Baurecht

Erfolgreiche Klage gegen die Versagung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Werbetafel

Aktenzeichen  W 4 K 15.1206

Datum:
13.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 5 S. 1
BayBO BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Abs. 1 S. 2, Art. 14 Abs. 2, Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 Nr. 12, Abs. 2 Nr. 6
BauGB BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO BauNVO § 6 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Bei Anlagen der Fremdwerbung handelt es sich zwar nicht um Gewerbebetriebe, sie werden jedoch als einem Gewerbebetrieb dienende Hauptnutzungen wie ein solcher behandelt (wie BayVGH BeckRS 2007, 30893 und BeckRS 2005, 17538). (red. LS Andreas Decker)
2 Für die Beeinträchtigung des Ortsbilds iSv § 34 Abs. 1 S. 2 BauGB genügt einerseits nicht jedes „Berührtsein“ des Ortsbilds, andererseits ist aber auch nicht nur eine Verunstaltung, wie dies § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB voraussetzt, umfasst. (red. LS Andreas Decker)
3 Der Oberbegriff der „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ in Art. 14 Abs. 2 BayBO hat zum Ziel, dass kein Verkehrsteilnehmer gefährdet (Sicherheit) oder mehr als nach den Umständen unvermeidlich behindert oder belästigt wird (Leichtigkeit). Die Sicherheit hat also die Abwendung von Gefahren für den Verkehr und ausgehend von dem Verkehr im Blick, die Leichtigkeit den möglichst ungehinderten Verkehrsfluss. (red. LS Andreas Decker)
4 Die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs wird durch eine bauliche Anlage bereits dann – konkret – gefährdet, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender oder „bloßer“ Wahrscheinlichkeit ein Verkehrsunfall oder doch eine Verkehrsbehinderung in überschaubarer Zukunft zu erwarten ist, insbesondere ein Durchschnittskraftfahrer durch sie abgelenkt wird (wie BayVGH BeckRS 2011, 34251 und BeckRS 2003, 27636). (red. LS Andreas Decker)
5 Bei einer Werbeanlage ohne Bildwechsel kann nur ausnahmsweise eine verkehrsgefährdende Wirkung angenommen werden. (red. LS Andreas Decker)

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Oktober 2015 dem Kläger die mit Bauantrag vom 9. Juni 2015 beantragte Genehmigung für die Errichtung einer Werbeanlage auf dem Grundstück Fl.Nr. …33, Gemarkung Mainaschaff, zu erteilen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
* * *

