Baurecht

Gebühren für Unterbringung in städtischer Flüchtlingsunterkunft

Aktenzeichen  M 10 K 18.3074

Datum:
26.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25528
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 8

 

Leitsatz

1. Bei Benutzungsgebühren kannn nicht jede behördliche Minder- oder Schlechtleistung einen Anspruch auf Gebührenermäßigung oder den Wegfall der Gebühr nach sich ziehen. Vielmehr muss – um für die Höhe des Gebührenanspruchs erheblich zu sein – eine Leistungsstörung von (nach Art, Dauer und/oder Umfang) gewissem Gewicht vorliegen (Anschluss an OVG Lüneburg BeckRS 2010, 45560). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufgrund der großen Anzahl der Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft sowie der Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen (Dusche, Toilette, Küche etc.) können gewisse „Unvollkommenheiten“ der Reinigung entstehen und hinzunehmen sein. Dabei kann auch vom Standard einer durchschnittlichen Mietwohnung abgewichen werden, solange eine menschenwürdige Unterbringung gewährleistet ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Gebühren für seine Unterbringung in einer dezentralen Flüchtlingsunterkunft der Beklagten.
Die Beklagte erhebt für die Benutzung von zugewiesenen Bettplätzen in dezentralen Flüchtlingsunterkünften Gebühren nach Maßgabe ihrer Satzung über die Gebühren für die Benutzung der Flüchtlingsunterkünfte („Gebührensatzung dezentrale Flüchtlingsunterkünfte“) vom 20. Dezember 2017.
Mit Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2018 wurde der Kläger ab 1. Februar 2018 in die dezentrale Flüchtlingsunterkunft …straße 51 im Stadtgebiet der Beklagten aufgenommen und ihm ein Bettplatz zur Verfügung gestellt.
Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag erhob die Beklagte gegenüber dem Kläger für diesen Bettplatz Gebühren ab 1. Februar 2018 in Höhe von monatlich jeweils 283,20 EUR.
Mit Schreiben vom 22. Februar 2018, eingegangen bei der Beklagten am 26. Februar 2018, erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Zur Begründung wurde vorgetragen, der Standard der zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft erfülle die durch EU-Richtlinien festgelegten Mindestnormen nicht. Die von der Staatsregierung formulierten „Leitlinien zu Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber“ (April 2010) finde keine Anwendung. Die Unterkunft weise Mängel auf, insbesondere seien die Duschen im Westteil des Gebäudes nicht mehr zu benutzen, da die Leitungen verstopft seien. Der ganze Stock habe nur 4 Duschen zur Verfügung. Auf dieser Seite des Gebäudes seien ebenfalls die Toiletten nicht benutzbar, so dass nur wenige Toiletten für den ganzen Stock zur Verfügung stünden. Auch sei in diesem Teil des Gebäudes die Küche ohne fließendes Wasser. Im ganzen Gebäude seien Wände und Böden nicht gereinigt. Im Erdgeschoss gebe es Schmutz und schlechte Gerüche, vermutlich durch Mäusekot. Im Erdgeschoss und im ersten Stock seien auf der Westseite die Böden und die Wand neben den Duschräumen durch Wasser beschädigt, so dass sich Schimmel gebildet habe. An der Nordseite des Gebäudes würde in einer Entfernung von ca. 20 m ein mehrstöckiges Gebäude komplett entkernt. Dadurch entstünden Lärm, Staub und häufige Erschütterungen. Es sei nicht klar, ob dort krebserregendes Material beseitigt werde. Aufgrund dessen sei es untragbar, Gebühren für die Unterbringung zu zahlen.
Nachdem die Beklagte dem Widerspruch nicht abgeholfen, sondern der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vorgelegt hatte, wies die Regierung … … mit Bescheid vom 24. Mai 2018, zugestellt ausweislich der Postzustellungsurkunde am 25. Mai 2018, den Widerspruch zurück. Auf die Gründe des Bescheids wird Bezug genommen.
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 25. Juni 2018, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, Klage gegen diesen Bescheid erhoben und beantragt sinngemäß:
Der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2018 in Form des Widerspruchsbescheids vom 24. Mai 2018 wird aufgehoben.
Eine Begründung der Klage erfolgte nicht.
Die Beklagte beantragt mit Schreiben vom 11. Juli 2019,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 5. Juli 2019, zugestellt am 9. bzw. 10. Juli 2019, zur beabsichtigten Entscheidung des Gerichts durch Gerichtsbescheid angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Mai 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung ist die Satzung der Beklagten über die Gebühren für die Benutzung der Flüchtlingsunterkünfte (Gebührensatzung dezentrale Flüchtlingsunterkünfte) vom 20. Dezember 2017. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Satzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere findet die Satzung ihre Rechtsgrundlage in Art. 1, 2 Abs. 1, 8 Kommunalabgabengesetz (KAG).
