Baurecht

Gerichtlicher Vergleichsvorschlag – Errichtung einer landwirtschaftlichen Anlage

Aktenzeichen  15 B 16.1379, 15 B 16.1380, 15 B 16.1381

Datum:
22.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133248
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 2 Abs. 1
BNatSchG § 14
VwGO § 106 S. 2

 

Leitsatz

Vorschlag des Gerichts für einen Vergleich (unter Berücksichtigung eines Beschlusses des Gemeinderats), wonach die Errichtung eines landwirtschaftlichen Anwesens von der Baugenehmigungsbehörde zugelassen wird und sich der Bauherr im Gegenzug ua zu einem Verzicht auf die Errichtung weiterer baulicher Anlagen sowie zur Durchführung naturschutzfachlicher Ausgleichsmaßnahmen verpflichtet. (Rn. 1) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 K 15.307 2016-02-18 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Das Gericht unterbreitet der Klägerin und dem Beklagten nach § 106 Satz 2 VwGO folgenden Vergleichsvorschlag:
1. Die Klägerin verfolgt ihre Bauanträge in den Fassungen vom 7. Juli 2011 (Az. Landratsamt Aichach-Friedberg A1100623; Streitgegenstand im Verfahren 15 B 16.1379), vom 8. Dezember 2012 (Az. Landratsamt Aichach-Friedberg A1200956; Streitgegenstand im Verfahren 15 B 16.1380) und vom 10./12. Juni 2014 (Az. Landratsamt Aichach-Friedberg A1400475; Streitgegenstand im Verfahren 15 B 16.1381) nicht mehr weiter.
2. Die Klägerin ändert ihren Bauantrag vom 19./21. März 2016 / 28./30. Mai 2016, der beim Landratsamt Aichach-Friedberg unter dem Aktenzeichen A 1600281 geführt wird, dahingehend ab, dass der Futterstand und die befestigte Auslauffläche auf den Grundstücken FlNr. 261 und 262 Gemarkung Kissing nach Osten hin zum Feld Weg auf dem Grundstück FlNr. 265 einen Abstand von mindestens 50 m aufweisen. In dem Bauantrag ist auch der vollständige Bauten- und Nutzungsbestand mit aufzunehmen. Die Klägerin reicht über die Beigeladene entsprechende Tekturpläne einschließlich einer landschaftspflegerischen Begleitplanung mit einer konkreten Betriebsbeschreibung ein, die den Betriebsablauf darstellt.
3. Um einen für die Biotopvernetzung noch funktionsfähigen „Korridor“ auf Dauer zu gewährleisten, verpflichtet sich die Klägerin, in Zukunft keine (weiteren) baulichen Anlagen mit Ausnahme von Weidezäunen in einem Abstand von weniger als 50 m zum östlich ihres Anwesens gelegenen Feld Weg auf dem Grundstück FlNr. 265 Gemarkung Kissing zu errichten. Desweiteren verpflichtet sich die Klägerin, diese Flächen in der Zeit von 1. April bis 30. Juni nicht zu beweiden. Es erfolgt eine einmalige Nachsaat der Fläche mit Regiosaatgut für Feuchtwiesen nach Empfehlung des Saatgutherstellers. Die Saat erfolgt in zeitlicher Absprache mit der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts. Ab dem 2. Jahr nach der Ansaat darf der erste Schnitt dieser Fläche frühestens ab 15. Juni erfolgen.
Die Klägerin erklärt sich mit einer Auflage im Baugenehmigungsbescheid einverstanden, wonach die Errichtung weiterer baulicher Anlagen (Art. 2 Abs. 1 BayBO) mit Ausnahme von Weidezäunen und eine Beweidung in der Zeit von 1. April bis 30. Juni in einem Abstand von weniger als 50 m zu dem Feld Weg zu unterlassen ist. Die Klägerin verpflichtet sich, auf der Grundlage eines notariellen Vertrags zugunsten des Freistaates Bayern beschränkte persönliche Dienstbarkeiten zu Lasten ihrer Grundstücke FlNr. 261 und 262 Gemarkung Kissing mit jeweils nachfolgendem Inhalt im Grundbuch eintragen zu lassen:
„Das Eigentum an dem Grundstück wird dahingehend beschränkt, dass die Errichtung baulicher Anlagen (Art. 2 Abs. 1 BayBO) mit Ausnahme von Weidezäunen und eine Beweidung in der Zeit von 1. April bis 30. Juni in einem Abstand von weniger als 50 m zum Feld Weg auf dem Grundstück FlNr. 265 Gemarkung Kissing unterbleibt.“
4. Der naturschutzrechtliche Ausgleich für die Beeinträchtigung der Funktion des Biotopverbunds erfolgt ausschließlich durch den in diesem Vergleich festgesetzten Nutzungsverzicht im 50 m-Bereich westlich des Feldwegs (vgl. Nr. 3). Der flächenmäßige Ausgleich gemäß §§ 14 ff. BNatSchG erfolgt für alle neu zu genehmigenden baulichen Anlagen auf dem Grundstück FlNr. 2933 Gemarkung Kissing nach Maßgabe der Verordnung über die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft (Bayerische Kompensationsverordnung – BayKompV) vom 7. August 2013 (GVBl. S. 517).