Gründe

Nachdem der Kläger die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens beantragt hat, war dieses wieder aufzunehmen und fortzuführen.
Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat in der Sache Erfolg, weil die Ablehnung der beantragten Bauerlaubnis rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung.
1. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Die Bauaufsichtsbehörde darf den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt.
Die Errichtung der geplanten Werbetafel ist ein gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungsbedürftiges Vorhaben. Sie ist als ortsfeste Anlage der Wirtschaftswerbung eine bauliche Anlage i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO. Es besteht auch keine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 BayBO. Insbesondere ist die Werbetafel nicht nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 oder Abs. 2 Nr. 6 BayBO von der Genehmigungspflicht ausgenommen, da die Voraussetzungen dieser Normen offensichtlich nicht vorliegen. Da es sich auch nicht um einen Sonderbau i.S.v. Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt, unterfällt die Werbetafel dem vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO. Im Zuge dessen prüft die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BayBO die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften (Art. 81 Abs. 1 BayBO) sowie beantragte Abweichungen i.S.v. Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO. Andere öffentlich-rechtliche Anforderungen prüft sie gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO nur, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird.
Relevant ist unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen lediglich die Prüfung von Vorschriften des Bauplanungsrechts. Solche Vorschriften stehen dem Vorhaben des Klägers nicht entgegen.
Das Baugrundstück liegt innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile der Gemeinde Mainaschaff. Für das Baugrundstück besteht kein Bebauungsplan. Ausgangspunkt der bauplanungsrechtlichen Beurteilung ist daher § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB. Danach ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden (§ 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der aufgrund des § 9a BauGB erlassenen Verordnung (BauNVO) bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen ist § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden (§ 34 Abs. 2 BauGB).
Die geplante Werbeanlage ist gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO nach der Art der baulichen Nutzung allgemein zulässig. Die Kammer teilt aufgrund der vorliegenden Pläne und Lichtbilder und insbesondere aufgrund des im gerichtlichen Ortstermin gewonnenen Eindrucks die insoweit übereinstimmende Bewertung der Beteiligten, dass die nähere Umgebung des Baugrundstücks einem Mischgebiet i.S.d. § 6 BauNVO entspricht, da diese durch ein Nebeneinander von Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung geprägt ist. Bei Anlagen der Fremdwerbung handelt es sich zwar nicht um Gewerbebetriebe, sie werden jedoch als einem Gewerbebetrieb dienende Hauptnutzungen wie ein solcher behandelt (BayVGH, U.v. 11.12.2007 – 14 B 06.2880; U.v. 28.10.2005 – 26 B 04.1484 – beide juris m.w.N.).
Die geplante Werbeanlage beeinträchtigt auch nicht das i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauGB geschützte Ortsbild. Das im Baugesetzbuch geregelte und damit dem Kompetenztitel des Bodenrechts entstammende Beeinträchtigungsverbot erfasst nur solche Beeinträchtigungen, die bodenrechtliche Spannungen zu erzeugen in der Lage sind. Solche ergeben sich nicht schon aus jeder ästhetisch unschönen Baugestaltung, sondern nur, wenn eine größere Umgebung der Gemeinde tangiert ist, die über den Umgriff der näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinausreicht (BVerwG, U.v. 11.5.2000 – 4 C 14/98 – NVwZ 2000, 1169/1170). Für die Beeinträchtigung des Ortsbilds genügt einerseits nicht jedes „Berührtsein“ des Ortsbilds, andererseits ist aber auch nicht nur eine Verunstaltung, wie dies § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB voraussetzt, umfasst (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2016, § 34 Rn. 69 m.w.N.). Gemessen an diesen Grundsätzen kann eine Beeinträchtigung des Ortsbilds seitens der Kammer hier nicht festgestellt werden. Wie der gerichtliche Augenschein (vgl. Lichtbilder) gezeigt hat, ist der Bereich um die Johann-Dahlem Straße von Gewerbe bzw. aufgegebenem Gewerbe geprägt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Werbeanlage unmittelbar im Blickfeld zusammen mit Denkmälern und anderen Bauten, die für das Ortsbild von besonderer Bedeutung sind, wie etwa Türmen, Kirchen oder Fachwerkgebäuden, liegt. Aus diesem Grund ist die Beeinträchtigung eines größeren Bereichs des Gemeindegebiets in Bezug auf das Ortsbild ausgeschlossen. Eine Verletzung des städtebaulichen Beeinträchtigungsverbots liegt nicht vor.
