Baurecht

Erfolgreicher Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan

Aktenzeichen  15 N 20.346

Datum:
20.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36134
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47
BauNVO § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
BauGB § 214 Abs. 4

 

Leitsatz

Der Plangeber hat sicherzustellen hat, dass die Planbetroffenen sich auch vom Inhalt der in Bezug genommenen DIN-Vorschriften verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis verschaffen können, ansonsten liegt ein Verkündungsmangel vor, der zur (dauerhaft beachtlichen) Unwirksamkeit des Bebauungsplans führt, solange der Mangel nicht – etwa im ergänzenden Verfahren nach Maßgabe des § 214 Abs. 4 BauGB – geheilt wird  (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der am 28. Februar 2019 öffentlich bekannt gemachte Bebauungsplan Nr. 3 “Östlich der H… Straße, zwischen Z…- und A…straße” der Antragsgegnerin ist unwirksam.
II.Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. 
III.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV.Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der zulässige Normenkontrollantrag hat Erfolg.
1. Der streitgegenständliche Bebauungsplan ist bereits deshalb unwirksam, weil er an – von Amts wegen geprüften – Mängeln leidet.
a) Der Bebauungsplan nimmt in seinen textlichen Festsetzungen (insbesondere Nr. 17.3) Bezug auf nicht öffentlich zugängliche DIN-Vorschriften, aus denen sich erst ergibt, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist. Die Antragsgegnerin hat jedoch weder in der Planurkunde noch in der Bekanntmachung der Satzung auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die DIN-Vorschriften bei der Verwaltungsstelle hingewiesen, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann. Damit liegt nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 18.8.2016 – 4 BN 24.16 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 9 N 13.558 – juris Rn. 27 ff. m.w.N.) ein Mangel im Hinblick auf die an die Verkündung von Rechtsnormen zu stellenden rechtsstaatlichen Anforderungen vor, weil der Plangeber sicherzustellen hat, dass die Planbetroffenen sich auch vom Inhalt der in Bezug genommenen DIN-Vorschriften verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis verschaffen können. Dieser Verkündungsmangel führt zur (dauerhaft beachtlichen) Unwirksamkeit des Bebauungsplans, solange der Mangel nicht – etwa im ergänzenden Verfahren nach Maßgabe des § 214 Abs. 4 BauGB – geheilt wird (vgl. hierzu z.B. BayVGH, U.v. 4.8.2015 – 15 N 12.2124 – juris Rn. 20 ff. m.w.N.). Eine Heilung des Verkündungsmangels, auf den das Gericht die Beteiligten im Vorfeld der mündlichen Verhandlung hingewiesen hatte, ist bis zur gerichtlichen Entscheidung nicht erfolgt.
b) Der Bebauungsplan sieht zudem in Nr. 17.3 der textlichen Festsetzungen ein einheitliches Emissionskontingent für die „gewerblichen Bauflächen im Plangebiet“ vor und wird damit – worauf das Gericht die Beteiligten im Vorfeld der mündlichen Verhandlung ebenfalls hingewiesen hatte – nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts den Anforderungen der für eine solche Festsetzung maßgeblichen Rechtsgrundlage (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO) nicht gerecht. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO ermöglicht zwar eine räumliche Zuteilung von Emissionsrechten, nicht aber deren das gesamte Baugebiet erfassende Beschränkung. Denn dem in § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO genannten Tatbestandsmerkmal des „Gliederns“ wird nur dann Rechnung getragen, wenn das Baugebiet in einzelne Teilgebiete mit verschieden hohen Emissionskontingenten zerlegt wird (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 9.3.2015 – 4 BN 26.14 – BauR 2015, 943 f.). Die Festsetzung eines einheitlichen Emissionskontingents für das gesamte Baugebiet ist somit von der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nicht gedeckt (vgl. ferner z.B. BVerwG, U.v. 7.12.2017 – 4 CN 7/16 – juris Rn. 14 f. m.w.N.).
Die Unwirksamkeit der Nr. 17.3 der textlichen Festsetzungen führt zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans, weil die mit dieser Festsetzung beabsichtigte Lösung des Lärmkonflikts zwischen dem neu festgesetzten Gewerbegebiet (mit dem dort bereits bestehenden Gewerbebetrieb des Antragstellers) und der geplanten neuen Wohnnutzung ein wesentliches Anliegen des Bebauungsplans ist. Es kann deshalb unter Berücksichtigung des im Planverfahren zum Ausdruck gekommenen Willens der Antragsgegnerin nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan auch ohne die unwirksame Festsetzung beschlossen hätte (vgl. hierzu z.B. BayVGH, U.v. 4.8.2017 – 15 N 15.1713 – NVwZ-RR 2017, 953 = juris Rn. 40 m.w.N.).
2. Nach alledem kommt es für die gerichtliche Entscheidung nicht mehr darauf an, ob – wie in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert wurde – noch weitere (einzelne) Festsetzungen des Bebauungsplans unwirksam sind oder der Bebauungsplan an Abwägungsmängeln leidet.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
5. Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.


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