Baurecht

Gebührenbescheid im Anerkennungsverfahren als Prüflaboratorium

Aktenzeichen  M 18 K 16.2309

Datum:
17.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21926
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
MPG § 15 Abs. 5
GebG NRW § 3, § 9

 

Leitsatz

1. Die Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes bei der Gebührenbemessung bedeutet nicht, dass die Gebühr in jedem Fall mindestens in Höhe des entstandenen Verwaltungsaufwandes festgesetzt werden müsse. Eine Gebühr kann in Anwendung des Äquivalenzprinzips auch unter oder über dem jeweiligen Verwaltungsaufwand liegen, doch muss sie sich innerhalb des Gebührenrahmens bewegen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten handelt es sich lediglich um eine Obliegenheit von Nordrhein-Westfalen gegenüber den anderen Ländern als Vertragsparteien des Staatsvertrags und nicht um eine – das GebG NRW ändernde bzw. ausschließende – eigene gesetzliche Grundlage zur Gebührenerhebung mit Festschreibung des Kostendeckungsprinzips. (Rn. 36 – 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 20. April 2016 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Aufgrund des erklärten Verzichts der Parteien auf eine nochmalige mündliche Verhandlung konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der angegriffene Gebührenbescheid des Beklagten vom 20. April 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Er war daher aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte hat das ihm im Rahmen der Gebührenerhebung eingeräumte Ermessen nicht hinreichend erkannt und ausgeübt.
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Anfechtungsklage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.
Gemäß Art. 1 des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten errichtet das Land Nordrhein-Westfalen die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Medizinprodukten (ZLG) als Landesbehörde (im Folgenden ZLG-Abkommen).
Die Gebührenerhebung der ZLG richtet sich somit nach nordrhein-westfälischem Landesrecht. Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung sind (ausschließlich) §§ 3, 9 GebG NRW i.V.m. § 2 Gebührenordnung (AVerwGebO NRW) i.V.m. Tarifstelle 10.6.1.7 (in der Fassung vom 15.12.2015). Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Änderung der Anerkennung nach § 15 Abs. 5 MPG war eine Rahmengebühr von 250,- bis 25.500.- EUR vorgesehen (Tarifstelle 10.6.1.7 a.F.).
Gemäß § 3 GebG NRW hat der Verordnungsgeber bei der Bemessung der Gebührensätze zu beachten, dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung für den Kostenschuldner andererseits ein angemessenes Verhältnis zu bestehen hat. Die Vorschrift konkretisiert das Äquivalenzprinzip, indem sie bestimmt, dass kein Missverhältnis zwischen der Höhe der Gebühr und der Leistung der Behörde bestehen darf. Sie legt aber zugleich abschließend die zulässigen Gebührenzwecke und damit die Kriterien fest, an denen sich die Bemessung der Gebührensätze orientieren kann. Verwaltungsgebühren können danach zum Zwecke der Abgeltung des mit der Amtshandlung verbundenen Verwaltungsaufwands erhoben werden, und außerdem dem Ausgleich eines dem Kostenschuldner durch die Amtshandlung zu Gute gekommenen wirtschaftlichen oder sonstigen Vorteils dienen. Ausschließlich diese Gesichtspunkte – Kostendeckung und Vorteilsabschöpfung – darf der Verordnungsgeber dementsprechend bei der Festlegung der Gebührensätze als Bemessungskriterien heranziehen (OVG NW, B.v. 2.2.2009 – 9 B 1788/08 – juris Rn. 5; U.v. 14.2.2017 – 9 A 2655/13 – juris Rn. 77 ff.).
Die Anwendung von Rahmengebühren ist grundsätzlich zulässig, sofern der Gebührenrahmen hinreichend bestimmt ist (vgl. BVerfG, B.v. 30.5.2018 – 1 BvR 45/15 – juris). Die Behörde hat den Ermessensspielraum innerhalb eines Gebührenrahmens angemessen auszufüllen (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2007 – 26 B 03.1774 – juris Rn. 16).