2. Auch eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs (Art. 14 Abs. 2 BayBO i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO) steht dem Vorhaben nicht entgegen.
Der Beklagte beruft sich auf seine durch Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO eröffnete Befugnis, ausnahmsweise im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren auch Bauordnungsrecht zu prüfen, und hat die Ablehnung auf einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 BayBO gestützt.
Die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 BayBO liegen jedoch nicht vor. Es ist nicht davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Werbeanlage am Vorhabenstandort die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gefährdet. Der Oberbegriff der „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ hat zum Ziel, dass kein Verkehrsteilnehmer gefährdet (Sicherheit) oder mehr als nach den Umständen unvermeidlich behindert oder belästigt wird (Leichtigkeit). Die Sicherheit hat also die Abwendung von Gefahren für den Verkehr und ausgehend von dem Verkehr im Blick, die Leichtigkeit den möglichst ungehinderten Verkehrsfluss.
Die Sicherheit des Verkehrs wird durch das Bauvorhaben nicht merklich beeinträchtigt. In einem innerörtlichen, gewerblich geprägten Bereich – wie hier – sind die Verkehrsteilnehmer an das Vorhandensein von Werbeanlagen gewöhnt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 30.07.2012 – 9 ZB 11.2280 – juris Rn. 10). Werbeanlagen werden insbesondere dann wahrgenommen, wenn der Verkehr stockt oder gar vollständig zum Erliegen kommt. Eine gewisse Ablenkungswirkung von Werbeanlagen für die Verkehrsteilnehmer besteht letztlich immer (vgl. BayVGH a.a.O.). Angesichts der erlaubten Fahrgeschwindigkeit innerorts von 50 km/h ist die Sicherheit des Verkehrs grundsätzlich nicht merklich beeinträchtigt. Ein der Straßenverkehrsordnung nicht entsprechendes Verhalten der Verkehrsteilnehmer – beispielsweise die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit – kann der Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens dabei nicht zugrunde gelegt werden.
Nichts anders ergibt sich unter Berücksichtigung der vom Beklagten als Argument gegen das Vorhaben angeführten Unfallzahlen. Unabhängig davon, ob vorliegend die Bezeichnung des Bereiches um den Vorhabenstandort als „Unfallschwerpunkt“ oder „Unfallgefahrenpunkt“ verkehrstechnisch gerechtfertigt sein mag oder nicht, legt die im Verfahren eingebrachte Stellungnahme der Polizeiinspektion Aschaffenburg vom 31. August 2015 (Bl. 20 d.A.) nicht nahe, dass vorliegend eine besondere Gefährdung der Sicherheit des Verkehrs zu besorgen wäre. In dem Schreiben wird ausgeführt, dass an der Kreuzung Johann-Dahlem Straße / Goethe Straße im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. August 2015 insgesamt fünf Unfälle mit Sachschaden bzw. Personenschaden registriert wurden. Zwei Personen wurden schwer verletzt und eine Person leicht. Ferner ereigneten sich drei Kleinunfälle mit Sachschäden. Für einen derart großen Zeitraum erscheinen dem Gericht die Unfallzahlen nicht als außergewöhnlich hoch. Aus den im Verfahren in Bezug genommenen Unfallzahlen lässt sich nichts dafür herleiten, dass die streitgegenständliche Werbeanlage die Verkehrssicherheit spürbar verschlechtern könnte. Anlässlich des Ortstermins wiederholte der Vertreter der Polizeiinspektion Aschaffenburg im Wesentlichen die bereits schriftlich vorgetragenen Argumente, so dass sich keine neuen Aspekte ergaben, die in eine Entscheidung des Gerichts einfließen müssten.
Angesichts der ohnehin vorhandenen Werbungen (vgl. die Feststellungen im Augenscheinstermin), die auf den Straßenverkehr bereits einwirken, erscheint es auch nicht als realistisch, dass die Verkehrssicherheit in diesem Bereich der Johann-Dahlem Straße durch eine weitere Werbeanlage signifikant sinken würde.
