Baurecht

Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans aus wirtschaftlichen Gründen

Aktenzeichen  AN 9 K 17.02138

Datum:
26.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 16873
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Festsetzung „Fläche für die Landwirtschaft (Erwerbsgartenbau)“ in einem Bebauungsplan umfasst auch den Begriff der gartenbaulichen Erzeugung, der seit 1987 im Hinblick auf die von der Definition der Landwirtschaft umfassten Gegenstände (§ 201 BauGB) den Begriff des Erwerbsgartenbaus ersetzt. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Änderung von Begrifflichkeiten des BauGB oder der BauNVO ändern sich auch die darauf beruhenden Festsetzungen in Bebauungsplänen (dynamische Verweisung).  (Rn. 45 – 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ihm steht kein Anspruch auf Erteilung des beantragten Vorbescheids für die Errichtung von zwölf Reihenhäusern, einem Doppelhaus und einem Mehrfamilienhaus mit Mittelgarage zu.
Die abgefragte bauplanungsrechtliche Zulässigkeit liegt nicht vor.
2.
Das Vorhaben widerspricht den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans Nr. … der Beklagten vom 12. Juni 1969, da es auf den Baugrundstücken Wohnnutzung vorsieht, während der Bebauungsplan für die Baugrundstücke hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung eine „Fläche für die Landwirtschaft (Erwerbsgartenbau)“ festsetzt.
3.
Diese Festsetzung ist entgegen der Auffassung der Klägerseite auch nicht funktionslos geworden.
3.1
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung können Festsetzungen ihre Gültigkeit wegen funktionslos gewordenen Inhalts einbüßen, mit der Folge, dass sie einem Vorhaben nicht mehr entgegen gehalten werden können (BVerwG, U.v. 29.4.1977, IV C 39.75). Wegen des Eingriffes in die gemeindliche Planungshoheit und wegen dem schutzwürdigen Vertrauen der Personen, die die Festsetzung einhalten, sind an eine derartige gerichtliche Inzidentverwerfung eines Bebauungsplans jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Insofern tritt eine Festsetzung wegen Funktionslosigkeit nur dann außer Kraft, wenn und soweit einerseits die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf absehbare Zeit ausschließt und wenn andererseits diese Entwicklung so offenkundig ist, dass sie einem dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt (BVerwG a.a.O.; BayVGH, U.v. 13.2.2015, 1 B 13.646, st. Rspr.).
Dies setzt voraus, dass die Festsetzung in ihrer ganzen Reichweite gewürdigt wird und bei einer derartigen Gesamtbetrachtung die Eignung, zur städtebaulichen Ordnung im Geltungsbereich der Festsetzung noch einen sinnvollen Beitrag zu leisten, verloren hat. Es darf daher nicht auf einzelne Grundstücke abgestellt werden, also auf die Frage, ob die Festsetzung hier und dort noch einen Sinn ergibt bzw. punktuell durchsetzbar ist (BVerwG a.a.O.; B.v. 9.10.2003, 4 B 85/03). Umgekehrt führen singuläre planwidrige Nutzungen nicht zur Funktionslosigkeit (BVerwG, B.v. 21.12.1999, 4 BN 48/99).
Eine Funktionslosigkeit von Festsetzungen kommt auch dann in Betracht, wenn die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der im Bebauungsplan zugelassenen Nutzungen ausschließt, weil sie auf absehbare Zeit wirtschaftlich nicht mehr tragfähig und damit unzumutbar sind. Die Erkennbarkeit dieser Tatsache muss einen Grad erreicht haben, der dem in die Fortgeltung der Festsetzung gesetztem Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Der Gedanke, dass Festsetzungen aus wirtschaftlichen Gründen funktionslos werden können, wurzelt letztlich darin, dass die Privatnützigkeit als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis hinsichtlich eines Grundstücks durch bestehende Planungen – ebenso wie bei neuen Planungen – nicht aufgehoben werden sollen. Damit ist für die – soweit ersichtlich in der Rechtsprechung bislang nur für mögliche gehaltene, jedoch im Einzelfall noch nicht bejahte – Funktionslosigkeit aus wirtschaftlichen Gründen Voraussetzung, dass die Privatnützigkeit des Eigentums beseitigt wird, weil der Eigentümer von seinem Eigentum keinen vernünftigen Gebrauch mehr machen kann, weil eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung auf Dauer ausgeschlossen ist und er das betreffende Grundstück realistischerweise auch nicht veräußert werden kann. Nicht ausreichend ist, wenn die Festsetzungen in ihrer Wirtschaftlichkeit nicht ohne weiteres aufgehen oder weil sich wirtschaftlichere Nutzungen als solche im Sinne der Festsetzung denken lassen. Der Mangel muss zudem so offenkundig, gewissermaßen „auf die Stirn geschrieben sein“, dass ein Vertrauen in die Fortgeltung der Festsetzung nicht schutzwürdig erscheint. Der Steuerungsverlust der Festsetzungen aufgrund wirtschaftlicher Unzumutbarkeit muss also bereits seinen objektiv erkennbaren Niederschlag in Bausubstanz und Baunutzung gefunden haben (BayVGH, U.v. 25.3.2004, 25 N 01.308).