Gemäß § 9 GebG NRW sind, sofern Rahmensätze für Gebühren – wie vorliegend – vorgesehen sind, bei der Festsetzung der Gebühr im Einzelfall
1. der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand, soweit Aufwendungen nicht als Auslagen gesondert berechnet wurden, sowie
2. die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der Amtshandlung für den Gebührenschuldner sowie auf Antrag dessen wirtschaftliche Verhältnisse (= Äquivalenzprinzip)
zu berücksichtigen.
Rahmengebühren lassen dementsprechend der kostenerhebenden Behörde einen gewissen Ermessensspielraum, um sachgerechte Differenzierungen im Einzelfall zu ermöglichen. Die für die Ermessensausübung erforderliche Abwägung ist primär nach der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem Nutzen der Amtshandlung für den Gebührenschuldner und dem auf Seiten der Behörde anfallenden Verwaltungsaufwand vorzunehmen. Die Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes bedeutet jedoch nicht, dass die Gebühr in jedem Fall mindestens in Höhe des entstandenen Verwaltungsaufwandes festgesetzt werden müsse. Die Gebühr kann in Anwendung des Äquivalenzprinzips auch durchaus unter oder über dem jeweiligen Verwaltungsaufwand liegen, doch muss sie sich innerhalb des Gebührenrahmens bewegen (Weißauer/Lenders, GebG NRW, Stand 2013, § 9 S. 93 f.).
Innerhalb des Gebührenrahmens darf die Behörde eine Pauschalierung und Typisierung der Tarifgestaltung vornehmen, sofern hierdurch kein offensichtlicher, gröblicher Verstoß gegen die Bemessungsgrundsätze, insbesondere eine gegen das Äquivalenzprinzip verstoßende unangemessene Gebühr festgesetzt wird (vgl. BayVGH, B.v. 6.7.2005 – 14 ZB 05.862 – juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 13.5.2009 – 11 A 4656/06 – juris Rn. 26; OVG NW, B.v. 2.2.2009 – 9 B 1788/08 – juris Rn. 5; OVG Lüneburg U.v. 24.3.2003 – 1 LB 152/02 – juris).
Diese Ermessensentscheidungen kann das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen erkannt, von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat.
Dies ist vorliegend nicht erfolgt. Die Behörde hat ihre Gebühr ausschließlich anhand ihrer Kosten- und Leistungsrechnung sowie der zusätzlichen Verwendung von Wertfaktoren angesetzt und hierbei keinen hinreichenden Bezug zu der vom Gesetzgeber vorgesehene Rahmengebühr hergestellt. Der Beklagte hat sich bei der Festsetzung der Gebühr primär dadurch leiten lassen, dass er durch die Gebühr eine Kostendeckung erreicht.
Auch die Regelung in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 ZLG-Abkommen (in der Fassung vom 24. Juli 2012), wonach die ZLG für ihre Tätigkeit im Rahmen der Benennung, Überwachung und Anerkennung kostendeckende Gebühren und Auslagen erhebt, stellt hierfür keine hinreichende Rechtsgrundlage dar.
Die Erhebung einer Gebühr bedarf stets einer formell und materiell rechtmäßigen gesetzlichen Grundlage (st. Rspr. seit BVerfG, B.v. 11.10.1966 – 2 BVR 179/64 – juris Rn. 43), deren weitere Ausgestaltung durch Rechtsverordnung ihrerseits mit der Ermächtigung und mit höherrangigem Recht vereinbar sein muss. Nach diesen Maßstäben bestünden wegen des Gesetzescharakters des Staatsvertrages keine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der gesetzlichen Anordnung der Erhebung von Gebühren. Staatsverträge, die für sich zwischen den Ländern nur Binnenwirkung unter den Vertragspartnern entfalten, erlangen Gesetzeskraft, wenn die Parlamente der jeweiligen Länder mit einem jeweiligen Zustimmungsgesetz dem Staatsvertrag zugestimmt haben. Nach der Landesverfassung des Landes NRW werden Staatsverträge in das Landesrecht transformiert, indem der Landtag zustimmt, Art. 66 Satz 2 Verfassung des Landes NRW. Das Landesparlament hat dem Länderabkommen zugestimmt (GV. NW. 1994, S. 972) sowie die Änderung des Art. 5 des ZLG-Abkommens gebilligt (Bek. des Abkommens vom 24. Juli 2012; GV. NW S. 278). Durch diese Zustimmung erhält das ZLG-Abkommen den Rang eines einfachen Landesgesetzes.
