, dass die Einzelhandelsbetriebe als zusammengehörend wahrgenommen werden. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass die Zufahrt zu den Parkplätzen für beide Gebäude einheitlich erfolgen soll. Geplant ist, dass die bisherige Zufahrt auf dem südlichen Teil des Grundstücks FlNr. 627/4 auch zur Erschließung des streitgegenständlichen Vorhabens über die T.-S.-Straße genutzt wird. Zudem soll das Vorhaben so errichtet werden, dass sich die Gebäude und die Eingänge zu den einzelnen Ladeneinheiten direkt gegenüberstehen. Dazwischen sollen unmittelbar aneinander angrenzend je zwei Reihen mit 21 Parkplätzen liegen, von denen eine Hälfte dem Bestandsgebäude und eine Hälfte dem Vorhaben zugeordnet werden soll. Für die Kunden entsteht damit der Eindruck eines einheitlichen Parkgeländes. Daran ändert auch nichts, dass jeder Parkplatz – wie der Beigeladene vorträgt – einer bestimmten Ladeneinheit zugeordnet und entsprechend beschildert werden soll; denn typischerweise nutzen Kunden auch die Parkplätze anderer Ladeneinheiten, falls die Parkplätze einer Ladeneinheit belegt sind. Auch erfolgt regelmäßig kein Umparken, wenn die Kunden verschiedene Ladeneinheiten aufsuchen. Im Übrigen soll laut dem Beigeladenen, der bereits die Geschäfte auf dem Grundstück FlNr. 627/4 vermietet, eine gezielte Mieterauswahl erfolgen. Geplant ist, dass wie im bereits vorhandenen Einzelhandelsgebäude auf dem Grundstück FlNr. 627/4 nur Betriebe ansässig sein sollen, die höherwertige Waren anbieten. Der Beigeladene verfolgt somit auch ein einheitliches Konzept, da er in beiden Gebäuden Premiummarken anbieten und damit die Attraktivität des Standorts sowie die Anziehungskraft für die Kunden steigern möchte.
Aufgrund seiner Zweckbestimmung ist von einem Einkaufszentrum zusätzlich eine entsprechende Größe zu verlangen, die deutlich über die von großflächigen Einzelhandelsbetrieben gem. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO hinausgeht (vgl. VGH BW, U.v. 22.5.2005 – 3 S 1061/04 – juris Rn. 37). Die Differenzierung ist darin begründet, dass bei Einkaufszentren i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO die sich aus § 11 Abs. 3 BauNVO ergebende Rechtsfolge anders als in den Fällen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 BauNVO unabhängig davon eintritt, ob beim jeweiligen Einkaufszentrum festgestellt werden kann, dass die in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO genannten städtebaulichen Auswirkungen eintreten werden. Die Verordnung geht somit davon aus, dass ein Einkaufszentrum stets die maßgeblichen städtebaulichen Auswirkungen zeitigt, wohingegen diese für großflächige Einzelhandelsbetriebe nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 BauNVO positiv festgestellt werden müssen oder in der Regel anzunehmen sind, wenn deren Geschossfläche 1.200 m2 überschreitet. Hieraus ist zu folgern, dass ein Einkaufszentrum eine Größe von mehr als 1.200 m2 Geschossfläche haben muss. Denn wenn der Verordnungsgeber generell bei Einkaufszentren Auswirkungen i.S.d. Abs. 3 Satz 2 unterstellt, muss das Einkaufszentrum eine Größe haben, die auch jenseits von atypischen Fallgestaltungen, auf die die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 2 keine Anwendung findet, liegt (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, 135. EL September 2019, § 11 Rn. 50; Stock in König/Roesner/Stock, BauNVO, 4. Auflage 2019, § 11 Rn. 46). Die Geschossfläche für das bestehende Einzelhandelsgebäude auf dem Grundstück FlNr. 627/4 beträgt entsprechend den Antragsunterlagen des Beigeladenen ca. 1.200 m2. Die Geschossfläche des streitgegenständlichen Vorhabens soll nach den Antragsunterlagen 1.050 m2 betragen. Die Geschossfläche beider Gebäude würde somit ca. 2.250 m2 und damit deutlich über 1.200 m2 betragen.