Auch ist die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2018 (B.v. 16.5.2018 – 12 N 18.9 – BayVBl 2018, 782), nach der Gebührenregelungen für staatliche Asylbewerberunterkünfte mangels vorheriger Gebührenkalkulation für unwirksam erklärt worden sind, auf den konkreten Fall nicht übertragbar. Zum einen handelt es sich hier nicht um eine staatliche, sondern eine städtische Unterkunft. Zum anderen betraf der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedene Fall die Konstellation einer fehlenden Gebührenkalkulation. Der Satzung der Beklagten liegt – soweit ersichtlich – jedoch eine Gebührenkalkulation zugrunde (vgl. hierzu: Sitzungsvorlage der Beklagten Nr. 14-20/V08929, Beschluss des Sozialausschusses vom 28.11.2017). Danach sind insbesondere die Gebühren nicht kostendeckend (Sitzungsvorlage, a.a.O., S. 9).
b) Die Beklagte hat die Gebührensatzung dezentrale Flüchtlingsunterkünfte auch zutreffend auf den konkreten Fall angewandt.
Der Kläger ist nach §§ 1, 2 Gebührensatzung dezentrale Flüchtlingsunterkünfte gebührenpflichtig, da ihm mit Bescheid vom 24. Januar 2018 ein Bettplatz in der dezentralen Flüchtlingsunterkunft …straße 51 zugewiesen worden ist. Eine Gebührenbefreiung des Klägers nach § 2 Abs. 2 Gebührensatzung dezentrale Flüchtlingsunterkünfte ist weder vorgetragen noch erkennbar. Auch die Berechnung der Gebühr nach Maßgabe von §§ 3, 4 Gebührensatzung dezentrale Flüchtlingsunterkünfte ist rechtlich nicht zu beanstanden.
c) Der Kläger kann gegen diese Gebührenforderung nicht mit Erfolg einen Anspruch auf Gebührenminderung oder -freistellung wegen Schlechtleistung einwenden.
Nach dem gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip muss die Höhe der Gebühr Art und Umfang der in Anspruch genommenen Leistung oder Benutzung entsprechen. Das Äquivalenzprinzip ist verletzt, wenn das Ausgleichsverhältnis zwischen Gebühr und Wert der Leistung „gröblich” gestört ist. Da bei einer Gebührenerhebung mittels eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs lediglich eine generalisierende und pauschalierende Bemessung der Abgabe nach der Leistung stattfindet, kann bei Benutzungsgebühren nicht jede behördliche Minder- oder Schlechtleistung einen Anspruch auf Gebührenermäßigung oder den Wegfall der Gebühr nach sich ziehen. Vielmehr muss – um für die Höhe des Gebührenanspruchs erheblich zu sein – eine Leistungsstörung von (nach Art, Dauer und/oder Umfang) gewissem Gewicht vorliegen (vgl. zur Gebührenminderung bei Schlechtleistung: Desens in Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 1. Aufl. 2016, Rn. 556 ff.; zur Gebührenminderung wegen schlechter Straßenreinigung: OVG Lüneburg, B.v. 13.1.2010 – 9 LA 205/08 – NVwZ-RR 2010, 329 m.w.N.).
Abgesehen davon, dass im konkreten Fall vorrangig vor einem Anspruch auf Gebührenminderung ein Anspruch auf Nachreinigung in Betracht kommt (s. hierzu auch: Desens, a.a.O., Rn. 556) und nicht vorgetragen oder ersichtlich ist, dass der Kläger einen solchen gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, sind die Voraussetzungen für eine gröbliche Störung des Ausgleichsverhältnisses zwischen Gebühr und Wert der Leistung nicht erfüllt.
Die Klagepartei hat hier nicht substantiiert vorgetragen und begründet, dass eine Leistungsstörung von gewissem Gewicht vorliegt. Die Widerspruchsbegründung enthält recht allgemeine Behauptungen ohne konkrete Ausführungen. Beispielsweise wird nicht genau dargelegt, warum die Toiletten nicht benutzbar sind; das Gleiche gilt für die geltend gemachten Verschmutzungen und schlechten Gerüche im Erdgeschoss. Zudem wird nicht dargetan, dass es sich um länger andauernde Mängel handelt (vgl. hierzu: Desens, a.a.O., Rn. 557). Der Widerspruch datiert vom 22. Februar 2018; er enthält keine Angaben zur Dauer der Verschmutzungen und der Beeinträchtigungen durch die Baustelle. Da der Kläger jedoch frühestens am 1. Februar 2018 in die Unterkunft eingezogen ist, handelt es sich allenfalls um Mängel von drei Wochen. Eine Klagebegründung, mit der weitere Mängel bzw. die Fortdauer der Mängel konkret hätten geltend gemacht werden können, ist nicht erfolgt.
Hinzu kommt, dass nur der gegebenen Situation entsprechende Reinigungsbemühungen geschuldet werden, so dass Unzulänglichkeiten der Reinigung, die auf die bestehenden Nutzungsverhältnisse zurückzuführen sind, als situationsbedingt hingenommen werden müssen (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O.). Hier ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der großen Anzahl der Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft sowie der Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen (Dusche, Toilette, Küche etc.) gewisse „Unvollkommenheiten“ der Reinigung entstehen können und hinzunehmen sind. Dabei kann auch vom Standard einer durchschnittlichen Mietwohnung abgewichen werden, solange eine menschenwürdige Unterbringung gewährleistet ist. Entsprechend gravierende Mängel werden von der Klagepartei jedoch nicht vorgetragen.
Im Übrigen bleiben die behaupteten Mängel, die mit der Baustelle im Zusammenhang stehen, unberücksichtigt, da diese nicht im Machtbereich der Beklagten liegen. Die Rechtsprechung zur Mietminderung wegen Beeinträchtigungen des Mietobjekts durch Baustellen ist auf den konkreten Fall nicht ohne Weiteres übertragbar. Jedenfalls werden auch insoweit gravierende Auswirkungen auf die Unterkunft nicht substantiiert geltend gemacht; im Hinblick auf den Einsatz krebserregender Stoffe wird lediglich eine Vermutung angestellt.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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