Bei Art. 5 Abs. 1 Satz 1 ZLG-Abkommen handelt es sich lediglich um eine Obliegenheit von Nordrhein-Westfalen gegenüber den anderen Ländern als Vertragsparteien des Staatsvertrags und nicht um eine – das GebG NRW ändernde bzw. ausschließende – eigene gesetzliche Grundlage zur Gebührenerhebung mit Festschreibung des Kostendeckungsprinzips.
Hierfür spricht zum einen der frühere Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 ZLG-Abkommen in der bis zum 1. April 2013 geltenden Fassung, wonach die ZLG „für ihre Tätigkeit kostendeckende Gebühren und Auslagen nach Maßgabe des nordrhein-westfälischen Verwaltungsgebührengesetzes [erhebt].“ In der Gesetzesbegründung zur ursprünglichen Fassung heißt es: „Die Vorschrift regelt die Finanzierung der ZLG. Sie lehnt sich an die entsprechenden Bestimmungen bestehender Abkommen über die Errichtung und Finanzierung gemeinsamer Ländereinrichtungen an. […] Absatz 1 bestimmt, dass nach Maßgabe des nordrhein-westfälischen Verwaltungsgebührengesetzes Gebühren und Auslagen erhoben werden. Absätze 2 bis 4 regeln die Anteilsfinanzierung des nicht gedeckten Finanzbedarfs durch die Länder. Der gesamte, nicht gedeckte Finanzbedarf und alle entstehenden oder entstandenen Kosten werden auf die Länder aufgeteilt.“ (BayLT Drucks. 13/23, S. 5). Dementsprechend sollte die Gebührenerhebung explizit nach dem nordrhein-westfälischen Gebührenrecht erfolgen.
Die Änderung von Art. 5 ZLG-Abkommen zum aktuellen Wortlaut stellt laut der Gesetzesbegründung nur eine „redaktionelle Anpassung an die geänderten Aufgaben nach dem MPG und dem Akkreditierungsstellengesetz dar (vgl. BayLT Drucks. 16/11089, S. 4), sodass dem nunmehr fehlenden Verweis auf das nordrhein-westfälische Gebührenrecht in der aktuellen Fassung keine eigene Bedeutung zukommt. Vielmehr ist weiterhin davon auszugehen, dass das ZLG-Abkommen, wie auch vergleichbare Staatsverträge, die die Einrichtung einer Zentralstelle vorsehen, die Erhebung von Gebühren und Auslagen durch Verweis auf das jeweilige Kostengesetz des Landes der Zentralstelle regeln will (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 2 FernUStV; Art 3 Abs. 1 SiTechZStV; Art. 10 FeStFHStV).
Auch aus der systematischen Stellung der Regelung von Art. 5 ZLG-Abkommen unter der Überschrift „Finanzierung“ im Abkommen lässt sich auf einen rein finanzierungsrechtlichen Charakter schließen, der keine Rechtsgrundlage für Eingriffe in die Rechte der potentiellen Kostenschuldner begründet. Vielmehr wird in Artikel 5 ZLG-Abkommen grundsätzlich die Finanzierung der Zentralstelle, insbesondere auch insoweit, als Kosten nicht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens gedeckt werden können, geregelt.
Schließlich spricht für eine bloße Obliegenheit von Nordrhein-Westfalen, dass es sich bei einer Abänderung von § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 GebG NRW im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Kostendeckung um eine eingriffsintensive Maßnahme handelt, bei der vom Landesgesetzgeber zu erwarten ist, dass er sie bewusst und eindeutig in einer für die potentiellen Kostenschuldner transparenten Art und Weise trifft.
Des Weiteren wurde der Gebührenrahmen unter Tarifstelle 10.6.1.7 auch mehrfach – auch nach Wirksamkeit des Staatsvertrages – neu geregelt, sodass davon auszugehen ist, dass sich der Landesgesetzgeber bewusst weiterhin für die Festlegung einer Rahmengebühr und gegen die Anwendung des Kostendeckungsprinzips entschieden hat. Denn andernfalls wäre es dem Landesgesetzgeber möglich gewesen, in seinem Kostenrecht eine entsprechende eindeutige Regelung aufzunehmen.
