Baurecht

Gebot der Rücksichtnahme – Nachbarklage

Aktenzeichen  1 CS 17.2517

Datum:
9.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 1329
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80a Abs. 3, Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 4 S. 4
BayDSchG Art. 6 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1 Bewirkt die Verwirklichung des geplanten Vorhabens keine so stark ins Gewicht fallende Verschlechterung der Verhältnisse, dass das Vorhaben unzumutbar ist, begründet auch der Hinweis, dass das Vorhaben in geringerer Höhe ausgeführt werden kann, keine andere rechtliche Beurteilung.  (Rn. 3) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Die erforderliche Erheblichkeit der Beeinträchtigung eines Denkmals durch ein geplantes Vorhaben fehlt, wenn es bereits von einer vorhandenen Bebauung (hier: auf einem Hang oberhalb des Denkmals) umgeben und nicht durch eine (hervorgehobene) Alleinlage geprägt ist. (Rn. 4) (red. LS Alexander Tauchert)

Verfahrensgang

M 1 SN 17.5086 2017-11-22 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

Die im Beschwerdeverfahren innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO)‚ geben keine Veranlassung, die angegriffene Entscheidung zu ändern.
Soweit zu Gunsten des Antragstellers (noch) davon ausgegangen werden kann, dass sich die Beschwerdebegründung in hinreichender Weise mit den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) und damit die Beschwerde zulässig ist (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), ist sie jedenfalls unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klage des Antragstellers im Hauptsacheverfahren gegen die den Beigeladenen für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 4 Wohneinheiten erteilte Baugenehmigung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird und das Interesse der Beigeladenen am Sofortvollzug demnach das gegenläufige Interesse des Antragstellers überwiegt. Die den Beigeladenen im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO erteilte Baugenehmigung verletzt den Antragsteller, der Sondereigentümer von 3 Wohnungen im 2. Obergeschoss in dem als Einzeldenkmal in der Denkmalliste eingetragenen Gebäude der sog. K* … Villa ist, nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Ob das geplante Vorhaben bauplanungsrechtlich nach § 34 BauGB oder nach § 35 BauGB zu beurteilen ist, kann vorliegend dahinstehen. Der Senat vermag anhand der vom Verwaltungsgericht dargelegten und aus den Akten ablesbaren konkreten Grundstücksverhältnissen keinen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme, das einerseits in § 34 BauGB im Merkmal des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB verankert ist und andererseits einen im Rahmen des § 35 Abs. 3 BauGB zu beachtenden unbenannten öffentlichen Belang darstellt (vgl. BVerwG, B.v. 11.12.2006 – 4 B 72.06 – BayVBl 2007, 537), erkennen. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – DVBl 1986, 1271). Bei der insoweit maßgebenden Frage, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – NVwZ 2005, 328), ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts, das geplante Gebäude trete von seinem Volumen sowohl hinsichtlich der Länge als auch der Höhenentwicklung deutlich hinter dem auf dem Nachbargrundstück vorhandenen Gebäudevolumen der sog. K* … Villa zurück, sodass die Grenze der Zumutbarkeit für den Antragsteller nicht überschritten sei, nicht zu beanstanden. Der pauschale Einwand des Antragstellers, aufgrund der Gliederung des Baukörpers der sog. K* … Villa könne entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in diese Betrachtung nur ein (kleiner) Teil des Gebäudes einfließen, trifft nicht zu. Denn trotz der Gliederung des Baudenkmals „K … Villa“ in verschiedene Abschnitte handelt es sich um ein zusammenhängendes Gebäude mit einer erheblichen baulichen Masse. Es ist daher sowohl rechtlich als auch von der tatsächlichen Wirkung her als einheitlicher Gebäudekörper zu behandeln. Angesichts einer Entfernung zwischen den Außenwänden der Gebäude (auch in Bezug auf das Wohneigentum des Antragstellers) von ungefähr 15 m kann bei Realisierung des Vorhabens der Beigeladenen mit einer Wandhöhe an der Südseite von max. 8,6 m nicht die Rede davon sein, dass das geplante Vorhaben als übergroßer Baukörper die sog. K … Villa bedrängt. Besondere Umstände, welche ausnahmsweise die Annahme einer solchen Wirkung rechtfertigen, ergeben sich auch nicht aus den topografischen Verhältnissen (hier: Hanglage), wonach das oberste Geschoss des geplanten Vorhabens aufgrund der Hanglage höher liegt als die Wohnungen des Antragstellers. Dies muss der Antragsteller als situationstypische Vorbelastung grundsätzlich hinnehmen (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.1969 – IV C 234.65 – BVerwGE 32, 173; BayVGH, U.v. 13.11.1992 – 2 B 90.2194 – juris Rn. 18). Die Verwirklichung des geplanten Vorhabens bewirkt keine so stark ins Gewicht fallende Verschlechterung der Verhältnisse, dass eine Unzumutbarkeit durch das Vorhaben der Beigeladenen für den Antragsteller anzunehmen wäre. Ausweislich der vorstehenden Ausführungen, wonach das geplante Vorhaben nicht rücksichtslos ist, begründet auch sein Hinweis in der Beschwerdebegründung auf die Möglichkeit, das Gebäude der Beigeladenen in geringerer Höhe auszuführen, keine andere rechtliche Beurteilung. Ebenso besteht kein Anlass, dass die Beigeladenen auf die Verwirklichung des geplanten Vorhabens verzichten müssten.
Schließlich kann auch im Beschwerdeverfahren dahingestellt bleiben, ob eine Befugnis des Sondereigentümers besteht, die Beeinträchtigung der Denkmaleigenschaft nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG geltend zu machen, oder ob es sich im Hinblick auf die korrespondierende Erhaltungspflicht des Eigentümers um die Geltendmachung von Nachbarrechten wegen einer Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften handelt, die dem Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums dienen und daher eine Maßnahme der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 20 Abs. 1 WEG darstellen (zur Klagebefugnis des Sondereigentümers im allgemeinen vgl. BVerwG, B.v. 20.8.1992 – 4 B 92.92 – juris 9). Denn die Feststellung des Verwaltungsgerichts, wonach die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG nicht erfüllt sind, ist nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die vorliegende Niederschrift zur Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege im Rahmen eines Ortstermins am 27. Oktober 2016, wonach mögliche Auswirkungen des geplanten Vorhabens sich wohl nur auf die Nordansicht der sog. K* … Villa beziehen, diese jedoch nicht als schwerwiegend eingestuft wurden, ausgeführt, dass angesichts des imposanten Erscheinungsbilds des Denkmals zur Südseite wenig für eine Beeinträchtigung durch das geplante Vorhaben spricht. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass das Denkmal bereits jetzt von einer vorhandenen Bebauung auf dem Hang oberhalb des Denkmals umgeben und nicht durch eine (hervorgehobene) Alleinlage geprägt ist. Damit fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Erheblichkeit der Beeinträchtigung. Die Beschwerdebegründung, die im Wesentlichen unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens auf die Gliederung des Denkmals und eine vermeintliche Entwertung des Denkmals durch das dominierende geplante Vorhaben abstellt, lässt insoweit die gebotene Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts und der hierzu gegebenen Begründung missen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Die Behauptung des Antragstellers, das geplante Vorhaben verhindere künftig jeden Blick auf die Nordseite des Denkmals, insbesondere auf die zwei Turmbauten, wird durch die vorstehend genannte fachliche Einschätzung entkräftet. Dazu verhält sich der Antragsteller nicht.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit‚ den Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten‚ weil sie einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 154 Abs. 3‚ § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und orientiert sich an Nr. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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