3.2
Nach diesen Grundsätzen geht die Kammer, insbesondere aufgrund des durchgeführten Augenscheins, nicht davon aus, dass die Festsetzung „Fläche für die Landwirtschaft (Erwerbsgartenbau)“ auf den Baugrundstücken funktionslos geworden ist.
Nach den Feststellungen der Kammer ist es möglich, die Baugrundstücke im Sinne der Festsetzung wirtschaftlich zu nutzen. Die Kammer geht insofern davon aus, dass die streitgegenständliche Festsetzung auch Nutzungen, die unter den moderneren und weiteren Begriff der „gartenbaulichen Erzeugung“ subsumiert werden können, erfasst. Diesen Feststellungen steht die von dem Kläger vorgelegte Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … nicht entgegen, zumal diese nur einen Teil der denkbaren Nutzungsmöglichkeiten abdeckt.
Es kommt daher nicht darauf an, ob die Annahme einer teilweisen Funktionslosigkeit, die insbesondere bei großflächigen Baugebietsausweisungen und einer topographischen Abgrenzbarkeit des Teilgebiets für möglich gehalten wird (OVG Hamburg, U.v. 28.2.2013, 2 Bf 17/11) im vorliegenden Fall denkbar ist oder ob angesichts des Gärtnereibetriebs auf dem benachbarten Grundstück des Beigeladenen, welches einen erheblichen Teil des insoweit festgesetzten Gebietes ausmacht und hinsichtlich dem eine etwaige Funktionslosigkeit, auch im Hinblick auf die gegensätzlichen Ausführungen der Beteiligten, nicht ohne weiteres erkennbar ist, auch für die Festsetzung in ihrer gesamten Reichweite eine – offenkundige – Funktionslosigkeit angenommen werden könnte. Weiter kommt es nicht entscheidend auf die Tatsache an, dass auf dem Grundstück FlNr. … festsetzungswidrig Wohnnutzung genehmigt wurde, da dieses Grundstück nur einen verhältnismäßig kleinen Teil des insoweit festgesetzten Gebietes ausmacht und am östlichen Rand dieses Gebietes belegen ist.
3.3
Nach Auffassung der Kammer umfasst die Festsetzung „Fläche für die Landwirtschaft (Erwerbsgartenbau)“ im gegenständlichen Bebauungsplan auch den Begriff der gartenbaulichen Erzeugung. Der Begriff der gartenbaulichen Erzeugung ersetzt seit 1987 im Hinblick auf die von der Definition der Landwirtschaft umfassten Gegenstände (§ 201 BauGB) den Begriff des Erwerbsgartenbaus, um klarzustellen, dass auch Gartenbaubetriebe, bei denen Gartenbauprodukte bodenunabhängig in Behältnissen erzeugt werden, zweifelsfrei als landwirtschaftliche Betriebe anzusehen sind. (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 201 BauGB, Rn. 3).