Dementsprechend kann der Beklagte die in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 ZLG-Abkommen ihm als Obliegenheit auferlegte Kostendeckung ausschließlich im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Ermessensentscheidung bei der Ausfüllung des Gebührenrahmens berücksichtigen, nicht jedoch als primär zu berücksichtigende Richtschnur und Untergrenze – wie der Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Mai 2019 meint – heranziehen.
Im Übrigen wäre die durch den Beklagten erfolgte Gebührenerhebung selbst dann rechtswidrig, sofern man Art. 5 Abs. 1 Satz 1 ZLG-Abkommen als ausschließliche Rechtsgrundlage betrachten würde. Denn in diesem Fall würde sich die zusätzliche Anwendung eines wirtschaftlichen Wertfaktors verbieten. Das Kostendeckungsprinzip besagt, dass sich die Gebühr allein nach dem Aufwand für die gebührenpflichtige Leistung bemisst und dieses nicht überschritten werden darf (vgl. zur Emissionshandelsgebühr BVerwG, B.v. 1.10.2009 – 7 B 24/09 – juris Rn. 8; VG Oldenburg, U.v. 20.10.2017 – 7 A 2207/15 – beck-online Rn. 33), was regelmäßig durch die Anwendung eines zusätzlichen wirtschaftlichen Wertfaktors der Fall wäre.
Maßstab für die Gebührenerhebung ist demnach das in § 9 Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW verankerte Äquivalenzprinzip, nicht das Kostendeckungsprinzip. Das Äquivalenzprinzip geht davon aus, dass die Gebühr eine Gegenleistung für die Inanspruchnahme der Verwaltung ist und so bemessen sein muss, dass sie in keinem Missverhältnis zur Leistung der Behörde und dem sich daraus für den Gebührenschuldner ergebenden Nutzen steht. Auch Art. 9 Abs. 2 Nr. 1 GebG NRW legt nicht das Kostendeckungsprinzip zugrunde, sondern verlangt lediglich die Berücksichtigung der Kosten des Verwaltungshandelns im Rahmen der Ermessensausübung über die festzusetzende Gebührenhöhe.
Die Grenzen des behördlichen Ermessens, die die Behörde bei der Festsetzung einer konkreten Gebühr im Fall einer Rahmengebühr einzuhalten hat, sind demnach das Äquivalenzprinzip – angemessenes Verhältnis der Gesamtgebührenhöhe zu den Kosten der Verwaltungsleistung (vgl. BVerwG v. 25.07.200 – 6 C 8/00 – juris Rn 13 f.; BayVGH B.v. 5.8.2004 – 22 ZB 04.1853 – juris Rn. 16; B. v. 21.3.2012 – 10 ZB 10.100 – juris Rn. 11) und der Gleichheitssatz – im Wesentlichen gleiche Gebührenhöhe bei im Wesentlichen gleicher Inanspruchnahme der behördlichen Leistungen (OVG Lüneburg U.v. 24.3.2003 – 1 LB 152/02 – juris Rn. 20).
Ein relevanter Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip liegt dann vor, wenn zwischen der Höhe der Gebühr und dem Verwaltungsaufwand, sowie den anderen Kriterien ein offensichtliches Missverhältnis besteht. Der Höchstbetrag des Gebührenrahmens muss notwendigerweise solchen Fällen vorbehalten bleiben, die einen gesteigerten, über den Durchschnittfall hinausgehenden wirtschaftlichen Wert bei hohem Aufwand mit sich bringen. Dem mittleren Bereich des Gebührenrahmens sind Fälle zuzuordnen, die einen durchschnittlichen Aufwand hervorrufen und einen durchschnittlichen wirtschaftlichen Wert für den Gebührenschuldner haben. Dabei darf allein der übliche Anstieg von Verwaltungskosten (Sach-, Personalmittel) während der Gültigkeit eines Gebührenrahmens grundsätzlich nicht die Annäherung der Festsetzungspraxis an die Obergrenze rechtfertigen, außer der Normgeber hat, um häufigere Anpassung der Regelung zu erübrigen, solchen Spielraum nach dem deutlichen Sinn und Zweck des Rahmens mitgebilligt (OVG Berlin, U.v. 25.8.1992 – 8 B 59.91 – juris Rn. 20). In Fällen mit einem geringem Verwaltungsaufwand und geringem wirtschaftlichen Nutzen für den Antragsteller darf nur eine Gebühr im unteren Bereich des Gebührenrahmens erhoben werden, wobei es auch Fälle geben muss, die zur Ausschöpfung des Gebührenrahmens dem untersten Wert zuzuordnen sind.