(2) Das Gericht geht im Übrigen davon aus, dass auch sämtliche genehmigte und vorhandene Einzelhandelsbetriebe im Geltungsbereich der Bebauungspläne Nr. 25 und Nr. 38 in der Zusammenschau ein „gewachsenes“ Einkaufszentrum i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO bilden. Das bereits vorhandene Einzelhandelsgebäude auf dem Grundstück FlNr. 627/4 ist nur etwa 30 Meter vom Einzelhandelsbetrieb auf dem Grundstück FlNr. 70 sowie etwa 60 Meter vom „…-Hof“ auf dem Grundstück FlNr. 69/1 entfernt. Eine räumliche Konzentration der Betriebe ist somit gegeben. Des Weiteren stellen sich die Betriebe auch aus Kundensicht als aufeinander bezogen dar. Das liegt trotz der unterschiedlichen Zufahrten und Parkplätze daran, dass die genehmigten Einzelhandelsbetriebe gesammelt am Ende der T.-S.-Straße direkt südlich der Autobahn A… liegen. Für den Kunden entsteht durch die Anhäufung der Einzelhandelsbetriebe an dieser exponierten Lage der Eindruck, dass es sich um ein „Outlet-Center“ handelt, bei dem mehrere Hersteller ihre Artikel an einer gemeinsamen Verkaufsstelle verbilligt anbieten. Bestätigt wird dieser Eindruck dadurch, dass für die Grundstücke FlNr. 69/1, 70 und 627/4 unter der Bezeichnung „… …“ ein gemeinsamer Internetauftritt existiert. Auf der entsprechenden Internetseite finden sich unter dem Reiter „Stores“ nahezu alle der dort anzutreffenden Firmen. Es werden sowohl Firmen aus dem Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 25 östlich der T.-S.-Straße als auch mit „L…“ und „A…“ Firmen aus dem Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 38 westlich der T.-S.-Straße genannt. Dass der Beigeladene diese gemeinsame Internetpräsenz – wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – nicht kennt und wünscht, ist für die Bestimmung, ob die Einzelhandelsbetriebe ein Einkaufszentrum bilden, unerheblich. Entscheidend ist auf die Kundensicht abzustellen. Als Kunde geht man bei gemeinsamer Werbung davon aus, dass die Einzelhandelsbetriebe ein gemeinsames Konzept verfolgen oder zumindest miteinander kooperieren.
bb) Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt den Kläger in seiner aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG hergeleiteten und in § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB einfachgesetzlich verankerten kommunalen Planungshoheit.
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Die Vorschrift ist eine gesetzliche Ausformung der gemeindlichen Planungshoheit i.S.v. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots gem. § 1 Abs. 7 BauGB. Sie schließt das Recht ein, sich gegen Planungen anderer Gemeinden zur Wehr zu setzen, welche die eigene Planungshoheit rechtswidrig beeinträchtigen. Die von § 2 Abs. 2 BauGB statuierte materielle Abstimmungspflicht gilt nach dem Wortlaut der Bestimmung und ihrer systematischen Stellung unmittelbar nur für Bauleitpläne. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch anerkannt, dass sich Nachbargemeinden in Einzelfällen auch gegen Einzelbauvorhaben wenden können, so unter anderem bei Genehmigungsentscheidungen nach § 35 Abs. 2 BauGB (vgl. BVerwG, U.v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25) und in Fällen, in denen ein wirksamer Bebauungsplan existiert, dessen Festsetzungen aber etwas anderes als das abstimmungsbedürftige Vorhaben zulassen (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.2009 – 4 B 25.09 – BauR 2010, 740; BayVGH, B.v. 21.12.2011 – 9 CS 11.1547 – juris Rn. 27; OVG MV, U.v. 5.11.2008 – 3 L 281/03 – BauR 2009, 1399).
Vorliegend ist letzterer Fall gegeben, weil ein den Festsetzungen der Bebauungspläne Nr. 25 und Nr. 38 widersprechendes und nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB abstimmungsbedürftiges Vorhaben genehmigt wurde, ohne dass die Auswirkungen mit dem Kläger als Nachbargemeinde abgestimmt oder abgewogen worden sind.
