Aktenzeichen 15 ZB 20.470
Leitsatz
Eine Gemeinde hat für ihre Bebauungspläne keine Verwerfungskompetenz und kann sich daher regelmäßig nicht darauf berufen, ihr eigener Bebauungsplan sei nichtig. Dies muss auch für einzelne Festsetzungen (hier Funktionslosigkeit der ursprünglich festgesetzten Baugrenzen) gelten, denn auch die Bauaufsichtsbehörde kann die Festsetzungen nicht einfach unbeachtet lassen, da ihr ebenfalls keine Normverwerfungskompetenz zusteht. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 6 K 19.521 2020-01-21 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen einen der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid und die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „B* … …“ unter Ersetzung ihres Einvernehmens.
Die Beigeladenen sind Eigentümer des mit einem Reihenmittelhaus bebauten Grundstücks FlNr. … Gemarkung P* … (Baugrundstück). Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des am 14. Oktober 1968 bekannt gemachten Bebauungsplans „B* … …“, der im Bereich des Baugrundstücks ein allgemeines Wohngebiet sowie eine vordere, seitliche und rückwärtige Baugrenze festsetzt. Nach den textlichen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung sind Erdgeschoss und ein Obergeschoss, eine GRZ von 0,4 und eine GFZ von 0,7 möglich (E+1, Nr. 2.33 i.V.m. 1.13 der Festsetzungen). Hinsichtlich der Gestaltung ist eine Dachneigung von 20 – 25° und eine Traufhöhe bis zu 6,25 m (Nr. 1.51 zu 2.33) zulässig. Unzulässig sind Dachgauben, ein Kniestock und ein Sockel über 50 cm (Nr. 1.51 zu 2.33). Der Ortgang muss mind. 30 cm, die Traufe mind. 50 cm Überstand haben (Nr. 1.54). Mit Deckblatt Nr. 2 änderte die Klägerin den Bebauungsplan und setzte eine rückwärtige Baugrenze und eine Nutzungsabgrenzungslinie fest. Es sollte damit die Errichtung von eingeschossigen Wintergärten ermöglicht werden, um den Bebauungsplan an aktuelle Wohnraumbedürfnisse anzupassen und den Wünschen der Eigentümer nachzukommen.
Am 20. Juni 2018 reichten die Beigeladenen bei der Klägerin einen Antrag auf Vorbescheid für eine Dachstuhlerneuerung mit Raumerhöhung im 1. Obergeschoss ein. Danach soll die bestehende Dachneigung von 18° auf 25° und die Traufhöhe bei Entfernung der obersten Geschoßdecke und Erhöhung der Außenwände, aber ohne Errichtung eines Kniestocks, auf 6,25 m erhöht werden. Der Bau- und Grundstücksausschuss lehnte die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens ab, da das Vorhaben zwar dem Bebauungsplan entspreche, aber rechtsmissbräuchlich sei, da kein zusätzlicher Wohnraum im Dachgeschoss geschaffen werde. Mit der Durchführung des Vorhabens sei eine geordnete städtebauliche Entwicklung nicht mehr gegeben. Mit Schreiben vom 14. Januar 2019 teilte das Landratsamt Passau (im Folgenden: Landratsamt) den Beigeladenen mit, das Vorhaben entspreche hinsichtlich Dachneigung, Traufhöhe und Kniestock den Festsetzungen des Bebauungsplans und das Einvernehmen der Klägerin sei daher nicht erforderlich. Allerdings befinde sich das Vorhaben außerhalb der festgesetzten Baugrenze. Es müsse daher eine Befreiung beantragt werden, zu der das Einvernehmen der Klägerin erforderlich sei. Ebenso müsse eine Abweichung von den Abstandsflächen beantragt werden, wofür das Einvernehmen der Klägerin aber nicht notwendig sei. Die Beigeladenen beantragten daher am 20. Januar 2019 eine Abweichung. Am 12. Februar 2019 teilte das Landratsamt dem Sohn der Beigeladenen mit, es sei Rücksprache mit der Klägerin gehalten worden, die das für die Befreiung erforderliche Einvernehmen nicht erteile. Deshalb müsse eine Befreiung beantragt werden. Daraufhin beantragten die Beigeladenen mit einem nicht unterschriebenen Formular eine Befreiung.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2019 erteilte das Landratsamt den Beigeladenen unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens (Nr. 4 des Bescheids) einen Bauvorbescheid (Nr. 1), eine Befreiung von den Baugrenzen (Nr. 2) und eine Abweichung (Nr. 3). Das Vorhaben befinde sich im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „B* … …“. Es entspreche hinsichtlich der Traufhöhe, der Dachneigung sowie des Kniestocks den Festsetzungen des Bebauungsplans. Hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen könne eine Befreiung erteilt werden, da die Überschreitung bereits beim Bau der Reihenhausanlage entstanden sei. Auch die Abweichung von den Abstandsflächen könne erteilt werden. Nur bezüglich der Befreiung von den Baugrenzen sei die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erforderlich, da das Vorhaben im Übrigen dem Bebauungsplan entspreche. Die Klägerin habe das Einvernehmen mit der Begründung verweigert, bei Durchführung des geplanten Bauvorhabens sei eine geordnete städtebauliche Entwicklung nicht mehr gegeben. Das Einvernehmen sei im Ermessen zu ersetzen, da die Beigeladenen einen Rechtsanspruch auf Erteilung des Vorbescheids hätten.