Der Beklagte hatte den Gebührenrahmen nicht hinreichend berücksichtigt; insbesondere ist er hierbei auch im konkreten Fall von einem unzutreffenden Gebührenrahmen ausgegangen.
Entsprechend der – von dem Beklagten mit E-Mail vom 12. November 2018 vorgelegten – verwaltungsinternen Verfahrensanweisung zur Gebührenbemessung und Auslagenerstattung der ZLG werden bei kombinierten Verfahren der ZLG und D* … von dem ermittelten Aufwand 25% als Gebühr für die Anerkennung an den Antragsteller und 75% als Kosten an die D* … weitergegeben (S. 8).
Hinsichtlich einer solchen Pauschalierung der Kostenaufteilung bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, sofern diese behördeninterne Ermessensrichtlinie ihrerseits den Vorgaben des § 9 Abs. 1 Satz 1 GebG NRW angemessen Rechnung trägt und die Behörde bei der Anwendung der Empfehlungen auf einen konkreten Fall nicht zu prüfen versäumt, ob es sich überhaupt um einen typischen Fall handelt (vgl. OVG NRW B.v. 8.12.2017 – 9 B 1216/17, juris Rn. 24). Die Verfahrensanweisung enthält eine entsprechende Regelung, wonach in besonders gelagerten Fällen der Verfahrensbearbeiter eine abweichende Regelung mit der Verwaltung abstimmt (S. 9).
Wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2018 ausführte, gibt es auch Verfahren, die ausschließlich zu einer Anerkennung nach § 15 Abs. 5 MPG führen können. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die unter der Tarifstelle 10.6.1.7 a.F. festgelegte Rahmengebühr für die Fälle gilt, in denen tatsächlich ausschließlich ein Anerkennungsverfahren nach § 15 Abs. 5 MPG erfolgt. Für die Fälle, für die parallel hierzu ein Akkreditierungsverfahren abgerechnet wird, und somit 75% der Kosten anderweitig abgerechnet werden, muss dementsprechend folgerichtig die Rahmengebühr auf 25% reduziert werden, sodass sich ein Gebührenrahmen von 62,50 Euro bis 6.375 Euro ergibt. Die vorliegend festgesetzte Gebühr von 4.250,40 Euro befindet sich damit bereits im obersten Drittel des Gebührenrahmens.
Da die ZLG keine Regelgebührentarife zur Verwaltungsvereinfachung und Gewährleistung gleichartiger Bewertungsmaßstäbe für die typischen Fallgestaltungen entwickelt hat, sind für die Einordnung der Gesamtgebührenhöhe in den unteren, mittleren oder oberen Bereich des Gebührenrahmens im Einzelfall die Ermessungserwägungen darzulegen, wobei bei dem Ansatz einer geringen oder mittleren Gebühr regelmäßig geringe Anforderungen an die Ermessensausübung zu stellen sind (OVG NW, B.v. 27.6.2017 – 9 A 776/15 – juris Rn. 26 f).
Vorliegend ergeben sich jedoch weder aus den Behördenunterlagen noch aus Ausführungen im gerichtlichen Verfahren hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beklagte des Gebührenrahmens hinreichend bewusst war und die errechnete Gebühr abschließend in Relation zu dem Gebührenrahmen gesetzt und insoweit eine Ermessensentscheidung getroffen hat.