Eine Pflicht zur Abstimmung i.S.v. § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB wird stets dann ausgelöst, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Nachbargemeinde zu befürchten sind und daher ein qualifizierter Abstimmungsbedarf besteht (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.1972 – IV C 17.71 – juris Rn. 38). Die Pflicht zur Abstimmung ist hier insbesondere § 11 Abs. 3 BauNVO zu entnehmen. Die Vorschrift zeigt, dass Einkaufszentren und sonstige großflächige Einzelhandelsbetriebe unter den dort genannten Voraussetzungen regelmäßig geeignet sind, Nachbargemeinden in so gewichtiger Weise zu beeinträchtigen, dass sie ohne eine förmliche Planung, die dem Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB gerecht wird, nicht zugelassen werden dürfen. Bei Einkaufszentren geht der Normgeber sogar davon aus, dass die in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO bezeichneten Auswirkungen generell nicht ausgeschlossen werden können. Von daher bedarf es bei Einkaufszentren keiner eigenen Feststellung, welche nachteiligen Wirkungen konkret zu erwarten sind. Eine Einzelfallprüfung erübrigt sich, was im Ergebnis bedeutet, dass der qualifizierte Abstimmungsbedarf nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB bei Einkaufszentren ohne weiteres gegeben ist (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.2009 – 4 B 25.09 – BauR 2010, 740; U.v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 – NVwZ 2003, 86; OVG NW, B.v. 2.12.2016 – 7 B 1344/16 – BauR 2017, 214; OVG RhPf, U.v. 3.11.2011 – 1 A 10270/11 – BauR 2012, 206; OVG MV, U.v. 5.11.2008 – 3 L 281/03 – BauR 2009,1399). Auf den tatsächlichen Umfang der Auswirkungen des Vorhabens auf die zentralen Versorgungsbereiche des Klägers kommt es somit nicht an. Der Kläger muss insbesondere nicht nachweisen, dass das Vorhaben zu einem städtebaulich relevanten Kaufkraftabfluss von über 10 v.H. des gesamten innerstädtischen Handels führt (vgl. Spieß in Jäde/Dirnberger, BauGB, 8. Auflage 2017, § 2 Rn. 12). Es reicht im Fall eines Einkaufszentrums also bereits der Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans, weil das Vorhaben nur in einem Kern- oder Sondergebiet zulässig ist. Wenn die planende Gemeinde – wie hier – lediglich ein Bauleitplanverfahren für ein Gewerbegebiet durchgeführt hat, konnte das Maß der Auswirkungen auf den Kläger als Nachbargemeinde nicht ermittelt werden. Bereits dieses Defizit begründet die Verletzung gemeindenachbarlicher Rechte, welche den Kläger zur Abwehr des streitgegenständlichen Vorhabens berechtigen. Somit liegt hier eine Verletzung der interkommunalen Abstimmungspflicht i.S.v. § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB vor, weil die Auswirkungen des abstimmungsbedürftigen Vorhabens weder mit dem Kläger als unmittelbar nördlich angrenzende Nachbargemeinde abgestimmt noch abgewogen wurden. Daran ändert auch nicht, dass der Kläger im damaligen Planverfahren des Bebauungsplans Nr. 38 „Gewerbegebiet T…-Str. Nordwest“ beteiligt wurde und damals keine Einwendungen erhob; denn zu diesem Zeitpunkt ging der Kläger – wie auch die planende Gemeinde – noch von einem Bebauungsplan für ein Gewerbegebiet aus, in welchem Betriebe nach § 11 Abs. 3 BauNVO bauplanungsrechtlich unzulässig sind. Die Auswirkungen eines Einkaufszentrums auf den Kläger wurden somit damals nicht ermittelt und in die Abwägung miteinbezogen.
cc) Da der Antrag bereits wegen des Widerspruchs zu den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 38 Erfolg hat, kann letztlich dahinstehen, ob auch ein Verstoß gegen Ziele der Raumordnung und ein daraus resultierendes Abstimmungsgebot nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BauGB vorliegt, weil der Kläger durch das Vorhaben in seiner zentralörtlichen Funktion beeinträchtigt wird. Vorliegend wird man entgegen dem Vorbringen des Klägers einen solchen Verstoß wohl verneinen müssen.