Die umstrittene Frage, ob sich bei Änderung von Begrifflichkeiten des BauGB oder der BauNVO darauf beruhende Festsetzungen in Bebauungsplänen mit ändern (dynamische Verweisung) oder nicht (statische Verweisung) ist nach Auffassung der Kammer hier dahingehend zu lösen, dass von einer dynamischen Verweisung auszugehen ist, es also bei den planerischen Festsetzungen auf die aktuelle Bedeutung ankommt, es sei denn, dies würde dazu führen, dass ein Begriff einen gänzlich anderen Inhalt bekommen würde. Hierfür spricht entscheidend, dass der Inhalt der Begrifflichkeiten des BauGB und der BauNVO bei einer Verwendung in einem Bebauungsplan nicht eingefroren werden soll, sondern dass die gesetzgeberischen, im Hinblick auf den Wandel der Lebensverhältnisse erfolgten begrifflichen Anpassungen in Bebauungsplänen, in denen auf diese Begriffe Bezug genommen wird, nachvollzogen werden, insbesondere im Hinblick auf den Begriff der Landwirtschaft. Weiter spricht auch ein erhebliches praktisches Bedürfnis für die Annahme einer dynamischen Verweisung, da ein Bedürfnis nach einheitlichen Begriffen für die bauaufsichtliche Zulässigkeitsentscheidung besteht. Das Ausgehen von einer dynamischen Verweisung greift auch nicht in den Satzungsbestand ein, weil die Begrifflichkeiten des BauGB und der BauNVO der Gemeinde vorgegeben sind (vgl. insgesamt BVerwG, U.v. 17.12.1998, 4 C 16.97; BayVGH, B.v. 21.10.1996, 20 CS 96.1561; VG Ansbach, U.v. 7.12.2011, AN 18 K 10.02567; König in König/Roeser/Stock, § 20 BauNVO, Rn. 5 ff.; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 20 BauNVO, Rn. 17 ff.).
Hinzu kommt, dass ein derartiges Verständnis im vorliegenden Fall wohl auch dem Willen der Beklagten als Plangeber entspricht. So ergibt sich aus der Bebauungsplanakte, dass die streitgegenständliche Festsetzung für das Grundstück des Beigeladenen erfolgte, um in Bezug auf ein Umlegungsverfahren ein Ersatzgrundstück zu schaffen, mithin sollte dort ein Gärtnereibetrieb angesiedelt werden (Bl. 19 von Band I der Bebauungsplanakte). Der Geltungsbereich der Festsetzung wurde um das Altgrundstück FlNr. …, auf denen die Baugrundstücke belegen sind, ergänzt, um dort ebenfalls einen Gärtnereibetrieb zu ermöglichen, dessen Umsiedlung wegen eines Krankenhausneubaus auf dem bisherigen Betriebsgrundstück erfolgen sollte (Bl. 46 der Bebauungsplanakte). Bereits am 25. Juni 1969 wurde auf diesem Grundstück neben einem Wohngebäude auch der Bau eines Betriebsgebäudes und eines Gewächshauses genehmigt. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist nichts dafür ersichtlich, dass es der Beklagten bei Verwendung des Begriffs „Erwerbsgartenbau“ (der Begriff der gartenbaulichen Erzeugung existierte noch nicht) darum gegangen ist, die anzusiedelnden Gärtnereibetriebe auf eine Nutzung auf das damalige Begriffsverständnis festzuschreiben, es ist auch kein planerisches Interesse daran erkennbar, dass die gartenbauliche Erzeugung lediglich auf unmittelbarer Bodennutzug beruht. Es ist vielmehr naheliegend, dass Anpassungen des Begriffsverständnisses an gewandelte Verhältnisse vom planerischen Willen umfasst sind, nachdem die Flächen so konzipiert wurden, um darauf dauerhaft gesichert Gärtnereibetrieb zu ermöglichen und den Fortbestand der dorthin umgesiedelten Betriebe dauerhaft planerisch zu sichern.
Nach diesen Grundsätzen umfasst die streitgegenständliche Festsetzung auch die Nutzung der betroffenen Grundstücke als gartenbauliche Erzeugung; der Begriff der gartenbaulichen Erzeugung dient nach Auffassung der Kammer der Anpassung des tradierten Begriffs der Landwirtschaft bzw. des Erwerbsgartenbaus an die sich weiterentwickelten Erzeugungsmethoden, ohne dass der Bedeutungsgehalt ausgetauscht wird.
3.4 Vor diesem Hintergrund ist nach den Feststellungen der Kammer die streitgegenständliche Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung auf den Baugrundstücken nicht funktionslos geworden.
