Baurecht

Errichtung eines Boardinghouse, Wohngebiet, Doppelhaus, 8 Wohneinheiten.

Aktenzeichen  9 ZB 18.2590, 9 ZB 18.2591, 9 ZB 18.2593

Datum:
3.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 919
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 3
BauNVO. § 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 9 K 17.01594, AN 9 K 17.01606, AN 9 K 17.01638, AN 9 K 17.01645, AN 9 K 17.01640, AN 9 K 17.01647 2018-10-08 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
III. Die Klägerinnen und Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 60.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerinnen und Kläger (im Folgenden: Kläger) wenden sich als Miteigentümer eines benachbarten Grundstücks gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen zur Errichtung zweier Doppelhaushälften, die als Boardinghouse mit insgesamt 8 Wohneinheiten genutzt werden sollen. Das Verwaltungsgericht hat ihre entsprechenden Klagen abgewiesen. Die nach § 34 BauGB zu beurteilenden Vorhaben seien zulässig und verletzten keine Rechte der Kläger.
Mit ihren Anträgen auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzziel weiter und machen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltend. Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Urteile; die Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die Verfahren sind aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 93 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden, weil sie denselben Streitgegenstand betreffen und mit gleichlautenden Schriftsätzen begründet wurden.
2. Die Anträge auf Zulassung der Berufung bleiben in der Sache ohne Erfolg.
Aus dem Vorbringen der Kläger ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen nur dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Das ist hier nicht der Fall. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sich Dritte – wie hier die Kläger als Nachbarn – nur dann im Wege einer Anfechtungsklage mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen können, wenn diese rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz der betreffenden Dritten zu dienen bestimmt ist (sog. Schutznormtheorie, vgl. z. B. BayVGH, B.v. 30.7.2019 – 15 CS 19.1227 – juris). Auf Basis des Vortrags im Zulassungsverfahren ist nicht ersichtlich, dass die streitgegenständlichen Baugenehmigungen wegen Verletzung einer solchen dritt- bzw. nachbarschützenden Norm rechtswidrig sein und subjektive Rechte der Kläger verletzen könnten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat nimmt deshalb zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die Gründe des angefochtenen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen noch folgendes anzumerken:
Der (sinngemäße) Einwand der Kläger, das Verwaltungsgericht habe trotz der vorhandenen Arztpraxis, einer Pferdepension und eines ehemaligen Gasthofs, der derzeit befristet als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird, ohne die Durchführung eines Augenscheins zu Unrecht angenommen, die Eigenart der näheren Umgebung der Bauvorhaben, vgl. § 34 Abs. 2 BauGB, entspreche einem allgemeinen (§ 4 BauNVO), nicht jedoch einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO), wobei eine entsprechende genaue Einordnung letztlich dahinstehen könne, verfängt nicht. Denn das Verwaltungsgericht hat – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 8, 15) – weiter festgestellt, ein sog. Boardinghouse stelle eine bauplanungsrechtlich nicht näher geregelte Übergangsform zwischen Wohnnutzung und Beherbergungsbetrieb dar, deren konkrete Zuordnung von den Verhältnissen des Einzelfalls abhänge. Qualifiziere man das von der Beigeladenen vorgelegte Konzept schwerpunktmäßig als Wohnnutzung, so sei das Vorhaben gleichermaßen in einem allgemeinen wie auch einem reinen Wohngebiet zulässig. Gehe man hingegen mit der Beklagten von einer Nutzung des geplanten Doppelhauses als Beherbergungsbetrieb aus, dann sei diese ebenfalls sowohl in einem allgemeinen als auch – ausnahmsweise – in einem reinen Wohngebiet gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zulässig, da es sich hier um einen kleinen Betrieb im Sinne dieser Vorschrift handele. Diese Ausführungen sind aus zulassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang außerdem geltend machen, der geplante Betrieb sei tatsächlich nicht klein und werde sich insbesondere aufgrund der Anzahl seiner Nutzer nicht unauffällig in das bestehende Wohngebiet einordnen, sondern störend auf die Umgebung auswirken, verhilft dies ihrem Zulassungsbegehren ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Kläger selbst gehen mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass sich die Doppelhaushälften im Hinblick auf ihre Größe und äußere Gestaltung in die vorhandene Umgebung einfügen. Dasselbe ist aber – wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist – auch für die geplante längerfristige, d. h. in der Regel mehrmonatige Belegung der geplanten 4 Wohneinheiten pro Doppelhaushälfte mit höchstens jeweils zwei Personen anzunehmen. Diese werden dort nach dem vorgelegten Nutzungskonzept, ähnlich wie auch die benachbarten Anwohner selbst, ausschließlich wohnen oder übernachten, ohne jedoch, wie etwa die Gäste eines herkömmlichen Hotel- bzw. sonstigen Beherbergungsbetriebs, ein zusätzliches Bewirtungs- oder Freizeitangebot in Anspruch zu nehmen. Soweit die Kläger insoweit die praktische Einhaltung des Nutzungskonzepts in Zweifel ziehen, hat bereits das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Verfahren allein die ergangenen Genehmigungen mit den zugrundeliegenden konkreten Betriebsbeschreibungen Streitgegenstand sind. Eine eventuell von der Genehmigung abweichende künftige Nutzung ist nicht nur spekulativ, sondern könnte auch nur Gegenstand gesonderten behördlichen Einschreitens sein.
Und schließlich ist das angefochtene Urteil auch nicht deshalb unrichtig, weil – wie die Kläger meinen – das Verwaltungsgericht „völlig außer Acht gelassen“ habe, dass lediglich 5 Stellplätze zu dem Boardinghouse mit 8 Wohneinheiten gehören, was die Gefahr „wilden Zuparkens“ und „erheblicher Streitigkeiten“ mit den Anwohnern begründe. Abgesehen davon, dass die – maximal – 16 zeitgleich das Boardinghouse nutzenden Bewohner angesichts der dafür erforderlichen Doppelbelegung der Zimmer möglicherweise nicht alle über ein eigenes Kraftfahrzeug verfügen, ist eine durch die Bauvorhaben tatsächlich entstehende, gravierende Parkraumnot in dem streitgegenständlichen Gebiet weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 VwGO. Die Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert, es entspricht deshalb der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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