Einen für das angrenzende Reiheneckhaus auf dem Nachbargrundstück (FlNr. … Gemarkung P* …*) erteilten Vorbescheid vom 21. Februar 2019, mit dem eine Dachneigung von 25°, aber keine Vergrößerung der Traufhöhe genehmigt worden ist, da auf diesem Grundstück mit Deckblatt Nr. 3, bekannt gemacht am 8. Juli 2011, eine maximale Wandhöhe von 6,0 m festgesetzt worden ist, hat die Klägerin durch Rücknahme ihrer diesbezüglichen Klage (Az. RN 6 K 19.519) bestandskräftig werden lassen.
Die gegen den streitgegenständlichen Vorbescheid vom 21. Februar 2019 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 21. Januar 2020 abgewiesen. Im Klageverfahren hatte die Klägerin geltend gemacht, der Bebauungsplan „B* … …“ sei nichtig. Darüber hinaus sei der Tatbestand des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt, das Vorhaben entspreche nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans, das Sachbescheidungsinteresse fehle und die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Abweichung lägen nicht vor. Der Beklagte äußerte dazu, es sei völlig unverständlich, dass die Klägerin nunmehr ihren eigenen Bebauungsplan in Frage stelle und von dessen Nichtigkeit ausgehe. In ihrer Stellungnahme zum Bauvorhaben habe sie selbst angekreuzt, dass ein Bebauungsplan bestehe und das Vorhaben den Festsetzungen entspreche. Wäre die Klägerin der Auffassung gewesen, der Bebauungsplan sei nichtig, hätte ein Verfahren zur Aufhebung desselben eingeleitet werden müssen, um den Rechtsschein der Gültigkeit zu korrigieren. Es sei unverständlich, warum der Bau- und Grundstücksausschuss nicht die Möglichkeit der Änderung des Bebauungsplans und des Erlasses einer Veränderungssperre wahrgenommen habe, wenn er mit den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht mehr zufrieden sei. Im Übrigen enthalte der Beschluss des Bauausschusses keinerlei Ausführungen dazu, weshalb der Überschreitung der Baugrenze nicht zugestimmt werde, sondern es sei nur auf städtebauliche Gründe verwiesen worden. Das Verwaltungsgericht kam in seiner Entscheidung zum Ergebnis, der Bebauungsplan sei wirksam und das Vorhaben entspreche den Festsetzungen. Daher sei das gemeindliche Einvernehmen nicht erforderlich gewesen. Es handele sich auch um einen qualifizierten Bebauungsplan im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB. Zwar seien die Baugrenzen im ursprünglichen Bebauungsplan wegen Funktionslosigkeit unwirksam geworden. Durch die Festsetzung einer rückwärtigen Baugrenze im Rahmen der am 7. Juni 2004 in Kraft getretenen Änderung durch Deckblatt Nr. 2 liege aber eine hinreichende Regelung über die überbaubaren Grundstücksflächen vor.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt. Sie macht geltend, ihr Einvernehmen sei erforderlich, da es sich nicht um einen Bebauungsplan i.S.v. § 30 Abs. 1 BauGB handele. Es gäbe keine Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen. Darüber hinaus sei die Festsetzung zur Traufhöhe ebenfalls unwirksam. Für einen qualifizierten Bebauungsplan bedürfe es aber einer dreidimensionalen Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung. Das Einvernehmen sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig ersetzt worden. Die Klägerin sei in ihren Rechten verletzt, weil sie nicht nach Art. 67 Abs. 4 Satz 1 BayBO angehört worden sei, bevor der Bescheid erteilt worden sei. Dadurch sei sie in ihrer Planungshoheit verletzt. Selbst wenn man davon ausgehe, es handele sich um einen qualifizierten Bebauungsplan, sei die Klägerin in ihren Rechten verletzt, da dann ein Freistellungsverfahren erforderlich gewesen sei. Die Gemeinde hätte dann Zeit gehabt, Sicherungsmaßnahmen nach §§ 14, 15 BauGB einzuleiten. Ein Vorbescheid könne im Freistellungsverfahren ohnehin nicht erteilt werden.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124a Rn. 54), ergeben sich die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) nicht.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils liegen (nur) vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453.12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587.17 – DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