3.4.1
Die Privatnützigkeit ist durch die Festsetzung nicht in Frage gestellt, da dies nur dann der Fall wäre, wenn die betroffenen Eigentümer von ihrem Eigentum keinerlei vernünftigen Gebrauch mehr machen und es praktisch auch nicht veräußern könnten. Jegliche sinnvolle Nutzung im von der Festsetzung betroffenen Gebiet ist jedoch nicht ausgeschlossen, wie auch am Beispiel des Beigeladenen zu sehen ist, der an der festgesetzten Nutzung festhalten will. Dabei geht die Kammer nicht davon aus, dass der Betrieb des Beigeladenen auf dem Grundstück FlNr. … den Rahmen der Festsetzung verlässt, insbesondere eine reine Handelsgärtnerei vorliegt, weil nach dem Augenschein und den insoweit unwidersprochenen Äußerungen des Beigeladenen davon auszugehen ist, dass, soweit auf dem Grundstück des Beigeladenen neben unmittelbarer Bodenertragsnutzung Topfpflanzen vorzufinden sind, insoweit gartenbauliche Erzeugung vorliegt, da dort Jungpflanzen gezogen werden. Dass die Baugrundstücke aufgrund der streitgegenständlichen Festsetzung nicht veräußert werden können, ist nicht ersichtlich und wurde auch vom Kläger nicht vorgetragen. So wurden die Baugrundstücke, für die zugunsten des Klägers am 13. Juni 2017 eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde, ebenfalls am 13. Juni 2017, also nach Stilllegung des früheren Gärtnereibetriebs, an eine Projektentwicklungsgesellschaft veräußert. Im Hinblick auf das vom Beigeladenen beim Augenscheinstermin vorgetragene Nutzungsinteresse an den Baugrundstücken für dessen Betrieb liegt zudem eine Veräußerungsmöglichkeit für eine Nutzung im Rahmen der Festsetzung nahe.
3.4.2
Die streitgegenständliche Festsetzung ist auch nicht wegen unverhältnismäßiger Beschränkungen einer wirtschaftlichen Grundstücksnutzung funktionslos geworden. Eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung ist nach den Feststellungen der Kammer weder unter heutigen Gegebenheiten oder auf Dauer ausgeschlossen, entgegen der Ansicht des Klägers, der hinsichtlich der aus seiner Sicht möglichen Nutzungsvarianten, die in der vom Kläger vorgelegten Stellungnahme von Herrn … vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) … vom 16. Oktober 2018 benannt sind, nicht von einer wirtschaftlich tragfähigen Nutzung ausgeht.
Nach den Feststellungen der Kammer aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens, § 108 Abs. 1 VwGO, sind weitere Nutzungsalternativen im Sinne der Festsetzung, die nach Auffassung der Kammer auch die gartenbauliche, also bodenunabhängige Erzeugung von Pflanzen umfasst, denkbar. Insbesondere ist angesichts der von Beigeladenenseite vorgetragenen Nutzungsabsicht und angesichts weiterer Gewächshausnutzung im und jenseits des nördlichen Stadtgebiets der Beklagten die Möglichkeit, die Baugrundstücke, ggf. auch ohne vorherige Herstellungsarbeiten einer Verpachtung an den Beigeladenen oder andere existierende Gartenbaubetriebe – als Zusatzfläche – zuzuführen, denkbar. Weiter ist gartenbauliche Erzeugung im Gewächshaus im Eigenbetrieb, ohne Verpachtung denkbar, insbesondere bei einem Direktabsatz. Weiter ist die – da vom Beigeladenen praktiziert – naheliegende Möglichkeit des Betriebs einer Gärtnerei insoweit, als auf dem Baugrundstück Verkauf von Pflanzen stattfinden könnte, die teilweise auf den Baugrundstücken erzeugt bzw. weiterbehandelt werden, teilweise auf gepachteten bzw. erworbenen Flächen außerhalb des Plangebiets, im Außenbereich, denkbar.