Schließlich sind auch die Verkehrsverhältnisse im Umgriff des Vorhabens nicht von einer derartigen Schwierigkeit, dass es die Verkehrssicherheit erfordern würde, die streitgegenständliche Werbeanlage abzulehnen. Die Johann-Dahlem Straße stellt sich als gerade Strecke ohne Kurvenführung dar, was es den Verkehrsteilnehmern ermöglicht, den Verkehr über eine große Entfernung zu beobachten und sich auf Gefahrensituationen einzustellen. Es ist nicht zu erwarten, dass etwa die Sichtverhältnisse durch die streitgegenständliche Werbeanlage, die quer zur Straßenachse und in das Grundstück Fl.Nr. …33 eingerückt errichtet werden soll, unzumutbar erschwert würden.
Im hier beachtlichen Straßenabschnitt sind die verschiedenen Nutzungen der Straße (durch Fußgänger, Radfahrer und sonstige Nutzer wie PKW und LKW) zudem klar voneinander abgegrenzt durch die Einrichtung verschiedener Fahr- bzw. Abbiegestreifen. Der Kreuzungsbereich ist großzügig ausgebaut und gut einsehbar. Auch wenn im Kreuzungsbereich eine gewisse Sorgfalt der Verkehrsteilnehmer geboten ist, handelt es sich keineswegs um eine völlig außergewöhnliche oder verkehrsmäßig besonders schwierige Situation. Vielmehr ist vom durchschnittlichen Fahrzeugführer – der heutzutage an vielfältige Ablenkungen im Straßenverkehr gewöhnt ist – ohne weiteres zu verlangen, dass er seine Aufmerksamkeit in Kreuzungsbereichen auf andere Verkehrsteilnehmer richtet, die die Kreuzung in unterschiedlichen Formen passieren. Hinzu kommt, dass sich die Verkehrsbelastung in der Johann-Dahlem Straße ebenso wie in der Goethe Straße in Grenzen hält. Über den üblichen Durchgangsverkehr hinaus konnte die Kammer anlässlich des Ortstermins keine übermäßige Frequentierung und starke Verkehrsbelastung der Straßen feststellen.
Auch nach den Anforderungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann demnach vorliegend eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ausgeschlossen werden. Für eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs im bauordnungsrechtlichen Sinn ist nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht die überwiegende oder hohe Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass durch die Werbeanlage ein Verkehrsunfall verursacht oder der Verkehr in seinem Ablauf behindert wird. Vielmehr wird die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch eine solche bauliche Anlage bereits dann – konkret – gefährdet, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender oder „bloßer“ Wahrscheinlichkeit ein Verkehrsunfall oder doch eine Verkehrsbehinderung in überschaubarer Zukunft zu erwarten ist, insbesondere ein Durchschnittskraftfahrer durch sie abgelenkt wird (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2011 – 15 ZB 10.2409 – juris; B.v. 24.2.2003 – 2 CS 02.2730 – juris). Die Wahrscheinlichkeit eines Verkehrsunfalls oder einer Verkehrsbehinderung wird jedoch nach dem soeben Ausgeführten infolge der Errichtung der Werbetafel nicht erhöht, jedenfalls nicht in einem beachtlichen Maße. Hierbei ist besonders zu beachten, dass es sich um eine Werbeanlage ohne Bildwechsel handelt, für die nur ausnahmsweise eine verkehrsgefährdende Wirkung angenommen wird (OVG NW, U.v, 28.8.2013 – 10 A 1150/12 – juris Rn. 38 ff.). Verkehrsteilnehmer im modernen Stadtverkehr sind ständig Werbung aller Art ausgesetzt, so dass von Werbeanlagen ohne Bildwechsel in der Regel keine Ablenkung und damit keine verkehrsgefährdende Wirkung ausgeht (VG SH, U.v. 29.4.2015 – 8 A 19/14 – juris Rn. 27; VGH BW, U.v. 16.6.2003 – 3 S 2324/02 – juris Rn. 43). Eine besondere Auffälligkeit der Gestaltung der Plakatanschlagtafel oder auch eine besondere verkehrliche Situation, die zu einer anderweitigen Einschätzung zwingen würde, konnte vorliegend jedoch – wie soeben dargelegt – nicht festgestellt werden.
Nach alledem ist der Beklagte zu verpflichten, die streitgegenständliche Baugenehmigung hinsichtlich der freistehenden Werbeanlage zu erteilen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Gemäß § 154 Abs. 3 VwGO konnten der Beigeladenen Kosten auferlegt werden, da sie sich durch Antragstellung am Kostenrisiko beteiligt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m §§ 708 ff. ZPO.


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