Gemäß dem raumordnungsrechtlichen Ziel in Nr. 5.3.1 LEP dürfen Flächen für Einzelhandelsgroßprojekte nur in Zentralen Orten ausgewiesen werden (Satz 1). Gemäß dem raumordnungsrechtlichen Ziel in Nr. 5.3.3 LEP darf durch Flächenausweisungen für Einzelhandelsgroßprojekte die Funktionsfähigkeit der Zentralen Orte und die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich des Einzelhandelsgroßprojekts nicht wesentlich beeinträchtigt werden (Satz 1). Soweit sortimentsspezifische Verkaufsflächen die landesplanerische Relevanzschwelle überschreiten, dürfen Einzelhandelsgroßprojekte, soweit in ihnen Nahversorgungsbedarf oder sonstiger Bedarf verkauft wird, 25 v.H., soweit in ihnen Innenstadtbedarf verkauft wird, für die ersten 100.000 Einwohner 30 v.H., für die 100.000 Einwohner übersteigende Bevölkerungszahl 15 v.H. der sortimentsspezifischen Kaufkraft im einschlägigen Bezugsraum abschöpfen (Satz 2). Sowohl Nr. 5.3.1. als auch Nr. 5.3.3 beinhalten ein verbindliches Ziel der Landesplanung i.S.v. Art. 2 Nr. 2 BayLplG. Der Plangeber hat in Nr. 5.3.1. LEP vorgegeben, dass Flächen für Einzelhandelsprojekte nur in Zentralen Orten ausgewiesen werden dürfen (sog. Konzentrationsgebot). Die atypischen Sachverhalte, bei deren Vorliegen eine Abweichung zulässig sein soll, sind in der Zielbestimmung hinreichend konkret beschrieben worden. Mit Nr. 5.3.3 LEP hat der Plangeber verbindliche Vorgaben zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der zentralen Versorgungsbereiche und der Versorgungsfunktion zentraler Orte formuliert (sog. Beeinträchtigungsgebot). Zentrale Orte sind gemäß Nr. 2.1.2 Abs. 1 LEP Grund-, Mittel und Oberzentren. Gemäß Nr. 2.1.5 werden die Mittel- und Oberzentren in Anhang 1 des LEP, die Grundzentren in den Regionalplänen festgelegt. § 2 Abs. 2 Satz 1 LEP bestimmt ferner, dass bestehende Kleinzentren, Unterzentren und Siedlungsschwerpunkte bis zur Anpassung der Regionalpläne als Zentrale Orte der Grundversorgung einem Grundzentrum gleichgestellt sind.
Das streitgegenständliche Vorhaben verstößt hier nicht gegen Nr. 5.3.1 LEP. Gemäß Nr. 5.3.1 LEP dürfen die Flächen für Einzelhandelsgroßprojekte nur in Zentralen Orten ausgewiesen werden. … … … stellt gemäß dem Landesentwicklungsprogramm 2013 in Verbindung mit dem Regionalplan für Südostoberbayern einen Zentralen Ort dar. Der Regionalplan Südostoberbayern bestimmt in Teil A III „Zentrale Orte und Entwicklungsachsen“ unter Nr. 1.1.1, dass … … … ein Kleinzentrum ist. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 LEP sind die bestehenden Kleinzentren einem Grundzentrum gleichgestellt. Aus Nr. 2.1.2 LEP ergibt sich wiederum, dass Grundzentren Zentrale Orte sind. Da somit ein Kleinzentrum als Zentraler Ort anzusehen ist, darf ein Einkaufszentrum als Einzelhandelsgroßprojekt (vgl. Begründung zu Nr. 5.3 LEP) in … … … gem. Nr. 5.3.1 LEP ausgewiesen werden.
Im Übrigen kann auch kein Verstoß gegen Nr. 5.3.3 LEP festgestellt werden, weil der Kläger nicht substantiiert dargelegt hat, inwiefern durch das Einzelhandelsgroßprojekt die zulässigen Abschöpfungsquoten überschritten werden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung lediglich eine Reihe von Bekleidungsgeschäften aus seiner Ortsmitte aufgezählt. Konkrete Angaben zur etwaigen Kaufkraftabschöpfung wurden jedoch nicht gemacht. Da auch das Schreiben der Regierung vom 5. Dezember 2017 das Überschreiten der Abschöpfungsquote nicht substantiiert, fehlt ein hinreichendes Vorbringen für einen Verstoß gegen Nr. 5.3.3 LEP. Es ist aber Sache der beteiligten Nachbargemeinde, die Gesichtspunkte darzulegen, die sie aus ihrer Sicht für abstimmungsbedürftig hält (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 135. EL September 2019, § 2 Rn. 108). Lediglich Vermutungen reichen somit nicht aus, um einen Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot annehmen zu können.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO. Mit der Stellung eines Antrags auf Klageabweisung hat sich die Beigeladene dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt. Die Kosten des Verfahrens tragen daher der Beklagte und der Beigeladene jeweils zur Hälfte, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO analog.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.


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