Baurecht

Erhaltungssatzung dient rein städtebaulichen Zielen

Aktenzeichen  9 ZB 18.172

Datum:
26.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30472
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 172
BayDSchG Art. 4

 

Leitsatz

1. Erhaltungssatzungen haben sich auf städtebauliche Ziele zu beschränken. Das Denkmalschutzrecht hat demgegenüber die Erhaltung baulicher Anlagen aus historischen Gründen zum Gegenstand. Eine Gleichbehandlung der Rechtsmaterien ist nicht geboten. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Gegensatz zum Denkmalschutzrecht (vgl. Art. 4 BayDSchG) besteht im Rahmen des § 172 BauGB keine Gefahr der nachträglichen Entwertung einer in Erfüllung der dem Eigentümer auferlegten Erhaltungspflicht getätigten Investition in die Denkmalsubstanz. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 K 16.2026 2017-11-30 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 12.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung vom 14. Oktober 2016 durch die Beklagte für den Neubau von drei Reihenhäusern mit Carports an die Beigeladenen auf ihrem westlichen Nachbargrundstück. Sie ist der Ansicht, dass ihr die Satzung der Beklagten zur Erhaltung baulicher Anlagen im Bereich des Burgbergs (Erhaltungssatzung – ErhS) in der Fassung vom 10. Dezember 2001 Drittschutz vermittle und durch den Abbruch des vormaligen Gebäudes auf dem Baugrundstück der Ensembleschutz und die Erhaltungswürdigkeit ihres Gebäudes verloren gehe. Den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. November 2016 ab; die Beschwerde hiergegen blieb erfolglos (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 9 CS 16.2522). Mit Urteil vom 30. November 2017 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. An der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und die Rechtssache hat auch nicht die von der Klägerin angeführte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Abgesehen davon, dass das Zulassungsvorbringen im Wesentlichen die Rechtsauffassung der Klägerin aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt, lässt sich ihm nichts dafür entnehmen, dass die Erhaltungssatzung der Beklagten über die rein städtebauliche Zielsetzung des § 172 Abs. 1 BauGB hinaus Eigentümern von im Geltungsbereich gelegenen Grundstücken generell oder im Einzelfall Abwehrrechte gegen benachbarte Vorhaben gewährt (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 9 CS 16.2522 – juris Rn. 14 m.w.N.; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand Juli 2020, Art. 66 Rn. 410; Mischang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 172 R. 66). Soweit sich die Klägerin – zudem nach Ablauf der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO – allein auf den Aufsatz von Hornmann (NVwZ 2017, 601 ff.) beruft, ändert dies hieran nichts. Denn Erhaltungssatzungen haben sich auf städtebauliche Ziele zu beschränken und während das Bodenrecht die zu erhaltenden baulichen Anlagen in ihrer Beziehung zur aktuellen Siedlungsstruktur und ihrer stadträumlichen Funktion für das gegenwärtige Zusammenleben der Menschen in der Gemeinde in den Blick nimmt, hat das Denkmalschutzrecht die Erhaltung der baulichen Anlagen aus historischen Gründen zum Gegenstand (vgl. Krautzberger in Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 4. Aufl. 2017, Teil H Rn. 64 f.), so dass eine Gleichbehandlung der verschiedenen Rechtsmaterien nicht geboten ist. Zudem ergeben sich auch aus der gesetzlichen Entstehungsgeschichte keine Anhaltspunkte für Drittschutz (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2020, § 172 Rn. 3 – 6 m.w.N.) und auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist ein dem Denkmalschutzrecht vergleichbarer Drittschutz im Rahmen der Erhaltungssatzung nicht geboten (vgl. OVG Hamburg, B.v. 18.6.2015 – 2 Bs 99/15 – juris Rn. 31; Stock in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 172 Rn. 214). Denn im Gegensatz zum Denkmalschutzrecht (vgl. Art. 4 DSchG) besteht im Rahmen des § 172 BauGB keine Gefahr der nachträglichen Entwertung einer in Erfüllung der dem Eigentümer auferlegten Erhaltungspflicht getätigten Investition in die Denkmalsubstanz (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2016 – 4 BN 11.15 – juris Rn. 10). Die eigentumsgestaltende Wirkung der Unterschutzstellung erschöpft sich im Denkmalschutzrecht gerade nicht in den Beschränkungen der Verfügungsbefugnis, sondern verpflichtet darüber hinaus auch zu einer Erhaltungspflicht, die in erster Linie eine Rechtspflicht zu positivem Tun ist. Demgegenüber sind Instandhaltungspflichten auf Grundlage des Städtebaurechts nur im Einzelfall nach § 175 Abs. 2, § 177 Abs. 1 BauGB möglich (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 4 C 3.08 – juris Rn. 10 f.). Das Zulassungsvorbringen zeigt insoweit weder auf, dass ein solcher Fall vorliegt, noch geht es auf diese Unterschiede substantieller Art ein. Auf die im Zulassungsvorbringen weiter angesprochenen Aspekte, dass weitere Reihenhausbebauung nur außerhalb des Satzungsgebiets vorhanden sei und das klägerische Gebäude – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – erheblich beeinträchtigt werde, kommt es damit nicht an.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2020 – 9 ZB 17.2306 – juris Rn. 18).
Die Klägerin hat bereits keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert. Sofern dem Vorbringen sinngemäß die Frage des Drittschutzes von Erhaltungssatzungen entnommen werden kann, zeigt das Zulassungsvorbringen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung auf. Denn auch bei Unterstellung der von der Antragstellerin angeführten Vergleichbarkeit mit dem Denkmalschutzrecht (vgl. BVerwG, B.v. 14.9.2017 – 4 B 28.17) würde Drittschutz nur bei einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebäudes der Klägerin in Betracht kommen (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 4 C 2.08 – juris Rn. 15; B.v. 12.1.2016 – 4 BN 11.15 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2457 – juris Rn. 43 m.w.N.), was wiederum von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2020 – 1 CS 20.1440 – juris Rn. 2). Darüber hinaus ist die Frage nicht entscheidungserheblich, weil das Verwaltungsgericht auch den Anwendungsbereich der Erhaltungssatzung verneint hat, was mit dem Zulassungsvorbringen nicht angegriffen wird (vgl. auch BayVGH, B.v. 9.8.2019 – 9 CS 19.1109 – juris Rn. 17).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladenen im Zulassungsverfahren einen rechtlich die Sache förderlichen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 und entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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