5. Die Klägerin erklärt sich mit der Aufnahme der folgenden Formulierung in den Baugenehmigungsbescheid wegen des erforderlichen Retentionsausgleichs einverstanden:
Mit dem Bauvorhaben darf erst begonnen werden, wenn der im genehmigten landschaftspflegerischen Begleitplan des Büros Rösel vom 9. November 2017 dargestellte Retentionsraumausgleich auf der FlNr. 2933 der Gemarkung Kissing beanstandungsfrei hergestellt wurde. Als Nachweis für die beanstandungsfreie Herstellung ist eine entsprechende Bestätigung des Wasserwirtschaftsamtes vorzulegen.
6. Die Klägerin erklärt sich mit den folgenden abschließend aufgezählten naturschutz- und artenschutzrechtlichen Auflagen einverstanden:
a. Der landschaftspflegerische Begleitplan (LBP) des Büros Rösel vom 9. November 2017 ist Bestandteil der Baugenehmigung. Die Eingrünungs- und Ausgleichsmaßnahmen entsprechend dem LBP dienen als naturschutzrechtliche Vermeidungs-, Minimierungs- und Kompensationsmaßnahmen für die mit den Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft. Jede anderweitige Nutzung der Flächen gemäß 4.1.1 bis 4.1.3 LBP, die den naturschutzfachlichen Zielen entsprechend dem LBP widerspricht, ist ausgeschlossen. Unzulässig sind insoweit u. a. Auffüllungen, Entwässerungen, Freizeitnutzungen und fischereiliche Nutzungen. Zulässig bleibt weiterhin eine extensive landwirtschaftliche Nutzung, wie sie im LBP beschrieben ist.
b. Alle Eingrünungsmaßnahmen gemäß dem LBP sind spätestens im ersten Vegetationsjahr nach Erstellung des Rohbaus der baulichen Anlage (Reithalle oder Laufhof mit Liegehalle) herzustellen. Die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gemäß dem LBP sind innerhalb von 6 Monaten nach Baubeginn der ersten noch nicht errichteten baulichen Anlage (des neuen Reitplatzes, der geplanten Reithalle oder des geplanten Laufhofs mit Liegehalle) plan- und bescheidsgerecht herzustellen.
c. Bei allen Pflanzungen sind ausschließlich Gehölze mit Herkunftsnachweis zu verwenden (autochthone, bzw. gebietseigene Gehölze). Entsprechend der Lage des Landkreises Aichach-Friedberg ist die Herkunftsregion (= Vorkommensgebiet) 6.1 „Alpenvorland“ nach den Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit (Rundschreiben „Vorkommensgebiete für gebietseigene Gehölze“, Stand 22. Oktober 2013) zu wählen. Die im Plan genannten Pflanzqualitäten und Mengen sind einzuhalten. Die im LBP dargestellten Ansaatflächen sind vollständig mit zertifiziertem Wildpflanzensaatgut aus dem Wuchsgebiet (Produktionsraum 8) anzusäen. Die Mischungszusammensetzung ergibt sich aus dem LBP. Als Nachweis für die Verwendung der Wildpflanzensaatgutmischung und der autochthonen Gehölzqualität sind jeweils ein Lieferschein der Bezugsfirma sowie der Herkunftsnachweis (Zertifikat gemäß Mindeststandards der Zertifizierung gebietseigener Gehölze in Bayern, bzw. Zertifikat des Verbands deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten) vorzulegen.
d. Die Bauherrin bzw. deren Rechtsnachfolger hat die dauerhafte Erhaltung aller Eingrünungs- und Ausgleichs- / Ersatzmaßnahmen gemäß o.g. Plan sicherzustellen. Die im LBP enthaltenen Bewirtschaftungsbeschränkungen sind dabei dauerhaft einzuhalten. Die Pflegearbeiten auf den Ansaatflächen sind für die Dauer von 10 Jahren, mindestens aber bis zur Erreichung des Entwicklungszieles vom Vorhabenträger durchzuführen. Alle Pflanzungen sind mit einer Fertigstellungspflege und einer Entwicklungs- und Unterhaltungspflege gemäß den Vorgaben des LBP zu versehen. Die Pflanzungen sind bei auftretenden Wildschäden mindestens 5 Jahre durch einen Wildschutzzaun zu schützen. Im Bereich der Pferdeausläufe ist ein dauerhafter (Verbiss-) Schutz herzustellen. Ausfallende Gehölze sind art- und qualitätsgleich zu ersetzen. Die Ansaaten sind erfolgreich zu etablieren und anschließend jährlich nach dem 15. Juni zu mähen. Aufkommende Neophyten (z. B. Indisches Springkraut, Goldrute, Herkulesstaude etc.) sind zum Blühbeginn zu mähen, um eine unkontrollierte Ausbreitung zu verhindern. Das Mähgut ist jeweils von dem gemähten Grundstück abzutransportieren.
e. Sicherheitsleistung:
Zur Sicherung der Herstellung der im o. g. geprüften und genehmigten Plan dargestellten Eingrünungs-, sowie Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach LBP ist eine Sicherheitsleistung in Höhe von 16.500 Euro vorzulegen. Davon entfallen auf die Eingrünungsmaßnahmen 8.000 Euro sowie auf die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen 8.500 Euro. Die Vorlage einer unbefristeten Bankbürgschaft ist ausreichend. Mit dem Bau darf erst begonnen werden, wenn die Sicherheit geleistet ist. Vor Rückgabe der Sicherheitsleistung hat die Bauherrin die Bescheinigung über die beanstandungsfreie Abnahme der herzustellenden Ausgleichs- / Ersatzmaßnahmen vorzulegen. Die Abnahmebegehung erfolgt, ggf. getrennt nach Eingrünungs-, sowie Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durch die untere Naturschutzbehörde auf Antrag der Bauherrin nach der Fertigstellungspflege, also eine Vegetationsperiode nach Herstellung. Soweit die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vor der Eingrünungsmaßnahme – oder umgekehrt – abgenommen sind, kann die Bauherrin die Herausgabe des jeweiligen Sicherheitsteilbetrages fordern.
f. Die Umsetzungen der landschaftspflegerischen Maßnahmen entsprechend dem LBP sind während der Baumaßnahme und für den Zeitraum der Fertigstellungspflege durch eine sachkundige Person (Landschaftsarchitekt oder Biologe) zu begleiten (ökologische Baubegleitung). Der dafür verantwortliche Baubegleiter ist der Genehmigungsbehörde vor Beginn der Arbeiten bekannt zu geben. Nach Fertigstellung der landschaftspflegerischen Maßnahmen ist ein Bericht zu frist- und sachgerechten Durchführung der Vermeidungssowie der festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen Unterhaltsmaßnahmen vorzulegen. Der Monitoringbericht entsprechend Ziffer 4.3 des LBP ist spätestens 8 Jahre nach Ablauf der Herstellungsfrist (siehe Auflage b) bei der unteren Naturschutzbehörde vorzulegen.
g. Auf den Grundstücken FlNr. 261 und 262 der Gemarkung Kissing dürfen bauliche Anlagen mit Ausnahme von Weidezäunen in einem Abstand von weniger als 50 m zu dem östlich des Anwesens der Bauherrin gelegenen Feld Weg auf dem Grundstück FlNr. 265 der Gemarkung Kissing nicht errichtet werden. Außerdem ist die Beweidung dieser Flächen in einem Abstand von weniger als 50 m zu diesem Feld Weg in der Zeit vom 1. April bis 30. Juni zu unterlassen. Ab dem 2. Jahr nach der Ansaat darf der erste Schnitt dieser Fläche frühestens ab 15. Juni erfolgen.
h. Sollte sich aufgrund des Monitorings (vgl. 4.3 des LBP) ein Anpassungsbedarf im Hinblick auf Pflegemaßnahmen ergeben, bleiben weitere Auflagen vorbehalten.
7. Der Beklagte verpflichtet sich, nach Eintragung der Dienstbarkeiten (vgl. Nr. 3 Abs. 2 Satz 2) die Baugenehmigung nach Maßgabe der nach Nr. 2 einzureichenden Tekturpläne und Unterlagen unter den üblichen Auflagen sowie unter den unter Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 und Nr. 6 genannten Auflagen und der unter Nr. 5 genannten Bedingung zu erteilen.
8. Sollte für die Erschließung mit Trinkwasser und zur ordnungsgemäßen Abwasserentsorgung des Vorhabens ein rechtliches Erfordernis entstehen oder – unabhängig davon – die Klägerin solche Anlagen errichten, hat sie – bezogen auf ihr Bauvorhaben – die Anlagen bei entsprechender Maßgabe der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen eigenständig und auf eigene Kosten herzustellen.
9. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
II. Dieser Vergleichsvorschlag wird wirksam, wenn er von der Klägerin und dem Beklagten durch schriftliche Erklärungen angenommen wird, die bis spätestens 24. November 2017 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen sein müssen.

Gründe

Die Rechtsgrundlage für den Vergleichsvorschlag bildet § 106 Satz 2 VwGO. Der Inhalt des Vorschlags baut auf dem vormaligen Vergleichsvorschlag des Senats vom 18. August 2017 im Anschluss an den Augenscheintermin vom 16. August 2017 auf und berücksichtigt den Beschluss des Gemeinderats der Beigeladenen vom 21. September 2017 zu TOP 9 sowie die zwischenzeitlich erfolgten Absprachen zwischen der Klägerin und dem Beklagten (vgl. Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 15. November 2011). Auf das Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 25. September 2017 wird Bezug genommen.
Für den Fall, dass die Klägerin und der Beklagte dem Vergleich zustimmen, beabsichtigt der Senat, die Verfahren im Anschluss durch Beschluss deklaratorisch für beendet zu erklären und die Streitwerte unter Übernahme der jeweiligen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts festzusetzen.


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