Baurecht

Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch Werbeanlage

Aktenzeichen  AN 3 K 16.00277

Datum:
4.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 46217
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FStrG § 9 IIIa
BayBO Art. 8, 14 II, 59, 68 I 1

 

Leitsatz

Das Aufstellen einer beleuchteten Werbeanlage in einem Abstand von 7 bis 8 Metern zu einer Lichtzeichenanlage führt mit mindestens hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verkehrsgefährdung iSv Art. 14 II BayBO. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist in Ziffer 2 vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung.
1.
Dem Vorhaben steht Art. 14 Abs. 2 BayBO entgegen, wonach die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen nicht gefährdet werden darf.
Die Vorschrift ist zwar nicht Gegenstand des hier einschlägigen vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO. Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO durfte die Beklagte den Bauantrag jedoch auch wegen der Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften ablehnen, die nicht im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erfordert die Anwendung des Art. 14 Abs. 2 BayBO eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs.
Für eine solche konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs ist jedoch nicht die überwiegende oder hohe Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass durch die Werbeanlage ein Verkehrsunfall verursacht oder der Verkehr in seinem Ablauf behindert wird. Vielmehr liegt eine konkrete Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch eine bauliche Anlage bereits dann vor, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender oder „bloßer“ Wahrscheinlichkeit ein Verkehrsunfall oder doch eine Verkehrsbehinderung in überschaubarer Zukunft zu erwarten ist (vgl. BayVGH, B. v. 27.10.2011 – 15 ZB 10.2409).
Geht es um die Gefährdung von Leben und Gesundheit als hochrangige Rechtsgüter sind an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen (vgl. auch VG Augsburg, U. v. 16.12.2015 – AU 4 K 15.869).
Bei Verwirklichung des Bauvorhabens der Klägerin ist mit einer solchen hinreichenden, bloßen Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Verkehrsunfalls oder einer Verkehrsbehinderung in überschaubarer Zukunft zu rechnen.
Die … Straße in …, eine Bundesstraße, weist an dem Vorhabenstandort bzw. der Kreuzungssituation je Fahrtrichtung drei Spuren, mithin insgesamt sechs Fahrspuren auf. Nach Stellungnahme der Polizeiinspektion … vom 3. November 2015 handelt es sich bei der … Straße um eine der meist befahrenen Einfall- und Ausfallstraßen im Stadtgebiet … In unmittelbarer Nähe zum Vorhabenstandort befindet sich die Straßenkreuzung der … Straße mit der …-straße und der …-straße, mithin einem komplexen Verkehrsknotenpunkt. Der Kreuzungsverkehr ist durch eine Lichtzeichenanlage geregelt. Die beantragte Werbeanlage soll in einem Abstand von nur 7 m bis 8 m vor dieser Lichtzeichenanlage errichtet werden.
Dahinstehen kann dabei, ob durch die Errichtung der Werbeanlage bereits die Lichtzeichenanlage direkt verdeckt wird. Jedenfalls führt das Aufstellen der Werbeanlagen in einem so geringen Abstand zur Lichtzeichenanlage mit mindestens hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verkehrsgefährdung; es ist damit zu rechnen, dass die Ablenkung durch die Anlage derart extensiv ist, dass es zu einem Schadenseintritt und auch Gefahr für Leib und Leben von Personen kommt.
Aufgrund des erheblichen Verkehrsaufkommens auf der … Straße verlangt der Kreuzungsbereich dieser Straße mit der …- und der …-straße die gesamte Aufmerksamkeit des Verkehrsteilnehmers. Die Errichtung der beantragten Außenwerbeanlage in einer Entfernung von nur 7 m bis 8 m lässt jedoch befürchten, dass diese Anlage, zumal sie beleuchtet ist, die Verkehrsteilnehmer von der kritischen Verkehrssituation und der Lichtzeichenanlage – und zwar gerade unmittelbar im Kreuzungsbereich bzw. kurz davor – ablenkt.
Auf dem Abschnitt der … Straße, innerhalb welchem die Verkehrsteilnehmer die Werbeanlage erfassen können, hat deren gesamte Aufmerksamkeit auf die Bremsvorgänge, wie sie vor einer „Rot“ zeigenden Lichtzeichenanlage stattfinden, und auf die entsprechenden Abbiegevorgänge und die damit einhergehenden Bremsvorgängen gerichtet zu sein. Eine entsprechende Ablenkung lässt mit mindestens hinreichender Wahrscheinlichkeit den Eintritt von Sach- und Personenschaden befürchten.
Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ist aufgrund der Größe der Tafel von über 11 qm und der Beleuchtung zu erwarten, dass der Reiz, den die Lichtzeichenanlage dem Verkehrsteilnehmer senden soll, stark beeinträchtigt und abgeschwächt wird.
Für die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Verkehrsunfalls oder einer Verkehrsbehinderung ist es nicht erforderlich, dass der Konzentration erfordernde Verkehrsbereich bereits einen Unfallschwerpunkt darstellt. Dass sich gemäß Stellungnahme der Polizeiinspektion … der oben genannten Kreuzungsbereich noch nicht als Unfallschwerpunkt darstellt, vermag die Zulässigkeit der geplanten Werbeanlage an diesem Standort nicht zu rechtfertigen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt zu dieser Frage aus, dass eine Art Probephase, ob sich bei einer Genehmigung einer solchen Werbeanlage Unfälle mit schwerwiegenden Folgen ereignen können, sich verbiete angesichts der Gefährdung der hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit, auch in Abwägung mit den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin (BayVGH, B. v. 27.10.2011 – 15 ZB 10.2409).
2.
Auf die Frage, ob dem Bauvorhaben auch § 9 Abs. 3a FStrG entgegensteht, wonach die Sicherheit und die Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet sein müssen, braucht vorliegend aufgrund der Einschlägigkeit des Art. 14 Abs. 2 BayBO nicht mehr eingegangen zu werden.
§ 9 Abs. 3a i. V. m. Abs. 3 FStrG hat insoweit einen anderen sachlichen Anwendungsbereich als Art. 14 Abs. 2 BayBO, als durch die Norm des Fernstraßengesetzes bereits ein „normaler“ Verkehrsablauf geschützt wird, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen bestehen muss. Bereits der reibungslose und ungehinderte Verkehr soll geschützt werden, eine im Einzelfall bestehende gegenwärtige Gefahr braucht nicht zu befürchten sein (vgl. BayVGH, B. v. 25.10.2011 – 15 ZB 10.2590; BayVGH, U. v. 16.10.1990 – 14 B 89.835).
3.
Da die Versagung der Baugenehmigung bereits aufgrund der Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs rechtmäßig ist, bedarf es keiner Erörterung, ob der Vorhabenstandort und seine unmittelbare Umgebung eine störende Häufung von Werbeanlagen im Sinne des Art. 8 Satz 3 BayBO aufweisen.
4.
Der Kostenausspruch resultiert aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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