1.1 Die Klägerin konnte die Auffassung des Verwaltungsgerichts, ihr Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB sei nicht erforderlich gewesen, da sich das Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans i.S.v. § 30 Abs. 1 BauGB befinde und den Festsetzungen nicht widerspreche, nicht erschüttern. Übereinstimmend gehen die Prozessbeteiligten davon aus, dass die ursprünglich festgesetzten Baugrenzen funktionslos geworden sind, weil die Reihenhäuser auf Basis der Baugenehmigung vom 27. November 1968 abweichend von den Baugrenzen errichtet worden sind. Dass eine Befreiung von den Baugrenzen deshalb nicht erforderlich ist, braucht nicht weiter vertieft zu werden.
Soweit die Klägerin nunmehr vorträgt, deshalb handele es sich nicht (mehr) um einen qualifizierten Bebauungsplan i.S.v. § 30 Abs. 1 BauGB, kann dies nicht zur Zulassung der Berufung führen. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Bebauungsplan „B* … …“ weiterhin ausreichende Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung sowie über die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält.
1.1.1 Das Maß der baulichen Nutzung wird im Bebauungsplan durch die Grundfläche, Geschossfläche, Baumasse, Zahl der Vollgeschosse und Höhe der Gebäude bestimmt (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbauch, Stand Februar 2020, § 30 Rn. 16a). Dabei geht die Klägerin zutreffend davon aus, dass es wegen der grundsätzlichen Dreidimensionalität von baulichen Anlagen auch einer Begrenzung „nach oben“ bedarf (vgl. Söfker a.a.O.). Nach § 16 Abs. 2 BauNVO 1968, der auf den Bebauungsplan aus dem Jahr 1968 weiterhin Anwendung findet (vgl. OVG NW, U.v.7.5.2007 – NVwZ-RR 2008, 13 = juris Rn. 47 ff.), und auch nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 2017, reicht es jedoch aus, wenn die Zahl der Vollgeschosse, die Grundflächenzahl und die Geschoßflächenzahl festgesetzt sind. Hier sind Festsetzungen zur Grundfläche (GRZ 0,4), zur Geschossfläche (GFZ 0,7) und zur Zahl der Vollgeschosse (E+1) getroffen worden. Dass in den Gestaltungsvorschriften des Bebauungsplans, die auch im Jahr 1968 zulässig waren (vgl. Art. 107 Abs. 1, 4 BayBO 1962; BayVGH, B.v. 15.3.1968 – 145 I 67 – BeckRS 1968, 103722), zusätzlich noch die maximale Traufhöhe (ohne Festsetzung eines unteren Bezugspunkts) und eine Mindestgröße für den Traufüberstand geregelt sind, spielt keine Rolle, weil die Klägerin entsprechend der damals gültigen Fassung der Baunutzungsverordnung mit der Traufhöhe keine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung treffen wollte und darüber hinaus die Festlegung von unteren Bezugspunkten in der BauNVO 1968 auch nicht vorgesehen war. Die Befürchtung der Klägerin, dass Gebäude mit großem Traufüberstand und damit einhergehender größerer Wandhöhe entstehen können, ist zwar theoretisch berechtigt. Es erscheint aber eher unwahrscheinlich, dass angesichts der Unzulässigkeit eines Kniestocks und von Dachgauben sowie der flachen Dachneigung, bei vielen Eigentümern Interesse daran besteht, die Gebäude unter Entfernung der obersten Geschossdecke geringfügig zu erhöhen. Im Übrigen bleibt es der Klägerin auch unbenommen, entsprechend der Änderung des Bebauungsplans „B* … …“ mit Deckblatt Nr. 3, eine Festsetzung zur Wandhöhe zu treffen.