Dass diese möglichen Nutzungen nicht wirtschaftlich tragfähig sind, ist nicht ersichtlich, nachdem auch der Ersteller der Stellungnahme des AELF beim Augenscheinstermin angab, auf den Baugrundstücken könne zwar keine Landwirtschaft, aber eine Gärtnerei betrieben werden, da nach Auffassung der Kammer der Begriff der gartenbaulichen Erzeugung unter den Begriff der Landwirtschaft fällt. Zudem gab der Beigeladene im Augenscheinstermin und in der mündlichen Verhandlung für die Kammer nachvollziehbar an, die Baugrundstücke ohne vorherige Bearbeitung nutzen zu können und zu wollen und für die Aufnahme einer gartenbaulichen Erzeugung notwendigen Arbeiten kostensparend selbst erledigen zu können; die Klageseite ist dem nur insoweit entgegen getreten, als sie angab, sie selbst könne die nach ihrer Auffassung erforderlichen Wiederherstellungsarbeiten nicht selbst erledigen, sondern müsse auf Fremdfirmen zurückgreifen, was die Nutzungsmöglichkeit etwa der Verpachtung an den Beigeladenen oder einen anderen Gärtnereibetrieb nicht ausschließt.
Diesen Feststellungen der Kammer zur Möglichkeit von wirtschaftlich tragfähigen Nutzungen im Sinne der Festsetzung stehen weder der Vortrag des Klägers noch die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme von Herrn … vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) vom 16. Oktober 2018 bzw. dessen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung entgegen. Bei dem AELF handelt es sich um eine Fachbehörde, der vorliegend jedoch nicht die Stellung eines amtlichen Sachverständigen zukommt. Weiter kommt den Stellungnahmen des AELF nach den Angaben ihres Erstellers in der mündlichen Verhandlung und nach der Aufgabenzuschreibung des AELF nicht die Funktion eines Gutachtens für ein Gerichtsverfahren zu. Vielmehr soll das AELF Bürger und vor allem landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Unternehmen beraten, was auch aus dem Internetauftritt des AELF … hervorgeht. So wurde die Stellungnahme an den Voreigentümer der Grundstücke und Inhaber der früheren Gärtnerei adressiert, der zum Zeitpunkt der Stellungnahme ausweislich des eingeholten Grundbuchauszugs nicht mehr Eigentümer der Grundstücke war. Die Stellungnahme ist überdies nicht vollständig, da nicht alle möglichen Nutzungsalternativen untersucht werden. Insbesondere bezieht sie, wie der Verfasser der Stellungnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, die bodenunabhängige Nutzung von Pflanzen nicht in die Untersuchung mit ein. Ohne dass es daher noch darauf ankommt, ist nach Auffassung der Kammer durch die Stellungnahme zudem die fehlende wirtschaftliche Tragfähigkeit hinsichtlich der untersuchten Nutzungsvarianten nicht überzeugend dargelegt. Denn sie begründet die Erforderlichkeit der angenommenen Herrichtungskosten, insbesondere den Abriss der Gewächshäuser und der Bodenaustauscharbeiten nicht nachvollziehbar; die Stellungnahme nimmt zur Stützung dieser Annahme auf Angebote von Abbruchfirmen Bezug, ohne dass der sachliche Bezug zur Stellungnahme klar wird, nachdem diese Angebote nicht an den früheren Eigentümer der Gärtnerei adressiert sind. Diese der Stellungnahme zugrunde liegende Annahme ist daher ohne weitere Begründung nicht plausibel bzw. nicht als eigenständige Beurteilung erkennbar, zumal der Autor der Stellungnahme zu erkennen gibt, dass er die Kosten der gesamten Herstellungskosten intern um ein Drittel niedriger bemessen würde. Die Notwendigkeit einer fachlichen Begründung dieser Annahme wird auch dadurch untermauert, dass laut den Angaben von Herrn … ohne Angabe von Fachkenntnissen und Bodenuntersuchungen nicht feststellbar sei, ob der Boden auf den Baugrundstücken ausgetauscht werden müsse. Damit ist die Notwendigkeit eines Teils der angenommenen Herstellungsarbeiten, der nach den vorgelegten Angeboten etwa ein Drittel der Herstellungskosten beträgt, nicht überzeugend dargelegt. Soweit Herr … in der mündlichen Verhandlung ergänzend vortrug, auch ohne Berücksichtigung von Herstellungskosten sei der Ertrag angesichts der notwendigen Investitionen nicht ausreichend, ohnehin sei landwirtschaftliche Produktion nach den Gegebenheiten des Baugrundstücks nicht mehr zeitgemäß und konkurrenzfähig, so steht auch dies den Feststellungen der Kammer zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit anderer denkbarer Nutzungsmöglichkeiten nicht entgegen. Denn diese Einschätzung bezieht ersichtlich die nach Auffassung der Kammer nach der streitgegenständlichen Festsetzung zulässige Möglichkeit der gartenbaulichen Erzeugung nicht mit ein und steht insbesondere auch nicht im Einklang mit denkbaren Nutzungsmöglichkeiten der Baugrundstücke durch vorhandene Betriebe mit gartenbaulicher Erzeugung bzw. mit der Angabe von Herrn …, vorhandene Betriebe könnten wirtschaftlich arbeiten.