Zwar wird der Gebührenrahmen auch in der Verfahrensanweisung genannt und dort festgestellt, dass die Festsetzung der tatsächlichen Gebühr innerhalb des festgelegten Gebührenrahmens im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens erfolgen müsse. Anhaltspunkte für eine tatsächliche Überprüfung der ermittelten Gebühr anhand des anzulegen Gebührenrahmens ergeben sich vorliegend nicht. Vielmehr wird im Schriftsatz des Beklagten vom 18. April 2019 lediglich auf die aktuell geltende (und vorliegend nicht zur Anwendung kommende) Rahmengebühr von 500 bis 30.000 EUR Bezug genommen. Es ist auch nicht offensichtlich, warum vorliegend die Gesamtgebühr von typischen Fällen so abweicht, dass sie bei Zugrundelegung des gekürzten Gebührenrahmens im oberen Bereich gerechtfertigt wäre. Vieles spricht dafür, dass im Verwaltungsverfahren zur Erweiterung der Anerkennung als Prüflaboratorium der Klägerin kein von typischen Fällen abweichender Aufwand verursacht wurde.
Schließlich bestehen erhebliche Bedenken dagegen, dass der Beklagte seine Gebühr primär durch Zugrundelegung seiner Kosten- und Leistungsrechnung und dementsprechend des Zeitaufwands ermittelt. Der Beklagte behandelt die Rahmengebühr damit wie eine Zeitgebühr. Im Fall einer Rahmengebühr ist die Feststellung des Aufwands im konkreten Fall jedoch lediglich der Anknüpfungspunkt für die Einordnung in den Gebührenrahmen mit Blick darauf, ob sich die Amtshandlung im konkreten Fall als einfach, durchschnittlich oder aufwendig dargestellt hat (OVG NW, U.v. 27.6.2017 – 9 A 776/15 – juris Rn. 14 und 17, B. v. 8.12.2017 – 9 B 1216/17 – juris Rn. 28 f.).
Auch die Herangehensweise des Beklagten, den wirtschaftlichen Wert der Leistung auf der Basis der durch die Leistung verursachten Kosten zu ermitteln, stößt auf Bedenken. Zwar erscheinen die herangezogenen Faktoren für die Wertermittlung (Geltungsbereich und Personal) als nachvollziehbar, Bedenken bestehen jedoch insoweit, als der ermittelte wirtschaftliche Wert mit den ermittelten Kosten multipliziert wird. Dem Gericht erschließt sich dieser hierdurch zugrunde gelegte Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und den Kosten der Leistung nicht.
Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der Behörde sowohl bei der Festlegung und Schätzung des wirtschaftlichen Nutzens ein weiter Ermessensspielraum zusteht und nicht jeder wertbildenden Faktor berücksichtigt werden muss, sodass insoweit von der Behörde keine detaillierten Berechnungen angestellt werden müssen. Zum anderen ist der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand nicht im Einzelfall genau zu ermitteln, sondern auch einer Schätzung durch die Behörde zugänglich (vgl. OVG NW, B.v. 18.8.2004 – 9 B 1591704 – juris). Nicht erforderlich ist ferner eine eingehende Aufschlüsselung und Bezifferung der Amtshandlungskosten. Gebühren werden in der Regel in Massenverfahren erhoben, bei denen die Gebühr in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit vielfach nur nach Wahrscheinlichkeiten pauschaliert werden kann (BVerwG, U.v. 13.4.2005 – 6 C 5/04 – juris Rn. 19 f.). In Anwendung dieser Grundsätze bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen die vorgenommene Pauschalierung bei dem Kostenansatz des Beklagten. Ebenso sind Gebührenausgestaltungen möglich, bei denen eines der beiden maßgeblichen Kriterien bei der Gewichtung zurücktreten kann. Zweifel bestehen allenfalls insoweit, als der Beklagte eine jährliche Berechnung durchführt, die vorliegend zu einer erheblichen Ungleichbehandlung der Antragsteller je nach Antragsdatum führt. Durch den Bezugsrahmen für die Kostenermittlung von nur einem Jahr ergeben sich – möglicherweise auch durch nur in diesem Jahr vorliegende Sonderfaktoren – erheblich unterschiedliche Stundensätze.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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