Baurecht

Erhebung eines Straßenausbaubeitrags wegen eines Sondervorteils

Aktenzeichen  6 ZB 19.525

Datum:
25.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30457
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Weder der Niveauunterschied zwischen einem Grundstück und einer tiefer liegenden Straße noch eine auf dem betreffenden Grundstück errichtete durchgehende Stützmauer stellen jedenfalls dann kein – einen beitragsrelevanten ausschließenden Sondervorteil – beachtliches Hindernis dar, solange der Niveauunterschied als natürliches Hindernis mit dem Grundeigentümer zumutbaren finanziellen Mitteln ausräumbar ist.  (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 11 K 17.1703 2019-02-20 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. Februar 2019 – RN 11 K 17.1703 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.982,63 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg.
1. Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid vom 22. August 2017, mit dem er von der beklagten Stadt auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung und der Straßenausbaubeitragssatzung vom 8. Mai 2003 zu einem Beitrag in Höhe von 1.982,63 € für den Ausbau der Straße Am Hang herangezogen worden ist. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass das klägerische Grundstück zum Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke gehört, auch wenn es etwa 2 m über der Straße liegt und zu dieser durch eine Mauer abgestützt ist.
2. Die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO, die der Kläger innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gegen das erstinstanzliche Urteil dargelegt hat, liegen nicht vor ( 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
a) An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 26.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Urteils ergeben sich aus dem Umstand, dass die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) rückwirkend zum 1. Januar 2018 verboten worden ist (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG n.F.). Denn für Beiträge und für Vorauszahlungen, die – wie hier – bis zum 31. Dezember 2017 durch Bescheid festgesetzt worden sind, verbleibt es nach Maßgabe der Übergangsvorschriften in Art. 19 Abs. 7 und 8 KAG bei der früheren, bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Rechtslage, die sich aus dem Kommunalabgabengesetz selbst (KAG a.F.) und dem auf seiner Grundlage wirksam erlassenen gemeindlichen Satzungsrecht ergibt.
In Anwendung dieser (alten) Rechtslage hat das Verwaltungsgericht einen die Beitragserhebung rechtfertigenden Sondervorteil im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG a.F. für das klägerische Grundstück zu Recht bejaht.
Eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße von einem bestimmten Grundstück aus setzt eine Erreichbarkeit voraus, die für dessen bestimmungsgemäße Nutzung erforderlich ist. Dazu bedarf es in der Regel – und so auch hier – der Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen (Heranfahrenkönnen). Diese Grundform der Erreichbarkeit ist erfüllt, wenn auf der Fahrbahn der ausgebauten Ortsstraße bis zur Höhe dieses Grundstücks mit Personen- und kleineren Versorgungsfahrzeugen gefahren und es von da ab gegebenenfalls über einen dazwischen liegenden Gehweg, Radweg oder Seitenstreifen in rechtlich zulässiger und tatsächlich zumutbarer Weise betreten werden kann (vgl. BayVGH‚ U.v. 29.11.2018 – 6 B 18.248 – juris Rn. 27). Es muss nicht gewährleistet sein, das Grundstück zu jeder beliebigen Zeit völlig reibungslos und ohne jegliche Behinderung durch andere Verkehrsteilnehmer zu erreichen. Dass vor dem Grundstück geparkt werden darf, ist nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2015 – 6 B 14.606 – juris Rn. 21).
Diese Voraussetzungen sind, wie das Verwaltungsgericht mit überzeugender Begründung ausgeführt hat, für das unmittelbar an die Straße angrenzende Grundstück des Klägers erfüllt. Daran begründen die mit dem Zulassungsantrag vorgebrachten Einwände keine Zweifel, denen in einem Berufungsverfahren weiter nachzugehen wäre.
Dass das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück auch an eine andere Straße grenzt und dorthin Zugang wie Zufahrt orientiert sind, ist beitragsrechtlich unerheblich. Maßgeblich ist nicht die tatsächliche Inanspruchnahme, sondern allein die Möglichkeit der Inanspruchnahme, auch wenn sie der Grundstückeigentümer als wertlos empfindet (zur „Mehrfacherschließung“ etwa BayVGH, U.v. 8.3.2010 – 6 B 09.1957 – juris Rn. 19; B.v. 18.12.2012 – 6 CS 12.2550 – juris Rn. 10).
Weder der Niveauunterschied zwischen dem Grundstück und der tiefer liegenden Straße noch die auf dem Grundstück errichtete durchgehende Stützmauer mit einer Höhe von etwa 2 m stellen ein beachtliches Hindernis dar, das einen beitragsrelevanten Sondervorteil – zu Lasten der übrigen Anlieger – ausschließt. Der Niveauunterschied kann als natürliches Hindernis der Annahme eines Sondervorteils nicht entgegenstehen, wenn er mit dem Grundeigentümer zumutbaren finanziellen Mitteln ausräumbar ist. Zumutbar ist der Aufwand, den ein „vernünftiger“ Eigentümer aufbringen würde, um eine angemessene Nutzbarkeit seines Grundstücks gerade um dieser Straße willen – eine anderweitige verkehrsmäßige Erschließung hinweggedacht – zu ermöglichen (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2018 – 6 B 18.248 – juris Rn. 31; Driehaus in ders. , Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 402). Gemessen daran kann der Höhenunterschied von etwa 2 m ohne weiteres durch Anlegung einer Treppe – wie auf dem Nachbargrundstück – überwunden und das Zugangshindernis dadurch ausgeräumt werden. Inwiefern der Kläger an der Anlegung eines solchen Treppenzugangs rechtlich gehindert sein soll, ist auch mit Blick auf das Schreiben der Beklagten vom 24. September 2013 oder auf die in der Zulassungsschrift angeführten „bau- bzw. umweltrechtlichen“ Gesichtspunkte nicht nachvollziehbar. In tatsächlicher Hinsicht erfordert das Anlegen einer Treppe – aus dem maßgeblichen Blickwinkel eines „vernünftigen“ Eigentümers, der das Grundstück unter Hinwegdenken seiner Anbindung an eine andere Straße angemessen nutzen will – keinen unzumutbaren Aufwand. Dass der Kläger an dem Bau einer solchen Treppe keinerlei Interesse hat, ist angesichts der örtlichen Verhältnisse verständlich, muss beitragsrechtlich aber ohne Bedeutung bleiben. Denn die Annahme eines beitragsrelevanten Sondervorteils hängt nicht davon ab, dass der Grundstückeigentümer von der ihm gebotenen qualifizierten Inanspruchnahmemöglichkeit tatsächlich Gebrauch machen will.
Künstliche Zugangshindernisse, die der Kläger oder seine Rechtsvorgänger auf dem Grundstück selbst geschaffen haben, wie die Stützmauer oder andere bauliche Anlagen, sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats unbeachtlich (etwa BayVGH, U.v. 8.3.2010 – 6 B 09.1957 – juris Rn. 20 m.w.N.). Sie können eine Herausnahme des Grundstücks aus der Beitragspflicht, die zum Nachteil der übrigen Anliegergrundstücke gehen würde, nicht rechtfertigen. Das gilt – anders als bei natürlichen Hindernissen auf dem Anliegergrundstück – auch dann, wenn sich die Beseitigung eines solchen selbst geschaffenen Hindernisses im Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Nutzen, der sich mit der (Wieder-)Herstellung der Inanspruchnahmemöglichkeit erzielen lässt, als vergleichsweise kostspielig und deshalb unwirtschaftlich erweist.
b) Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die aufgeworfenen Fragen lassen sich aus den oben genannten Gründen im Sinn des Verwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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