1.1.2 Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Ausreichend ist die Festsetzung nur einer dieser Festsetzungen, z.B. einer Baulinie, wenn dies nach dem Willen des Planungsträgers so als ausreichend angesehen worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 12.1.1968 – 4 C 167.65 – BVerwGE 29, 49). Dem ist mit der Festsetzung der östlichen Baugrenze für die Wintergärten im Erdgeschoss und der Nutzungsabgrenzungslinie mit Deckblatt Nr. 2, bekannt gemacht am 7. Juni 2004, hinreichend Rechnung getragen. Dadurch ist geregelt, bis zu welcher Tiefe die Grundstücke bebaut werden können. Soweit die Klägerin dagegen einwendet, sie habe mit dieser Baugrenze lediglich die Errichtung von Wintergärten zulassen wollen, führt dies zu keiner anderen Einschätzung. Die Klägerin hat nicht an die ursprünglichen Baugrenzen angeknüpft, sondern ihr war bewusst, dass diese Baugrenzen durch die abweichende Errichtung der Reihenhauszeilen nicht mehr eingehalten werden können. Sie wollte nach der Begründung der Änderung mit dem 2. Deckblatt ermöglichen, dass an die bestehenden Wohnhäuser Wintergärten angebaut werden können und hat daher unter Berücksichtigung der bestehenden Bebauung eine neue rückwärtige Baugrenze festgesetzt. Dass die Klägerin dabei den Bereich für die Wintergärten mit nur einem zulässigen Vollgeschoss begrenzt hat, führt nicht dazu, dass es sich nicht um eine Baugrenze i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO handelt, sondern es ist daraus ersichtlich, dass sie die vorhandene Bebauung in ihre Überlegungen einbezogen hat und unter Festsetzung einer Nutzungsabgrenzungslinie eine rückwärtige Baugrenze für die Gebäude und die Wintergärten festlegen wollte. Für die übrigen Seiten sah sie keinen Regelungsbedarf, da angesichts der Grundstücksgrößen und der bestehenden Bebauung ohnehin keine großen Spielräume mehr bestehen.
1.2 Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass es sich wegen der Funktionslosigkeit der ursprünglichen Baugrenzen tatsächlich nicht mehr um einen qualifizierten Bebauungsplan i.S.v. § 30 Abs. 1 BauGB handelt, könnte die Klägerin damit nicht gehört werden. Eine Gemeinde hat für ihre Bebauungspläne keine Verwerfungskompetenz und kann sich daher regelmäßig nicht darauf berufen, ihr eigener Bebauungsplan sei nichtig (vgl. OVG MV, B.v. 19.10.2006 – 3 M 63/06 – DOV 2007, 393). Dies muss auch für einzelne Festsetzungen gelten, denn auch die Bauaufsichtsbehörde kann die Festsetzungen nicht einfach unbeachtet lassen, da ihr ebenfalls keine Normverwerfungskompetenz zusteht. Ein Bebauungsplan kann – abgesehen von der gerichtlichen Nichtigkeitserklärung im Normenkontrollverfahren – nur in dem für die Aufhebung von Bebauungsplänen geltenden Verfahren aufgehoben werden, um damit den Anschein seiner Rechtsgeltung zu beseitigen (BVerwG, U.v. 21.11.1986 – 4 C 22.83 – BVerwGE 75, 142 = juris 2. Leitsatz). Möchte die Klägerin an den Festsetzungen des Bebauungsplans „B* … …“ nicht mehr festgehalten werden, so ist es an ihr, die erforderlichen bauplanungsrechtlichen Schritte zu ergreifen. Mit ihren umfangreichen Ausführungen zur Unwirksamkeit ihres eigenen Bebauungsplans kann sie nicht gehört werden, selbst wenn ihr Bebauungsplan tatsächlich, zumindest in Teilen, unwirksam sein sollte und die Bauvorhaben daran nicht gemessen werden könnten.