3.4.3 Es fehlt zudem an der mit Blick auf das schutzwürdige Vertrauen anderer Grundstückseigentümer zu fordernden Offenkundigkeit der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit, auch wenn man insoweit eine isolierte Betrachtung der Baugrundstücke für möglich halten sollte. Die Baugrundstücke vermitteln augenscheinlich auch nach Stilllegung des Gärtnereibetriebs und nach Entstehung von Bewuchs den Eindruck von Gärtnereigrundstücken, insbesondere aufgrund entsprechender Beschriftung und aufgrund des noch bestehenden Gewächshauses. Es findet sich auf den Baugrundstücken auch neue bauliche Nutzung, die der Festsetzung widerspricht. Dass die frühere Stilllegung wegen Unrentabilität erfolgte bzw. dass eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung in Zukunft auf Dauer ausgeschlossen ist, ist angesichts dieses Zustands nicht offenkundig. Dafür spricht auch, dass die Notwendigkeit und der Preis der klägerseits angeführten Wiederherstellungsarbeiten sowie die Frage der zukünftigen Rentabilität der Nutzung für gartenbauliche Erzeugung, nur mit Fachkenntnissen beurteilt werden kann, wie die Angaben des vom Kläger herangezogenen Vertreters des AELF und sowie die teilweise gegensätzlichen Ausführungen des Beigeladenen, Inhaber einer Gärtnerei, dokumentieren. Dass auf dem benachbarten Beigeladenengrundstück noch eine rentable Nutzung stattfindet, die soweit ersichtlich der Festsetzung entspricht, ist ein weiteres Indiz dafür, dass eine etwaige fehlende Möglichkeit der Wiederaufnahme einer wirtschaftlichen Nutzung im Sinne der Festsetzung nicht offenkundig ist.
3.4.5 Damit ist insgesamt nicht von einer Funktionslosigkeit der streitgegenständlichen Festsetzung auszugehen. Daran ändern etwaige Interessen des Klägers, das Grundstück einer anderen, rentableren Nutzung zuzuführen, nichts. Diese sind als bloße Erwartungen nicht schutzwürdig. Dem Kläger musste das Vorhandensein der streitgegenständlichen Festsetzung bekannt sein. Auch etwaige Interessen der Beklagten, die Baugrundstücke einer Wohnnutzung zuzuführen, sind weder erheblich noch schutzwürdig, da diese es aufgrund ihrer Planungshoheit in der Hand hat, die Festsetzung zu ändern.
4.
Auch auf die gem. § 31 Abs. 2 BauGB beantragte Befreiung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung besteht kein Anspruch, da die geänderte Nutzung die Grundzüge der Planung berühren würde. Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn neben weiteren Voraussetzungen die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Von einer solchen Berührung der Grundzüge der Planung muss hier ausgegangen werden, da von der Festsetzung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung befreit würde, damit letztlich von der entscheidenden Festsetzung für den Charakter des Plangebiets; die Änderung der Nutzungsart berührt daher im Regelfall die Grundzüge der Planung (BVerwG, B.v. 15.3.2000, 4 B 18/00). Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung „Fläche für die Landwirtschaft (Erwerbsgartenbau)“ ausnahmsweise keinen Grundzug der Planung darstellen, sind nicht ersichtlich. Dem Plangeber ging es ersichtlich darum, in der Teilfläche, die von dieser Festsetzung betroffen ist, Raum für diese Nutzung zu reservieren, nachdem der überwiegende Teil der mit dem Bebauungsplan überplanten Flächen als Mischgebiet ausgewiesen wurde, in welchem Gartenbaubetriebe nur ausnahmsweise zulässig sind (§ 4 Abs. 3 Nr. 4 BauNVO).
5.
Damit war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind gem. § 162 Abs. 3 VwGO, erstattungsfähig, da der Beigeladene sich durch Stellen einen eigenen Antrags einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
6.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.


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