1.3 Soweit die Klägerin einwendet, sie sei durch die Durchführung eines Vorbescheidsverfahrens nach Art. 71 BayBO anstatt eines Freistellungsverfahrens nach Art. 58 BayBO in ihrer Planungshoheit verletzt, kann dies nicht überzeugen. Die Beigeladenen haben den Bauantrag nach Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayBO bei der Klägerin eingereicht und die Klägerin hat ihn behandelt und ihr Einvernehmen verweigert. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es ihr nicht möglich gewesen sein soll, eine Änderung des Bebauungsplans einzuleiten, nachdem sie erkannt hat, dass das Bauvorhaben nicht ihren Vorstellungen entspricht und eine Veränderungssperre zu beschließen oder eine Zurückstellung des Baugesuchs nach § 15 BauGB zu beantragen, der auch für Bauvoranfragen Gültigkeit beansprucht (vgl. Lemmel in Berliner Kommentar zum BauGB, Stand März 2020, § 15 Rn. 2). Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, welche Rechte der Klägerin dadurch verletzt sein könnten, dass den Beigeladenen in Nr. 1 des Bescheids vom 21. Februar 2019 ein Vorbescheid entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans „B* … …“ erteilt worden ist, der ohnehin keine Berechtigung vermittelt, das Bauvorhaben auszuführen.
1.4 Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass den Beigeladenen das Sachbescheidungsinteresse für den Vorbescheid fehlt. Zum einen ist weder dargelegt noch ersichtlich, welche Rechte der Klägerin dadurch verletzt sein könnten. Zum anderen erscheint es zwar nicht wirtschaftlich, die oberste Geschossdecke abzubrechen und die Außenwände geringfügig zu erhöhen, ohne zusätzliche Wohnfläche zu gewinnen. Es ist allerdings nicht Aufgabe der Baugenehmigungsbehörde, den Bauherrn vor unwirtschaftlichen Aufwendungen zu bewahren, sondern die Behörde braucht nur dann nicht in die sachliche Prüfung eines Antrags einzutreten, wenn dem Vorhaben ein schlechthin nicht ausräumbares Hindernis entgegensteht (vgl. Decker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand Januar 2020, Art. 71 Rn. 59, 62). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, denn es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beigeladenen das Vorhaben nicht ausführen können sollten. Dass die Beigeladenen möglicherweise darauf hoffen, dass irgendwann doch die Errichtung eines Kniestocks und von Gauben erlaubt werden könnte und damit die Nutzung des Dachgeschosses zu Wohnzwecken ermöglicht wird, stellt jedenfalls keine unzulässige Rechtsausübung dar.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Dazu müsste das Verfahren das normale Maß erheblich übersteigende Schwierigkeiten aufweisen (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 37; B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.). Solche Schwierigkeiten werden mit der Antragsbegründung nicht substantiiert aufgezeigt und liegen auch nicht vor.
3. Im Übrigen hat der Senat erhebliche Zweifel, ob für die Klage gegen Nr. 1 des Bescheids vom 21. Februar 2019 überhaupt eine Klagebefugnis besteht. Die Erteilung eines Vorbescheids, der auch nach Ansicht der Klägerin selbst den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht, kann die Planungshoheit der Klägerin wohl unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verletzen. Funktion des gemeindlichen Einvernehmens ist es, die Gemeinde in die Lage zu versetzen, darüber zu entscheiden, ob sie aus Anlass eines Genehmigungsverfahrens von ihrer Befugnis Gebrauch machen soll, durch Aufstellung oder Änderung eines Bauleitplans die bauplanungsrechtlichen Grundlagen zu ändern (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 36 Rn. 9). Das Erfordernis des Einvernehmens dient aber nicht dazu, die Anwendung von bestehenden, aber möglicherweise als unzureichend erkannten oder nicht mehr gewünschten Festsetzungen zu verhindern. Indem der Vorbescheidsantrag bei der Klägerin eingereicht worden ist, hatte sie hinreichend Zeit, sich über die Frage, ob sie eine Zurückstellung des Baugesuchs nach § 15 BauGB beantragen oder eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB erlassen soll, klar zu werden.
Hinsichtlich der Klage gegen Nr. 2 und 4 des Bescheids vom 21. Februar 2019 ist demgegenüber zweifelhaft, ob überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Es erscheint widersprüchlich, wenn die Klägerin geltend macht, sie sei durch die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans in ihrer Planungshoheit verletzt, obwohl sie selbst davon ausgeht, die Festsetzungen seien funktionslos.
4. Als unterlegene Rechtsmittelführerin hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 2 VwGO) zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, § 162 Abs. 3 VwGO, denn ein Beigeladener setzt sich im Berufungszulassungsverfahren unabhängig von einer Antragstellung grundsätzlich keinem eigenen Kostenrisiko aus (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 15 ZB 16.562 – juris Rn. 18 m.w.N.). Ein Grund, der es gebieten würde, die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen, ist nicht ersichtlich.
5. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 9.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, Anhang) und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag, gegen den die Beteiligten keine Einwände erhoben haben.
6. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).